STIMME DER WISSENSCHAFT

DEMOKRATIE-REFORM

ÖKOLOGIE — STAAT — GESELLSCHAFT

BIOTELIE

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Aktionsgemeinschaft STIMME DER WISSENSCHAFT (als Modellversuch) im Internet


Biotele Aspekte im Zusammenhang mit der Philosophie des Aristoteles und Immanuel Kants

Max Scheler Die Stellung des Menschen im Kosmos

Wenn ich auch an vielen Stellen betont habe, daß die biotelen Aspekte als Teilziele und methodische Hilfen als gleichrangig zu betrachten seien und in beliebiger Reihenfolge behandelt werden können, so hat sich ziemlich spontan und ohne mein Zutun doch eine Gliederung in sechs Aspektepaare eingestellt, welche der Merkfähigkeit entgegenkommt. Da ich mit die Politik des Aristoteles in der Fassung:

Aristoteles Politik, Übersetzt und mit erklärenden Anmerkungen und Registern versehen von Eugen Rolfes, Philosophische Bibliothek Band 7, dritte Auflage, Verlag von Felix Meiner, Hamburg, 1958

nun wohl zum dritten Mal vorknüpfte, wurde ich gewahr, daß die biotelen Aspekte schon von diesem über das Mittelalter hinweg bis zur Zeit der Aufklärung beherrschenden Geist durchaus beschrieben wurden und mich wohl unbewußt  bei meinem weiteren Studium begleitet und geleitet hatten.
Im historischen Augenblick des nun geradezu erdrutschartigen Zusammenbruchs der abendländischen Zivilisation, fühle ich mich gedrängt, deren überlegenen Schatz ins Bewußtsein zurückzuholen und eine Selbstbesinnung zu fördern, die allein den eingeleiteten , selbst zerfleischenden Kampf der Kulturen abbrechen und in eine Ordnung gegenseitiger Toleranz überführen könnte. Europa in seiner kulturellen Vielfalt hat die Explosion der modernen Technologie in die Welt gebracht und ist für deren Steuerung wieder hin zur Erhaltung des Naturgleichgewichtes verantwortlich und wohl auch allein fähig.

Es ist m. E. nicht richtig, daß der Staat unausweichlich im Absterben begriffen sei und die Entwicklung zu einer Weltgesellschaft hin dränge, wie die sozialistisch geprägte sowohl wie auch die kapitalistische und teilweise die muslimische Öffentlichkeit sich haben einreden lassen. Wenn der Staat als menschlicher Instinktersatz und -ergänzung, der seiner Funktion nur als Rechtsstaat gerecht wird, heute von  Interessengruppen immer mehr ausgetrickst und instrumentalisiert wird, so ist dies ein bedenklicher und pathologischer Zustande, der zur Änderung drängt. Aristoteles versteht den Staat als unentbehrliches Werkzeug zur Erhaltung menschlichen Lebens, wie es nur in geordneter Gemeinschaft möglich ist. Es scheint mir auch kein Zufall zu sein und auch keine "höhere Einsicht" eines von Hegels dialektischer Trickkiste beeinflußten Karl Marx, daß mit der sozialistisch-proletarischen Weltgesellschaft — in der die Kinderproduktion die einzige körperliche Arbeit ist — der errichtete diktatorisch-proletarische Zwangsstaat, die Perversion und Gegenbild eines Rechtsstaates, sozusagen von allein absterben sollte. Für was brauchen wir eine Rechtsordnung, wenn sich doch alle auf eine schwesterlich-brüderliche Gesinnung geeinigt haben! Diese illusionäre kommunistisch-sozialistische Utopie ist noch lange nicht aus den Köpfen, ja sie wird vielleicht über Menschengedenken fortdauern, aber sie darf niemals mehr Staatsdoktrin werden! Liebe anstelle von Recht innerhalb einer unüberschaubar zahlreichen einigen Menschheitsfamilie, ach welch rührende Vorstellung; und nicht einmal tadeln soll man sie dürfen! Man wird doch noch träumen dürfen! Darf man eben nicht, wenn das Überleben auf dem Spiel steht!

„Erstes  Buch. 1. Kapitel
Da jeder Staat uns als eine Gemeinschaft entgegentritt und jede Gemeinschaft als eine menschliche Einrichtung, die ein bestimmtes Gut verfolgt — denn um dessentwillen, was ihnen ein Gut zu sein scheint, tun alle alles —, so erhellt, daß zwar alle Gemeinschaften nach irgendeinem Gute streben, vorzugsweise aber nach dem allervornehmsten Gute diejenige, die die vornehmste von allen ist und alle anderen in sich schließt. Das ist aber der sogenannte Staat und die staatliche Gemeinschaft.
Die nun meinen, daß zwischen dem Leiter eines Freistaates oder eines Königreichs, einem Hausvater und einem Herrn kein wesentlicher Unterschied bestehe, haben unrecht. Sie glauben nämlich, diese verschiedenen Inhaber bestimmter Gewalten unterschieden sich je nach der großen oder kleinen Zahl, aber nicht der Art nach, so nämlich, daß wer nur wenige unter sich habe, ein Herr sei, wer ihrer mehr ein Hausvater, und wer noch mehr, Leiter eines Freistaates oder Königreichs, da ja zwischen einem großen Hause und einem kleinen Staate kein Unterschied sei; was aber den Leiter eines Freistaats und den eines Königreichs betreffe, so sei einer, wenn er allein und selbstherrlich vorstehe, Leiter eines Königreichs, wenn er es aber nach staatsrechtlichen Normen tue, so daß er abwechselnd befehle und gehorche; sei er Leiter eines Freistaats.
Aber diese Behauptungen sind nicht richtig... (a. .a  O. S.1)

Es kommt dann der biotele Aspekt der PLURALITÄT (Diversivität) als sich ergänzende Vielfalt zur Rede, soweit sie für die Erhaltung des Lebens unentbehrlich ist und sehr bald steht der Aspekt der SUBSIDIARITÄT, der Hilfe in GEGENSEITIGKEIT, derart im Mittelpunkt, daß wir getrost mit dieser sozialen Hilfefunktion beginnen, sie an die Spitze der Reihe bioteler Aspekte stellen  können. Aber nicht so wie die Sozialisten und ihnen angeschlossenen Pazifisten, die "Gutmenschen", welche die Moral für sich in Anspruch nehmend fröhlich ihrem Egoismus frönen und andere unterdrücken, zumindest aber die Natur und Lebensgrundlagen niederzutrampeln behilflich sind unter Beteuerung bester Absichten. Was hören wir da von "Pan-Gaia"— "Eine-Erde-Bewegung", von Leuten, die sich gegenseitig ihrer Zuneigung versichern wollen und in unzähligen "Netzwerken"  eingebunden nicht einmal eine Grundlage gemeinsamen Zusammenwirkens zu finden in der Lage sind; weil doch jeder den besten Weg zu wissen behauptet und sein Ego über alles setzen will. Am Ehrlichsten verhalten sich da die Muslime der Osttürkei: unter Festhalten an Koran und Brauchtum bedarf es nur eines Winkes des "Hausvaters" und der angesprochene Sohn wird die — nach muslimisch-türkischer Auffassung — verletzte Ehre etwa seiner Schwester notfalls mit dem Messer wiederherstellen  Diese Einwanderer wenigstens haben begriffen, daß sie von einer dekadenten und nicht überlebensfähigen Fremdkultur umgeben und bedroht sind und verhalten sich völlig rational und — unter höheren Gesichtspunkten — richtig. Unsere Rot-Grünen, die Nieten und Sargnägel unserer Natur, Kultur und Gesellschaft, wissen keine andere Reaktion als das Wegsehen und Weghören, denn sie verweigern sich der Wirklichkeit und der Wahrheit, daß das Leben Kampf bedeutet und ständige AUSLESE. Elite im Sinne der Auslese der Tüchtigen ist für sie Reizwort aus dem Völkermordarsenal Adolf Hitlers und seiner Schergen; dafür praktizieren sie mit ihrer Cliquenwirtschaft selbst aus Willkür eine  verwerfliche Auslese, weit entfernt von dem so dringend ständig notwendigen Ringen um die Einheit von Wahrheit und AUSLESE.
Wahrheit aber setzt VERGLEICHEN unter umfassender Information und Urteilsfähigkeit voraus, geistige Wachheit, wie sie nur noch von einer Minderheit gepflegt  werden kann. Auf die breite Masse hin gesehen, muß leider von einer zunehmenden Verblödung gesprochen werden, welche die meisten geistig noch Wachen verzweifeln und in einer Haltung "Nach-uns-die-Sintflut" resignieren läßt.  Für das Ganze aufgeschlossene Naturen drohen in der von Gruppeninteressen gesteuerten Massengesellschaft verloren zu gehen. 

„Wie man nämlich auch bei anderen Objekten das Zusammengesetzte bis in seine nicht mehr zusammengesetzten Teile zerlegen muß  — was die Teile des Ganzen sind —, so müssen wir auch den Staat in seine Bestandteile verfolgen und werden dann auch bezüglich jener Gewalten besser einsehen, sie sie sich voneinander  unterscheiden und was sich wissenschaftlich über jede einzelne von ihnen ausmachen läßt.
Erstes Buch. 2. Kapitel.
Die beste Anwendung dieses Verfahrens ist, wie bei anderen Gegenständen so auch hier, daß man die Dinge betrachtet, so wie sie ursprünglich entstehen und sich entwickeln.
Es ist also notwendig, daß sich zuerst diejenigen Individuen verbinden, die ohne einander nicht sein können, also einmal Weibliches  und Männliches der Fortpflanzung wegen — und zwar nicht aus Willkür, sondern nach dem auch den anderen Sinnenwesen und den Pflanzen innewohnenden Triebe, ein anderes, ihnen gleiches Wesen zu hinterlassen —, dann zweitens von Natur Herrschendes und Beherrschtes der Erhaltung wegen. Denn was von der Natur dank seinem Verstande vorzusehen vermag, ist ein von Natur Herrschendes und von Natur Gebietendes, was dagegen mit den Kräften seines Leibes das so Vorgesehene auszuführen imstande ist, das ist ein Beherrschtes und von Natur Sklavisches, weshalb sich denn die Interessen des Herrn und des Sklaven begegnen. (a. a. O. S.2)

Bereits hier läßt uns Aristoteles ahnen, welch zentrale Rolle der biotele Aspekt des VERGLEICHENS für ihn einnimmt; diese ist für ihn so selbstverständlich, daß er sie uns nicht weiter vorführt, ja sie sich wohl selbst nicht ins volle Bewußtsein hebt. Es geht um die Herrscherstelle der Vernunft und des ihr dienenden Verstandes: beide zusammen vertreten das Königtum, denn sie herrschen durch ihre Würde und die Achtung, die wir ihr nicht versagen können; die vernunftgeleitete Denkfähigkeit ist die überlegene Retterin des Lebens, Fackelträgerin des Lebens.

Der biotele Aspekt der GEGENSEITIGKEIT wird auch später weiter betont und derjenige der Suplementarität, der Ergänzung zu einem Ganzen, das die Stabilität verkörpert, betont im Staat und noch ausgesprochener im die gesamte Staatenwelt hoffentlich einmal umfassenden biotelen Weltstaat. Im sozialistischen Vokabular finden wir für SUBSIDIARITÄT die Begriffe der Solidarität und Kooperation, der Zusammenarbeit — der Aspekt der AKTIVITÄT schwingt mit — und der Grundsatz des Einstehens für einander, was zu einer Gesinnungs- und Bekenntnisfrage erhoben wird, wobei das wirkliche Verhalten dann häufig absichtlich nicht weiter überprüft wird. Das angebliche Recht auf Bedürfnisbefriedigung als staatlich-gesellschaftliche Sicherheitsgarantie läßt den Begriff der SUBSIDIARITÄT ins Fragwürdige verschwimmen, weil GEGENSEITIGKEIT hier in den Hintergrund tritt und eine Gleichheit postuliert wird, wie sie gar nicht der Realität entspricht. Weder ist die Leistungsfähigkeit der Menschen gleich noch sind es deren Bedürfnisse.
AUSGLEICH im biotelen Sinne greift hier nicht, sondern dient der Angleichung der Wettbewerbsbedingungen und gerechterer AUSLESE. Die Stabilität des Ganzen baut sich auf der Stabilität der Teile, also subsidiär von unten her auf. 

„Weib und Sklave sind von Natur geschieden. Denn die Natur macht nichts in jener sparsamen Weise wie die Schmiede das delphische Messer, sondern immer je eines für eines; erhält doch jedes Werkzeug seine größte Vollendung dann, wenn es nicht zu vielen Verrichtungen dient, sondern nur zu einer. Aber bei den Barbaren stehen Weib und Sklave auf einer  Stufe, was daher kommt, daß ihnen das von Natur Herrschende abgeht und sie es nur zu einer Gemeinschaft von Sklave und Sklavin bringen. (a. a. O. S.2,3) Darum sagen die Dichter:
>billig ist, daß über die Barbaren der Helene herrscht<, um damit auszudrücken, daß ein Barbar von Natur und ein Sklave dasselbe ist.
Aus diesen beiden Gemeinschaften nun entsteht zuerst das Haus, und Hesiod hat mit Recht in seinem Gedichte gesagt:
>Allererst nun ein Haus und das Weib und den pflügenden Ochsen<; denn der Ochse ersetzt dem kleinen Mann den Knecht. So ist denn die für das Zusammenleben bestehende natürliche Gemeinschaft das Haus oder die Familie; Charondas nennt ihre Glieder Tischgenossen, und der Kreter Epimenides nennt sie Herdgenossen. Dagegen ist die erste Gemeinschaft, die aus mehreren Familien um eines über den Tag hinausreichenden Bedürfnisses willen entsteht, die Dorfgemeinde..." (a. a. O. S.3) Endlich ist die aus mehreren Dorfgemeinden gebildete Gesellschaft der Staat, eine Gemeinschaft, die gleichsam das Ziel vollendeter Selbstgenügsamkeit erreicht hat, die um des Lebens willen entstanden ist [Hervorhebung von mir] und um des vollkommenen Lebens  willen besteht. Darum ist alles staatliche Gemeinwesen von Natur, wenn anders das gleiche von den ersten und ursprünglichen menschlichen Vereinen gilt. Denn der Staat verhält sich zu ihnen wie das Ziel, nach dem sie streben; das ist aber eben die Natur.... Denn die Beschaffenheit, die ein jedes Ding beim Abschluß seiner Entstehung hat, nennen wir die Natur des betreffenden Dinges, sei es nun ein Mensch oder ein Pferd oder ein Haus oder was sonst immer. Auch ist der Zweck und das Ziel das Beste; nun ist aber das Selbstgenügen Ziel und Bestes. — 

Der Stellenwert des biotelen Aspektes der AUTARKIE gilt für den Staat (heute für den Weltstaat) wie für jeden einzelnen und wird nur durch PLURALITÄT (Diversivität), durch Vielfalt im Einzelnen, erreicht: so wie Vielfalt nur rückbezogen auf Selbständigkeit erhalten werden kann; wobei der Aspekt der GEGENSEITIGKEIT beachtet werden, und auf letzterer die Toleranz für ein Miteinader oder doch wenigstens ein spannungsarmes (hyparches) Nebeneinander aufgebaujt werden muß.

„Erstes Buch. 2. Kapitel.
Hieraus erhellt also, daß der Staat zu den von Natur bestehenden Dingen gehört und der Mensch von Natur ein staatliches Wesen [eigene Anmerkung: zóon politikón] ist, und daß jemand, der von Natur und nicht bloß zufällig außerhalb des Staates lebt, entweder schlecht ist oder besser als ein Mensch... Nun ist einzig der Mensch unter allen animalischen Wesen mit der Sprache begabt. Die Stimme ist das Zeichen für Schmerz und Lust und darum auch den anderen Sinnenwesen verliehen, indem ihre Natur so weit gelangt  ist, daß sie Schmerz und Lust empfinden und beides einander zu erkennen geben. Das Wort aber oder die Sprache ist dafür da, das Nützliche und das Schädliche und so denn auch das Gerechte und das Ungerechte anzuzeigen. Denn das ist den Menschen vor den anderen Lebewesen eigen, daß sie Sinn haben für Gut und Böse, für Gerecht und Ungerecht und was dem ähnlich ist. (a. a. O. S.4,5) Die Gemeinschaftlichkeit dieser Ideen aber begründet die Familie und den Staat. 
Darum ist denn auch der Staat der Natur nach früher als die Familie und als der einzelne Mensch, weil das Ganze früher sein muß als der Teil. Hebt man das ganze menschliche Kompositum auf, so kann es keinen Fuß und keine Hand mehr geben, außer nur den Namen nach, wie man etwa auch eine steinerne Hand Hand nennt; denn nach dem Tode ist sie nur mehr eine solche...
Wer aber nicht in Gemeinschaft leben kann, oder ihrer, weil er sich selbst genug ist, gar nicht bedarf, ist kein Glied des Staates und demnach ein Tier oder ein Gott. Darum haben alle Menschen von Natur in sich den Trieb zu dieser Gemeinschaft, und der Mann, der sie zuerst errichtet hat, ist der Urheber der größten Güter. Denn wie der Mensch in seiner Vollendung das vornehmste Geschöpf ist, so ist er auch, des Gesetzes und Rechtes ledig, das schlechteste von allen. Die bewaffnete Ungerechtigkeit ist am ärgsten, und der Mensch tritt ausgestattet mit den Waffen seiner intellektuellen und moralischen Fähigkeiten ins Dasein, Waffen, die, wie sonst keine, so ganz entgegengesetzt gebraucht werden können. Deshalb ist er ohne Moralität das ruchsloseste und roheste und in bezug auf Geschlechts- und Gaumenlust das allergemeinste Geschöpf. Die Gerechtigkeit aber, der Inbegriff aller Moralität, ist ein staatliches Ding. (a. a. O. S.5,6) Denn das Recht ist nichts anderes als ldee in der staatlichen Gemeinschaft herrschende Ordnung, und eben dieses Recht ist es auch, das über  das Gerechte entscheidet" (a. a. O. S.6)

Eine Trennung zwischen Moral und Recht wird von Aristoteles hier nicht vorgenommen; Immanuel Kant wird den Unterschied aus der Sprache herauszuarbeiten versuchen und die Moral der staatlichen Zuständigkeit entziehen. Recht und das Richtige im Sinne des  Nutzens — natürlich zunächst des Ganzen, des Staates — liegen bei Aristoteles dicht beisammen. Er erwähnt die Auffassung, daß sowohl die Despotie oder Gewaltherrschaft als die Sklaverei dem Naturrecht widersprechen könnten, schließt sich ihr aber nicht an. (a. a. O. S.7) Nun müssen wir Heutigen einräumen, daß ohne die Sklavenarbeit die größten Kulturleistungen des Altertums gar nicht möglich gewesen  wären, und wir uns heute der Maschinen bedienen können, ohne daß die dadurch frei gesetzten Menschen in entsprechendem Umfange Kulturschaffende wurden; es sei denn man bezeichne etwa die Farbsprüherei auf Häuserwänden und Bahnsitzen als Kunstäußerungen. Hoffen wir auf wachsendes Umweltbewußtsein — die Natur ist für uns notwendig! —, wie es sich in erhöhter Rücksichtnahme ausdrücken könnt, und auf eine erweiterte Haushaltslehre (Ökologie): ohne staatlichen Zwang aber wird da wenig auszurichten sein; die Prediger der absoluten Freiheit und Gewaltlosigkeit versagen hier.

„Erstes  Buch. 4.Kapitel.
Da nun der Besitz ein Teil des Hauses und die Lehre vom Besitz ein Teil der Haushaltslehre ist — denn ohne das Notwendige kann man weder leben, noch befriedigend leben —, und da, wie für die einzelnen Künste und Handwerke je eigene Werkzeuge vorhanden sein müssen, wenn ihre Leistung geraten soll, ebenso für den Haushalt Werkzeuge erforderlich sind: da ferner die Werkzeuge teils unbeseelt, teils beseelt, wie z. B. für den Steuermann das Steuer ein unbeseeltes, der Untersteuermann ein beseeltes Werkzeug ist — denn jeder Gehilfe  vertritt in Kunst und Handwerk die Stelle eines Werkzeugs —, nun, so ist auch ein einziges Besitzstück ein Werkzeug zum Leben und der gesamte Besitz eine  Menge solcher Werkzeuge und der Sklave ein beseeltes Besitzstück und alles, was Gehilfe und Diener heißt, gleichsam ein Werkzeug vor allen anderen Werkzeugen. Denn freilich, wenn jedes Werkzeug auf erhaltene Weisung, oder gar die Befehle im voraus erratend, seine Verrichtung wahrnehmen könnte, wie das die Statuen des Dädalus oder die Dreifüße des Hephästus getan haben sollen, von denen der Dichter sagt, daß sie
>von selbst zur Versammlung der Götter erschienen<; wenn so auch das Weberschiff von selber webte und der Zitherschlägel von selber spielte, dann brauchten allerdings die Meister keine Gesellen und die Herren keine Knechte.
Die eigentlich so genannten Werkzeuge sind nun hervorbringende, machende Werkzeuge, das Besitzstück dagegen ist ein Werkzeug, das einfach und im weitesten Sinne etwas tut, d. h. einer Bestimmung dient. (a.  a. O. S.7,8) Denn von dem Weberschiff wird nicht bloß Gebrauch gemacht, sondern es wird auch durch dasselbe etwas hergestellt, von dem Kleide und dem Bett hat man nur den Gebrauch.
Da nun ferner auch das Hervorbringen und das Tun der Art nach verschieden sind und zu beidem Werkzeuge gehören, so müssen diese letztere ebenso verschieden sein............ Nun ist aber das Leben eine Tätigkeit, kein Hervorbringen, und darum denn auch der Sklave ein Diener in solchen Dingen, die sich auf die Tätigkeit beziehen...  Wer von Natur nicht sein, sondern eines anderen, aber ein Mensch ist, der ist ein Sklave von Natur...
Erstes Buch. 5. Kapitel.
Das Herrschen und Dienen gehört nicht nur zu den notwendigen, sondern auch zu den nützlichen Dingen, und vieles ist gleich von seiner Entstehung an derart geschieden, daß das eine zum Herrschen, das andere zum Dienen bestimmt erscheint. (a. a. O. S.8,9) Auch gibt es vielerlei Herrschende und Dienende, und immer ist die Herrschaft über besser Dienende besser, besser z. B. die Herrschaft über einen Menschen als über ein Tier. Denn die Leitung Besserer ist besser; nun handelt es sich aber da, wo das eine herrscht und das andere dient, bei beiden um eine bestimmte Leistung.
Doch um von Erfahrung  und Nützlichkeitsgründen abzusehen, der Gegensatz von Herrschenden und Dienenden tritt überall auf, wo etwas aus mehreren Teilen besteht und eine Einheit bildet, seien die Teile nun kontinuierlich oder direkt. Und dieses Verhältnis von Über- und Unterordnung findet sich bei den  beseelten Wesen auf Grund ihrer ganzen Natur...
Was aber die sinnlich belebten Wesen betrifft, so bestehen sie zunächst aus Leib und Seele, von welchen beiden das eine naturgemäß herrscht, während das andere dient. Das Naturgemäße muß man aber an denjenigen Dingen abnehmen, die sich in ihrem natürlichen Zustande befinden, nicht an denen, die verderbt sind... Die Seele führt über den Leib ein despotisches, und der Verstand über das Strebevermögen ein politisches und königliches Regiment, wobei es amtage liegt, daß es für den Leib naturgemäß und nützlich ist, von der Seele, und ebenso für das Subjekt der Gefühle, vom Verstande und dem vernunftbegabten Teile beherrscht zu werden, wohingegen eine Gleichstellung oder umgekehrte Stellung allen Seelenteilen schädlich wäre. (a. a. O. S.9,10) 
Ebenso ist es wieder mit den Beziehungen zwischen dem Menschen und den anderen Lebewesen. Die zahmen sind von Natur  besser als die wilden, und für sie alle ist es am besten, wenn sie vom Menschen beherrscht werden, weil sie so bewahrt und erhalten bleiben.....".(a. a. O. S.10)

Auf den biotelen Aspekt der HYPARCHIE, der Minimierung von Gewalt, Zwang und Bedrohung, läßt sich daraus nur schwach  schließen, denn beim Stand der Bewaffnung der Menschen waren ihnen Raubtiere zwar noch gefährlich, aber sie selbst waren sich gegenseitig ja bereits viel gefährlicher. Im Zusammenhang mit dem inneren Frieden kommen entsprechende versöhnende und friedenstiftende Maßnahmen ins Gespräch. Die eigentliche und steigende Bedeutung der Friedenssicherung beginnt erst mit der modernen Kriegsführung und bringt bereits Immanuel Kant ins Grübeln. Die Verletzlichkeit moderner Technologie im Verein mit gesteigerter Vernichtungstechnik  und die gestiegene Bevölkerungsdichte lassen HYPARCHIE erst heute so sehr in den Mittelpunkt treten.  

Auch der Aspekt der SPONTANEITÄT besonders in seiner engen Beziehung zur AKTIVITÄT ist erwartungsgemäß schwach vertreten: liegt doch das Schwergewicht eher in deren Unterdrückung aus dem Optimismus heraus, die Vernunft werde die Natur beherrschen und dabei leiten können. Natur erscheint teils als bedrohliche Macht, teils als unerschöpfliches stoffliches Reservoir.
Als Gewohnheit, die von der Erziehung gefördert werden soll (siehe unten), begegnen wir dem Aspekt der SPONTANEITÄT häufiger. 

„Sechstes Buch, 8 Kapitel...
Unter den notwendigen Ämtern steht die Marktbehörde voran. Als solche ist ein Amt zu errichten, das die Aufgabe hat, den Handel und Wandel auf dem  Markte zu überwachen und für die gute Ordnung daselbst zu sorgen. Denn fast für alle Staaten besteht die Notwendigkeit, gewisse Artikel zu kaufen und zu verkaufen, damit jeder von ihnen habe, was er notwendig braucht, und so die nächste Voraussetzung  für jedes sich selbst Genügen vorhanden sei, um dessentwillen man doch wohl zu einem einheitlichen Gemeinwesen zusammentritt..." (a. a. O. S.231)

Unschwer erkennbar stellt hier Aristoteles auf den biotelen Aspekt des AUSTAUSCHS im Dienste der AUTARKIE (Selbständigkeit) ab. Auch der Bogen "nach unten" zum Aspekt der AKTIVITÄT oder Arbeit zur Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen menschlichen Lebens wird deutlich geschlagen.

„Erstes Buch. 9. Kapitel.
In der ältesten Gemeinschaft nun, der Familie, bedurfte es natürlich eines Tauschhandels nicht, sondern er wurde erst dann zur Notwendigkeit, als die Gemeinschaften größer wurden... Ein solcher Tauschhandel also ist weder gegen die Natur, noch ist er eine Art des Gelderwerbs. Er dient zur Vervollständigung des natürlichen Selbstgenügens (a. a. O. S.18,19) Es lag aber nahe, daß sich aus ihm jene Kunst des Gelderwerbs entwickelte. Als nämlich die durch Einfuhr des Bedarfs und Ausfuhr des Überflusses gewonnene Hilfe sich nach immer ferneren Ländern ausdehnte, mußte notwendig das Geld in Gebrauch kommen, da nicht alle Naturalbedürfnisse leicht zu transportieren waren...."(a. a. O. S.19).

Beachten wir, daß hier von "Hilfe" die Rede ist; gemeint ist Abhilfe eines Mangels, womit der Aspekt der SUBSIDIARITÄT berührt wird.

„Nachdem nun einmal die Notwendigkeit des Tauschhandels das Geld geschaffen hatte, kam die andere Erwerbsart auf, das Händler- oder Krämergewerbe, das zu Anfang wohl nur ganz einfach, später aber mit zunehmender Routine auch mit steigenden Raffinement betrieben wurde, indem man sorgfältig darauf achtete, woher man die Waren beziehen und wie man sie umsetzen müsse, damit sie einen möglichst großen Gewinn abwürfen.... (a. a. O. S.19) Gelderwerb und naturgemäßer Reichtum ist zweierlei. Die letztere gehört zur Hauswirtschaft, jener dagegen beruht auf dem Handel und schafft Vermögen rein nur durch Vermögensumsatz. Und dieser Umsatz scheint sich um das Geld zu drehen... Daher hat denn auch dieser Reichtum, der aus dieser Art Erwerbskunst fließt, kein Ende und keine Schranke. Denn wie die Heilkunst auf Gesundheit ohne Schranke und jede Kunst auf ihr Ziel ohne Schranke ausgeht... so hat auch diese Erwerbskunst für ihr Ziel keinerlei Schranke... Wohl aber hat im Gegensatz zu ihr die Haushaltungskunst eine Schranke, da die Sammlung von Reichtümern nicht ihre Aufgabe ist
So sollte man denn in diesem Betracht meinen, daß aller Reichtum Schranken haben müßte. Nach Ausweis der Erfahrung geht es indessen tatsächlich umgekehrt, indem alle, die sich mit Erwerb befassen, ihr Geld schrankenlos zu vermehren trachten... (a. a. O. S.20)
Der Grund dieser Denkweise aber liegt darin, daß sie leben wollen und sich um ein gutes Leben nicht bekümmern... Das Wohlleben ist an das Übermaß des Besitzes geknüpft, und darum flüchtet man zu der Kunst, die dieses Übermaß gewährt und so das Genußleben erlaubt. Kann man aber den Überfluß nicht durch die Erwerbskunst erzielen, so versucht man es auf anderen Wegen und macht in diesem Bestreben von allen menschlichen Vermögen und Vorzügen einen widernatürlichen Gebrauch. Denn die Mannhaftigkeit z. B. soll nicht Schätze häufen, sondern Mut verleihen, und ebensowenig soll das die Feldherrenkunst und die Heilkunst, sondern die eine soll den Sieg, die andere die Gesundheit bringen. Jene Menschen aber machen aus allen diesen Dingen einen Gelderwerb, als wäre das das Ziel, worauf alles bezogen werden müßte..." (a. a. O. S.21)

Ungeachtet der Jahrhunderte, ja Jahrtausende alten vergeblichen Bemühungen der Buchreligionen, diesem Übel durch Verbot des Zinsnehmens abzuhelfen, kamen sozialistische Kreise, wie die der "Freiwirtschaft", wider auf diesen Weg zurück. BIOTELIE will dagegen der Naturausbeutung durch deren Kontingentierung Grenzen setzen und im sozialen AUSTAUSCH den Geboten der Wahrheit und Ehrlichkeit durch unabhängige staatliche Kontrolle bedeutend mehr Nachdruck verleihen und so Kapitalien gerade auch der kleinen Sparer mit höherer Sicherheit erfolgsversprechenden Wirtschaftsunternehmungen zuführen und Kapitalhaien das Handwerk legen. Damit würde ein Stück von dem verwirklicht, was Aristoteles das "gute Leben" nennt. Es bedarf allerdings eines weiten, ja endlosen  Weges, um die Grenzen eines verträglichen Wohlstandes immer wieder neu zu bestimmen und ihn gerecht, d h. lebenstragend,  zu verteilen. Mit BIOTELIE aber ist wenigstens ein Anhalt für die Zielrichtung vorgegeben: nicht zu Lasten der  Lebenserhaltung und damit künftiger Generationen (die man ja zu verhindern sich anschickt). Das Geld als alles vereinheitlichender und nivellierender Maßstab wäre unter einer biotelen Staatsverfassung ein sekundärer, ein — allerdings unentbehrliches — Hilfsmittel und hoffentlich auch in der öffentlichen Wertschätzung entthront. Was Aristoteles nicht stark genug hervorhebt, ist der mit dem Geldbesitz zu befriedigende Geltungs- und Machtanspruch, dem durch die Reichen häufig sogar auf Kosten des Genußlebens gefrönt wird. Das biotele System aber könnte wegen seiner nahezu totalen Absicherung eines bedeutenden politischen Entscheidungssektors — nämlich den der biotelen Gutachteninstanz — gegen Bestechung und durch auch relativen Schutz im Bereich der Parlamente und Verwaltungen über Chipgeldkontrolle (nach Abschaffung des Bargeldes) dem Kapitalismus als dominierender Herrschaftsform den Hals brechen; und es bleibt verdächtig, daß dies die so lautstark zu Wort kommenden Sozialisten nicht erkennen wollen. Sie wollen nämlich gar nicht den Frieden und die Gerechtigkeit, sondern sie wollen die Macht und sei es über den Krieg (die Revolution). Aber da sind längst andere am Zuge und sitzen am längeren Hebel.

„Erstes Buch. 10. Kapitel
Hiermit erledigt sich auch der anfangs aufgeworfene Zweifel, ob die Erwerbskunst zur Aufgabe eines Hausvaters oder eines Staatsmannes gehört, oder die nötigen Mittel vielmehr schon vorhanden sein müssen. Man könnte denken, wie die Staatskunst keine Menschen schaffe, sondern von der Natur übernehme und für ihre Zwecke verwende, so müsse auch die Natur, die Erde, das Meer usw. die Nahrung liefern, aber mit diesen Mitteln das Nötige einzurichten, komme dem Hausvater zu. Denn es ist nicht Sache der Weberei, Wolle zu machen, sondern sie zu verarbeiten, und zu wissen, welche Wolle brauchbar und gut, und welche schlecht und unbrauchbar ist. Man könnte ja sonst auch das Bedenken erheben, warum die Erwerbskunst ein Teil der Haushaltungskunde sein solle, die Arzneikunst aber nicht. Die Hausgenossen müssen doch auch gesund sein, so gut wie sie leben oder sonst das Nötige haben müssen.
Da es indessen in einer Weise den Hausvater und den Regenten trifft, auch für die Gesundheit zu sorgen, und in anderer Weise vielmehr den Arzt, so liegt es auch in einer Art dem Hausvater ob, für die nötigen Mittel aufzukommen, und in anderer Art vielmehr jener Hilfskunst, die uns eben beschäftigt. Vor allem aber müssen diese Mittel, wie schon bemerkt worden, vorhanden sein. Denn die Natur übernimmt für das, was sie erzeugt hat, die Unterhaltspflicht, wie sie ja auch allen Wesen den Rest der Stoffe, woraus sie sich bilden zur Ernährung dienen läßt. Daher liegt für die Menschen allgemein der naturgemäße Erwerb in den pflanzlichen und tierischen Produkten..." (a. a. O. S.22).

Unschwer läßt sich hieraus die Bedeutung des biotelen Aspektes der SPONTANEITÄT auch für Aristoteles beweisen,  das Ausmaß der Eingriffe in dieselbe durch uns heutigen Menschen konnte jener natürlich nicht entfernt ahnen. Nichts erscheint selbstverständlicher als das Spontane, solange es nicht gestört wird und ausfällt.

„Erstes Buch. 12. Kapitel.
Da wir aber drei Teile der Haushaltungskunde unterschieden haben, die bereits behandelte Lehre vom Verhältnis des Herrn zum Sklaven, dann die vom väterlichen und drittens die vom eheherrlichen Verhältnis, so steht es dem Vater und Gatten zu, über das Weib wie über die Kinder zu herrschen, und zwar über beide als freie, jedoch nicht nach der selben Weise der Herrschaft, sondern über das Weib nach Art des Hauptes eines Freisstaates und über die Kinder nach Art eines Königs. Denn das Männliche ist von Natur mehr zur Leitung und Führung geeignet als das Weibliche, wenn es nicht etwa widernatürlich veranlagt ist, und das Ältere und Vollendete mehr als das Jüngere und Unvollendete.
Nun wechselt in den meisten Freistaaten Herrschendes und Beherrschtes miteinander ab. Denn es will aus Elementen bestehen, die von Natur einander gleich sind, und duldet keinen Unterschied, und dennoch verlangt es, solange das eine befiehlt und das andere gehorcht, daß ein Unterschied in Abzeichen, Titeln und Ehren sei... Nun aber verhält sich das Männliche zu dem Weiblichen in dieser Weise immer." (a. a. O. S:26)

Man beachte, daß die Überlegenheit des Mannes an Kraft im vorindustriellen Zeitalter eine größere Rolle spielte und daß der Kriegszustand als ein natürliches Mittel der Konkurrenzaustragung angesehen wurde. Angesichts heutiger Fehlentwicklung im europäischen Raum, wie sie etwa mit einem Geburtenschwund verbunden ist, sollte doch die Fruchtbarkeit der frauenemanzipatorischen Entwicklung in Frage gestellt werden oder — wie es so schön heißt — "hinterfragt" werden. Wenn die Frau ihrer mütterlichen Rolle entfremdet wird und ihr der gesellschaftliche Schutz von Seiten der Ritterlichkeit der Männer entzogen wird, so hat das weibliche Geschlecht und die gesamte Gesellschaft wesentliches verloren. Man könnte heute so weit gehen, dem "Penisneid" Sigmund Freud'scher Prägung die Angst der Männer vor der Entbehrlichkeit ihres Geschlechts gegenüberstellend behaupten, die spätestens dann akut wird,  wenn sie zur Aufzucht von Kindern entbehrlich werden, ja vielleicht nicht einmal zu deren Zeugung mehr gebraucht werden. Das Ausweichen in homosexuelle Triebbefriedigung ist hier eher ein sekundäres Thema; schafft aber sicherlich keine Abhilfe, sondern verstärkt die Schwierigkeiten und Spannungen zwischen den Geschlechtern. Wir sollten uns wieder erinnern, daß die Biologie eine Rollenverteilung der Geschlechter vorgibt; was in einer hyparchen Gesellschaft nicht zu Lasten der Frauen gehen muß, ja darf; wo doch HYPARCHIE, d. h. Minimierung von Gewalt, Zwang und Bedrohung, Aufgabe des Staates und aller seiner Glieder auf allen Ebenen sein  soll und sein muß.

„Die Herrschaft über die Kinder ist eine königliche. Der Erzeuger geht auf Grund der Liebe wie des Alters voran, und das ist das Bild der königlichen Herrschaft. Daher hat auch Homer in dem Worte: >Vater der Menschen und Götter< den Zeus treffend als den König ihrer aller bezeichnet..." (a. a. O. S.26)

Die Rolle der Buchreligionen, des Judentums, des Christentums und des Islams, kann nicht einfach als historisch überholt erklärt werden, solange sie weiterhin in der Vorstellungswelt der Völker wurzelt. BIOTELIE, mit ihrer agnostischen Verfassung die Antwort auf die letzten Fragen offen lassend, will hier eine Brücke auch zu den Atheisten und Zweiflern anbieten, indem die Erhaltung des Lebens in seinem Naturzusammenhang als eine königliche Aufgabe der Staatsverfassung  vertreten wird, unabhängig von Sympathie und Gefühlsbeteiligung aus der der Menschheit insgesamt verliehenen Vernunft heraus begründet und deshalb auch nicht von doch oft flüchtigen Gefühlswallungen abhängig, aber feste Gefühlsbindungen auch zwischen ganz verschiednen Menschen und Menschengruppen begünstigend. So hat dies auch Immanuel Kant gesehen.  Unsere derzeitige sozialistisch deformierte Demokratie aber setzt auf die Gefühlsbeeinflussung der Massen und den guten Willen der Demagogen.

„Erstes Buch. 13. Kapitel.
Es ist also klar, daß die Sorge des Hausvorstandes sich mehr auf die Menschen richtet als auf den toten Besitz, und mehr auf die Vortrefflichkeit der ersteren als auf die Fülle des letzteren, die wir Reichtum nennen, und mehr auf die Freien als auf die Sklaven.
Man könnte nun aber erstens betreffs der Sklaven zweifeln, ob sei außer den guten Eigenschaften eines Sklaven als Werkzeug und Diener noch eine würdigere Tugend bei ihnen gibt, wie Mäßigkeit, Starkmut, Gerechtigkeit und die anderen sittlichen Eigenschaften dieser Art, oder ob außer der Tüchtigkeit in leiblichen Dienstleistungen keine weitere für ihn existiert. Sowohl die Bejahung wie die Verneinung dieser Frage hat ihre Bedenken. Haben die Sklaven noch weitere Tugenden, wie unterscheiden sie sich dann von den Freien? Haben sie sie aber nicht, ob sie schon Menschen sind und an der Vernunft teilhaben, so wäre das ungereimt. Aber fast  dieselbe Frage gilt von Weib und Kind: Haben sie auch Tugenden? muß auch das Weib mäßig, starkmütig, gerecht sein? und gibt es auch mäßige und unmäßige Kinder, oder nicht? Und so wäre denn überhaupt bei dem, was von Natur dient und von Natur herrscht, zu untersuchen, ob die Tugend beider die nämliche oder je eine andere ist. Wenn beide, der Herrschende und der Beherrschte, ehrenhaft sein müssen, wie sollte da der eine ein für allemal zu befehlen und der andere zu gehorchen haben? Einen Unterschied des Mehr und Minder kann es doch nicht geben. Denn Herrschaft und Dienstbarkeit sind der Art nach verschieden, das Mehr und Minder ist es dagegen nicht. Daß aber der eine ehrenhaft sein müßte und der andere nicht, wäre zum Verwundern. Denn wenn der Herrschende nicht mäßig und gerecht zu sein braucht, wie könnte er da recht herrschen? Und wenn der Dienende nicht, wie könnte er da recht dienen? Wenn er unmäßig und faul ist, wird er ja nichts von allem tun, was sich gehört. (a. a. O. S.27)
Es ist also klar, daß zwar beide im Besitz der Tugend  sein müssen, diese Tugend aber verschieden ist, wie auch die von Natur Dienenden (von den von Natur Herrschenden verschieden sind). Ein Beispiel und einen Beleg dafür haben wir gleich an den Vermögen der Seele. In ihr ist das eine von Natur ein Herrschendes, das andere ein Dienendes, und beider Tugend bezeichnen wir als verschieden, indem das eine vernunftbegabt, das andere ohne Vernunft ist."

Es tritt uns doch immer wieder der biotele Aspekt der SPONTANEITÄT entgegen, hier im Zusammenhang mit dem der PLURALITÄT (Diversivität, also Verschiedenheit); und die häufige Nähe verschiedener anderer Aspekte erinnert  uns daran, daß unser Aspektegerüst eben doch recht willkürlich ist: alle Aspekte sind offenbar multidimensional und vernetzt mit einander verbunden. Es geht um die Ergänzung zu einem Ganzen, das Kern der Stabilität ist, die der Funktionalität  (Dynamik) der Teile bedarf und gewissermaßen auch deren Eigen- und Selbständigkeit (AUTARKIE), im Idealfall deren AUTONOMIE (die bedeutete Freiheit, die durch Selbstgesetzgebung und Selbstbeherrschung sich mit den Freiheiten aller anderer in GEGENSEITIGKEIT abstimmt).

„Also sieht man, daß es sich auf dieselbe Weise auch in den anderen Fällen verhält, so daß es von Natur mehrere Klassen von Herrschenden und Dienenden gibt. Denn auf je andere Weise herrscht der Freie über das, was Sklave ist, und herrscht das Männliche über das Weibliche und herrscht der Mann über das Kind. Und in allen finden die Seelenteile sich zwar, aber sie finden sich im Unterschied. Der Sklave hat das Vermögen zu überlegen überhaupt nicht, das Weibliche hat es zwar, aber ohne die erforderliche Entschiedenheit, und das Kind hat es auch, aber noch unentwickelt. Ebenso muß es sich denn auch mit den ethischen Tugenden verhalten. Man hat anzunehmen, daß alle an ihnen teilhaben müssen, ab er nicht in derselben Weise, sondern jeder nur soweit, als es für seine besondere Aufgabe nötig ist. Daher muß der Herrschende die ethische Tugend in vollkommenem Maße besitzen — denn das Werk gehört schlechthin dem Leiter an, und Leiterin ist die Vernunft — die anderen aber brauchen sie nur je soweit zu besitzen, als es ihnen zukommt..." (a. a. O. S.28)

Es klingt hier an, was im System der BIOTELIE gefordert wird: daß nämlich die Vernunft das königliche Element ist, daß als Staatsform schon zu Zeiten des Aristoteles in Griechenland  zurückgedrängt war und mehr von historischer Bedeutung war., da die Bürger sich als gleichberechtigte Freie fühlten. Immanuel Kant hat im Zeitalter der europäischen Aufklärung die Teilhabe aller Menschen an der Vernunft, verkörpert durch das Gewissen als Wissen um die Pflicht (den kategorischen Imperativ), behauptet und sprach bei Pflichtverletzung und Unwissen von einer "selbstverschuldeten Unmündigkeit". Unsere derzeit Regierenden genießen in der Öffentlichkeit den Bonus, als Vertreter der Durchschnittsbürger auch gegenüber menschlichen Schwächen anfällig sein zu dürfen; es wird ihnen also nachgesehen, daß sie aus ihrer Funktions- und Amtsstellung ihren eigenen Vorteil  herausholen.
BIOTELIE geht hier von Kant ein Stück weit zu Aristoteles zurück, bei dem  Politik und Ethik nicht so strikt getrennt werden. Für die Politik ist jedoch auch bei Kant der Erfolg eines Verhaltens und Handelns entscheidend und besteht daher eine umfassende Informationspflicht über die Sachzusammenhänge. Es bietet sich an, die Wissenschaft in einem unabhängigen Gutachtenverfahren mit bioteler Zielsetzung und Methodik — die Anwendung der biotelen Aspekte inbegriffen — direkt mit der Tatbestandsklärung zu beauftragen. Hinsichtlich der Tugenden der Wahrheitsliebe, einschließlich der Gründlichkeit, und der Unbestechlichkeit kann durch unabhängigen Gutachtenvergleich mittels moderner Technik ein Optimum an Aufklärung von Sachzusammenhängen erzwungen werden. Der Unterschied bei der Gutachtenbestellung ergibt sich aus der Fach- und Sachkompetenz und dem abgeprüften Bildungsniveau: für Personen vergleichbarer Fähigkeiten gilt die Zufallsauslese — manche bestehen auf dem Ausdruck "Auswahl", der aber in der Konsequenz auf dasselbe hinausläuft — und das Rotationsprinzip, d. h. hier die zeitlich enge Befristung des jeweiligen Gutachtenauftrags, überhaupt die Begrenzung auf Einzelproblemlösungen. Nach der Tugend der beteiligten Personen braucht also im biotelen Gutachtenprozeß nicht gefragt zu werden: die ethische Zielsetzung der dynamischen Stabilität aber ist verpflichtend. Aristoteles muß sich aber für alle Herrschaftssphären auf die persönliche Integrität der Beteiligten stützen
. (BIOTELIE hätte heute, unter Bedingungen einer Massengesellschaft,  wohl keine Chancen mehr, wenn sie auf persönliche Tugend und Integrität setzen müßte.

„Das zeigt sich auch, wenn man die Sache mehr im einzelnen betrachtet. Man täuscht sich überhaupt, wenn man meint, Tugend sei seelisches Wohlbefinden oder rechtes Handeln oder sonst so etwas, und die, wie Gorgias, die Tugenden der Reihe nach aufzählen, machen es immer noch weit besser als diejenigen die sie so definieren..." (a. a. O. S.28,29)

Im ersten Satz besteht eine nahe Verwandtschaft zur Auffassung Kants hinsichtlich der Unabhängigkeit moralischen Verhaltens und Glückstreben. Mit der Widerlegung der Verschiedenheit moralischer Anforderungen bekam Kant seine Schwierigkeiten, indem er auf eine formale Ethik des Gesetzes, eines sehr allgemein gehaltenen Gesetzes, auswich: verhalte dich so, daß die Maxime deines Handelns jederzeit zu einer allgemeinen Gesetzgebung taugen würde. Wir werden bei der Behandlung der Kritiken Kants sehen, daß der Einzelne dabei aber keineswegs außer der Klemme sein muß. Wer ein Gesetz formuliert, und sei es gerade für einen Einzelfall einer besonderen Lebenssituation, der kann nicht von den Folgen seiner Befolgung absehen. Die Befolgung reiner Sprachlogik ohne jegliche Gefühlsbeteiligung gleitet leicht in die Unmenschlichkeit ab.

„Wir haben uns vorhin klargemacht, daß der Sklave nur für die notwendigen Arbeiten gebraucht wird, so daß er offenbar auch nur geringerer Tugend bedarf, nicht mehr als nötig ist, um nicht durch Unmäßigkeit und Trägheit seinen Dienst zu versäumen.
Man könnte aber, wenn das jetzt Gesagte wahr ist, die Frage aufwerfen, ob auch die gemeinen Handwerker Tugend haben müssen. Der Sklave lebt mit seinem Herrn zusammen, der Handwerker aber steht im fern und hat nur so viel Anteil an der Tugend, als er Anteil an der Sklaverei hat. Der niedere Handwerker lebt nämlich in einer partikulären Sklaverei. Auch gehört der Sklave zu denen, die von Natur sind, was sie sind das kann man aber von keinem Schuster  oder sonstigen Handwerker sagen.
Man sieht also, daß dem Sklaven zur Erlangung standesgemäßer Tugend sein Herr verhelfen muß und nicht der, der ihm mit einer Art Herrengewalt den Unterricht in seinen Dienstverrichtungen erteilt. Darum reden die verkehrt, die den Sklaven des vernünftigen Zuspruchs berauben wollen und meinen, daß man ihnen nur befehlen müsse. D
as Sklaven müssen vielmehr noch mehr ermahnt und vernünftig belehrt werden als die Kinder. (a. a. O. 29)

Wieder scheint die Bedeutung der SPONTANEITÄT durch: Kadavergehorsam nutzt wenig in einem Zusammenleben. Die Klasse der Aristokraten erhält und behält ihre Bedeutung nicht nur von ihren hervorragenden Eigenschaften, von ihren guten Fähigkeiten,  sondern durch die Erblichkeit der Standeszugehörigkeit. Die Anerkennung der hohen Rolle von Erblichkeit ist aber doch auch eine Anerkennung der wichtigen Stellung der SPONTANEITÄT. Wir wissen, daß hier Gruppeninteressen die Aussagen und Handhabung auch in der Wissenschaft stark dominierten. Umgekehrt wird derzeit die Bedeutung der Erblichkeit für die Fähigkeit der Menschen weithin unterschätzt. Das System der BIOTELIE schlägt einen Forschungszeitraum von mindestens 100 Jahren vor, um dann zur Frage der Erblichkeit von Eigenschaften und Fähigkeiten zuverlässigere Erkenntnisse zusammenstellen und verantwortlicher mit ihnen umgehen zu können.
Bei der Begründung der Sklaverei stößt Aristoteles noch auf die zusätzliche Schwierigkeit, daß es neben der Sklaverei "von Natur" noch die "durch Gesetz" gab, nämlich Kriegsgefangene, die zuvor Freigeborene waren. Ehe man aber den Zeigefinger hebt, sollte man bedenken, daß diese Form der Sklaverei im Grunde einen zivilisatorischer Fortschritt darstellt: denn zuvor hat man Feinde getötet, um zukünftig vor ihnen sicher zu sein. Es sei daran erinnert, daß später hellenische Bürger selbst Sklaven der Römer wurden und dort sogar Erzieherstellungen einnehmen und viele ihre Freilassung erreichen konnten.

„Erstes Buch. 6.Kapitel.
Wird aber die Herrschaft schlecht geführt, so geschieht es beiden nicht zum Nutzen. Ist doch das nämliche dem Teil und dem Ganzen, dem Leibe und der Seele nützlich und der Knecht ein Teil seines Herrn, gleichsam  ein beseelter, aber getrennter Teil des Leibes. Deshalb ist auch eine gegenseitige Freundschaft zwischen einem Sklaven und seinem Herrn, die beide ihren Stand von Natur verdienen, nützlich. Wenn aber ihre Stellung nicht darauf, sondern auf Gesetz und Gewalt beruht, so gilt das Gegenteil von dem, was wir ausgeführt haben." (a. a. O. S.13)

Der biotele Aspekt GEGENSEITIGKEIT schwingt hier mit. Der Aspekt des AUSGLEICHS läßt sich schwer auffinden und steht dann deutlich im Banne der HYPARCHIE, d. h. der Minimierung von Gewalt, Zwang und Bedrohung im Staatsinneren. Es geht um die Notwendigkeit der Einheit und Einigkeit, ohne die ein Staat eine Beute anderer Staaten wird.

Zweites Buch. 1. Kapitel.
Da wir vorhaben, jene staatliche Gemeinschaft zu betrachten, die für Menschen, die möglichst nach Wunsch leben können, von allen die beste ist, so müssen wir auch auf die anderen Staatsverfassungen unser Augenmerk richten, die entweder in manchen vorgeblich gut eingerichteten Gemeinwesen tatsächlich bestehen, oder sonst etwa von einzelnen Theoretikern vorgeschlagen worden sind und gut scheinen, einmal damit das Richtige und Brauchbare an ihnen sich zeige, dann aber auch, damit nicht, wenn wir, über sie hinausgehend, noch etwas Neues suchen, der Schein entstehe, als wollten wir damit nur unsere Weisheit zeigen, vielmehr zutage trete, daß wir lediglich wegen der mangelhaften Beschaffenheit aller dieser Verfassungen aller dieser Verfassungen uns zu dieser Untersuchung bewogen gefunden haben.

Daß "Menschen... möglichst nach Wunsch leben können" hat sich bei uns als die Grundlagen der demokratischen Ordnung gefährdendes Ziel herausgestellt. Aber die aristotelische Politik legt ja dann doch den Schwerpunkt nicht auf die Wunscherfüllung der Mehrheit: übergehen darf man aber den Mehrheitswillen nicht. Wie denn im biotelen System ja jeder biotele Gesetzesvorschlag, der von jedermann ausgehen kann, nach übereinstimmender Bestätigung seiner Vorteilhaftigkeit im unabhängigen Gutachtenvergleich, der Abstimmung durch die Betroffenen unterworfen werden muß, um damit ein fruchtbares direktdemokratisches Element in die Parlamentarische Demokratie einzuführen. AUSGLEICH  setzt beim Besitz an.

„Zweites Buch. 1. Kapitel.
Notwendig haben alle Bürger entweder alles gemeinsam, oder nichts, oder einiges wohl, anderes nicht. Daß sie nichts gemeinsam haben, ist offenbar unmöglich. Der Staat ist ja eine Gemeinschaft, und man muß zuerst den Ort gemeinsam haben. Denn der Ort je eines Staates ist einer, und die Bürger sind Genossen je eines Staates. Aber ist es für einen Staat, der wohl eingerichtet sein soll, besser, daß alles gemeinsam sei, was gemeinsam sein kann, oder ist es besser, daß einiges es sei und anderes  nicht? Die Bürger können ja, wie in Platos Staat, Kinder, Weiber und Besitz miteinander gemeinsam haben....(a. a. O S.31)
Zweites Buch. 2. Kapitel.
Die allgemeine Weibergemeinschaft bringt nun nicht nur viele Übelstände mit sich, es tritt auch offenbar das, was für Sokrates der Grund ist, diese Satzung für notwendig zu erklären, auf seinem Standpunkt nicht ein. Auch ergibt sich in bezug auf das Ziel, das ihm zufolge im Staate verwirklicht werden muß, so wie es wirklich von ihm angegeben wird, Unmögliches; welche Unterscheidung aber hier am Platze wäre, davon sagt er nichts.
Ich meine damit, daß es nach Sokrates am besten sein soll, wenn der ganze Staat möglichst einer ist; denn das nimmt er zur Voraussetzung. Es ist aber doch klar, daß der Staat je mit dem Fortschritt zu größerer Einheit mehr und mehr aufhören muß, noch ein Staat zu sein. Er ist seiner Natur nach eine Vielheit, sowie er aber mehr und mehr zu einer Einheit wird, muß er statt eines Staates ein Haus und statt eines Hauses ein Individuum werden. Denn ein Haus, wird jeder sagen, sei in höherem Sinne eine Einheit als ein Staat,, und ein Individuum sei es in höherem Sinne als ein Haus. Könnte man also auch diese Einheit verwirklichen, so dürfte man nicht, weil man damit den Staat aufhöbe. Der Staat besteht aber nicht bloß aus einer Mehrheit von Menschen, dieselben sind auch der Art nach verschieden; aus ganz gleichen Menschen kann nie ein Staat entstehen. Der Staat ist keine Bundesgenossenschaft, die durch ihre Größe nützt, wenn sie auch keine Unterschiede der Art aufweist. Denn die Bundesgenossenschaft ist von Natur zur Hilfe bestimmt, wie ja auch ein Gewicht, je größer es ist, desto schwerer in die Waagschale fällt. Solchergestalt ist ja auch der Unterschied zwischen einem Staate und einem Volke, wenn die Menge der Bürger nicht bloß örtlich nach Dörfern getrennt ist, sondern viele freie Gemeinwesen bestehen, wie bei den Arkadiern (a. a. O. S.32,33)

Nein, die Bestandteile, woraus eine Einheit werden soll, müssen der Art nach verschieden sin. Daher erhält jene Gleichheit, die in der Wiedervergeltung besteht, die Staaten, wie früher in der Ethik erklärt worden ist."
[Anmerkung des Übersetzers: „Dadurch, daß nach Verhältnis vergolten wird, bleibt der Bürgerschaft der Zusammenhalt gewahrt. Entweder nämlich sucht man das Böse zu vergelten, und ohne diese Vergeltung hätte man den Zustand der Knechtschaft, oder das Gute, und ohne das wäre keine Gegenleistung, auf der doch die Gemeinschaft beruht", Ethik 5, 8, 1132b33ff] (a. a. O. S.308)]

Der biotele Aspekt der GEGENSEITIGKEIT bildet also die Grundlage des Rechts, aber bei der Vergeltung von Unrecht muß der Aspekt der HYPARCHIE, der Minimierung von Gewalt, Zwang und Bedrohung, hinzutreten, damit die Aggressivität unter Rachegefühlen nicht eskaliert. Aristoteles spricht sich gegen Gleichmacherei aus; sobald ein militärisches Gleichgewicht und der Schutz einer internationalen oder besser übernationalen, weltstaatlichen gegliederten Ordnungsmacht erreicht ist, entfällt völlig die Berechtigung das heute herrschende Bestreben nach Vermehrung von Superstaaten nach US-amerikanischem (oder vormals  sowjetischem) Beispiel, etwa nach einem einheitlichen Bundesstaat Vereinigtes Europa. Richtiger ist doch das Ziel, die Staaten wieder zu zergliedern und zu verkleinern und dadurch die PLURALITÄT der Kulturen im weitesten Sinne zu fördern.
Durch den  Zusammenschluß vieler kleiner Staaten unter Begründung international besetzter Weltpolizeiblöcke lassen sich Kriege eher vermeiden und läßt sich Terrorismus eher bekämpfen als durch die Bildung  rivalisierender Großmächte.  Griechenland allerdings zerbrach an seiner Kleinstaaterei. Voraussetzung für den friedensstiftenden Weltstaat ist eine — wie immer auch gehandhabte und geartete — Geburtenregelung (möglichst subsidiär von den Einzelstaaten ausgeführt), also die Beendigung der rein zahlenmäßigen Expansion gerade auch von Minderheiten soweit sie sich nicht anerkannterweise als Vorteilsverbreitung für die Nachkommenschaft  auswirkt. Von derart großherzigem und fairen globalen Denken sind wir jedoch in einer Periode des Wiedererstarkens des Nationalismus noch weit entfernt.

„Zweites Buch. 2. Kapitel.
Denn dieses Geben und Nehmen muß auch unter Freien und Gleichen stattfinden. Alle können nicht auf einmal herrschen, sondern es muß ein Wechsel sein, sei es von Jahr zu Jahr, sei es nach sonst einer Ordnung oder Zeit. Auf diese Weise folgt dann, daß alle herrschen, wie wenn etwa die Schuster und Zimmerleute miteinander in ihrer Arbeit wechselten und nicht immer die selben Leute Schuster und Zimmerleute wären. Da aber die feste Übertragung der Geschäfte an Einen auch für die Staatsämter besser ist, so ist es offenbar besser, daß immer die nämlichen herrschen, wenn es möglich ist. Wo dies aber nicht möglich ist, weil alle von Natur gleich sind und es mithin auch gerecht ist, daß alle an der Regierung, mag sie nun ein Gut oder Übel sein, teilnehmen, da ist es besser, daß der Modus, nach dem die Gleichen gleichmäßig den mit der Regierung betrauten Männern Platz machen, jene erste Einrichtung möglichst nachahmt. Denn da regieren die einen und gehorchen die anderen abwechselnd, als wären sie andere geworden. Auf diese Weise verwalten ja auch die Amtsinhaber bald dieses Amt, bald jenes."

BIOTELIE geht das Problem ähnlich an, aber bezogen auf die Zuteilung von Erwerbsarbeit und nicht von Regierungsverantwortung. Es geht ja auch erst einmal darum, daß ein jeder dazu angeleitet wird, sich selbst zu regieren, zu AUTARKIE (wirtschaftliche Selbständigkeit) und AUTONOMIE (verantworteter Selbstbestimmung) zu finden. Standardisierbare Arbeit soll von möglichst jungen Menschen nach konzentrierter Ausbildung gegen eine so hohe Vergütung geleistet werden, daß daraus Rücklagen für einen größeren und vermutlich zunächst wachsenden Lebensabschnitt zurückgelegt und investiert werden können. Die für eine lange Zeit in ein Rentnerdasein Zurückgezogenen erwartet aber eine Fülle ehrenamtlicher Tätigkeiten als Großeltern, als Wissenschaftler und deren Helfer, als soziale Nothelfer und nicht zuletzt als Parlamentarier und eventuell sogar Regierungsamtsinhaber mit verschiedener Berufserfahrung. Im biotelen Gutachtenapparat aber werden im allgemeinen die Schuster als Schuster und die Zimmerleute als Zimmerleute befragt, machtmäßig zu bestimmen hat ohnehin kein Gutachter, denn die Aufgabe liegt ja in der Sachverhaltsaufklärung. Das Hauptziel bleibt die dynamische Stabilität , also die Erhaltung des Ganzen, der lebendigen und ständig um Anpassung ringenden Welt, und auch seiner Teile.

„Hieraus erhellt also, daß der Staat von Natur nicht jene Einheit  bildet, wie einige sagen, und daß das, was jene Einheit bildet, wie einige sagen, und daß das, was als Bestes in den Staaten bezeichnet worden ist, sie in Wirklichkeit aufhebt. Und doch wird jedes durch das, was sein Gut ist,  erhalten.
Es erhellt aber auch noch in anderer Weise, daß das Streben nach allzu großer Einheitlichkeit des Staates nicht das Bessere ist. Das Haus ist sich selbst mehr genug als das Individuum und der Staat mehr als das Haus, und er will erst dann wirklich Staat sein, wenn die Gemeinschaft der Menge dahin gelangt, sich selbst zu genügen." (a. a. O. S.33)
Wenn nun, was sich selbst mehr genügt, vorzüglicher ist, so ist auch die geringere Einheit der größeren vorzuziehen."

Hier scheint schon Platz geboten für Menschenrechte des Individuums, allerdings in Rückkoppelung zur Gemeinschaft, zum Staat hin, dessen Stärke als Rechtsstaat ja gerade in der Wahrung der Selbstachtung der Menschen und auch der Menschenwürde insbesondere auch von Seiten der Staatsorgane besteht. Und da kommt dem familiären Zusammenhalt der Ehepartner und dem Eigentum doch ein wichtiger Rang zu.

„Zweites Buch. 3. Kapitel.
Aber selbst wenn es am besten sein sollte, daß die Gemeinschaft möglichst eine ist, so wird das Vorhandensein dieser Einheit doch gewiß damit nicht logisch nachgewiesen, daß alle zugleich >mein< oder >nicht mein< sage., was nach Sokrates das Kennzeichen sein soll, daß der Staat vollkommen eins ist. Das Wort >alle< ist nämlich doppelsinnig. Soll es heißen: jeder einzelne, so möchte, was Sokrates erst bewirken will, vielmehr schon vorhanden sein. Denn jeder wird seinen Sohn als  seinen Sohn und sein Weib als sein Weib bezeichnen, und ebenso wird er von seinem Vermögen sprechen und von allem dem, was ihn angeht. Nun aber werden die, die Weiber und Kinder gemeinsam haben, so nicht sprechen, sondern sie alle zusammen können zwar von ihren Weibern und Kindern reden, aber nicht jeder von ihnen, sofern er für sich allein spricht... Was also das betrifft, daß alle dasselbe als das Ihrige bezeichnen, so wäre das in einem Sinne gut und schön, ist aber nicht möglich, in anderem Sinne ist es keinerlei Beweis von Einmütigkeit.
Außerdem hat die gedachte Einrichtung auch diesen Schaden im Gefolge. Was sehr vielen gemeinsam zugehört, für das wird am wenigsten Sorge getragen. Am meisten denkt man an seine eigenen Angelegenheiten, an die gemeinsamen weniger oder doch nur soweit, als sie den einzelnen berühren. Denn abgesehen von anderen Gründen nimmt man die Sache hier leichter, weil man denkt, ein anderer werde schon dafür sorgen, ähnlich wie bei den häuslichen Diensten einem mitunter viele Bedienstete schlechter aufwarten als wenige. (a. a. O. S.34,35) Nun bekommt jeder Bürger tausend Söhne, nicht als wären es die Söhne eines einzelnen Vaters, sondern jeder ist gleichmäßig Sohn von jedem, wer es auch sei, und so werden sich alle gleich wenig um sie kümmern...
Indessen wird es auch gewiß nicht zu vermeiden sein, daß manche ihre Brüder, Kinder, Väter und Mütter erraten: sie müssen dieses Verwandtschaftsverhältnis nach der Ähnlichkeit, die die Kinder mit ihren Erzeugern haben, voneinander annehmen. Daß dies auch wirklich vorkommt, berichten manche, die über Reisen in ferne Länder geschrieben haben. Nach ihnen besteht bei einigen Völkerschaften des oberen Libyens Weibergemeinschaft, aber die Kinder werden nach der Ähnlichkeit verteilt...(a. a. O. S.35)
Viertes Kapitel.
Ferner ist es für diejenigen, die diese Gemeinschaft einführen, auch nicht leicht, Übelstände folgender Art zu vermeiden, nämlich unfreiwillige und freiwillige Verwundungen und Totschläge, Schlägereien und Schimpfreden. Das sind Dinge, von denen keines gegen Väter, Mütter, und nahe Verwandte erlaubterweise geschehen kann, wie etwa einmal gegen Fernstehende. Aber sie müssen auch öfter vorkommen, wenn man sich nicht kennt, als wenn man sich kennt. Und sind sie geschehen, so können bei Bekannten die gebräuchlichen Sühnen geleistet werden, in dem anderen Falle aber können sie es nicht.
Ungereimt ist es auch, wenn man die Söhne zum Gemeingut macht und dann doch den Liebhabern nur verbietet, ihren Lieblingen beizuwohnen, dagegen ein solches Liebesverhältnis selbst und jene Vertraulichkeiten, deren Vorkommen zwischen Vater und Sohn und zwischen Bruder und Bruder, wie schon jenes Verhältnis selbst, das Allerungeziemende ist, nicht untersagt."
[Anmerkung des Übersetzers: „So also wirst du in dem zu gründenden Staat verfügen, daß der Liebhaber den Liebling des Schönen halber küssen, mit ihm verkehren und ihn berühren dürfe wie seinen Sohn, wenn er es sich gefallen lassen will; im übrigen muß er mit dem, um den er sich bemüht, so umgehen, daß er niemals darüber hinaus seinen Verkehr auszudehnen scheine; wo nicht, so werde er sich den Tadel des Mangels an musischer Bildung und an Sinn für das Schöne zuziehen." Staat 3,403B] (a. a. O. 308,309)...
„Zweites Buch. 4. Kapitel.
Auch dürfte die Weiber- und Kindergemeinschaft dem Staate größeren Vorteil bringen, wenn sie  bei den Bauern, als wenn sie bei den Wächtern eingeführt würde. Nämlich wo man Weiber und Kinder gemeinsam hat, da wird weniger Freundschaft zu finden sein. So müssen aber die Angehörigen des untersten Standes zueinander stehen, damit sie botmäßig bleiben und auf keine Neuerungen sinnen.." (a. a. O. S.36).

Dennoch scheinen die Kommunisten, Sozialisten — die Linken, denen sich aber bereits Kapitalisten und Industriekapitäne anschließen — nicht davon ablassen zu können, aus der Erde einen Wirlpool aller Rassen, Nationen, Völker, Gruppen zu machen, um zu einer Weltgesellschaft zu gelangen, in welcher alle gleich sind oder doch als gleich gelten. (Daß sie dann doch ungleich behandelt werden, weil sie abweichend von der öffentlichen Doktrin sich gegenseitig ungleich behandeln, steht auf einem anderen Blatt.) Die Manipulation der Natur bis hin zur Genmanipulation und Krankheitsbekämpfung  unserer eigenen Art wird uns aber lehren, auf die Zusammenhänge der Erblichkeit wieder, ja verstärkt  zu achten, falls der Menschheit durch Besinnung auf Vernunft noch eine längere Existenz beschieden sein sollte, wie sie nur außerhalb der kommunistisch-sozialistischen Doktrin und durch Bekämpfung der schrankenlosen Geldherrschaft (Kapitalismus)  über Rechtsstaatlichkeit möglich wäre. Aristoteles hat sehr richtig die Bedeutung des Eigennutzes (Egoismus) und der verwandtschaftlichen Pflichten, den Aufbau von Hilfe von unten her (SUBSIDIARITÄT) auch durch Stärkung der  HYPARCHIE für die Stabilität des Ganzen, für den Staat, erkannt.

„Uns erscheint die Freundschaft als das höchste der Güter für die Staaten — denn wo sie herrscht, werden am wenigsten Aufstände vorkommen... (a. a. O. S.37)
Zweites Buch. 5. Kapitel.
Hieran schließt sich die Untersuchung über den Besitz mit der Frage, wie er in einem Staate, der sich der besten Verfassung erfreuen soll, einzurichten ist, ob er nämlich gemeinsam sein soll oder nicht. Man kann diese Frage in betreff des Besitzes auch getrennt von den für die Weiber und Kinder getroffenen Gesetzesbestimmungen erörtern; man kann davon ausgehen, daß Weiber und Kinder nicht gemeinsam sind, wie es jetzt für alle Staaten zutrifft, und fragen, ob es besser ist, daß Besitzungen und Nutznießungen gemeinsam sind, nämlich so, daß die Grundstücke Privateigentum bleiben, die Erträgnisse aber als Gemeingut zusammengetan und verbraucht werden — wie das einige Völkerstämme tun — , oder umgekehrt so, daß das Land gemeinsam ist und seine Bestellung gemeinsam geschieht, dagegen die Erträgnisse zum Privatverbrauch verteilt werden — auch diese Art von Gemeinschaft soll sich bei einigen Barbarenvölkern finden —, oder endlich so, daß die Grundstücke so gut wie die Erträgnisse Gemeingut sind.
Wenn nun die Felder von anderen als den Staatsbürgern bestellt würden, so wäre es eine andere und leichtere Sache."

Wir Heutigen lassen ja vornehmlich Landmaschinen für uns arbeiten, so daß — wie auch in den Fabriken die schwere körperliche Arbeit weitgehend entfällt; auch haben wir uns weniger vor den Muskelpaketen der Schwerstarbeiter als vor deren Pistolen zu fürchten, wo sie denn kriminell geworden sind oder revolutionär. Paul Kretschmer hatte in "Körperbau  und Charakter" in seine Typologie auch den Epileptiker aufgenommen und als muskulös beschrieben — Anfang der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts war das Buch in aller Munde. Inzwischen mutmaße ich, daß es die Folge der Muskelkrämpfe in den Anfällen war, welches dieses Erscheinungsbild zur Folge hatte. Ähnlich dürfte es A. mit dem Körperbau der  Sklaven gegangen sein, der also Folge und nicht Ursache ihres Standes war.

„Arbeiten aber die Bürger für sich selbst, so müssen die Fragen über den Besitz größere Schwierigkeiten bereiten. Denn wenn zwischen dem Genuß der Vorteile und der Arbeitsleistung keine Gleichheit eingehalten wird, so müssen unvermeidlich gegen die, die viel genießen oder bekommen und wenig leisten, von seiten derer, die weniger bekommen und mehr leisten, Beschwerden laut werden.
Überhaupt ist das Zusammenleben und die Gemeinschaft in allen menschlichen Dingen schwer, besonders aber in solchen. Man sieht das an den Gesellschaften der Reisegefährten, wo fast die meisten über Kleinigkeiten und das erste beste, was ihnen in den Weg kommt, sich entzweien und aneinandergeraten. Auch haben wir mit keinem Gesinde so vielen Verdruß als mit dem als mit dem, das wir zu dem täglichen Dienst immer um uns haben müssen.
Die Gemeinschaft des Besitzes bringt also diese und ähnliche  Schwierigkeiten mit sich. Dagegen dürfte die gegenwärtige Einrichtung, durch gute Sitten und Gesetzesverordnungen verbessert und verschönert, sehr erhebliche  Vorteile bringen. Sie würde das Gute von beiden haben, vom gemeinschaftlichen Güterbesitz meine ich und  vom Privatbesitz. In gewissem Sinne nämlich müssen die Güter wirklich gemeinsam sein, im ganzen aber Privateigentum bleiben. Wen n jeder für das Seine sorgt, werden die gegenseitigen Beschwerden wegfallen, und man wird auch mehr vor sich bringen, da jeder für seinen eigenen Vorteil arbeitet. Um der Tugend willen muß es mit dem Gebrauche des Eigenbesitzes nach dem Sprichworte gehen: >Freunden ist alles gemein<. Schon jetzt ist hiermit in der Gesetzgebung einzelner Staaten ein Anfang gemacht, so daß man sieht, die Sache ist nicht unmöglich; und zumeist in wohleingerichteteten Staaten ist in diesem Sinne manches teils schon verwirklicht, teils in Vorbereitung begriffen. Ein jeder hat da seinen Eigenbesitz, aber manches überläßt er seinen Freunden zur Mitbenutzung, anderes nutzt er selbst als Gemeingut mit, wie z. B. in Lazedämon sich einer der Sklaven des anderen gleichsam wie seiner eigenen bedient, und ebenso seiner Pferde und Hunde, wie auch der Früchte, wenn man ihrer auf den Feldern im Lande als Wegzehrung bedarf. Man sieht also, es ist besser, daß der Besitz Privateigentum bleibt, aber durch die Benutzung gemeinsam wird. Daß aber die Bürger ihrer Gesinnung nach dahin gebracht werden, ist die eigenste Aufgabe des Gesetzgebers." (a. a. O. S.39,40)

Solcher Kommunismus (oder besser: Kommune und Gemeingeist, wie die Kommunitarier fordern) verlangt unbedingt nach kleinstaatlicher oder sagen wir Kleingemeinden entsprechender politischer Gliederung — small is beautiful — mit überschaubaren Verhältnissen, unter denen sich alle gegenseitig bekannt sind. Unsere Linken, die Sozialisten aber drängen ja zur anonymen Weltgesellschaft, ohne noch dabei rotwerden zu können. Einen gewissen Ersatz bieten Idealvereine, wie Sport- und Freizeitklubs; im Gegensatz zu linken Parteien befleißigen die sich aber auch nicht, ihr Wunschdenken anderen Außenstehenden aufzudrängen. Gewisse religiöse Fanatiker stehen da in der Mitte.

„Es ist auch nicht mit Worten zu sagen, welche eigenartige Befriedigung es gewährt, wenn man etwas sein eigen nennen kann. Sicherlich nicht umsonst hat jeder die Liebe zu sich selbst, sondern es ist uns von der Natur so eingepflanzt, und nur die Eigenliebe erfährt gerechten Tadel; sie ist aber auch nicht dasselbe mit der Selbstliebe, sondern ist übertriebene Liebe zu sich selbst, wie man auch den Habsüchtigen tadelt, obgleich doch im einzelnen jeder an seiner Habe Freude hat. Aber auch das bereitet hohe Lust, den Freunden oder Gästen oder Gefährten Gunst und Hilfe zu erweisen, was nur geschehen kann, wenn es ein Eigentum gibt. Dessen gehen nun alle die verlustig, die den Staat zu sehr zu einem machen, und außerdem  heben sie offensichtlich die Übung zweier Tugenden auf, die Übung der Enthaltsamkeit gegen die Weiber — denn es ist wohlgetan, wenn man sich aus Selbstbeherrschung eines fremden Weibes enthält — und die Übung der Freigebigkeit in Bezug auf das Vermögen..."

Dies sich doch immer wieder bestätigten Einsichten konnten kommunistisch-sozialistische Schwärmer, wie auch Marx, Engels und Lenin, nicht davon abhalten, die Welt mit der Heilslehre allgemeiner Verbrüderung zu drangsalieren; eine Heilung der Menschheit von dieser illusorischen Utopie ist jedoch völlig unwahrscheinlich: man muß aber derartigen Weltbeglückern in ihrer Verlogenheit  und Tarnung der von ihnen angestrebten  Despotie in die Zügel fallen, ehe der Karren endgültig in den Abgrund saust. Die Eindämmung des Betrugs auf dem Gebiet der Wirtschaft durch die Kapitalisten durch biotele Rechtstatatlichkeit ist hierfür ein wichtiges Instrument, denn es nähme der sozialistischen Agitation viel Wind aus den Segeln.

„Es ist wahr, die Gesetzgebung des Sokrates hat ein einnehmendes Gesicht  und macht den Eindruck der Menschenfreundlichkeit, und wer von ihr hört, läßt sie sich gern gefallen und denkt, sie werde eine wunderbare Freundschaft aller mit allen zur Folge haben, besonders wenn man die jetzt in den Staaten bestehenden Übel der Einrichtung schuld gibt, daß der kein gemeinschaftlicher ist, die Rechtshändel über Verträge meine ich, die gerichtlichen Erhebungen wegen falschen Zeugnisses, die Umschmeichelung der Reichen. Allein alle diese Dinge kommen nicht von der fehlenden Gütergemeinschaft, sondern von der menschlichen Schlechtigkeit, da ja doch erfahrungsgemäß solche, die etwas gemeinsam haben und nutzen, viel mehr Streit miteinander bekommen als die Inhaber von Privateigentum. (a. a. O. S.40,41) Aber wir sehen diejenigen, die wegen der Gütergemeinschaft Streit bekommen, für wenige an, weil wir sie mit den vielen vergleichen, die nur Privatbesitz haben. Es wäre aber auch gerecht, nicht bloß der vielen Nachteile zu gedenken, vor denen man bei der Gemeinschaftlichkeit der Güter bewahrt bleibt, sondern auch der Vorteile, derer man durch sie beraubt wird, und deren so viele sind, daß es ganz unmöglich erscheint, unter solchen Einrichtungen zu leben...
Es gibt einen Grad der Einheit, bei dem der Staat nicht mehr bestehen würde, und es gibt einen Grad, bei dem er zwar noch Staat bliebe, aber nahe daran wäre, es nicht mehr zu sein, wo er dann ein schlechter Staat würde, ähnlich wie wenn man die Symphonie zur Monotonie oder den Rhythmus zum Einzeltakt machte. Nein, man muß, wie schon früher bemerkt worden, den Staat, da er eine Vielheit ist, durch die Erziehung zu einer Gemeinschaft und Einheit machen, und es ist ungereimt, daß ein Mann, der doch der Erziehung das Wort redet  und durch sie den Staat tugendhaft zu machen hofft, sich einbildet, er müsse ihm durch solche Mittel aufhelfen und nicht vielmehr durch die Gewöhnung, die Philosophie und die Gesetze, wie z. B . nur durch die Gesetze, welche die gemeinsamen öffentlichen Mahlzeiten verordneten, in Lazedämon und auf Kreta eine gewisse Gütergemeinschaft zustande kam.
Man darf auch nicht übersehen, daß die lange Zeit  und die vielen Jahre bedenklich machen müssen, in denen es nicht verborgen geblieben wäre, wenn solche Einrichtungen wirklich etwas für sich hätten... Die Sache würde am klarsten werden, wenn man eine solche Verfassung einmal tatsächlich durchgeführt  sähe. (a. a. O. S.41,42)

Wir mußten und müssen es in den Ländern des "real existierenden Sozialismus" erleben! Weitere Einwendungen des Aristoteles gegen Platons Staatsutopie und auch gegen dessen späteres Werk "Gesetze" übergehe ich hier, erwähne aber den Vorwurf, daß der Gesetzgeber nicht nur auf Land und Leute, sondern auch auf die Nachbarn zu achten habe und dessen Kriegsmacht. (a. a. O. S.45) Unter bioteler Verfassung steht die Aufgabe der Beschränkung des globalen Bevölkerungsanstieges und die Verhinderung nicht vernünftig begründbaren Anwachsens von Minderheiten als Aufgabe unter dem Gesichtspunkt der HYPARC'HIE im Vordergrund. Platon forderte eine Größe des Besitztums, von der man mäßig leben könne (a. a. O. S.46).

„Zweites Buch. 6.Kapitel.
Ungereimt ist es auch, den Besitz für alle gleich zu machen und doch wegen der Zahl der Bürger keine Vorkehrungen zu treffen, sondern die Erzeugung von Kindern unbestimmt zu lassen, als ob wegen der vielen Fälle der Kinderlosigkeit die Sache sich genügend ausgliche und die Zahl der Bevölkerung auf derselben Höhe bliebe, wen auch noch so viele geboren würden, wie das ja auch jetzt in den Staaten der Fall zu sein scheint... (a. a. O. S.46) Was die Staatsform betrifft, so will dieselbe weder eine Demokratie, noch eine Oligarchie sein, sondern ein Mittelding zwischen beiden, das man Politeia nennt. Der Staat besteht nämlich aus den waffenfähigen Bürgern.. Man dürfte leicht die lakonische mit höherem Lobe erheben, oder auch sonst  eine mehr aristokratische Staatseinrichtung.
Manche meinen, die beste Verfassung müsse aus allen Verfassungen gemischt sein, und deshalb loben sie auch die lakonische.(a. a. O. S.47,48) Denn die einen sagen, sie bestehe aus Oligarchie, Monarchie und Demokratie, indem sie das Königtum als Monarchie und den Rat der Alten als Oligarchie bezeichnen und in dem Amte der Ephoren die Demokratie repräsentiert finden, weil die Ephoren aus dem Volke genommen würden....
Denn daß die Beamten aus Gewählten durch das Los bestimmt werden, ist eine Verbindung von beiderlei Verfassungsgrundsätzen, daß aber die Wohlhabenden verpflichtet sind, in den Volksversammlungen zu erscheinen und die Wahl der Obrigkeiten vorzunehmen oder andere staatliche Geschäfte zu besorgen, während die übrigen Bürger davon entbunden sind, das ist oligarchisch, und nicht minder sind es die Veranstaltungen, die darauf hinzielen, daß die Mehrzahl der Beamten aus den Wohlhabenden genommen und die höchsten Staatsämter mit den Höchstbesteuerten besetzt werden. Oligarchisch richtet er auch die Wahl des Rates ein... (a. a. O. S.48)

Zweites Buch. 7. Kapitel.
Es gibt aber auch noch einige andere Verfassungen, teils von gewöhnlichen Leuten, teils von Philosophen und Staatsmännern, die insgesamt den geltenden und das Staatsleben jetzt regelnden Verfassungen näher stehen... sie gehen mehr von dem Notwendigen aus.  
Manche halten es für das wichtigste, wenn die rechten Bestimmungen über das Vermögen getroffen sind, denn um des Vermögens willen, sagen sie, schritten alle zum Aufruhr... (a. a. O. S.49) Aber auch wenn man für alle ein mittleres Vermögen festsetzte, nützte es nichts. Denn es ist wichtiger, die Begierden zu regeln als die Vermögen,,, das ist aber nicht möglich, wenn die Bürger nicht angemessen durch Gesetze erzogen werden.
Aber vielleicht möchte Phaleas hierauf erwidern... daß in diesen beiden Dingen  Gleichheit in den Staaten herrschen müsse: im Besitze und in der Erziehung. Aber man müßte sagen, welcher Art die Erziehung sein soll, und es kann nichts nützen, wenn man sagt, daß sie eine und dieselbe sein müsse. Die Erziehung kann eine und dieselbe sein und doch so, daß sie die Bürger zu dem Streben verführt, anderen im Reichtum oder in der Ehre oder auch in beiden den Rang ablaufen.
Auch zum Aufruhr schreitet man nicht bloß wegen Ungleichheit des Besitzes, sondern auch wegen Ungleichheit der Ehren; beide Male aber ist der Hergang entgegengesetzt: die Menge wird aufrührerisch wegen Ungleichheit des Besitzes, die besseren Männer aber werden es der Ehren wegen, wenn sie für alle nur gleich sind... Weiterhin aber tun die Menschen nicht bloß wegen der Notdurft Unrecht — für sie meint Phaleas in der Vermögensgleichheit ein Heilmittel zu haben, so daß man nicht mehr wegen Kälte oder Hunger auf Diebstahl und Plünderung ausgehen werde —, sondern auch um zu genießen und nicht hoffnungslos zu begehren. Denn wenn ihre Begierde über das Notwendige hinausgeht, so werden sie, um sie zu stillen, zum Verbrechen schreiten. Aber nicht bloß, um sie zu stillen, sondern auch weil  sie das Verlangen haben, sich solcher Genüsse zu erfreuen, die ihnen nicht zugleich Schmerzen bringen. Welches ist nun das Heilmittel für diese drei? Für die einen ist es ein mäßiger Besitz und fleißige Arbeit, für die andern Mäßigkeit, und endlich möchte für die wenigen, die den Genuß bei sich selbst suchen, die Abhilfe nirgendwo anders liegen als in der Philosophie; denn die anderen Genüsse sind auf die Hilfe der Menschen angewiesen. (a. a. O. S.51,52) Wahr aber bleibt, daß die größten Ungerechtigkeiten von denen ausgehen, die das Übermaß verfolgen, nicht von denen, die die Not treibt. Man wird ja nicht Tyrann, um nicht zu frieren. Daher erwarten einen auch große Ehren, wenn man nicht einen Dieb, sondern einen Tyrannen erschlägt. So kann denn also die Weise, wie Phaleas den Staat einrichtet, nur gegen die kleinen Ungerechtigkeiten helfen.
Ferner ordnet er meistens nur solches an, was bestimmt ist, eine gute Verfassung nach innen herbeizuführen, es bedarf ab er auch das Verhältnis zu den Nachbarn und den auswärtigen Mächten der Regelung. Die Verfassung müßte  also auch auf die kriegerische Stärke eingerichtet sein...
Besitz... muß nicht bloß für die Bedürfnisse des Gemeinwesens hinreichend zur Verfügung stehen, sondern auch für die Gefahren von außen. Daher darf er einerseits nicht in einem Maße vorhanden sein, daß überlegene Nachbarn danach lüstern werden und seine Inhaber dann keinen Angriff  abzuschlagen imstande sind, andererseits darf er  auch nicht so geringfügig sein, daß sie einem Kriege, sei es auch nur mit einem Feinde von gleicher oder ähnlicher Stärke, nicht gewachsen sind... Die beste Bestimmung ist also wohl, daß ein überlegener Feind nicht den Vorteil haben darf, wegen des sich ergebenden Überschusses Krieg zu führen; vielmehr muß sich das Fazit für ihn hernach so stellen, als wenn er den neuen Besitz gar nicht an sich gebracht hätte..." (a. a. O. S.52)

Ein geistreicher Einfall für eine Friedensforschung, der Aristoteles als Vater also auch dieser Disziplin ausweist, aber doch wohl schwerlich realisierbar wie die Vorschläge auch der Nachfolger!  Der biotele Aspekt der AKTIVITÄT, als Mittel zur Hebung der Handlungsfähigkeit  ist hier angesprochen als Mittel auch zur HYPARCHIE, hier sogar einmal international verstanden. Die Aspekte-"Schiene" VERGLEICHEN — GEGENSEITIGKEIT scheint bei Aristoteles dadurch schwach herauszukommen, daß ja die als naturgegeben hingestellte Unterschiede zwischen den Ständen und vor allem zwischen Freien und Sklaven verteidigt werden muß. Vergleichen, d. h. Urteilsfähigkeit sollen ja nur den Obersten der Freien umfassend und auf das Ganze hin sich erstreckend zukommen; für Handwerker sollte  etwa gelten: Schuster bleib' bei deinem Leisten! GEGENSEITIGKEIT wird so kaum im Konsens — schon was die Gleichheit der  Informationsvoraussetzungen betrifft — festgesetzt; und doch besteht sie oder wird gefordert. Wissen ist Macht!

„Nein! Der Anfang aller Maßnahmen zum Schutze von Frieden und Ordnung liegt nicht in der Ausgleichung der Vermögen, sondern darin, daß man gute Naturen dahin bringe, daß sie nichts voraus haben wollen, die schlechten aber so stelle, daß sie es nicht können, und dies geschieht, wenn sie die schwächeren sind und kein Unrecht zu erleiden haben..." (a. a. O. S.53)
„Siebentes Buch. 14. Kapitel.
Man darf ferner die Stadt auch nicht darum für glücklich halten  und den Gesetzgeber mit Lob erheben, weil er sie darin geübt hat, die Nachbarstaaten zu überwältigen, um sie sodann in Botmäßigkeit zu bringen. Offenbar muß ja dann auch jeder Bürger, der dazu in der Lage ist, den Versuch machen, ob er nicht über sein ganzes Vaterland herrschen könne. Das ist es doch,  was die Lakonen dem König Pausanias so  übel nehmen, der doch in so hohen Ehren stand. (a. a. O. S.270)
So sind denn solche Grundsätze und Gesetze alle zusammen weder staatsklug, noch heilsam, noch richtig. Denn der Gesetzgeber muß den Seelen der Menschen nur die Gesinnungen einpflanzen, die dem einzelnen wie der Gesamtheit gleichmäßig  zum Besten dienen.
Ferner muß man auf die Übung im Kriegeswesen nicht zu dem Ende Bedacht nehmen, um solche, die es nicht verdienen,, zu knechten, sondern der Zweck soll erstlich sein, nicht selbst von anderen geknechtet zu werden, sodann zweitens die Hegemonie zum Besten der Beherrschten, nicht behufs der Knechtung aller zu erlangen, endlich drittens, ein Herrenregiment über die zu gewinnen, dies es verdienen, Sklaven zu sein.
Darin aber, daß der Gesetzgeber vielmehr bemüht sein soll, die auf das Kriegswesen bezügliche wie die gesamte übrige Gesetzgebung den Interessen der Muße und des Friedens dienstbar zu machen, vereinigt sich das Zeugnis der Erfahrung mit dem Urteil der Vernunft. Die meisten Staaten mit ausschließlich kriegerischer Richtung bleiben, solange sie Krieg führen, wohlbehalten, gehen aber nach Erlangung der Herrschaft zugrunde. Denn sie verlieren, wenn sie Frieden haben, dem Eisen gleich ihre  Schneide, und daran ist der Gesetzgeber schuld, der sie nicht zu der Fähigkeit  erzogen hat, edler Muße zu pflegen." (a. a. O. S.271)

Ich habe also meine obig ausgedrückte Erwartung, Aristoteles könne die Bedeutung des biotelen Aspektes der HYPARCHIE unterschätzt haben, zu korrigieren. Für den Aspekt des AUSGLEICHS finden sich gleichwohl wenig Bespiele, so daß wir die Vorschläge Hippodamus' zur Kriegswaisenversorgung und Verbesserungsvorschlagsprämierung unten gleich erwähnen wollen.

„Zweites Buch. 8. Kapitel.
Hippodamus aber, der Sohn des Euryphon, aus Milet — der die Abteilung der Städte erfand und den Piräus durchschnitt, ein Mann, der in seinem Privatleben aus Eitelkeit ins Maßlose verfiel... war der erste, der, ohne praktischer Staatsmann zu sein, es unternahm, etwas über die beste Staatsverfassung zu sagen.
Er bestimmte für seinen Staat die Zahl von zehntausend Bürgern und teilte sie in drei Teile: den einen Teil bildete er aus Handwerkern, den zweiten aus den Bauern, und der dritte sollte für den Krieg sein und Waffen tragen. Auch das Land teilte er in drei Teile, so daß ein Teil für den Kultus, der zweite für öffentliche Zwecke und der dritte zum Privateigentum bestimmt war.. Aus dem ersten sollten die Kosten für den offiziellen Gottesdienst bestritten, von dem zweiten die Krieger unterhalten und der dritte für die Bauern sein. Auch nahm er nur drei Arten von Gesetzen an; denn der Dinge, über die Prozesse geführt würden, seien, meinte er, drei an der Zahl: Ehrverletzung, Schädigung und Totschlag... Auch dürften die Entscheidungen bei den Gerichten, meinte er, nicht durch bloße Stimmabgabe erfolgen, sondern jeder solle ein Täfelchen haben, das er, wenn er einfach für Verurteilung stimme, mit dem betreffenden Vermerk versehen, und wenn er einfach für Freispruch sei, leer lassen sollte; wäre er aber bedingungsweise für das eine oder das andere, so solle er das genau angeben. a. a. O. S.54,55) Die gegenwärtige Einrichtung sei nicht gut. Denn wenn die Richter entweder so oder so entscheiden müßten, so nötige man sie, wider ihren Eid zu entscheiden. Auch gab er ein Gesetz, daß die, die zum Vorteil des Staates etwas entdeckten oder ersännen, eine Auszeichnung bekommen, und die Kinder der im Kriege Gebliebenen auf Staatskosten erzogen werden sollten, da letzteres sonst noch nirgendwo vorgesehen war. Aber gegenwärtig besteht ein dahingehendes Gesetz sowohl in Athen als in anderen Staaten. Die Beamten sollten sämtlich vom Volke gewählt werden, und das Volk waren ihm die oben genannten drei Abteilungen..." (a. a. O. S.55)

Aus der  Kritik des Aristoteles sei erwähnt, daß unklar blieb, ob nicht etwa  die Krieger auch ihr Land  bestellen sollten. Obwohl Bauern und Handwerker bei Hippodamus Staatsbürger  sein sollten, trugen sie keine Waffen und wären Sklaven der Bewaffneten.
Uns muß doch erstaunen, daß die biotele Gutachteneinrichtung, welche auf Antrag von jedermann Verbesserungsvorschläge entgegennehmen und prämieren soll, also hier bereits einen Vorläufer hat und daß der Vorschlag eines Bürgers hinsichtlich der Kriegswaisenversorgung von den Politkern wirklich aufgegriffen und umgesetzt wurde: heute geradezu undenkbar! Das Tontäfelchen für die Abstimmung würde im biotelen System selbstverständlich durch Instrumente der modernen Elektronik abgelöst.

„Aber auch die Verordnung über den richterlichen Spruch ist nicht gut, die da verlangt, daß der Richter, während doch die Klageerhebung einfach lautet, unterscheide und aus einem Richter ein Schiedsmann werde. Dies ist zwar in einem Schiedsgerichte auch einer Mehrzahl erlaubt — denn sie besprechen sich untereinander über die Entscheidung —, aber nicht vor Gericht; im Gegenteil bestimmen die meisten Gesetzgeber, daß die Richter nicht miteinander beraten dürfen...". (a. a. O. S.56)

Diese Unabhängigkeit des Urteils gilt auch für jeden biotelen Gutachter, nur daß keiner derselben eine Sache zu Ende führen muß, von der er nicht überzeugt ist, daß die Sachverhaltsaufklärung zu einem klaren Urteil ausreicht. Die Funktion eines Schiedsgerichtes bei unklarer Sachlage übernimmt das Parlament.

„Drittes Buch. 12. Kapitel.
Da nun schon in allen Wissenschaften und Künsten das Gute das Ziel ist, so gilt dieses doch am meisten und ist das höchste Gut das Ziel in der höchsten ihrer aller, der Staatskunst. Nun ist des Staates Gut das Gerechte und das Gerechte das, was dem gemeinen Wesen frommt." (a. a. O. S.101,102) Das Gerechte scheint aber allen ein Gleiches zu sein, und sie stehen auch tatsächlich mit dieser Ansicht bis zu einem gewissen Grade auf seiten der in der Ethik entwickelten philosophischen Grundsätze."

Eine interessante Parallele zur Auffassung Immanuel Kant über das Sittengesetz a priori; die aber auch gleich wieder relativiert wird.

„Denn sie sagen, daß das Gerechte die Zuteilung von Sachen und an Personen in sich schließt, und daß gleiche gleiches haben müssen. Aber man muß dabei nicht vergessen, zu untersuchen, was für Personen die Gleichheit und was für Personen die Ungleichheit eignet. Denn darin liegt die Aporie und  der staatspolitische Vorwurf.
Man könnte nämlich sagen, die Ämter müßten je nach dem höheren Grade jedes beliebigen Gutes oder Vorzuges, wenn man sich auch sonst gar nicht unterschiede, sondern einander gleich wäre, ungleich verteilt sein. Denn für Personen verschiedener Beschaffenheit sei das Gerechte und Würdige je ein anderes. Aber wenn das so wäre, so müßten ja auch solchen, die durch ihre gute Farbe, ihre Größe oder sonst irgendeinen Vorzug andere übertreffen, ein größerer Anteil an staatlichen Gerechtsamen zukommen. Oder liegt hier nicht die Verkehrtheit auf der Hand?...(a. a. O. S.102) Ferner wäre aus diesem Grund hin jedes Gut mit jedem vergleichbar... Da das aber unmöglich ist, so macht man offenbar auch im Staat mit gutem Grunde bei dem Streit um die Ämter nicht jede Ungleichheit geltend. Wenn die einen langsam sind und anderen schnell, so dürfen darum diese nicht mehr und jene nicht weniger bekommen, wohl aber findet dieser  Vorzug in den Wettkämpfen seine Würdigung. ein,, der Streit kann selbstverständlich nur unter denen stattfinden, aus denen ein Staat besteht, und darum sind es mit gutem Grunde die Adeligen, Freien und Reichen, die den Vorrang der Ehre beanspruchen. Denn einerseits muß es Freie, anderseits Steuerzahler geben, da ein Staat aus lauter unbemittelten Leuten ebensowenig wie aus lauter Sklaven bestehen kann..." (a. a. O. S.103)

Über das biotele Gutachtenverfahren wird die Aristokratie, die Herrschaft der besten, teilweise — und kontrolliert durch die Vetomacht der von biotelen Gesetzesvorschlägen Betroffenen — eingeführt; Gutachterstellen sind dabei allerdings nicht erblich, sondern an Wissen und Können gebunden und werden durch das Los unter  vergleichbaren Fachleuten — in der Regel unter Verzichtmöglichkeit — zugewiesen. Ein weiteres Moment der Gewaltenteilung betrifft das Gutachtenthema: es kann von jedermann (gegen Gebühr und nach Bestätigung durch einen ersten Gutachtenvergleich) eingeführt werden, nur als Abwandlungsvorschlag aber von einem Gutachter selbst Alle am biotelen Gutachtenverfahren aktiv Beteiligten aber stellen eine wechselnde von eigentlichen Staatsträgern dar, ohne daraus viel Ehre zu genießen, jedenfalls nicht alle und schon gar nicht als geschlossener Stand.
Wie übel aber ist es heute um unsere Politischen Wissenschaften bestellt! Sie scheinen, interessen- und parteipolitisch aufgeteilt, sich um das Allgemeinwohl kaum mehr zu kümmern, weshalb ja auch die notwendige Demokratiereform kaum ein Thema ist. Als Spitze oder Gipfel der Wissenschaften wird die Staatslehre doch gar nicht ernst genommen!
Aristoteles, dessen Namen ja für das "beste Ziel" steht, ging nun viele damaligen Verfassungen durch, übrigens eigentlich kaum sich darüber auslassend, wie es zu Verfassungen als Regelwerke für die Gesetzgebung und Staatsführung gekommen ist.
Die spartanische Verfassung ermutigte zur Erzeugung einer großen Kinderzahl, um über mehr Krieger zu verfügen, hatte aber zuletzt viel zu wenig, da über Landaufteilung eine Verarmung eintrat; so die Kritik an Lykurg. (a. a. O. S.62-64) Die mangelnde Zucht der Frauen machte auch zu schaffen, wo man sich ausschließlich mit der Disziplin der Männer befaßte.

„Zweites Buch. 9. Kapitel.
Denn was macht es für einen Unterschied, ob die Weiber befehlen oder die Regierenden sich von ihnen befehlen lassen?... (a. a. O. S.60)
Auch mit der Ephorie  ist es zweifellos schlecht bestellt. Diese Behörde selbst hat bei ihnen über die wichtigsten Angelegenheiten zu entscheiden, ihre Mitglieder aber können sämtliche Leute aus dem Volke werden, so daß oft sehr dürftige Personen in dies Amt gelangten, die wegen ihrer Armut käuflich waren... Und weil ihre Macht sehr groß und der eines Tyrannen gleich ist, waren selbst die Könige genötigt, ihnen zu schmeicheln, so daß in diesem Betracht gleichzeitig die Verfassung zu Schaden kam und aus einer Aristokratie in eine Demokratie überging. (a. a. O. S.62,63) Diese Behörde hält nun zwar den Staat zusammen, weil das Volk, da es an der obersten Gewalt teilnimmt, ruhig bleibt, und mag das nun dem Gesetzgeber oder dem Zufall zu danken sein, so kommt es doch den Verhältnissen zustatten. Denn wenn eine Verfassung Bestand haben soll, so müssen alle Teile des Staates wünschen, daß sie in allen Stücken dieselbe sei und bleibe. Bei den Königen ist das nun wegen ihrer Würde der Fall, bei den tüchtigen Männern wegen ihrer Anwartschaft auf einen Sitz in der Gerusie, dem Rate der Alten — denn dieses Amt ist der Preis der Tugend —, und bei dem Demos, dem gewöhnlichen Volke, wegen der Ephorie, die sich aus allen  Ständen zusammensetzt. Aber wenn nun auch die Mitglieder dieser Behörde allerdings durch Wahl aus allen Klassen bestellt werden müssen, so doch sicher nicht in der Weise, wie es gegenwärtig geschieht; denn sie ist gar zu kindisch... (a. a. O. S.63)

Würde die Parlamentarier-Tätigkeit nach drastischer Verkürzung der Lebenserwerbsarbeitszeit unter einer biotelen Verfassung wieder zum Ehrenamt, so würde die Rolle der Lebenserfahrung politisch gestärkt. So weit entfernt wären nach ihrer Erwerbstätigkeit die Männer und Frauen — von denen ja gerade auch jüngere politisch aktiv sein könnten, freigestellt durch den  ihnen per Gesetz ausbezahlten Unterhalt durch Ehemänner — nicht von ihrer eigenen Vergangenheit, daß sie nicht das Interessen auch der eben Werktätigen vertreten könnten. Ein spezieller "Altenrat" wäre für Zensurfragen in Sachen Kultur zuständig. Aber eine solche wird immer ein heikles Thema bleiben; so hat auch Aristoteles insbesondere zu Fragen der Musikerziehung und  -unterhaltung am Schluß seiner Abhandlung ausführlich Stellung bezogen. Daß Kunst und insbesondere Musik für die Jugenderziehung und für das Wohl des Staates von immenser Bedeutung sind, war schon im Altertum unbestritten. Beim Wie der Zensur und der Vorschläge überhaupt war Aristoteles zurückhaltender und vorsichtiger, eben pragmatischer als Platon. Nur läßt sich eine Trennung von  Musikinhalten für die verschiedenen Altersgruppen im Zeitalter von Polymedia noch schlechter durchführen.

„Achtes Buch. Drittes Kapitel.
...Die Unterhaltung nämlich dient einerseits zur Erholung, die, als Heilmittel gleichsam für die Beschwerden und Schmerzen  der Arbeit, notwendig Genuß bringt, und die höchste Geistesbefriedigung anderseits muß eingestandenermaßen nicht nur das Schöne  in sich bergen, sondern auch die Lust, da das vollkommene, glückselige Leben sich aus ihnen beiden zusammensetzt. (a. a. O. S.290,291) Nun gestehen wir aber alle, daß die Musik zu den genußreichsten Dingen gehört, sowohl allein, als in Verbindung mit Gesang....(a. a. O. S.291)
Die gegenwärtigen üblichen Lehrgegenstände  nun schwanken, wie vorhin bemerkt wurde, zwischen diesen beiden Richtungen,
[nämlich der zur Bildung als Selbstzweck und Persönlichkeitsbildung "um der Tugend willen" und der zu Erwerbszwecken oder überhaupt "um anderer willen"]
hin und her. Dieser Fächer dürften im ganzen vier sein: Grammatik oder Lesen und Schreiben, Gymnastik oder Leibesübungen, Musik und viertens noch hin und wieder Zeichnen... was aber die Musik betrifft, so kann man über ihren Zweck schon zweifelhaft sein.. Die meisten treiben die Musik gegenwärtig zum Vergnügen, den Alten dagegen galt sie für ein Bildungsmittel, da die Natur selbst, wie schon oft gesagt, danach verlangt; nicht nur in der rechten Weise arbeiten, sondern auch würdig der Muße pflegen zu können. Denn die Muße, um noch einmal von ihr zu reden, ist der Angelpunkt, um den sich alles dreht. (a. a. O. S.284,285) Denn wenn auch beides sein muß, so ist doch das Leben in Muße dem der Arbeit vorzuziehen, und das ist die Hauptfrage, mit welcher Art  von Tätigkeit man die Muße auszufüllen hat. Man wird doch wohl nicht behaupten wollen, daß man sie auf eitles Spiel verwenden müsse. Dann wäre ja das Spiel der Zweck unseres Daseins. Wenn das aber unmöglich ist, und man des Spieles vielmehr bei der Arbeit pflegen soll — denn der Müde braucht Erholung, und das Spiel ist der Erholung wegen, und die Arbeit geschieht mit Mühe und Anstrengung —, nun, so folgt, daß man dem Spiele nur mit Beobachtung der rechten Zeit seiner Anwendung Raum geben darf, indem man es wie eine Medizin gebraucht. Denn eine solche Bewegung der Seele  ist Ausspannung und wegen der damit verbundenen Lust Erholung. Die Muße dagegen scheint Lust, wahres Glück und seliges Leben in sich selbst zu tragen. Das ist aber nicht der Anteil derer, die arbeiten, sondern derer, die feiern. Denn wer arbeitet, arbeitet für ein Ziel, das er noch nicht erreicht hat, das wahre Glück aber ist selbst das Ziel und bringt, wie allen feststeht, nicht Schmerz, sondern Lust.
Freilich fassen nicht mehr alle diese Lust in gleicher Weise auf, sondern jeder nach seiner persönlichen  Veranlagung; dem besten Mann aber ist die beste Lust, die von den edelsten Objekten kommt. Und so leuchtet denn ein, daß man für den würdigen Genuß der Muße erzogen werden und manches lernen muß, und daß diese Seite der Erziehung und des Unterrichts ihrer selbst wegen da ist, während  das, was für die Arbeit  gelernt wird, der Notdurft dient und Mittel zum Zweck ist..." (a. a. O. S.285)

Unter diesen Vorgaben stand der Gymnasialunterricht jedenfalls im altehrwürdigen Berthold-Gymnasium in Freiburg im Breisgau auch in der kurzen nationalsozialistischen Ära. Denn wer hätte in sechs Jahren vor dem Krieg etwa den überwiegend römisch-katholischen Lehrkörper, der kriegsbedingt  überaltert war, umkrempeln können! Hitlers Vorliebe für Sparta und deren Aufstieg und Niedergang, wie er mit ihrem Hegemoniestreben (a. a. O. S.65)  verbunden war, bot ja nun wenig klassischen Stoff. Und war Sparta denn wirklich ein  Vorbild?

Zweites Buch. 9. Kapitel.
Endlich steht es auch mit den Staatsfinanzen bei den Spartanern schlecht. In der Staatskasse ist, wenn sie auch schwere Kriege führen müssen, nichts vorhanden, und die Abgaben gehen schlecht ein, da das meiste Land den herrschenden Spartiaten gehört und sie es deshalb untereinander mit den Steuern nicht so genau nehmen. Und so ist das Gegenteil von dem eingetreten, was der Gesetzgeber Nützliches wollte: er hat die Staaten arm und die Privaten geldgierig gemacht." (a. a. O. S.65)

Andererseits waren auch die Erziehungsmethoden, die Aristoteles vorschlug, nicht wenig rigoros:

„Achtes Buch. 5. Kapitel.
Daß man Jünglinge nicht des Spieles halber erziehen soll, steht außer Zweifel. Beim Lernen spielt man nicht. Lernen tut weh.
Man kann aber auch den Knaben und überhaupt dem unreifen Alter nicht füglich sinnvollen Genuß der Muße zuerkennen wollen. Denn was am Ende steht, kommt dem nicht zu, der noch im Werden ist." (a. a. O. S.289)

Aber unsere derzeitige Fun-Gesellschaft hat ein derart abstoßendes Gepräge — etwa auch in Sicht der islamischen Bevölkerung — , daß schwer zu erkennen ist, wie man die Heranwachsenden wieder rasch genug an Pflicht und Ordnung heranführen und ihre Anspruchshaltung zurückschrauben könnte. Entsprechende Modellvorstellungen müssen aber dringend und ohne Zeitverzug entwickelt und vorgestellt werden. Jede Arbeit, die sich "verkaufen" läßt — zumindest aber jede, die benötigt wird — hat als wert und würdig zu gelten, sofern kein unzumutbarer Gesundheitsschaden von ihr ausgeht. "Erfüllte und an innerer Befriedigung ausgerichtete Beschäftigung" kann auch in die Nacherwerbsperiode verschoben werden, falls sie im Wettbewerb mit anderen nicht sofort oder nach Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit realisiert werden kann. Mit der Übung der "Selbstverwirklichung zu Lasten anderer" muß es ein Ende haben!

Von der Bedeutung der gesetzlich verordneten gemeinsamen Mahlzeiten ist bei Aristoteles vielerorts die Rede; von den Kretern hebt er hervor, daß die Bürger sie nicht als einzelne zu finanzieren hatten sondern aus Abgaben der Periöken (Umwohner) und anderen Staatseinnahmen, was einer kommunistischen Ernährung durch Bürgerspeisung gleich kam. (a. a. O. S.67) Auch hierin kann ein Element des AUSGLEICHS gesehen werden; mit negativer Wirkung gegenüber den Periöken (Umwohnern) allerdings. 

„Zweites Buch. 10. Kapitel.
Daß aber das Volk bei seinem Ausschluß von den Ämtern nicht unruhig wird, ist gar kein Zeichen für die Vortrefflichkeit  dieser Einrichtungen. Denn die Kosmen haben keine Gelegenheit, wie die Ephoren, sich durch Geld gewinnen zu lassen, da sie auf dem Eilande fern von solchen, die sie bestechen könnten, wohnen. Das Mittel aber, das man gegen diese Mängel anwendet, ist ungereimt und beruht auf keinem staatlichen Recht, sondern auf dynastischer Willkür. Oft nämlich tun sich einige, sei es aus ihren Amtsgenossen, sei es aus einfachen Bürgern, zusammen und vertreiben die Kosmen... (a. a. O. S.68)
Drittes Buch. 11.Kapitel.
Sodann aber scheint es sich auch mit der Wahl ebenso wie mit dem Urteil zu verhalten. Auch das richtige Wählen ist Sache der Wissenden, z. B. einen Geometer zu wählen, Sache der Geometriker, und einen Steuermann zu wählen, Sache derer, die die Kunst des Steuerns verstehen. Denn wenn auch manche Laien von einzelnen Verrichtungen und Künsten etwas verstehen, so doch nicht mehr als die Wissenden. Und so dürfte man nach dieser Erwägung die Menge weder über die Wahl noch über die Rechenschaftslegung der Beamten zum Herrn machen.
Aber vielleicht bestehen nicht alle diese Gründe zu Recht, einmal aus der schon angeführten Ursache, vorausgesetzt, daß die Menge keinen gar zu sklavischen Charakter hat — denn jeder einzelne wird zwar ein schlechterer Richter sein als die Wissenden, wenn sie sich aber alle zusammentun, sind sie besser, oder doch nicht schlechter —; dann aber auch darum, weil in manchen Dingen der, der eine Arbeit gemacht hat, weder der einzige noch der beste Richter ist; ich meine alle jene, deren Arbeiten auch Nichtfachmänner beurteilen können. So kann z. B. von einem Hause nicht bloß der, der es gebaut hat, etwas verstehen, sondern es wird der, der es in Gebrauch genommen hat — und das ist der Hausvater —, selbst noch besser darüber urteilen, und ebenso der Steuermann über das Steuer noch besser als der Zimmermann, und über ein Essen der Gast und nicht der Koch.

Im biotelen Gutachten werden für jede Problemlösung die verschiedenen biotelen Aspekte aus der Sicht der verschiedenen Fachleute geprüft; aber die Endentscheidung bleibt den Betroffenen, die in der Regel eine größere Menge darstellen. Auch die Amtsführungen unterliegen der biotelen Begutachtung, sobald ein entsprechender Antrag etwa zur Mißbrauchs- oder Fehlerabstellung zum Tragen kommt. Wählen  bedeutet AUSLESE, und diese geschieht doch auf den verschiedensten Ebenen und setzt Urteilsfähigkeit, also VERGLEICHEN voraus. Die Vorliebe aber des Aristoteles für das Aristokratische, ja die Behauptung der Naturgegebenheit des Sklaventums als Kontrast hierzu, zeichnet eine Welt, die ohne AUSLESE undenkbar ist. Daß eine solche für uns nach genauerem VERGLEICHEN, mit mehr Kenntnis, anders ausfallen muß, bleibt ja unbestritten. Sorgfalt bleibt geboten  und ist unter entsprechenden Umständen auch eine Forderung der Menschlichkeit und Irrtum — das ist ebenso menschlich — ist nicht ausgeschlossen.

So scheint denn diese Schwierigkeit auf die angegebene Weise ihre hinreichende Lösung zu finden: aber es schließt sich an sie eine andere an.
Es erscheint ungereimt, daß die Schlechten über wichtigere Dinge Herr sein sollen als die Guten. Nun ist aber die Kontrolle über die Beamten und ihre Wahl von der größten Wichtigkeit. Gleichwohl sind es die niedrig Geschätzten und Leute jedweden Alters, die an der Volksversammlung teilnehmen und beraten und richten, dagegen haben die Verwaltung und sind Feldherrn und Inhaber der höchsten Ämter die hoch Eingeschätzten.
Diese Schwierigkeit also wird sich wohl auch in ähnlicher Weise lösen lassen wie die vorige. (a. a. O. S.100,101) Nicht der Richter oder der Mitberatende oder das Mitglied der Volksversammlung ist die Obrigkeit, sondern das Gericht und der Rat und das Volk, und davon ist jeder der Genannten ein Teil, der Mitberater nämlich, das Mitglied der Volksversammlung und der Richter. Und so ist die Menge gerechterweise über das Wichtigere Herr, weil Volksversammlung, Rat und Gericht aus vielen Mitgliedern bestehen. Auch betragen die Einschätzungen aller dieser zusammengenommen mehr als die Einschätzungen derer, die einzeln oder nur zu wenigen die großen Staatsämter verwalten.

Inzwischen aber die hier die Lage prekärer geworden. Lauschte früher die Menge nur während der Volksversammlung den Rednern und konnte Demagogen widersprochen werden, so unterliegt die große Mehrheit heute über Radio und  Fernsehen einer Dauerberieselung und einem Trommelfeuer durch die Medien aufgearbeiteter Informationen, deren Wahrheitsgehalt häufig verfälscht und nach den Wünschen von einflußreichen Interessenten verbogen werden. Gefragt werden die Bürger gewöhnlich nur dort, wo es nichts zu entscheiden gibt, so in endlosen Umfragen, deren Abfassung schon auf eine gewünschte Antwort hin erfolgte. Ohne eine Zensur als Druck auf die Medien, in einer Entscheidungsphase keine anderen Tatsachendarstellungen und -deutungen abzugeben als solche, die von der Wissenschaft mehrheitlich geteilt werden, könnte eine biotele Gesetzgebung nichts oder wenig ausrichten. Eine solche Zensur muß in eine Vorzensur zerfallen, welche Medienberichte frei von Bestrafung setzt, die der biotelen Begutachtung vorgelegt wurde; daneben muß auch die Wahl der Nachzensur bestehen, mit der der Publizist das Risiko eingeht, wegen Demagogie über Wahrheitsverzerrung so hart finanziell bestraft zu werden, daß sich sein Verhalten, geschäftlich betrachtet, nicht auszahlt.

So sei denn dies also erledigt.
Die zuerst gebrachte Schwierigkeit aber stellt keine Wahrheit so sehr ins Licht, als die, daß die Gesetze, und zwar richtig gefaßte Gesetze, herrschen müssen, und daß die Obrigkeit, mag sie aus einem oder aus mehreren bestehen, über alles das entscheiden muß, was die Gesetze nicht genau bestimmen können, weil es nicht leicht ist, in allgemeinen Erklärungen  sich über alles zumal entscheidend auszusprechen....  Nur so viel versteht sich, daß die Gesetze nach Maßgabe der Verfassung gegeben sein müssen. Und wenn das,  so erhellt, daß die den richtigen Verfassungen entsprechenden Gesetze gerecht, und die den ausgearteten entsprechenden nicht gerecht sein werden. (a. a. O. S.101)

Die Staatsformen können wechseln und passen sich am Besten der Reife und Urteilsfähigkeit der Regierten an. Daß Solon den athenischen Bürgern die Richterstellen ohne Standesrücksichten zugänglich machte, habe das Abgleiten des Staats in die "gegenwärtige Demokratie begründet". (a. a. O. S.73)

„Drittes Buch. 17. Kapitel.
Es gibt nämlich solche, die von Natur darauf angelegt sind, unter einem sklavischen Regiment zu stehen, und andere, die für ein königliches, und noch andere, die für ein freistaatliches  Regiment von Hause aus disponiert sind, und für die wonach die entsprechende Herrschaft gerecht und nützlich zugleich ist. Die Tyrannis aber ist nicht der Natur gemäß, noch sonst eine derjenigen Verfassungen, die eine Ausartung darstellen; denn sie bilden sich gegen die Natur. (a. a. O. S.118,119) Indessen tun die angeführten Gründe deutlich dar, daß es für Ähnliche und Gleiche weder nützlich noch gerecht sein kann, wenn Einer Herr über alles  ist, mögen nun keine Gesetze bestehen und er selbst gleichsam Gesetz sein, oder mögen Gesetze bestehen, mag er selbst und die Beherrschten gleich gut, mögen sie es beide gleich wenig sein, mag er endlich sie auch an Tugend übertreffen, es sei denn in einer bestimmten Weise. Welches diese Weise sei, haben wir zu erklären, obwohl dies schon früher einigermaßen geschehen ist. Zuvor aber müssen wir bestimmen, welches die Menschengattung ist, die ein königliches Regiment braucht, und welche Gattung auf ein aristokratisches, und welches auf ein politisches [Eigenanmerkung: demokratisches] Regiment angelegt ist.
Auf das Königtum also angelegt ist eine solche  Menge, deren Natur es ist, ein durch Tüchtigkeit in der Staatsleitung hervorragendes Geschlecht zu ertragen, auf die Aristokratie eine Menge, deren Natur es ist, eine Vielheit zu ertragen, indem sie nach Weise freier Männer von solchen, die gemäß ihrer Tüchtigkeit in der Staatsregierung zur Führung berufen sind, beherrscht werden kann, auf die Politie endlich eine kriegerische Menge, die nach einem Gesetze, das die Staatsämter Reichen nur nach Würdigkeit zuteilt, gleich gut zu gehorchen und zu befehlen weiß.
Kommt es nun vor, daß entweder ein ganzes  Geschlecht oder auch sonst ein einzelner Mann auftritt, der so durch Tugend hervorragt, daß diese seine Tugend die aller anderen übertrifft, dann ist es gerecht, daß dieses Geschlecht königlich und mächtig über alle und jener Eine König sei..." (a. a. O. S.119)
Fünftes Buch. 11. Kapitel.
Je weniger die Könige zu befehlen hab en, von desto längerer Dauer ist notwendig ihre Herrschaft überhaupt. Sie selbst werden dann nicht so leicht Despoten und stellen sich mit den anderen mehr auf gleichen Fuß, und von den Untertanen werden sie nicht so beneidet." (a. a. O. S.204)

Aristoteles wendet sich gegen die üblich gewordene Tötung  oder Verbannung und Scherbengericht, als Mittel gegen Bestrebungen zur Alleinherrschaft,  von solchen, die zum König würdig wären. (a. a. O. S.120) Die moderne Waffe gegen Neuerer und Überlegene ist das Totschweigen. Da hilft nur die biotele Gutachteninstanz als eine Art  "Patentamt" auch für politische und soziale Verbesserungsvorschläge, die jedem fähigen Bürger die Gelegenheit einräumt, zum Gesetzgeber zu werden, ohne daß ihm der Widerstand von durch Regierung und Parlament vertretenen Interessengruppen entgegentreten können; wobei zudem noch der persönliche Schutz der Anonymität gewährt werden kann. Und sachlich überzeugende Argumente können unsere Regierenden ja bisher nicht dagegen vortragen: schließlich hat jedes biotele Gesetz die Hürde der direktdemokratischen Abstimmung unter den mutmaßlichen Betroffenen zu nehmen. Und wollte man nicht etwa mehr Volksbeteiligung, mehr Demokratie? Und dies bei einem Höchstmaß an individueller Freiheit? Bietet das Individualrecht zur Gesetzgebungseinleitung  nicht ein Höchstmaß an Freiheit? (AUTONOMIE bedeutet Selbstgesetzgebung, das stimmt; aber darf denn ein Mensch aus Erkenntnis nicht auch Gutes an andere abgeben? Ist dies nicht seine Pflicht aus Rücksichtnahme gegen andere?)
 Freiheit in der Deutung als AUTONOMIE wird nun nicht in der Art und Weise Immanuels Kants ständig durch die Rücksicht auf die Freiheit aller anderen eingeschränkt, denn Herrschaft und Knechtschaft werden ja als Lebens- und Überlebensvoraussetzungen hingenommen. Aber was ist die Zielsetzung der Muße anderes als das Begehren nach Freiheit und Selbstbestimmung? Wir werden diesem Ziel eines jeden Freien gleich unten begegnen und zugleich der Warnung vor einem Abgleiten in Disziplinlosigkeit. Selbstbeherrschung  gehört also auch bei Aristoteles zur Freiheit, dies drückt sich ja schon  im Begriff der AUTONOMIE aus und liegt auch der Verachtung gegenüber der Tyrannis zugrunde.

„Viertes Buch. 4. Kapitel.
Bei den Vornehmen beruhen die verschiedenen Arten auf Reichtum, Adel, Tugend, Bildung und anderen dergleichen Vorzüge.
Von den Demokratien nun ist die erste die, wo die Gleichheit am vollkommendsten verwirklicht ist. Die Gleichheit liegt ausgesprochen in der Satzung einer solchen Demokratie, daß, ob arm oder reich, der eine nichts mehr ist als der andere und keiner von beiden Herr ist, sondern beide sich gleich stehen. Denn wenn, wie einige  meinen, Freiheit und Gleichheit  am meisten in der Demokratie zu finden ist, so würde dies am meisten dann zutreffen, wenn alle an der Staatsleitung den möglichst gleichen Anteil haben. Und da das Volk in der Mehrzahl ist, und das gilt, was der Mehrzahl recht scheint, so muß diese Form Volksherrschaft heißen.
Das ist also eine Art der Demokratie; eine andere ist es, wenn die Ämter von der Einschätzung abhängen, aber die Einschätzung nicht hoch geht. Hier muß jedem, der das erforderliche Vermögen erwirbt, das Recht der Teilnahme zustehen, und wer dieses Vermögen verliert, darf nicht  mehr an den Ämtern teilhaben.
Eine weitere Art der Demokratie ist es, wenn ausnahmslos alle Bürger, soweit sie mit Rücksicht auf ihre Geburt einwandfrei sind, an den Ämtern teilhaben, und im übrigen das Gesetz herrscht.
Wieder eine Art der Demokratie ist es, wenn allen die Ämter offen stehen, wofern sie nur Bürger sind, und im übrigen das Gesetz herrscht.
Und noch eine Art der Demokratie ist es, wenn im übrigen das Vorige gilt und nur die Menge Herr ist, und nicht das Gesetz. Das muß eintreten, wenn die Stimmen entschneiden, aber nicht das Gesetz, und das kommt wieder durch die Schuld der Demagogen. Denn in den Demokratien, wo es nach dem Gesetze zugeht, ist kein Aufkommen für die Demagogen, weil daselbst die Besten aus den Bürgern die Stimmführer sind, aber wo die Gesetze nicht die Herrschaft haben, da stehen die Demagogen auf. (a. a. O. S.133,134) Dort nämlich wird das Volk als  kollektive Einheit  Monarch, da die Vielen, nicht jeder für sich, sondern als  Gesamtheit, die Herrschaft haben... Ein  solches Volk also sucht als Monarch auch den Monarchen zu zeigen, bindet sich an kein Gesetz und wird despotisch, so daß die Schmeichler bei ihm zu Ehren kommen, und so ein Volk eine analoge Rolle spielt wie die Tyrannis unter den Monarchien. Darum ist auch der Charakter beider derselbe, und beide unterdrücken despotisch die Besseren; die Volksbeschlüsse sind dasselbe wie dort die Befehle. Auch Demagog und Schmeichler sind eins und analog, und beide haben bei beiden den allergrößten Einfluß, die Schmeichler bei den Tyrannen und die Demagogen bei einem derartigen Volke. Sie machen, daß die Stimmen, nicht die Gesetze herrschen, indem sie alles an das Volk bringen. Kann es doch nicht fehlen, daß sie selbst groß werden, wenn das Volk über alles  Herr ist, und sie über die Meinung des Volkes, indem der große Haufe  ihnen beipflichtet..." (a. a. O. S.134)

Wie nahe wir heute politisch an diese demagogische Entartung der Demokratie herangerückt sind, wird wohl  kaum einer bestreiten können. Eine andere Art der Erziehung muß wieder um sich greifen. Es orientiert sich alles nach dem Stimmenfang, an den Wahlperioden, statt an einer gemeinwohlorientierten Politik. Interessant sind hierzu noch einige Ausführungen aus der Sicht des Aristoteles, die aber aus dem Wissen und den Bedürfnissen seiner Zeit her beurteilt werden müssen.

Siebentes Buch. 15. Kapitel.
Man hat auch keine richtige Ansicht von der Natur der Herrschaft, als deren Verehrer sich der Gesetzgeber bekunden soll. Über Freie zu herrschen ist schöner und erfordert mehr Tugend, als über Sklaven ein Herrenregiment zu führen. (a. a. O. S.270)

Sechstes Buch. 8. Kapitel.

Die Zahl der obrigkeitlichen Ämter war ja sicherlich den einfacheren Lebensformen entsprechend geringer als heutzutage; die Marktbehörde wurde oben  bereits erwähnt; hinzu kam die Stadtpolizei (Astynomie), die in großen Städten über Aufseher für die Stadtmauern, Brunnen- und Hafenmeister verfügte, eine Art Bauaufsicht, damit die öffentlichen und privaten Gebäude im Schuß gehalten und die Grundstücksgrenzen beachtet wurden. Land- oder Forstaufseher waren für entsprechende  Ordnung auf dem Lande zuständig. Eine Art Notariat diente dem privaten Rechtsverkehr und der Prozeßvorbereitung. Eine Art Gerichtsvollzieher zur Strafvollstreckung und Bußgeld- und Gebührenbeitreibung war schon damals besonders unbeliebt. Und hier schlug Aristoteles eine Art von Gewaltenteilung vor, bzw. bestätigte deren Praxis,  nämlich eine solche, die Strafen verhängt und solche, die sie eintreiben. (a. a. O. S.231,232)

Vielerorts ist auch die Aufsichtsbehörde über die Gefängnisse  von der Behörde, die die Geldstrafen beizutreiben hat, getrennt., wie in Athen das Kollegium der sogenannten Elfmänner. (Wo) darum (eine solche Behörde besteht) ist es besser, auch sie wieder zu teilen und auch für sie das geeignete Mittel dazu ausfindig zu machen. Sie ist ja ebenso notwendig als die genannte, aber man muß sehen, wie gerade  die guten Bürger  diesem Amte am entschiedensten abhold sind, den schlechten aber kann es nicht ohne Gefahr übertragen werden. Denn sie selbst bedürfen mehr der Überwachung als sie andere zu bewachen in der Lage sind. Daher sollte für die Gefangenen nicht eine und nicht in einem fort dieselbe Behörde bestimmt  sein, sondern es sollten abwechselnd je andere  und andere, teils von jungen Leuten, da wo eine Organisation der jungen angehenden Bürger- und Wachmannschaften besteht, teils von den behördlichen Personen diesen Dienst versehen. (a. a. O. S.233)

Im biotelen System schlage ich vor, ausgedehnt, ja systematisch von Audio-Video-Überwachung Gebrauch zu machen, um bei Klagen und Verdächtigungen eine bestimmte Zeitlang auf authentisches Beobachtungsmaterial zurückgreifen zu können, um Vergewaltigung, Einschüchterung, Drogenhandel, Bestechung und ähnlichem vorbeugen oder doch begegnen zu können.
Der moderne Ausweg zur Bargeldkontrolle über Chipgeld  bestand natürlich nicht, wohl aber die Bestechlichkeit:

„Zweites Buch. 11. Kapitel.
Man meint, die Behörden müßten nicht bloß mit Rücksicht auf den Reichtum gewählt werden, weil der Unvermögende sein Amt nicht richtig verwalten könne und auch nicht die Muße dazu habe. Wenn es nun oligarchisch ist, daß die Wahl sich nach dem Reichtum, und aristokratisch, daß sie sich nach der Tüchtigkeit richtet, so wäre eine dritte Form die, nach der bei den Karthagern das Staatswesen geregelt ist, indem sie bei den Wahlen, besonders der wichtigsten Magistrate, der Könige und Feldherrn, auf dieses beide zugleich Rücksicht nehmen. (a. a. O S.70,71)  Aber man hat diese Ausartung aus der Aristokratie als einen Fehler des Gesetzgebers zu betrachten. Denn es gehört zu dem Notwendigsten, von vornherein darauf das Augenmerk zu richten, daß die Besten Muße haben und sich nicht mit entwürdigender Arbeit zu plagen brauchen, nicht bloß als Beamte,  sondern auch als Private. Muß man aber auch auf den Reichtum sehen, der Muße wegen, so ist es schlimm, weil dadurch die höchsten Ämter, das der Könige und Feldherrn, käuflich werden. Denn diese Einrichtung gibt dem Reichtum ein höheres Ansehen als der Tüchtigkeit und macht den ganzen Staat geldgierig. Denn was auch immer bei den maßgebenden Männern als ehrenvoll gilt, die Schätzung der anderen Bürger wird sich stets mit Notwendigkeit nach ihnen richten. Wo es aber nicht die Tüchtigkeit ist, die das höchste Ansehen genießt, da kann der aristokratische Charakter der Verfassung nicht festgewurzelt sein. Es liegt auch nahe, daß solche, die sich ihr Amt erkaufen, sich daran gewöhnen, aus ihm Gewinn zu ziehen zur Entschädigung für die gehabten Auslagen. Denn es wäre doch ungereimt, zu meinen, ein armer, aber braver Mann werde Gewinn aus ihm zu ziehen suchen, ein schlechter aber, den es etwas gekostet hast, nicht. Wer darum am besten regieren kann, der soll auch regieren. Und wenn auch der Gesetzgeber sich um die Not tüchtiger Männer nicht bekümmern wollte, so empfiehlt es sich doch, ihnen wenigstens, wenn sie ein Amt haben, eine sorgenfreie Existenz zu sichern..." (a. a. O. S.71)

Die systematische Frühberentung  im biotelen System zur Arbeits- und Erwerbssicherung für die Jugend würde die notwendige Muße schaffen für ehrenamtliche auch politische Tätigkeiten, das Eingaberecht bei der biotelen Gutachteninstanz produktive Kräfte freisetzen.

Gesetzliche Vorschriften sollen nach Aristoteles auch für Ehe- und Familie gelten:

„Siebentes Buch. 16. Kapitel.
Da der Gesetzgeber ohne Zweifel vor allem anderen sorgen muß, daß die Leiber der aufzuziehenden Individuen eine möglichst gesunde Beschaffenheit erhalten, so hat er sein erstes Augenmerk auf die Ehe zu richten und zu bestimmen, was für Personen und wann sie sie die Ehe miteinander eingehen... Die Kinder dürfen in den Jahren nicht zu sehr hinter  ihren Vätern zurückstehen; denn dann genießen weder  die Eltern in ihren späteren Tagen den Dank von ihren Kindern, noch die Kinder die rechte Unterstützung seitens der Eltern... (a. a. O. S:274)
Darum ist es angemessen, die Mädchen ungefähr im Alter von achtzehn Jahren  zu verheiraten und die Männer mit siebenunddreißig Jahren  oder etwas darunter oder darüber; denn bei Einhaltung dieser Zeit geschieht die eheliche Beiwohnung einerseits  in voller Körperkraft und verliert andererseits in willkommener  Weise für beide Teile gleichzeitig ihre Fruchtbarkeit..." (a. a. O. S.275)

Bei aller Vorsicht und Zurückhaltung gegenüber bevölkerungspolitischen und eugenischen Maßnahmen, wie sie sich in einem Vorspann von mindestens einhundert Karenzjahren für die Gewinnung von Forschungsdaten und -erkenntnissen äußern soll, dürfte der Einzug der Biologie in die Politik nicht aufzuhalten sein. Wissenschaftlicher Fortschritt  hat  sich bisher nicht langfristig aufhalten lassen. Die feministisch dominierte Politik und die Fehler im Schul- und Ausbildungswesen sowie in der Lebenseinstellung drohen bereits über einen Geburtenschwund der europäischen Bevölkerung neue internationale Verwicklungen heraufzubeschwören. Die steigende Morbidität (vgl. etwa den Anstieg der Zuckerkranken) wird das ihre an Druck mit sich bringen.

„Siebentes Buch. 15. Kapitel.
Da aber die Menschen in ihrem Verein zweifellos dasselbe Ziel haben, wie einzelne für sich, und dafür den besten Mann und den besten Staat eine und dieselbe Begriffsbestimmung zu gelten hat, so müssen die Staaten offenbar im Besitz derjenigen Tugenden stehen, die zur Muße erforderlich sind. Denn sie ist das Ziel der Arbeit, wie der Friede nach unserer schon wiederholt gemachten Bemerkung das Ziel des Krieges ist. Für Muße und gebildeten Lebensgenuß sind aber wie die in der Muße, so auch in der Arbeit zur Betätigung kommenden Tugenden dienlich. Muß doch, um der Muße pflegen zu können, vorher schon vieles Notwendige vorhanden sein. (a. a. O. S.271,272). Und daher gehört es sich für den Staat, mäßig, mutig und abgehärtet zu sein. Denn wie das Sprichwort sagt, haben die Sklaven keine Muße; wer aber nicht mannhaft und mutig Gefahren bestehen kann, ist ein Sklave eines jeden, der ihn angreift.
Mut also und Abgehärtetheit ist für die Arbeit vonnöten, Weisheitsliebe  aber für die Muße, und Mäßigkeit und Gerechtigkeit ist zu beiden Zeiten  und besonders in der Zeit des Friedens und der Muße erforderlich. Denn der Krieg zwingt förmlich dazu, gerecht und mäßig zu sein, der Genuß des Glücks aber und friedliche Muße machen eher übermütig. So bedarf es denn  großer Gerechtigkeit und großer Mäßigkeit seitens derer, denen es am wohlsten zu ergehen scheint, und die alle Vorzüge und Vorteile derer genießen, die man glücklich nennt, und die Bewohner jener Inseln der Seligen, von denen uns die Dichter sagen, würden dieser Tugenden am meisten bedürfen. Denn Weisheitsliebe, Mäßigkeit  und Gerechtigkeit  würden sie um so mehr auf das  höchste zu pflegen haben, je mehr die Fülle aller äußeren Güter  sie der Muße genießen läßt." (a. a. O. S.272)

Viertes Buch. 11. Kapitel.
Welche nun aber die beste Verfassung und welches das beste Leben für die meisten Staaten und die meisten Menschen sein möge, kann nicht  nach einer Tugend entschieden werden, die über die Kräfte des gewöhnlichen Mannes geht, noch nach einer Bildung, die Naturanlagen und Mittel erfordert, wie sie das Glück gewährt, noch nach einer Verfassung, die man sich nach seinen Wünschen ausmalt, sondern man hat zum Maßstabe  ein Leben zu nehmen, das den meisten erreichbar, und eine Verfassung, die für die meisten Staaten anwendbar ist... (a. a. O. S.144,145)
Die Entscheidung über alle diese Fragen ist nun nach denselben Prinzipien zu treffen. Denn wenn der von uns in der Ethik aufgestellte Grundsatz zu Recht besteht, daß das glückliche Leben ein Leben gemäß unbehinderter Tugend und die Tugend eine Mitte ist, so muß das mittlere Leben das beste sein, ein Leben, sagen wir, in einer Mitte, die für jeden zu erreichen ist. Diese nämlichen Bestimmungen müssen aber, wie für die Tugend und Schlechtigkeit  eines Staates,  so auch für die einer Verfassung gelten, da die Verfassung wie ein Leben des Staates ist. ... (a. a. O. S.145).
Es liegt mithin amtage, daß auch die Gemeinschaft, die sich auf den Mittelstand gründet, die beste ist, und daß solche Staaten sich in der Möglichkeit befinden, eine gute Verfassung zu haben, in denen eben der Mittelstand zahlreich vertreten ist und womöglich die beiden anderen Klassen, oder doch  eine von ihnen an Stärke übertrifft. (a. a. O. S.146,147) Denn auf welche Seite er sich wirft, nach der gibt er den Ausschlag und verhindert das Aufkommen  der entgegengesetzten Extreme. Daher ist es das größte Glück, wenn die Bürger eines Staates ein mittleres und ausreichendes Vermögen haben, weil da, wo die einen sehr viel besitzen und die anderen nichts, wegen dieses beiderseitigen Übermaßes entweder die extremste Demokratie oder reine, ungemischte Oligarchie oder Tyrannis entsteht. Denn die Tyrannis entsteht ebensogut aus der zügellosesten Demokratie als aus der Oligarchie, dagegen aus der Herrschaft des Mittelstandes und der sozial beinahe gleich gestellten Klassen weit weniger..." (a. a. O. S.147)

Auch BIOTELIE als System kennt das  langfristige Ziel eines Vermögensausgleiches, verlangt aber Anstrengung von allen, vor allem von der Jugend. Das von Aristoteles für so wichtig gehaltene Element der Aristokratie soll in der biotelen Gutachteninstanz verankert werden: nicht erblich, ja sogar in so ständiger Rotation der Gutachtenfunktionäre, daß man von keiner Amtsstellung sprechen kann. Eine derartige Regierungseinrichtung, die dann die Mitte und Vermittlung bildet zwischen gewählten Parlamenten und die durch sie bestellten Verwaltung und der direkt befragten Bevölkerung, ist erst durch die moderne Nachrichtentechnik möglich geworden —  sozusagen als Bindeglied dazwischen geschoben.

„Viertes Buch. 6. Kapitel.
Daß es aber so viele Arten der  Demokratie und der Oligarchie gibt, geht aus dem Gesagten selbst hervor. Es müssen entweder alle genannten Volksklassen an der Regierungsgewalt teilnehmen oder nur einige von ihnen mit Ausschluß der anderen. Hat nun die ackerbautreibende und die mäßig begüterte Klasse die Herrschaft im Staate, so wird nach den Gesetzen regiert. Man hat dann dank seiner Arbeit zu leben, kann aber nicht der Muße pflegen, und so stellt man die Gesetze an die Spitze und beraumt die notwendigen Volksversammlungen an. Die anderen aber können das Voll bürgerrecht beanspruchen, sobald sie das gesetzlich bestimmte  Vermögen erworben haben, und so können es alle Besitzenden beanspruchen. Denn es ist überhaupt oligarchisch, wenn nicht alle es können... 
Eine zweite Art... der Demokratie... beruht auf der sich hieran anschließenden Auswahl der Bürger. Hier steht auch allen, die von einwandfreier Herkunft sind, die Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte zu unter der Voraussetzung, daß sie die nötige Muße dazu haben. Daher herrschen in einer solchen Demokratie die Gesetze, weil zum Politisieren die Einkünfte fehlen.
Eine dritte Art ist die, wonach alle freien Bürger an der  Regierung teilhaben dürfen, aber tatsächlich, aus den vorgenannten Ursachen, nicht an ihr teilnehmen, so daß auch hier notwendig das Gesetz herrscht.
Eine  vierte Art der Demokratie  ist die der Zeit nach zuletzt in die Staaten gekommene. Weil nämlich die Staaten viel größer als die anfänglichen Gemeinwesen  geworden sind und eine Fülle von Einkünften zur Verfügung haben, so sind wegen des Übergewichts der Menge alle zur Teilnahme an der Staatsleitung befugt und nehmen auch wirklich daran teil und treiben Politik, weil auch die Armen infolge von Besoldungen, die ihnen zufließen, Muße gewinnen. Ja, eine solche Menge hat noch die meiste Muße. Den sie sind von  keinerlei Sorge für das Eigene behindert, wohl aber die Reichen, so daß sie oft an  Volksversammlungen oder Gericht  nicht teilnehmen. Daher wird dann an Stelle des Gesetzes die Menge der Proletarier im Staate Herr..." ( a. a. O.S.137)

„Viertes Buch. 12. Kapitel.
Welche Verfassung aber welchen, und was für eine was für Leuten nützlich ist, das ist jetzt im Anschluß an das Gesagte zu erörtern.
Wir müssen da zunächst im allgemeinen für alle Verfassungen diese Regel aufstellen. Derjenige Teil der Bürgerschaft, der die Erhaltung der Verfassung will, muß stärker sein als der, der sie nicht will. Nun besteht jedes staatliche Gemeinwesen aus Qualität und Quantität. Mit Qualität meine ich Freiheit, Reichtum, Bildung, Adel, mit Quantität das Übergewicht der Zahl. Nun kann sich die Qualität b ei einem anderen von Teilen, woraus die Bürgerschaft besteht, vorfinden als die Quantität, können z. B. die Nichtadeligen zahlreicher sein als die Adeligen, die Armen zahlreicher als die Reichen, ohne sie jedoch in demselben Maße an Quantität zu übertreffen, als sie an Qualität zurückstehen. Beides muß also im rechten Verhältnis gemischt sein.
Wo demnach die Zahl der Armen dieses Verhältnis überschreitet, da entsteht naturgemäß die Demokratie, und zwar jede Art von ihr im Verhältnis des Übergewichts der einzelnen Klassen; so, wenn die Zahl der Bauern überwiegt, die erste Form der Demokratie, wenn die Handwerker und Lohnarbeiter, die letzte, und das gleiche gilt für die dazwischen liegenden Formen: wo hingegen die Zahl der Reichen und Angesehenen der Qualität nach in höherem Grade überwiegt als sie der Quantität nach zurückbleibt, da entsteht die Oligarchie, und auf dieselbe Weise jede Art von ihr nach dem Übergewicht der oligarchischen Bevölkerung. (a. a. O. S.149) Der Gesetzgeber muß aber immer den Mittelstand in seine Verfassung mit aufnehmen; macht er die Gesetze oligarchisch, so muß er ihn berücksichtigen; macht er sie demokratisch, so muß er ihn für sich zu gewinnen...
suchen...
Viertes Buch . 13. Kapitel.
Es sind aber der Dinge, die man in den Verfassungen um des schönen Scheines vor dem Volke willen ausklügelt, fünf an der Zahl; sie betreffen die Volksversammlung, die Staatsämter, die Gerichte, die  Bewaffnung und die Leibesübungen.
Betreffs der Volksversammlung verordnet man, daß zur Teilnahme alle berechtigt sind, dagegen eine Strafe im Falle des Nichterscheinens entweder nur die Reichen trifft, oder sie doch eine viel höhere. Die Staatsämter sollen die, die den entsprechenden Zensus haben nicht ablehnen dürfen, wohl aber die Armen. (a. a. O. S.150,151) Die Gerichte anlangend ist für die Reichen eine Strafe vorgesehen, wenn sie sich weigern, als Geschworenenrichter zu fungieren, und bleiben die Armen straflos..." (a. a. O. S.151) 

Durch diesen Trick, der auf Nichtteilnahme der Armen setzt, soll gesichert werden, daß auch eine kleinere Zahl von Reichen stärkeres politisches Gewicht erhält.
In unseren gegenwärtigen Demokratien, die oligarchisch (also kapitalistisch) regiert werden, wird die Überlegenheit der reichen Minderheit durch das Kaufen der Presse und des Fernsehens und die Bestechung von Parlamentariern und Regierungsangehörigen bewirkt. Es kann angenommen werden, daß die Parlamentarische Demokratie in Massengesellschaften auch nur so funktionsfähig ist.

„Sechstes Buch. 4. Kapitel.
Unter den vier Arten von Demokratie, die es gibt, ist die beste die erste in der Reihe... Sie ist auch von allen die älteste. Die erste nenne ich sie im gleichen Sinne, wie man unter den verschiedenen Arten der Bevölkerung eines Staates eine die erste nennen  kann. (a. a. O. S:220,221) Die beste Bevölkerung ist nämlich die bäuerliche, so daß sich, wo die Menge von Ackerbau und Viehzucht lebt, auch die beste Demokratie gründen läßt. Weil ein solches Volk kein großes Vermögen besitzt, hat es keine Zeit, viele Volksversammlungen zu halten. Und weil die Leute nicht das Notwendige  zum Leben haben, sind sie eifrig über ihrer Arbeit, wollen mit fremden Angelegenheiten nichts zu tun haben und haben an der Arbeit mehr Freude als an der Politik und staatlichen Stellungen, außer es müßten die Ämter großen Gewinn abwerfen... (a. a. O. S.221) 
Fünftes Buch. 10.Kapitel.
...Das  Königtum entspricht nun, wie gesagt, der Aristokratie. Denn es gründet sich auf die Würdigkeit, mag sie nun auf persönlicher Tugend oder dem Geschlechte oder auf Wohltaten, die der Herrscher erwiesen, oder auf diesen und dazu noch auf Macht beruhen. Denn alle, die zur königlichen Würde gelangten, erhielten sich, weil sie ihren Staaten und Stämmen Wohltaten erwiesen hatten oder die Macht dazu besaßen, die einen, indem  sie im Kriege das Volk  vor der Sklaverei bewahrten, wie Kodrus, die anderen, indem sie es aus der Sklaverei befreiten, wie Cyrus, oder Landstriche bebauten oder erwarben, wie die Könige bei den Lazedämoniern, den Mazedoniern und Molossern. (a. a. S.196,197)
Der König soll ein Wächter darüber sein, daß die Vermögenden kein Unrecht leiden und das Volk keine Gewalttat erfährt. Die Tyrannis dagegen verfolgt, wie wiederholt gesagt, keinerlei gemeinnützigen  Zweck, es sei denn des eigenen Vorteils wegen. Das Ziel des Tyrannen ist das Angenehme, das des Königs das sittlich Gute. Daher kennzeichnet das Trachten nach Geld den Tyrannen und das Trachten nach Ehre mehr den König. Seine Leibwachen sind Bürger, die des Tyrannen sind Fremde. Daß aber die Tyrannis die Übel der Demokratie und der Oligarchie vereinigt, liegt amtage. Von der Oligarchie hat sie den Zug, daß der Reichtum ihr Endzweck ist — denn nur so läßt sich die Leibwache und das luxuriöse Leben aufrechterhalten —, und daß sie der Menge nicht traut, weshalb sie ihr auch die Waffen nimmt.... Von der Demokratie hat sie die Feindschaft und den Kampf gegen den Adel, den sie heimlich oder öffentlich zu verderben sucht und als Rivalen oder ein Hindernis der eigenen Herrschaft aus dem Lande vertreibt..." (a. a. O. S.197)

Die Moderne sah leider mehrere blutige Massenverfolgungen der Intelligenz, von terroristischen Einzelmorden abgesehen. Der Intelligenzneid ist noch heimtückischer und gefährlicher als Neid gegenüber materiellen Reichtümern. Ein weiteres düsteres Blatt ist der fast systematisch wirkende Vernichtungsfeldzug gegen die Gebirgsvölker der Erde, der ungeheuren Kultur- und Naturverlust zur Folge hat; gerade dem Gebirge eignet ja die schöpferische Kleinräumigkeit.

„Siebentes Buch. 4. Kapitel.
Deshalb muß es einen Staat erst von dem Augenblick an geben können, wo er aus einer Volksmenge besteht, die hinreichend groß ist, um sich zu einem glücklichen Leben in staatlicher Gemeinschaft selbst zu genügen. Es mag aber auch größere Staaten geben, die ihn an Einwohnerzahl übertreffen. Aber dieses Steigen der Bevölkerungsziffer darf, wie gesagt, nicht ins Grenzenlose fortgehen, und welches die Grenze ist, bis zu der es gehen darf, läßt sich leicht aus den Aufgaben, die ein Staat hat, abnehmen... So ist denn die beste Definition für die Grenze der zulässigen Größe eines Staates offenbar die: dass höchste Bevölkerungsmaß, bei dem ein selbstgenügsames Leben gewährleistet ist und die Verhältnisse überschaubar bleiben. a. a. O. S.247,248)
Siebentes Buch. 9. Kapitel.
Denn der Staat ist keine beliebige Menschenmenge,  sondern, wie gesagt, eine Vereinigung, die  sich selbst zum Leben genügt... (a. a.O. S.254)
Denn die Herren der Waffen sind auch Herr über Bestand und Nichtbestand der Verfassung. So bleibt denn nur übrig, diese staatlichen Funktionen den beiden nämlichen Händen anzuvertrauen, jedoch nicht gleichzeitig, sondern da sich naturgemäß die Kraft bei den jüngeren und die Klugheit bei den älteren Leuten findet, so ist es von Nutzen, wenn die gedachten Obliegenheiten auch entsprechend unter beide verteilt sind und es so als förmliches Recht gilt." a. a. O. S.255)

Die aktuelle Debatte um die allgemeine Wehrpflicht erinnert hier an üble geschichtliche Erfahrungen. BIOTELIE empfiehlt hier räumlich getrennt operierende Weltpolizeiblöcke mit international  gemischter Besatzungen, wie sie sogar nach dem Zufallsprinzip kontingentiert, d. h. den einzelnen Blöcken zugeteilt,  werden könnten, um Machtintrigen zu erschweren.  Machtentfaltung und AKTIVITÄT müssen in Zukunft aus dem militärischen Sektor heraus in Richtung auf eine globale Katastrophenhilfe verlagert und weit besser unter Rücksichtnahme auf die Natur mit dem Aspekt der SPONTANEITÄT abgestimmt werden. Der Ausdruck "Klugheit der älteren Leute" müßte stärker dahingehend übersetzt werden, daß die historische Überlieferung auf allen Gebieten immer wieder auf noch oder nicht mehr berücksichtigte Vorteile hin durchkämmt werden sollte. Kulturell und politisch gilt es an gewachsenen guten Traditionen festzuhalten und nur als Verbesserungen überzeugende Neuerungen einzuführen, wo möglich in tastender und regional begrenzter Erprobung.

Und dann wieder zurück  zu Immanuel Kant

 

Die Kritiken Immanuel Kant aus bioteler Sicht

Ich beschränke mich hier auf mein Verhältnis zur kritischen Philosophie Immanuel Kants, die anerkannterweise ja auch die Grundlage moderner Menschenrechte sowie der internationalen Zusammenschlüsse zum Völkerbund und zu den Vereinten Nationen legte. Ich behaupte, daß mit BIOTELIE die (natürlichen und vernünftigen) Wurzeln des Rechts aufgedeckt werden, wie es Kant in seiner "Kritik der reinen Vernunft" für möglich und verdienstvoll hielt (siehe am Schluß dieses Artikels).

Ganz unabhängig von dem Bemühen, die Entwicklung unserer Hirnfunktionen so weit zu erforschen, daß von Kant als priori, also uns vorgegebene Erkenntnisse als Instrumente unseres Denkens, einmal in ihrer Entwicklung und Abzweigung unserer animalischen Vorfahren und Verwandten oder gar in der individuellen Gehirnentwicklung oder aus dem Spracherlernen zu verstehen sein könnten und vom Erfolg solcher Bemühungen, wollen wir uns zunächst einmal damit abfinden und voraussetzen, daß wir Erkenntnisse a priori (vorgegebene) haben und mit ihnen Erkenntnisse a posteriori (spätere), nämlich solche aus Erfahrung, bearbeiten. Nur mit Hilfe unserer Erkenntnis a priori können wir Gewißheit erlangen (a. a. O.S.53) Daraus, daß wir Ereignisse wiederholt beobachten, können wir nicht schließen, daß sie mit Notwendigkeit immer wiederkehren.
Und so geht denn schon aus der Einleitung zur Kritik der reinen Vernunft (Philipp Reclam Jun. Stuttgart 1966) hervor, was man unseren Rot-Grünen (Linken oder Sozialisten) vorhalten muß, weil es ihre Überheblichkeit und Bequemlichkeit begründet:

„Überdem, wenn man über den Kreis der Erfahrung hinaus ist, so ist man sicher, nicht widerlegt zu werden". 
Zumindest ihre Führungsriege aus der 68er Bewegung scheint bei der für ihre Ämter notwendigen Erfahrung nie angekommen zu sein und bleibt bei ihren Träumen, die für Gesunde Alpträume sind; beeinflußt von der "Frankfurter Schule" um Max Horkheimer wurde auch im Westen eine parteiische Wissenschaft aufgebaut, ja die Parteinahme des Wissenschaftlers als wesentlich proklamiert.
Die Studie "Der autoritäre Charakter", welche wie die Auftragsarbeit zur Entlarvung des amerikanischen Antisemitismus häufig bewährtes, sauber objektivierendes Vorgehen vermissen ließ, läutete bei uns die antiautoritäre Erziehung ein. M. Horkheimer selbst befehligte sein Soziologisches Institut recht autoritär. Dem Institut nahe stand der intelligentere Jürgen Habermas. Dessen herrschaftsfreie Diskursethik, krankt jedoch einmal an der Tatsache, das ein Diskurs in der Regel nicht herrschaftsfrei ist; zum anderen ist eine solche, sozusagen demokratisierte, Ethik nicht stabil und zeitlos genug.
Kant warnt vor Spekulationen, die über die Erfahrungsmöglichkeiten hinausgehen, und er "versteht ..  unter natürlich... das, was billiger und vernünftigerweise geschehen sollte" (a. a. O. S.56) Vom "bisher nicht erloschenen Geist der Gründlichkeit in Deutschland" ist die Rede (a. a. O. S.42)

Ohne auf das Kant' sche System der Logik richtig eingehen zu können, zitiere ich wegen des Begriffes der SPONTANEITÄT, der auch hinsichtlich des biotelen Denkens von so großer Bedeutung ist:
„Raum und Zeit enthalten nun ein Mannigfaltiges der reinen Anschauung a priori, gehören aber gleichwohl zu den Bedingungen der Rezeptivität unseres Gemüts, unter denen es allen Vorstellungen von Gegenständen empfangen kann, die mithin auch den Begriff desselben affizieren müssen. Allein die Spontaneität unseres Denkens erfordert es, daß dieses Mannigfaltige zuerst auf gewisse Weise durchgegangen, aufgenommen und verbunden werde, um daraus eine Erkenntnis zu machen. Diese Handlung nenne ich Synthesis". (a. a. O. S.147)

Kant macht als Beispiel eines analytischen Urteils die Aussage "alle Körper sind ausgedehnt", da das Attribut ausgedehnt schon im Subjekt enthalten ist. In der Aussage "alle Körper sind schwer" ist das Attribut schwer jedoch nicht schon im Subjekt enthalten, sondern mußte erst durch Erfahrung hinzutreten, weshalb ein synthetisches Urteil vorliegt (a. a. O. S.59)
Zu einer Erfahrung (Empirie) ist die Aufnahme (Apperzeption) von Sinneseindrücken erforderlich; für allgemeingültige Erfahrung muß sie jederzeit für jedermann wiederholbar sein. Von den Sinneseindrücken leitet beim Menschen die A n s c h a u u n g.

 „Wenn die Anschauung sich nach der Beschaffenheit der Gegenstände richten müßte, so sehe ich nicht ein, wie man a priori etwas von ihr wissen könne, richtet sich aber der Gegenstand (als Objekt der Sinne) nach der Beschaffenheit unseres Anschauungsvermögens, so dann ich mir diese Möglichkeit ganz wohl vorstellen" (a. a. O. S.28)

Ich erlaube mir hier den Einwurf, daß der moderne Irrweg des "Radikalen Konstruktivismus" in solchen Aussagen offenbar ihren Ursprung nahm, um die Objektivität der Wirklichkeit in eine gänzlich subjektive umzudeuten, was uns als Wesen in den Zustand fensterloser Leibnis'scher Monaden versetzen würde, die für die Welt nicht weiter Verantwortung tragen. Übrigens würden dann auch Tiere hochwahrscheinlich die Welt "konstruieren", denn auch sie sehen vermutlich die Welt  ähnlich wie wir soweit sie Augen haben. Immanuel Kant hat sich — schon als Naturwissenschaftler — sehr wohl vor solcher Einseitigkeit gehütet. Es muß uns ja auch als Wunder erscheinen, daß die umherwirbelnden unzähligen Energiequanten in einem weithin leeren Raum von uns als bunte Blumen, Bäume und umgrenzte Gegenstände gesehen und als feste Formen angefaßt werden können. Dennoch bleibt die Außenwelt für uns vorhanden.

 Der sprachliche Ausdruck Begriff spiegelt bereits, daß wir hier etwas körperlich erfassen (be-greifen) müssen.
„Begriff; bezieht sich... auf den Gegenstand... mittelbar, vormittelst eines Merkmals, was mehreren Dingen gemein sein kann. Der Begriff ist entweder ein empirischer oder reiner Begriff" (a. a. O. S.994) „Wenn aber gleich alle unsere Erkenntnis m i t der Erfahrung anhebt, so entspringt sie darum doch nicht eben alle a u s der Erfahrung..." (a. a. O. S.50) „...Logik beschäftigt sich nur mit der Form des Denkens überhaupt" (a. a. O. S.33)
„So fern in diesen [Wissenschaften] nun Vernunft sein soll, so muß darin etwas a priori erkannt werden, und ihre Erkenntnis kann auf zweierlei Art auf ihren Gegenstand bezogen werden, entweder diesen und seinen Begriff (der anderweitig gegeben werden muß) bloß zu  b e s t i m m e n, oder ihn auch  w i r k l i c h  z u  m a c h e n. Die erste ist  t h e o r e t i s c h e, die zweite  p r a k t i s c h e  E r k e n n t n i s  der Vernunft. Von beiden mut der  r e i n e  Teil, so viel oder so wenig er auch enthalten mag, nämlich derjenige, darin Vernunft gänzlich a priori ihr Objekt bestimmt, vorher allein vorgetragen werden, und dasjenige, was aus anderen Quellen kommt, damit nicht vermengt werden..." (a. a. O. S.223) Wir erkennen die Dinge nur als Objekt der sinnlichen Anschauung. „Gleichwohl wird,... doch dabei immer vorbehalten, daß wir eben dieselben Gegenstände auch als Dinge an sich selbst, wenn gleich nicht  e r k e n n e n, doch wenigstens müssen  d e n k e n  können. Denn sonst würde der ungereimte Satz daraus folgen, daß Erscheinung ohne etwas wäre, was da erscheint... (a. a. O. S.35)
„Die unvermeidlichen Aufgaben der reinen Vernunft selbst, sind  G o t t,  F r e i h e i t  und  U n s t e r b l i c h k e i t. Die Wissenschaft aber, deren Endabsicht mit allen ihren Zurüstungen uneigentlich nur auf die Auflösung derselben gerichtet ist, heißt  M e t a p h y s i k, deren Verfahren im anfange  d o g m a t i s c h  ist, d. i. ohne vorhergehende Prüfung des Vermögens oder Unvermögens der Vernunft... zuversichtlich die Ausführung übernimmt" (a. a. O. S:55) 

Ihre eigentliche Bedeutung gewinnt die Metaphysik nach Kant nicht auf dem Gebiet theoretischer Erkenntnis, sondern auf dem praktischen Handelns.

„Ich nenne alle Erkenntnis  t r a n s z e n d e n t a l  , die sich nicht sowohl mit Gegenständen, sondern mit unserer Erkenntnisart von den Gegenständen, so fern diese a priori möglich sein soll, überhaupt beschäftigt. Ein  S y s t e m  solcher Begriffe würde  T r a n s z e n d e n t a l - P h i l o s o p h i e  heißen...(a. a. O. S.74) „Die Transzendental-Philosophie ist die Idee einer Wissenschaft, wozu Kritik der reinen Vernunft den ganzen Plan architektonisch, d. i. aus Prinzipien entwerfen soll, mit völliger Gewährleistung der Vollständigkeit und Sicherheit aller Stücke, die dieses Gebäude ausmachen... (a. a. O. S.76)
„Das vornehmste Augenmerk bei der Einteilung einer solchen Wissenschaft ist: daß gar keine Begriffe hineinkommen müssen, die irgend etwas Empirisches in sich enthalten; oder daß die Erkenntnis a priori völlig rein sei. Daher, obzwar die obersten Grundsätze der Moralität und die Grundbegriffe derselben, Erkenntnisse a priori sind, so gehören sie doch nicht in die Transzendental-Philosophie, weil sie die Begriffe der Lust und Unlust, der Begierden und Neigungen etc., die insgesamt empirischen Ursprungs sind, zwar selbst nicht zum Gebäude ihrer Vorschriften legen, aber doch im Begriffe der Pflicht, als Hindernis, das überwunden, oder als Anreiz, der nicht zum Beweggrunde gemacht werden soll, notwendig in die Abfassung des Systems der reinen Sittlichkeit mit hineinziehen müssen. Daher ist die Transzendental-Philosophie eine Weltweisheit der reinen bloß spekulativen Vernunft..." (a. a.  S.77)
"Transzendentale Ästhetik... In der Erscheinung nenne ich das, was der Empfindung korrespondiert, die M a t e r i e  derselben, dasjenige aber, welches macht, daß das Mannigfaltige der Erscheinung in gewissen Verhältnissen geordnet werden kann, nenne ich die  F o r m  der Erscheinung... Ich nenne alle Vorstellungen  r e i n (im transzendentalen Verstande), in denen nichts, was zur Empfindung gehört, angetroffen wird..." (a. a. O. S:81) Raum und Zeit sind für Kant solche Bedingungen unserer Anschauung a priori, d. h. ohne empirische Beimengung, keine Eigenschaften, die den Dingen selbst anhaften. (a. a. O. S.88-95) „Nur in der Zeit können beide kontradiktorisch-entgegengesetzten Bestimmungen in einem Dinge, nämlich  na c h   e i n a n d e r , anzutreffen sein..." (a. a. O. S.96) „Die Zeit ist nichts anders, als die Form des innern Sinnes, d. i. des Anschauens unserer Selbst und unsers inneren Zustandes. Denn die Zeit kann keine Bestimmung äußerer Erscheinung sein; sie gehöret weder zu einer Gestalt, oder Lage etc.." (a. a. O. S.97)

„Wir unterscheiden sonst wohl unter Erscheinungen, das, was der Anschauung derselben wesentlich anhängt, und für jeden menschlichen Sinn überhaupt gilt, von demjenigen,, was derselben nur zufälliger Weise zukommt, indem es nicht auf die Beziehung der Sinnlichkeit überhaupt, sondern nur auf eine besondere Stellung oder Organisation dieses oder jenes Sinnes gültig  ist. Und da nennt man die erstere Erkenntnis eine solche, die den Gegenstand an sich selbst vorstellt, die zweite aber nur die Erscheinung desselben..." (a. a. O. S.109) "... das transzendentale Objekt aber bleibt uns unbekannt" (a. a. O. S.110) „Wollen wir die  R e z e p t i v i t ä t  [Aufnahmefähigkeit] unseres Gemüts, Vorstellungen zu empfangen, so fern es auf irgend eine Weise affiziert wird, S i n n l i c h k e i t  nennen; so ist dagegen das Vermögen, Vorstellungen selbst hervorzubringen,  oder die  S p o n t a n e i t ä t  des Erkenntnisses, der  V e r s t a n d. Unsere Natur bringt es mit sich, daß die  A n s c h a u u n g  niemals anders als  s i n n l i c h  sein kann, d. i. nur die Art enthält, wie wir von Gegenständen affiziert werden. Dagegen ist das Vermögen, den Gegenstand sinnlicher Anschauung zu  d e n k e n, der   V e r s t a n d.  Keine dieser Eigenschaften ist der andern vorzuziehen..." (a. a. O. S.120) „...Wir... unterscheiden ... die Wissenschaft der Regeln der Sinnlichkeit überhaupt, d. i. Ästhetik, von der Wissenschaft der Verstandesregeln überhaupt, d. i. der Logik. Die Logik kann nun wiederum in zwiefacher Absicht genommen werden, entweder als Logik des allgemeinen, oder des besonderen Verstandesgebrauchs. die erstere enthält die schlechthin notwendigen  Regeln des Denkens, ohne welche gar kein Gebrauch des Verstandes stattfindet, und geht also auf diesen, unangesehen der Verschiedenheit der Gegenstände, auf welchen er gerichtet sein mag. ie Logik des besonderen Verstandesgebrauchs enthält die Regeln, über eine gewisse Art von Gegenständen richtig zu denken. Jene kann man die Elementarlogik nennen, diese aber das Organon dieser oder jener Wissenschaft....  man muß die Gegenstände schon in ziemlich hohem Grade kennen, wenn man die Regeln angeben will, wie sich eine Wissenschaft von ihnen zu Stande bringen kann. Die allgemeine Logik ist nun entweder die reine, oder die angewandte Logik. In der ersteren abstrahieren wir von allen empirischen Bedingungen, unter denen der Verstand ausgeübt wird, z. B. vom Einfluß der Sinne, vom Spiel der Einbildung, den Gesetzen des Gedächtnisses, der Macht der Gewohnheit, der Neigung etc. mithin auch den Quellen der Vorurteile, ja überhaupt von allen Ursachen, daraus uns gewisse Erkenntnisse entspringen, oder untergeschoben werden mögen, weil sie bloß den Verstand unter gewissen Umständen seiner Anwendung betreffen, und, um diese zu kennen, Erfahrung erfordert wird. Eine  a l l g e m e i n e , aber  r e i n e Logik, hat es also mit lauter Prinzipien a priori zu tun, und ist ein  K a n o n  d e s  V e r s t a n d e s  und der Vernunft, aber nur in Ansehung des Formalen, ihres Gebrauchs, der Inhalt mag sein,  welcher er wolle (empirisch oder transzendental)..." (a. a. O. S.121,122)       
„Es gibt aber, außer der Anschauung, keine andere Art, zu erkennen, als durch Begriffe. Also ist die Erkenntnis eines jeden, wenigstens des menschlichen Verstandes, eine Erkenntnis durch Begriffe, nicht intuitiv, sondern diskursiv. Alle Anschauungen, als sinnlich, beruhen auf Affektionen, die Begriffe  also auf Funktionen. Ich verstehe aber unter Funktion die Einheit der Handlung, verschiedene Vorstellungen unter einer gemeinschaftlichen zu ordnen. Begriffe gründen sich also auf der Spontaneität des Denkens, wie sinnliche Anschauungen auf der Rezeptivität der Eindrücke. Von diesen Begriffen kann nun der Verstand keinen andern Gebrauch machen, als daß er dadurch urteilt... Da keine Vorstellung unmittelbar auf den Gegenstand geht, als bloß die Anschauung, so wird der Begriff  niemals auf einen Gegenstand unmittelbar, sondern auf irgend eine andere Vorstellung von demselben (sie sei Anschauung oder selbst schon Begriff) bezogen." (a. a. O. S.137, 138) Das Urteil ist also die mittelbare Erkenntnis eines Gegenstandes, mithin eine Vorstellung der Vorstellung desselben. In jedem Urteil ist ein Begriff der für viele gilt, und unter diesem Vielen auch eine gegebene Vorstellung begreift, welche letztere denn auf den Gegenstand unmittelbar bezogen wird. So bezieht sich z. B. in dem Urteile: a l l e  K ö r p e r   s i n d   t e i l b a r , der Begriff des 'Teilbaren auf verschiedene Begriffe; unter diesen aber wird er hier auf den Begriff des Körpers bezogen..." (a. a. O. S.138)

„Des Leitfadens der Entdeckung aller reinen Verstandesbegriffe Zweiter Abschnitt  9 Von der logischen Funktion des Verstandes in Urteilen
Wenn wir von allem Inhalte eines Urteils überhaupt abstrahieren, und nur auf die bloße Verstandesform darin Acht geben, so finden wird, daß die Funktionen des Denkens in demselben unter vier Titel gebracht werden könne, deren jeder drei Momente unter sich enthält. Sie können füglich in folgender Tafel [der Urteile] vorgestellt werden.

1. Quantität der Urteile Allgemeine  Besondere  Einzelne
2. Qualität Bejahende  Verneinende  Unendliche
3. Relation   Kategorische   Hypothetische  Disjunktive
 4. Modalität Problematische  Assertorische  Apodiktische

 (a. a. O. S.140)

„Alle Verhältnisse des Denkens in Urteilen sind  die a) des Prädikats zum Subjekt, b) des Grundes zur Folge, c) der eingeteilten  Erkenntnis und der gesammelten Glieder der Einteilung untereinander. In der ersteren Art der Urteile sind nur zwei Begriffe, in der zweiten zwei Urteile, in der dritten mehrere Urteile im Verhältnis gegen einander betrachtet. Der hypothetische Satz: wenn eine vollkommene Gerechtigkeit da ist, so wird der beharrlich Böse bestraft, enthält eigentlich das Verhältniszweier Sätze: Es ist eine vollkommene Gerechtigkeit da, und der beharrlich Böse wird bestraft. Ob beide Sätze an sich wahr seien, bleibt hier unausgemacht. Es ist nur die Konsequenz, die durch dieses Urteil gedacht wird. Endlich enthält das disjunktive Urteil ein Verhältnis zweier, oder mehrerer Sätze gegen einander, aber nicht der Abfolge, sondern der logischen Entgegensetzung, so fern die Sphäre des einen die des andern ausschließt, aber doch zugleich der Gemeinschaft, in so fern sie zusammen die Sphäre der eigentlichen Erkenntnis ausfüllen, also ein Verhältnis der Teile der Sphäre eines Erkenntnisses, da die Sphäre eines jeden Teils ein Ergänzungsstück der Sphäre des anderen zu dem ganzen Inbegriff der eingeteilten Erkenntnis ist, z. E. die Welt ist entweder durch einen blinden Zufall da, oder durch innre Notwendigkeit... oder durch eine äußere Ursache." (a. a. O. S.143,144) Sozusagen rückwärts in der Reihenfolge der Relation gelesen können wir uns vom disjunktiven über hypothetische Urteil auf das kategorische zubewegen und gelangen, der Modalität nach, vom problematischen über das assertorische zum apodiktischen Urteil, also zur (Überzeugung der) Gewißheit (a. a. O. S.145,146). Nehmen wir aber unsere Anschauung von Raum und Zeit hinzu, so gelangen wir übe die reine Logik hinaus zu transzendentalen Verstandesbegriffen.
„Analytisch werden verschiedene Vorstellungen u n t e r  einen Begriff gebracht, (ein Geschäft, wovon die allgemeine Logik handelt). Aber nicht die Vorstellungen, sondern die  r e i n e  S y n t h e s i s  der Vorstellungen  a u f  Begriffe zu bringen, lehrt die transzendentale Logik. Das erste, was uns zum Behuf der Erkenntnis aller Gegenstände a priori gegeben sein muß, ist das  M a n n i g f a l t i g e  der reinen Anschauung; die  S y n t h e s i s  dieses Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft ist das zweite, gibt aber noch keine Erkenntnis. Die Begriffe, welche dieser reinen Synthesis  E i n h e i t geben, und lediglich in der Vorstellung dieser notwendigen synthetischen Einheit bestehen, tun das dritte zum Erkenntnisse eines vorkommenden Gegenstandes, und beruhen auf dem Verstande.
Dieselbe Funktion, welche den verschiedenen Vorstellungen  i n  e i n e m  U r t e i l e  Einheit gibt, die gibt auch der bloßen Synthesis verschiedener Vorstellungen  i n  e i n e r  A n s c h a u u n g   Einheit, welche, allgemein ausgedrückt, der reine Verstandesbegriff heißt.."

Wenn nun zur reinen Form transzendental Inhalt hinzutritt (a. a. O.. S.149), so landen wir bei den reinen Verstandesbegriffen oder Kategorien, „die a priori auf Objekte gehen, was die allgemeine Logik nicht leisten kann. Auf solche Weise entspringen gerade so viel reine Verstandesbegriffe, welche a priori auf Gegenstände der Anschauung überhaupt gehen,  als es in der vorigen Tafel logische Funktionen in allen möglichen Urteilen gab: denn der Verstand ist durch gedachte Funktionen völlig erschöpft, und sein Vermögen dadurch gänzlich ausgemessen... Tafel der Kategorien

1. Der Quantität: Einheit Vielheit  Allheit
2. Der Qualität: Realität Negation  Limitation
3. Der Relation der Inhärenz und Subsistenz (substantia et accidens) 
[grammatikalisch etwa: Subjekt und Prädikat]
Kausalität und Dependenz (Ursache und Wirkung) der Gemeinschaft (Wechselwirkung zwischen dem Handelnden und Leidenden) [was, biotel gesprochen, GEGENSEITIGKEIT begründet]
 4. Der Modalität: Möglichkeit — Unmöglichkeit Dasein — Nichtsein  Notwendigkeit — Zufälligkeit

 (a. a. O. S.150)

Natürlich muß zum besseren Verständnis der Originaltext ungekürzt gelesen werden; und ich gestehe, daß ich ihn, mit oft einem Jahrzehnt Abstand,  mehrfach gelesen habe und wohl noch nicht ganz am Ende der Verständnismöglichkeit angekommen bin. In unseren Schulen werden Sprachen gelehrt, aber Logik und Philosophie kommen dabei sehr kurz weg und laufen Gefahr einseitig die Weltanschauung der Lehrer zu übertragen. Zu wenig Philosophie, das ist nicht weiter schlimm, denn die Logik scheint in allen menschlichen Sprachen als Grundausstattung des Menschen vorhanden zu sein und wird auch unbewußt angewandt. Bei dem bislang Angeführten werde ich  leicht dazu versucht, Anklänge des Prozesses der Einheitsbildung aus der PLURALITÄT (bei Kant hier das Mannigfaltige) hin zur "Stabilität", dem Kern oder den Kernen (zur Substanz) der dynamischen Stabilität vernehmen zu können, also eine Analogie zu vermuten. Wozu aber dient nun  die Logik? Nach Kant der praktischen Vernunft, in bioteler Ausdeutung über die Vernunft (und den biotelen Aspekt der AKTIVITÄT oder Handlungsfähigkeit bis hin zur Handlung) der Lebenserhaltung.

„Was ich die angewandte Logik nenne, (wider die gemeine Bedeutung dieses Worts, nach der sie gewisse Exerzitien, dazu die reine Logik die Regel gibt, enthalten soll,) so ist sie eine Vorstellung des Verstandes und der Regeln seines notwendigen Gebrauch in concreto, nämlich unter den zufälligen Bedingungen des Subjekts, die diesen Gebrauch hindern und befördern können, und die insgesamt nur empirisch gegeben werden. Sie handelt von der Aufmerksamkeit, deren Hindernis und Folgen, dem Ursprunge des Irrtums, dem Zustande des Zweifels, des Skrupels, der Überzeugung usw. und zu ihr verhält sich die allgemeine und reine Logik wie die reine Moral, welche bloß die notwendigen sittlichen Gesetze eines freien Willens überhaupt enthält, zu der eigentlichen Tugendlehre, welche diese Gesetze unter den Hindernissen der Gefühle, Neigungen und Leidenschaften, denen die Menschen mehr oder weniger unterworfen sind, erwägt, und welche niemals eine wahre und demonstrierte Wissenschaft abgeben kann, weil sie eben sowohl als jene angewandte Logik empirische und psychologische Prinzipien bedarf" (a. a. O. S.123)

Ich halte diese Aussage für bedeutsam, da Kants Behauptung einer praktischen Vernunft, welche als kategorischer Imperativ, als Inbegriff der Pflicht(ethik), eben wegen ihrer Ablehnung einer Gefühlsorientierung und sei es die des Mitgefühls mit Not und Leiden anderer angegriffen wurde: offenbar hat er ja doch den Wirklichkeit und die Wirksamkeit einer derartigen Tugendlehre nicht bestritten, aber er fühlte sich gedrängt, in der "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" eine "neue Formel" dafür aufzustellen, die unabhängig von der Beschaffenheit des einzelnen Subjekts gültig ist  (Kritik der Praktischen Vernunft, a. a. O. S.16,17) Steigt man in die Realität ein, so wird man sehr wohl seine "moralischen" Forderungen, wie auch der Strafrichter, nach der Zurechenbarkeit und dem Einsichtsvermögen der einzelnen richten. Kant geht es aber um das "moralische Prinzip" und darum klarzustellen, daß dieses eben in seiner Unerbittlichkeit und Rücksichtslosigkeit gegenüber empirischen Bedingungen gerade die Gleichheit und Würde der Menschen begründet und zwar über der nach Kant nur dem Menschen zukommenden Freiheit der Selbstgesetzgebung (AUTONOMIE). Ging man bisher von den empirischen Wurzeln der Moral aus, so wurde diese als Erfahrungswissenschaft behandelt; dementsprechend wurden der Jugend nachahmenswerte Vorbilder vor Augen gestellt (clarissimi viri, berühmte Männer, wie heute bekannte Personen, die sich aber weniger durch Tugend auszeichnen müssen). Ethik (Kant spricht immer von Moral) im wissenschaftlichen Sinne ist aber eine Sollenslehre.

„...wir sagen nur, daß wir etwas durch Vernunft erkennen, wenn wir uns bewußt sind, daß wir es auch hätten wissen können, wenn es uns auch nicht so in der Erfahrung vorgekommen wäre; mithin ist Vernunfterkenntnis und Erkenntnis a priori einerlei...." (a. a. O. S.22)
„Auf diese Weise wären denn nunmehr die Prinzipien a priori zweier Vermögen des Gemüts, des Erkenntnis- und Begehrensvermögens ausgemittelt..." (a. a. O. S.21) „.. der Empirismus gründet sich auf einen  g e f ü h l t e n, der Rationalismus aber auf einer  e i n g e s e h e n e n  Notwendigkeit... (a. a. O. S.25) „In ... dem praktischen Gebrauche... beschäftigt sich die Vernunft mit Bestimmungsgründen des Wissens, welche ein Vermögen ist, den Vorstellungen entsprechende Gegenstände entweder hervorzubringen, oder doch dich selbst zur Bewirkung derselben (das physische Vermögen mag nun hinreichend sein, oder nicht) d. i. seine Kausalität zu bestimmen. Denn da kann wenigstens die Vernunft zur Willensbestimmung zulangen, und hat so fern immer objektive Realität, als es nur auf das Wollen ankommt... Nun tritt hier ein durch die Kritik der reinen Vernunft gerechtfertigter, obzwar keiner empirischen Darstellung fähiger Begriff der Kausalität, nämlich der der  F r e i h e i t , ein,,, und wenn wir anjetzt Gründe ausfindig machen können, zu beweisen, daß diese Eigenschaft dem menschlichen Willen (und so auch dem Willen aller vernünftigen Wesen) in der Tat zukomme, so wird dadurch nicht allein dargetan, daß reine Vernunft praktisch sein könne, sondern daß sie allein, und nicht die empirisch-beschränkte, unbedingterweise praktisch sei... (a. a. O. S.27,28) Die Vernunft bestimmt in einem praktischen Gesetz unmittelbar den Willen, nicht vermittelst eines dazwischen kommenden Gefühls der Lust und Unlust, selbst nicht an diesem Gesetze, und nur, daß sie als reine Vernunft praktisch sein kann, macht es ihr möglich  g e s e t z g e b e n d  zu sein...  allein ist Vernunft nur, so fern wsie für sich selbst den Willen bestimmt, (nicht im Dienste der Neigungen ist,) ein wahres  o b e r e s  Begehrungsvermögen, dem das pathologisch bestimmbare untergeordnet ist,  und wirklich, ja  s p e z i f i s c h  von diesem unterschieden, so daß sogar die mindeste Beimischung von Antrieben der  letzten ihrer Stärke und Vorzuge Abbruch tut, so wie das mindeste Empirische, als Bedingung in einer mathematischen Demonstration, ihre Würde und Nachdruck herabsetzt und vernichtet...

Glücklich zu sein, ist notwendig das Verlangen jedes vernünftigen aber endlichen Wesens, und also ein unvermeidlicher Bestimmungsgrund seines  Begehrungsvermögens. Denn die Zufriedenheit mit seinem ganzen Dasein ist nicht etwa ein ursprünglicher Besitz, und eine Seligkeit, welche ein Bewußtsein seiner unabhängigen Selbstgenugsamkeit voraussetzen würde, sondern ein durch seine endliche Natur selbst ihm aufgedrungenes Problem, weil es bedürftig ist, dieses Bedürfnis betrifft die Materie seines Begehrungsvermögens, d. i. etwas, was sich auf ein subjektiv zum Grunde liegendes Gefühl der Lust oder Unlust bezieht, dadurch das, was es zur Zufriedenheit mit seinem Zustande bedarf, bestimmt wird"  (a. a. O. S.43,44) Aber eben darum, weil dieser materiale Bestimmungsgrund von dem Subjekte bloß empirisch erkannt werden kann, ist es unmöglich diese Aufgabe al ein Gesetz zu betrachten, weil dieses als objektiv in allen Fällen und für alle vernünftigen Wesen  e b e n  d e n s e l b e n  B e s t i m m u n g s g r u n d  des Willens enthalten müßte. Denn obgleich der Begriff der Glückseligkeit der praktischen Beziehung der  O b j e k t e  aufs Begehrungsvermögen  a l l e r w ä r t s  zum Grunde liegt, so ist er doch nur der allgemeine Titel der subjektiven Bestimmungsgründe, und bestimmt nichts  spezifisch, darum es doch in dieser praktischen Aufgabe allein zu tun ist, und ohne welche Bestimmung sie gar nicht aufgelöset werden kann. Worin nämlich jeder seine Glückseligkeit zu setzen habe, kommt auf jedes sein besonderes  Gefühl der Lust und Unlust an, und selbst in einem und demselben Subjekt auf die Verschiedenheit des Bedürfnisses, nach den Abänderungen dieses Gefühls, und ein  s u b j e k t i v  n o t w e n d i g e s  Gesetz (als Naturgesetz) ist also  o b j e k t i v  ein gar sehr  z u f ä l l i g e s  praktisches Prinzip, das in verschiedenen Subjekten sehr verschieden sein kann und muß, mithin niemals ein Gesetz abgeben kann, weil es, bei der Begierde nach Glückseligkeit, nicht auf die Form der Gesetzmäßigkeit, sondern lediglich auf die Materie ankommt, nämlich ob und wie viel Vergnügen ich in der Befolgung des Gesetzes zu erwarten habe. Prinzipien der Selbstliebe können zwar allgemeine Regeln der Geschicklichkeit (Mittel zu Absichten auszufinden) enthalten, alsdann sind es aber bloß theoretische Prinzipien, (z. B. wie derjenige, der gerne Brot essen möchte, sich eine Mühle auszudenken habe)" (a. a. O. S:44,45).

„IX Von der der praktischen Bestimmung des Menschen weislich angemessenen Proportion seiner Erkenntnisvermögen
Wenn die menschliche Natur zum höchsten Gute zu streben bestimmt ist, so muß auch das Maß ihrer Erkenntnisvermögen, vornehmlich ihr Verhältnis untereinander, als zu diesem Zwecke schicklich, angenommen werden. Nun beweiset aber die Kritik der reinen  s p e k u l a t i v e n  Vernunft die größte Unzulänglichkeit derselben, um die wichtigsten Aufgaben, die ihr vorgelegt werden, dem Zwecke angemessen aufzulösen, ob zwar die natürlichen und nicht zu übersehenden Winke eben derselben Vernunft, imgleichen die großen Schritte, die sie tun kann, nicht verkennt, um sich diesem großen Ziel , das ihr ausgesteckt ist, zu näheren, aber doch, ohne es jemals für sich selbst, sogar mit Beihilfe der größten Naturerkenntnis, zu erreichen" (a. a. O. S.231)
Wären wir aber gescheit und einsichtig genug, so meint Kant, alle Zusammenhänge zu durchschauen, die uns zur Glückseligkeit führen, so wäre unsere Freiheit verloren (a. a. O. S:231,232). So aber besitzen wir nur den großen Rahmen.
„§ 7 Grundgesetz der reinen praktischen Vernunft
Handle so, daß die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne" (a. a. O. S.53)
„...Es schränkt sich [damit] nicht bloß auf Menschen ein, sondern geht auf alle endlichen Wesen, die Vernunft und Willen haben, ja schließt sogar das unendliche Wesen, als oberste Intelligenz, mit ein" (a. a. O. S.56)
Mit dieser Behauptung zusammen mit derjenigen einer Vernunftreligion, die der offenbarten Religion vorhergehe, provozierte Kant, daß er von der Katholischen Kirche auf den Index der verbotenen Bücher gesetzt wurde. Ich würde die Aussage Kants so deuten, daß Gott, der allmächtige als Inbegriff des Guten nicht schlecht sein könne oder biotel ausgedeutet: nicht destruktiv gegenüber einer sinnvollen Schöpfungsordnung; wobei der Sinn lediglich von Kant als das Wesentliche zur Debatte gebracht wird, während sich BIOTELIE als nicht der Erkenntnis fähig (agnostisch) noch kritische  zurückhält.

„Praktische  G r u n d s ä t z e  sind Sätze, welche eine allgemeine Bestimmung enthalten, die mehrere praktische Regeln unter sich hat. Sie sind subjektiv, oder M a x i m e n , wenn die Bedingung nur als für den Willen des Subjekts gültig angesehen wird; objektiv aber, oder praktische Gesetze, wenn jene als objektiv, d. i. für den Willen jedes vernünftigen Wesens gültig erkannt wird. Anmerkung
Wenn man annimmt, daß  r e i n e  Vernunft einen praktisch d. i. zur Willensbestimmung hinriechenden Grund in sich enthalten könne, so gibt es praktische Gesetze; wo nicht, so werden alle praktischen Grundsätze bloße Maximen sein..." (a. a. O. S.33)
„Der Wille wird als unabhängig von empirischen Bedingungen, mithin als reiner Wille,  d u r c h  d i e  b l o ß e  F o r m  d e s  G e s e t z e s   als bestimmt gedacht, und dieser Bestimmungsgrund als die oberste aller Maximen angesehen. Die Sache ist befremdlich genug, und hat ihres gleichen in der ganzen übrigen praktischen Erkenntnis nicht..." (a. a. O.S.54)
 „Folgerung 
Reine Vernunft ist für sich allein praktisch, und gibt (dem Menschen) ein  allgemeines Gesetz, welches wir das  S i t t e n g e s e t z  nennen" (a. a. O.S.55)

„§ 8 Lehrsatz IV
Die  A u t o n o m i e  des Willens ist das alleinige Prinzip aller moralischen Gesetze  und der ihnen gemäßen Pflichten: alle  H e t e r o n o m i e  der Willkür gründet dagegen nicht allein gar keine Verbindlichkeit, sondern ist vielmehr dem Prinzip derselben und der Sittlichkeit entgegen. In der Unabhängigkeit nämlich von aller Materie des Gesetzes (nämlich einem begehrten Objekte) und zugleich doch Bestimmung der Willkür durch die bloße allgemeine gesetzgebende Form, deren eine Maxime fähig sein muß, besteht das alleinige Prinzip der Sittlichkeit. Jene  U n a b h ä n g i g k e i t  aber ist Freiheit im  n e g a t i v e n, diese  e i g e n e   G e s e t z g e b u n g   aber der reinen, und als solche, praktischen Vernunft, ist die Freiheit im  p o s i t i v e  n   Verstande. Also drückt das moralische Gesetz nichts anders aus, als die  A u t o n o m i e der reinen praktischen Vernunft, d. i. der Freiheit, und diese ist selbst die formale Bedingung aller Maximen, unter der sie allein mit dem obersten  praktischen Gesetze zusammenstimmen können" (a. a. O. S.58)  „Nun ist freilich unleugbar, daß alles Wollen auch einen Gegenstand, mithin eine Materie haben müsse; aber diese ist darum nicht eben der Bestimmungsgrund und Bedingung der Maxime; denn, ist sie es,, so läßt sie sich nicht in allgemein gesetzgebender Form darstellen, weil die Erwartung des Gegenstandes alsdann die bestimmende Ursache der Willkür sein würde, und die Abhängigkeit des Begehrungsvermögens von der Existenz irgend einer Sache dem Wollen zum Grunde gelegt werden müßte, welche immer nur in empirischen Bedingungen gesucht werden,, und daher niemals der Grund zu einer notwendigen und allgemeinen Regel abgeben kann" (a. a. O. S.59,60) „So wird fremder Wesen Glückseligkeit das Objekt des Willens eines vernünftigen Wesens sein können..." (a. a. O. S.60)
Damit würde meines Erachtens der Zielbereich des Gewissens vom Ich, der Familie, der Gruppe und Nation kosmopolitisch auf die gesamte Menschheit erweitert, eben auf jedermann ohne Bevorzugung des eigenen Interesses und desjenigen der Näherstehenden, der Gedanken einer von unten her gegliederten biotelen SUBSIDIARITÄT auf dem Gebiet der Hilfeleistung gefährdet. Kant stellt auch ausdrücklich die Sittlichkeit höher als das Leben. (Man wird unwillkürlich an den Opfertod Christi am Kreuz erinnert.)
Auch die SPONTANEITÄT erfährt Einschränkungen:

„Eben so wird die Maxime, die ich in Ansehung der freien Disposition  über mein Leben nehme, sofort bestimmt, wenn ich mich frage, wie sie sein müßte, damit sich eine Natur  nach einem Gesetze derselben erhalte" (a. a. O. S.74,75) Offenbar würde niemand in einer solchen Natur sein Leben  w i l l k ü r l i c h   endigen können, denn eine solche Verfassung würde keine bleibende Naturordnung sein, und so in allen übrigen" (a. a. O. S.75)

BIOTELIE will sich da eher auf den Selbsterhaltungstrieb als auf die Sittlichkeit verlassen; denn ein Leben aus reiner Pflichterfüllung heraus gegen etwa eine schwere Depression mit der ganzen Aussichtslosigkeit kann niemals eine Grundlage für ein wünschenswertes Menschheitsschicksal sein, deshalb kennt BIOTELIE das Selbstschädigungsrecht und damit auch das Recht zum Suizid als Naturrecht, das allerdings durch die Regierungsgesetzgebung eingeschränkt werden könnte.

„Da nun alles, was in der Selbstliebe angetroffen wird, zur Neigung gehört, alle Neigung aber auf Gefühlen beruht, mithin was allen Neigungen  insgesamt in der Selbstliebe Abbruch tut, eben dadurch notwendig auf das Gefühl Einfluß hat, so begreifen wir, wie es möglich ist, a priori einzusehen, daß das moralische Gesetz, indem es die Neigungen und den Hang, sie zur obersten praktischen Bedingung zu machen, d. i.  die Selbstliebe, von allem Beitritte zur obersten Gesetzgebung ausschließt, eine Wirkung aufs Gefühl ausüben könne, welche einerseits bloß  n e g a t i v  ist, andererseits und zwar in Ansehung des einschränkenden Grundes der reinen praktischen Vernunft  p o s i t i v  ist, und wozu gar keine besondere  Art von Gefühlen , unter dem Namen eines praktischen, oder moralischen Gesetze vorhergehend und ihm zum Grunde liegend, angenommen werden darf. Die negative Wirkung auf Gefühl (der Annehmlichkeit) ist, so wie aller Einfluß auf dasselbe, und wie jedes Gefühl überhaupt, p a t h o l o g i s c h..." (a. a. O. S.122).

Im Vorgriff sei hier angemerkt, daß BIOTELIE glücklicherweise kein System der Ethik oder Moral darstellt, sondern eine Naturrechtslehre, wobei — in krasser Umkehrung der hier vorgetragenen Problematik — es als Führungs- und Kontrollinstrument der Politik nicht oder doch wenig auf die Gesinnung — dem heutigen parteipolitischen Mißbrauch von Politik entgegengesetzt —, ja sogar  Willensmeinungen (Maximen) ankommt, sondern auf das  E r g e b n i s, auf den  E r f o l g. Hierbei flossen die Gedanken einer Reihe anderer Autoren ein, insbesondere diejenigen von Baruch Benedikt Spinoza, der ganz offensichtlich seiner Systematik das Motiv der Lebenserhaltung zugrundelegte und Psychologie mit Einschluß des Gefühlslebens in seiner Ethik berücksichtigte. Es empfiehlt sich dabei, einer besonders nach Kant eingetretenen Entwicklung Rechnung zu tragen, welche zwischen einer wissenschaftlich-philosophisch-konstruierten Ethik, deren Kontrollinstanz das Gewissen des Einzelnen ist, und der Moral unterscheidet; unter Moral versteht man dann die zumeist ethnisch und geographisch gewachsenen und unterschiedlichen Sitten und Gebräuche (mores), deren Einhaltung von der Gemeinschaft (communitas) und Gesellschaft (societas) überwacht werden.

„Es ist von der größten Wichtigkeit in allen moralischen Beurteilungen auf das subjektive Prinzip aller Maximen mit der äußersten Genauigkeit Acht zu haben, damit alle Moralität der Handlungen in der Notwendigkeit derselben  a u s  P f l i c h t  und aus Achtung fürs Gesetz, nicht aus Liebe und Zuneigung zu dem, was die Handlungen hervorbringen sollen, gesetzt werde" (a. a. O. S.132)

„Wenn  S c h w ä r m e r e i   in der allgemeinsten Bedeutung eine nach  Grundsätzen unternommene Überschreitung der Grenzen menschlicher Vernunft ist,  s o  i s t  m o r a l i s c h e  S c h w ä r m e r e i  diese Überschreitung der Grenzen, die die praktische reine Vernunft der Menschheit setzt, dadurch sie verbietet den subjektiven Bestimmungsgrund pflichtmäßiger Handlungen, d. i. die moralische Triebfeder derselben, irgend worin anders, als im Gesetze selbst, und die Gesinnung, die dadurch in die Maximen gebracht wird, irgend anderwärts, als in der Achtung für dies Gesetz, zu setzen, mithin den alle  A r r o g a n z  sowohl als eitele  P h i l a u t i e [Selbstliebe]  niederschlagenden Gedanken von Pflicht zum obersten  L e b e n s p r i n z  i p  aller Moralität im Menschen zu machen gebietet (a. a. O. S.138,139)

„Es kann nichts Minderes sein, als was den Menschen über sich selbst (als einen Teil der Sinnenwelt) erhebt, was  ihn an eine Ordnung der Dinge knüpft, die nujr der Verstand denken kann, und die zugleich die ganze Sinnenwelt, mit ihr das empirisch-bestimmbare Dasein des Menschen in der Zeit und das Ganze aller Zwecke (welches allein solchen unbedingten praktischen Gesetzen, als das moralische, angemessen ist,) unter sich hat. Es ist nichts anderes alsl die  P e r s ö  n l i c h k e i t , d. i.- die Freiheit und Unabhängigkeit  von dem Mechanismus der ganzen Natur, doch zugleich als ein Vermögen eines Wesens betrachtet, welches eigentümlichen, nämlich von seiner eigenen Vernunft gegebenen reinen praktischen Gesetzen, die Person also, als  zur Sinnenwelt gehörig, ihrer eigenen Persönlichkeit unterworfen ist, so fern sie zugleich zur intelligibelen Welt gehört; da es denn nicht zu verwundern ist, wenn der Mensch, als zu beiden Welten gehörig, sein eigenes Wesen, in Beziehung auf seine zweite und höchste Bestimmung,  nicht anders, als mit Verehrung und die Gesetze derselben mit der höchsten Achtung betrachten muß" (a. a. O. S.140).
„Auf diesen Ursprung gründen sich nu n manche Ausdrücke, welche den Wert der Gegenstände nach moralischen Ideen bezeichnen. Das moralische Gesetz ist  h e i l i g (unverletzlich). [Aus dieser merkwürdigen Formulierung Kant könnte sich diejenige des Artikel 1 unseres Grundgesetzes ableiten.] Der Mensch ist hzwar unheilig genug, aber die  M e n s c h h e i  t  in seiner Person muß ihm heilig sein. In d4er ganzen Schöpfung kann alles, was man will, und worüber man etwas vermag, auch  b l o ß  a l s  M i t t e l  gebraucht werden; nur der Mensch, und mit ihm jedes vernünftige Geschöpf,  ist  Z w e c k  a n  s i c h  s e l b s t. Er ist nämlich das Subjekt des moralischen Gesetzes, welches heilig ist, vermöge der Autonomie seiner Freiheit. Eben um dieser willen, ist jeder Wille, selbst jeder Person ihr eigener, auf sie selbst gerichteter Wille, auf die Bedingung der Einstimmung mit der  A u to n o m i e  des vernünftigen Wesens eingeschränkt, es nämlich keiner Absicht zu unterwerfen, die nicht nach einem Gesetze, welches aus dem Willen des leidenden Subjektes selbst entspringen könnte, möglich ist; also dieses niemals bloß als Mittel, sondern zugleich selbst als Zweck zu gebrauchen. Diese Bedingung legen wir mit Recht sogar dem göttlichen Willen, in Ansehung der vernünftigen Wesen in der Welt, als seiner Geschöpfe, bei, indem sie auf der  P e r s ö n l i c h k e i t  derselben beruht, dadurch allein sie Zwecke an sich selbst sind" (a. a. . S.141)

„Hält nicht einen rechtschaffenen Mann im größten Unglücke des Lebens, das er vermeiden konnte, wenn er sich nur hätte über die Pflicht hinwegsetzen können, noch das Bewußtsein aufrecht, daß er der Menschheit in seiner Person doch in ihrer Würde erhalten und geehrt habe, daß er sich nicht vor sich selbst zu schämen und den inneren Anblick der Selbstprüfung zu scheuen Ursache habe? Dieser Trost ist nicht Glückseligkeit, auch nicht der mindeste Teil derselben. Denn niemand wird sich die Gelegenheit dazu, auch vielleicht nicht einmal ein Leben in solchen Umständen wünschen. Aber er lebt, und kann es nicht erdulden, in seinen eigenen Augen des Lebens unwürdig zu sein. Diese innere Beruhigung ist also bloß negativ, in Ansehung alles dessen, was das Leben angenehm machen mag; ... sie ist die Wirkung einer Achtung für etwas ganz anderes als das Leben, womit in Vergleichung und Entgegensetzung, das Leben vielmehr, mit all seinen Annehmlichkeiten, gar keinen Wert hat. Er lebt nur noch aus Pflicht, nicht weil er am Lebenden mindesten Geschmack findet"  (a. a. O. S.142)

„Von dem Primat der reinen praktischen Vernunft in ihrer Verbindung mit der spekulativen" (a. a. O. S.191) 
[In bioteler Sicht sind Sprache und Denken Werkzeuge zur Lebensbewältigung, letztere aber erfolgt über Verhaltensweisen einschließlich von Handlungen, denen in der Regel die Willensbestimmung vorausgeht oder doch vorausgehen sollte.]
 „Allein wenn reine Vernunft für sich praktisch sein kann und es wirklich ist, wie das Bewußtsein des moralischen Gesetzes ausweiset, so ist es doch immer nur eine und dieselbe Vernunft, die, es sei in theoretischer oder praktischer Absicht, nach Prinzipien a priori urteilt, und da ist es klar, daß, wenn ihr Vermögen in der ersteren gleich nicht zulangt, gewisse Sätze zu behaupten und festzusetzen, indessen daß sie ihr auch eben nicht widersprechen, sie eben diese Sätze, so bald sie  u n a b t r e n n l i c h  z u m  p r a k t i s c h e n  I n t e r e s s e  der reinen Vernunft gehören,  zwar als ein ihr fremdes Angebot, das nicht auf ihrem Boden erwachsen, aber doch hinreichend beglaubigt ist, annehmen, und sie, mit allem was sie als spekulative Vernunft in ihrer Macht hat, zu vergleichen und zu verknüpfen suchen müsse..." (a. a. O. S.193)

  „Tafel der Kategorien der Freiheit in Ansehung der Begriffe des Guten und Bösen

1. Der Quantität Subjektiv, nach Maximen (Willensmeinungen des Individuums) Objektiv, nach Prinzipien (Vorschriften); A priori objektive sowohl als subjektive Prinzipien der Freiheit (Gesetze)
2. Der Qualität   Praktische Regeln des Begehens (praeceptivae)   Praktische Regeln des Unterlassens (prohibitivae)   Praktische Regeln der Ausnahmen (exceptivae)
3. Der Relation Auf die Persönlichkeit Auf den Zustand der Person  Wechselseitig einer Person auf den Zustand der anderen [bioteler Aspekt der GEGENSEITIGKEIT]
4. Der Modalität Das Erlaubte und Unerlaubte  Die Pflicht und das Pflichtwidrige Vollkommene und unvollkommene Pflicht

(a. a. O. S.109)
„Nur muß man wohl bemerken, daß diese Kategorien nur die praktische Vernunft überhaupt angehen, und so in ihrer Ordnung, von den moralisch noch unbestimmten, und sinnlich-bedingten, zu denen, die sinnlich-unbedingt, bloß durchs moralische Gesetz bestimmt sind, fortgehen" (a. a. O. S.108)

„V I Über die Postulate der reinen praktischen Vernunft überhaupt
Sie gehen alle vom Grundsatze der Moralität aus, der kein Postulat, sondern ein Gesetz ist, durch welches Vernunft unmittelbar den Willen bestimmt... Diese Postulate sind nicht theoretische Dogmata, sondern  V o r a u s s e t z u n g e n   in notwendiger praktischer Rücksicht, erweitern also zwar nicht das spekulative Erkenntnis, geben aber den Ideen der spekulativen Vernunft im  A l l g e m e i n e n  (vermittelst ihrer Beziehung aufs Praktische) objektive Realität, und berechtigen sie zu Begriffen, deren Möglichkeit auch nur zu behaupten, sie sich sonst nicht anmaßen könnte.
Diese Postulate sind die der  U n s t e r b l i c h k e i t ,  der  F r e i h e i t  , positiv betrachtet, (als der Kausalität eines Wesens, so fern es zur intelligibelen Welt gehört,) und des  D a s e i n s  G o t t e s . Das  e r s t e  fließt aus der praktisch notwendigen Bedingung der Angemessenheit der Dauer zur vollständigen Erfüllung des moralischen Gesetzes [Kant meint, daß die Forderung des moralischen Gesetzes an uns unter der Bedingung steht, daß uns auch die Möglichkeit der Erfüllung eingeräumt wird; dem Ideal des Guten können wir aber nur in Annäherung entsprechen und uns ihm nur nähern, für die Erreichung ist ewiges Leben erforderlich], das  z w e i t e  aus der notwenigen Voraussetzung der Unabhängigkeit von der Sinnenwelt und des Vermögens der Bestimmung seines Willens, nach dem Gesetze einer intelligibelen Welt, d. i. Freiheit; das  d r i t t e  aus der Notwendigkeit der Bedingung zu einer solchen intelligibelen Welt, um das höchste Gut zu sein, durch die Voraussetzung des höchsten selbständigen Guts, d. i. das Dasein Gottes" (a. a. O. S.210).

„Alle  G e f ü h l e , vornehmlich die , so ungewohnte Anstrengung bewirken sollen, müssen in dem Augenblick, da sie in ihrer Heftigkeit sind, und ehe sie verbrausen, ihre Wirkung tun, sonst tun sie nichts; indem das Herz natürlicherweise zu seiner natürlichen gemäßigten Lebensbewegung zurückkehrt, und sonach in die Mattigkeit verfällt,, die ihm vorher eigen war; weil zwar etwas, was es reizte, nichts aber, das es stärkte, an dasselbe gebracht war. 
G r u n d s ä t z e  müssen auf Begriffe errichtet werden, auf alle andere Grundlage können nur Anwandelungen zu Stande kommen, die der Person keinen moralischen Wert, ja nicht einmal eine Zuversicht auf sich selbst verschaffen können,, oh ne die das Bewußtsein seiner moralischen Gesinnung und eines solchen Charakters, das höchste Gut im Menschen, gar nicht stattfinden kann" (a. a. O. S.246) „...P f l i c h t  g e g e n  s i c h  s e l b s t..." (a. a. O. .S.247)

„Nur auf die Willensbestimmung und den Bestimmungsgrund der Maxime desselben, als eines freien Willens, kommt es hier an, nicht auf den Erfolg. Denn, wenn der  W i l l e  nur für die reine Vernunft gesetzgebend ist, so mag es mit dem  V e r m ö g e n  desselben in der Ausführung stehen, wie es wolle..." (a. a. O.S.77)

Es geht darum „Mängel ... zu ergänzen [und] Fehler zu beseitigen, die nicht eher bemerkt werden, als wenn man von Begriffen einen Gebrauch der Vernunft macht,  d e r  a u f s  G a n z e  d e r s e l b e n  g e h t" (a. a. O. S.18)

„Es ist ein alter Wunsch, der, wer weiß wie spät, vielleicht einmal in Erfüllung gehen wird: daß man doch einmal, statt der endlosen Mannigfaltigkeit bürgerlicher Gesetze, ihre Prinzipien aufsuchen möge; denn darin kann allein das Geheimnis bestehen, die Gesetzgebung, wie man sagt, zu simplifizieren. Aber die Gesetze sind hier auch nur Einschränkungen unserer Freiheit auf Bedingungen, unter denen sie durchgängig mit sich zusammenstimmt; mithin gehen sie auf etwas, was gänzlich unser eigenes Werk ist, und wovon wir durch jene Begriffe selbst die Ursache sein können. Wie aber Gegenstände an sich selbst, wie die Natur der Dinge unter Prinzipien stehe und nach bloßen Begriffen bestimmt werden solle, ist, wo nicht etwas Unmögliches, wenigstens doch sehr Widersinniges in seiner Forderung. Es mag aber hiermit bewandt sein, wie es wolle,..., so erhellet wenigstens daraus: daß Erkenntnis aus Prinzipien (an sich selbst ) ganz etwas andres sei, als bloße Verstandeserkenntnis, die zwar auch andern Erkenntnissen in Form eines Prinzips vorgehen kann, an sich selbst aber (so fern sie synthetisch ist) nicht auf bloßem Denken beruht, noch ein Allgemeines nach Begriffen in sich enthält" (Kritik der reinen Vernunft, a. a. O. S.383,384) „Der Verstand mag ein Vermögen der Einheit der Erscheinungen vermittelst der Regeln sein, so ist die Vernunft das Vermögen der Einheit der Verstandesregeln unter Prinzipien. Sie geht also niemals zunächst auf Erfahrung, oder auf irgendeinen Gegenstand, sondern auf den Verstand, um den mannigfaltigen Erkenntnissen desselben Einheit a priori durch Begriffe zu geben, welche Vernunfteinheit heißen mag, und von ganz anderer Art ist, als sie von dem Verstande geleistet werden kann." (a. a. O. S.384)
„In jedem Vernunftschluß denke ich zuerst eine R e g e l (major) durch den  V e r s t a n d . Zweitens  s u b s u m i e r e  ich ein Erkenntnis unter die Bedingung der Regel (minor) vermittelst der  U r t e i l s k r a f t. Endlich bestimme  ich mein Erkenntnis durch das Prädikat der Regel (conclusio), mithin a priori durch die V e r n u n f t" (a. a. O. S.385)

Während die theoretische und zumindest die praktische Vernunft Gesetze kennt, die a priori und also auch ohne Übung vorhanden sind, ursprünglich wie etwa die Kategorien, verfügt die Urteilskraft nur über Regeln und muß gelernt und kann geübt werden. Das biotele System stützt sich auf  erlernbare Vorschriften und Regeln — auch wenn es diese als Gesetzgebung benennt — und meint mit dem Aspekt des VERGLEICHENS zwar alle Verstandes- und Vernunftvermögen beginnend schon mit der Merk- und Gedächtnisfähigkeit, der Schwerpunkt liegt aber auf der Urteilskraft, der Förderung bereits das Anliegen der Epoche der Aufklärung war und umfassende und möglichst wahrhaftige Information zur Voraussetzung hat.  Gegenwärtig scheinen wir unter der Mediokratie in einer Niederung der Gegenaufklärung zu leben, ihre Waffen sind  Propaganda, Werbung und Nachrichtenunterdrückung unter Informationsflut. Die biotele Gesetzgebung erfüllt nicht gänzlich den von Kant oben vorgetragenen Wunsch, der Überschwemmung  durch die  bürgerlichen Gesetze (Regierungsgesetze) Einhalt zu gebieten; gleichwohl kann sie — obwohl  zusätzlich hinzutretend — eine wesentliche Reduktion der Gesetzesfülle insgesamt erwarten lassen: denn wo eine Regelung nach Grundsätzen greift, entfallen viele Schlichtungen von Streitigkeiten über unnötige und unsachgemäße Kompromißfindungen und deren ständige Korrektur. 

„Alle technisch-praktische Regeln (d. i. die der Kunst und Geschicklichkeit überhaupt, oder auch der Klugheit,, als einer Geschicklichkeit auf Menschen und ihren Willen Einfluß zu haben), so fern ihre Prinzipien auf Begriffen beruhen, müssen nur als Korollarien zur theoretischen Philosophie gezählt werden. Denn sie betreffen nur die Möglichkeit der Dinge nach Naturbegriffen, wozu nicht allein die Mittel, die in der Natur dazu anzutreffen sind, sondern selbst der Wille (als Begehrungs-, mithin als Naturvermögen) gehört, sofern er durch Triebfedern der Natur jenen Regeln gemäß bestimmt werden kann. Dolch heißen dergleichen praktische Regeln nicht Gesetze (etwa so wie physische), sondern nur Vorschriften;  und zwar darum, weil der Wille nicht bloß unter dem Naturbegriffe, sondern auch unter dem Freiheitsbegriffe steht, in Beziehung auf welchen die Prinzipien desselben Gesetze heißen, und , mit ihren Folgerungen, den zweiten Teil der Philosophie, nämlich den praktischen, allein ausmachen" (Kritik der Urteilskraft, a. a. O. S.23)

Wir urteilen heute weniger kopflastig und neigen dazu, in umgekehrter Reihenfolge das Sittengesetz (als äußere Forderung, da weithin Unsicherheit um sich greift, ob es denn wirklich in allen heutigen Menschen wirksam oder auch nur vorhanden sei) oberhalb des Naturrechts und dessen triebverhaftetem Grund anzusiedeln. Leben aus Pflicht bleibt hoffentlich eine hochzuachtende Ausnahme, die Regel sollte doch nach bioteler Zielsetzung eine bejahtes, ja mit freudigen Höhepunkten durchsetztes von SPONTANEITÄT geführtes Leben sein, wobei möglichst geringe Belastung mit Dauerleiden und chronischen Krankheiten ein weiteres ergänzendes Ziel ist. Unbestritten bleibt dabei, daß Schwerkranke und Behinderte von der Gesellschaft unterstützt werden müssen.

„Die Gesetzgebung der Naturbegriffe geschieht durch den Verstand und ist theoretisch. Die Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff geschieht von der Vernunft, und ist bloß praktisch. Nur allein im Praktischen kann Natur gesetzgebend sein; in Ansehung des theoretischen Erkenntnisses (der Natur) kann sie nur (als gesetzkundig, vermittelst des Verstandes) aus gegebenen Gesetzen durch Schlüsse Folgerungen ziehen, die doch immer  nur bei der Natur stehen bleiben" (a. a. O. S.26,27) „Verstand und Vernunft haben also zwei verschiedene Gesetzgebungen auf ein und demselben Boden der Erfahrung, ohne daß eine der anderen Eintrag tun darf. Denn so wenig der Naturbegriff auf die Gesetzgebung durch den Freiheitsbegriff Einfluß hat, ebensowenig stört dieser die Gesetzgebung der Natur. —... Aber, daß diese zwei verschienen Gebiete, die sich zwar nicht in ihrer Gesetzgebung, aber doch in ihren Wirkungen in der Sinnenwelt unaufhörlich einschränken, nicht  e i n e s  ausmachen, kommt daher: daß der Naturbegriff zwar seine Gegenstände in der Anschauung, aber nicht die Dinge an sich selbst, sondern als bloße Erscheinungen, der Freiheitsbegriff dagegen in seinem Objekte zwar ein Ding an sich selbst, aber ncith in der Anschauung vorstellig machen,, mithin keiner von beiden ein theoretisches Erkenntnis von seinem Objekte (und selbst dem denkenden Subjekte) als Dinge an sich verschaffen kann, wovon man die Idee zwar der Möglichkeit aller jener Gegenstände der Erfahrung unterlegen muß, sie aber niemals zu einem Erkenntnisse erheben und erweitern kann" (a. a. O. S.27,28)
„... der Freiheitsbegriff soll den durch seine Gesetze aufgegebenen Z/weck in der Sinnenwelt wirklich machen: und  die Natur muß folglich auch so gedacht werden können, daß die Gesetzmäßigkeit ihrer Form wenigstens zur Möglichkeit der in ihr zu verwirklichenden  Z
wecke nach Freiheitsgesetzen zusammenstimme" (a. a. O. S.28) „Also muß es doch einen Grund der  E i n h e i t des Übersinnlichen, welches der Natur zum Grunde liegt, mit dem was der Freiheitsbegriff praktisch enthält, geben... . 
III. Von der Kritik der Urteilskraft, als einem Verbindungsmittel der zwei Teile der Philosophie zu einem Ganzen" (a. a. O. S.29) „... von welcher man Ursache hat, nach der Analogie zu vermuten, daß sie ebensowohl, wenn gleich nicht eine eigene Gesetzgebung, doch ihr eigenes Prinzip nach Gesetzen zu suchen, allenfalls ein bloß subjektives a priori, in sich enthalten dürfte..."(a. a. O. S.30)

 „IV ...Urteilskraft überhaupt ist das Vermögen, das Besondere als enthalten unter einem Allgemeinen zu denken. Ist das Allgemeine (die Regel, das Prinzip, das Gesetz) gegeben, so ist die Urteilskraft, welche das Besondere darunter subsumiert (auch wenn sie, als transzendentale Urteilskraft, a priori die Bedingungen angibt, welchen gemäß allein unter jenem Allgemeinen subsumiert werden kann) b e s t i m m e n d" (a. a. O. S.33,34) „ Ist ab er  nur das Besondere gegeben, wozu sie das Allgemeine finden soll, so ist die Urteilskraft bloß  r e f l e k t i e r e n d " (a. a. O. S.34)

„Nun kann dieses Prinzip kein anderes sein, als: daß, da allgemeine Naturgesetze ihren Grund in unserem Verstande haben, der sie der Natur (obzwar nur nach dem allgemeinen Begriffe von ihr als Natur) vorschreibt, die besondern, empirischen Gesetze in Ansehung dessen, was in ihnen durch jene unbestimmt gelassen ist, nach einer solchen Einheit betrachtet werden müssen, als ob gleichfalls ein Verstand (wenngleich nicht der unsrige) sie zum Behufe unserer Erkenntnisvermögen, um ein System der Erfahrung nach besonderen Naturgesetzen möglich zu machen, gegeben hätte. Nicht,, als wenn auf diese Art wirklich ein solcher Verstand angenommen werden müßte (denn es ist nur die reflektierende Urteilskraft, der diese Idee zum Prinzip dient, zum Reflektieren und nicht zum Bestimmen); sondern dieses Vermögen gibt sich dadurch nur selbst, und nicht der Natur, ein Gesetz.
Weil nun der Begriff von einem Objekt, sofern er zugleich den Grund der Wirklichkeit dieses Objekts enthält, der Z w e c k  und die Übereinstimmung mit derjenigen Beschaffenheit der Dinge, die nur nach Zwecken möglich ist, die  Z w e c k m ä ß i g k e i t  der Form derselben heißt: so ist das Prinzip der Urteilskraft, in Ansehung der Form der Dinge der Natur unter empirischen Gesetzen überhaupt, die  Z w e c k m ä ß i g k e i t  d e r  N a t u r  in ihrer Mannigfaltigkeit" (a. a. O. S.35,36) „D. i. die Natur wird durch diesen Begriff so vorgestellt, als ob ein Verstand den Grund der Einheit des Mannigfaltigen ihrer empirischen Gesetze enthalte...
V Das Prinzip der formalen Zweckmäßigkeit der Natur ist ein transzendentales Prinzip der Urteilskraft..." (a. a. O. S.36)
„Die Erreichung jeder Absicht ist mit dem Gefühl der Lust verbunden; und, ist die Bedingung der erstern deine Vorstellung a priori, wie hier ein Pri9nzip der reflektierenden Urteilskraft überhaupt, so ist das Gefühl der Lust auch durch einen Grund a priori und für jedermann gültig bestimmt: und zwar bloß durch die Beziehung des Objekts auf das Erkenntnisvermögen, ohne daß der Begriff der Zweckmäßigkeit hier im mindesten auf das Begehrungsvermögen Rücksicht nimmt, und sich also von aller praktischen Zweckmäßigkeit der Natur gänzlich unterscheidet" (a. a. O. S.45,46)
„...Es gehört also etwas, das in der Beurteilung der Natur auf die Zweckmäßigkeit derselben für unsern Verstand aufmerksam macht, ein Studium: ungleichartige Gesetze derselben, wo möglich, unter höhere, obwohl immer noch empirische, zu bringen, dazu, um, wenn es gelingt, an dieser Einstimmung derselben für unser Erkenntnisvermögen, die wir als bloß zufällig ansehen, Lust zu empfinden..." (a. a. O. S.46,47)

„VII Von der ästhetischen Vorstellung der Zweckmäßigkeit der Natur
Was an der Vorstellung eines Objekts bloß subjektiv ist, d. i. ihre Beziehung auf das Subjekt, nicht auf den Gegenstand ausmacht, ist die ästhetische Beschaffenheit derselben; was aber ihr zur Bestimmung des Gegenstandes (zum Erkenntnisse) dient, oder gebraucht werden kann, ist ihre logische Gültigkeit..." (a. a. O. S.48)
Dasjenige Subjektive aber an einer Vorstellung, w a s  g a r  k e i n  E r k e n n t n i s s t ü c k   w e r d e n  k a n n  , ist die mit ihr verbundene  L u s t  oder U n l u s t ; denn durch sie erkenne ich nichts an dem Gegenstande der Vorstellung, obgleich sie wohl die Wirkung irgendeiner Erkenntnis sein kann.." (a. a. O. S.49)
„Der Begriff der Urteilskraft von einer Zweckmäßigkeit der Natur ist noch zu den Naturbegriffen gehörig, aber nur als regulatives Prinzip des Erkenntnisvermögens; obzwar das ästhetische Urteil über gewisse Gegenstände (der Natur oder der Kunst), welches ihn veranlasset, in Ansehung des Gefühls der Lust oder Unlust ein konstitutives Prinzip ist. Die Spontaneität im Spiele der Erkenntnisvermögen, deren Zusammenstimmung den Grund dieser Lust enthält, macht den gedachten Begriff zur Vermittelung der Verknüpfung der Gebiete des Naturbegriffs mit dem Freiheitsbegriffe in ihrer Folge tauglich, indem diese zugleich die Empfänglichkeit des Gemüts für das moralische Gefühl befördert. — Folgende
Tafel
kann die Übersicht aller oberen Vermögen ihrer systematischen Einheit nach erleichtern" (a. a. O. S.61)

Gesamte Vermögen des Gemüts

Erkenntnisvermögen

Prinzipien a priori

Anwendung auf

Erkenntnisvermögen Verstand Gesetzmäßigkeit Natur
Gefühl der Lust und Unlust Urteilskraft Zweckmäßigkeit Kunst
Begehrungsvermögen Vernunft Endzweck Freiheit

(a. a. O. S.62)
„Vernunft ist ein Vermögen nach Prinzipien, und geht in ihrer äußersten Forderung auf das Unbedingte; da hingegen der Verstand ihr immer nur unter einer gewissen Bedingung, die gegeben werden muß, zu Diensten steht. Ohne Begriffe des Verstandes aber, welchen objektive Realität gegeben werden muß, kann die Vernunft gar nicht objektiv (synthetisch) urteilen, und enthält, als theoretische Vernunft, für sich schlechterdings keine konstitutive, sondern bloß regulative Prinzipien. Man wird bald inne: daß, wo der Verstand nicht folgen kann, die Vernunft überschwenglich wird, und in zuvor gegründeten Ideen (als regulative Prinzipien), aber nicht objektiv gültigen Begriffen sich hervortut..." (a. a. O. S.382)

„K u n s t  wird von der  N a t u r  , wie Tun (facere) vom Handeln und Wirken überhaupt (agere), und das Produkt, oder die Folge der erstern, als W e r k  (opus) von der letzteren als Wirkung (effectus) unterschieden. Von Rechts wegen sollte man nur die Hervorbringung durch Freiheit, d. i. durch eine Willkür, die ihren Handlungen Vernunft zugrundelegt, Kunst nennen..." (a. a. O. S.229)

Wenn der biotele Aspekt der AKTIVITÄT sich sprachlich von agere ableitet, so ist im Kant'schen Sinne darunter eine Fazitität zu verstehen, nämlich eine Gestaltung unter Berücksichtigung der biotelen Zielvorstellung und des Aspekteensembles; aber auch jedes Handeln und Wirken, welches dem eben Genannten nicht widerspricht bzw. entgegenwirkt, denn nach Gesinnung, wie in der Ethik, wird nicht zu allererst gefragt. Wir können aber getrost auch den Wink dankbar annehmen, daß AKTIVITÄT auf Wirkung abstellt, an der sich Handeln zu orientieren  hat.

„§ 66 Vom Prinzip der Beurteilung der innern Zweckmäßigkeit in organisierten Wesen
Dieses Prinzip, zugleich die Definition derselben., heißt: Ein organisiertes Produkt der Natur ist das, in welchem alles Zweck und wechselseitig auch Mittel list. Nichts ist in ihm umsonst, zwecklos, oder einem blinden Naturmechanism zuzuschreiben.
Dieses Prinzip ist zwar, seiner Veranlassung nach, von Erfahrung abzuleiten, nämlich derjenigen, welche methodisch angestellt wird und Beobachtung heißt; der Allgemeinheit und Notwendigkeit wegen aber, die es von einer solchen Zweckmäßigkeit aussagt, kann es nicht bloß auf Erfahrungsgründen beruhen, sondern muß irgendein Prinzip  a priori, wenn es gleich bloß regulativ wäre, und jene wecke allein in der Idee des Beurteilenden und nirgend in einer wirkenden  Ursache lägen, zum Grunde haben" (a. a.  S.343)

Auf wie schwankendem Boden man sich hier bewegt zeigt sich in der Existenz von Schmarotzern, sofern sie dem Wirtsorganismus keine Vorteile bringen. Auch die Tatsache von angeborenen Mißbildungen oder erworbenen Krankheiten paßt sich dieser Beurteilung schlecht an, wie denn schon immer gegen die "Beste aller Welten" (nach Leibniz) Zweifel oder grimmiger Spott angemeldet wurden.
Es war eine epochemachende Idee Immuanel Kants die Moralität auf die Freiheit durch die Selbstgesetzgebung der Einzelnen zu begründen anstatt auf die Angst vor dem Strafgericht Gottes: die Freiheit, in Berücksichtigung der Freiheit aller anderen Menschen, schöpferische Aktivität zu entwickeln macht dann schließlich die Gottähnlichkeit des Menschen aus. Es liegt eine unleugbare Verwandtschaft zur "goldenen Regel" vor, die da bekanntlich lautet: "Was du nicht willst, daß man dir tu, das füg auch keinem andern zu"; auch zum biotelen Aspekt der GEGENSEITIGKEIT oder Reziprozität (Rückbezüglichkeit): Kant würde hier wegen materialer (empirischer) Beimengungen zu den Beweggründen allerdings heftig widersprechen!
Das politisch-naturrechtliche Regelwerk der BIOTELIE macht einen Schritt über die Selbstgesetzgebung hinaus und fordert im Sinne einer Weiterentwicklung der Demokratie das potentielle Gesetzgebungsrecht — eventuell sogar über alle Staatsgrenzen hinweg wirksam —für jeden einzelnen Bürger ein, der dazu fähig ist. einen Verbesserungsvorschlag einzureichen, der einer unabhängigen wissenschaftlichen Begutachtung standhält und nicht auf den Widerstand der Mehrheit der bei einer Durchführung mutmaßlich direkt Betroffenen stößt: direkte Demokratie in bisher unerreichtem Ausmaß!

Voraussetzung wäre, daß bei Verfolgung der biotelen Zweck- oder Zielsetzung "dynamische Stabilität" unter Anwendung der zwölf biotelen Aspekte als Teilziel- und Methodenraster sich in beachtlichem Umfange Gutachtenübereinstimmungen ergeben würden. Es wäre dies ein Indiz dafür, daß der Sprachlogik und Vernunft mit dem biotelen System Rechnung getragen wird. Denn ähnlich wie beim kategorischen Imperativ, der praktischen Vernunft, soll zwar nicht Umstände der Erfahrung aber Ablenkungen durch Gefühle und Eigeninteressen im biotelen Gutachtenverfahren vermieden werden. Deshalb ist jeder biotele Gutachter, ausgenommen von erfragbarem Fach- und Tatsachenwissen, von der Kommunikation insbesondere mit dem oder den  Mitgutachtern abgeschnitten. Um Überprüfung habe ich die Wissenschaftler (weit über 500 durch Anschreiben)  seit 1998 bisher erfolglos gebeten.
Hätte Immanuel Kant seinen kategorischen Imperativ ähnlich systematisch von Studenten auf Tauglichkeit in den verschiedensten Lebenslagen und Fragestellungen überprüfen lassen, so hege ich Zweifel daran, ob er von empirischen Einflüssen hätte freigehalten werden können. Wie weit reicht die Maxime der Willensbestimmung, die Absicht in einen Verhaltens- oder Handlungsplan hinein, der doch eine theoretische Vorwegnahme der Folgen ist? Einfacher wäre die Lage, wenn das Sittengesetz durch die Logik allein bestätig oder widerlegt werden müßte. Wenn alle Menschen lügen würde, dann gäbe es keine Lüge mehr? Aber würde das Gegenteil l einer ausgesprochenen Wahrheit, die Lüge, die Wahrheit logisch beseitigen, nur weil sie von den Menschen nicht mehr geglaubt  würde? Ich muß zur Anwendung schreiten, um aus diesem Dilemma zu kommen: wenn alle Menschen die Wahrheit nicht mehr anwenden würden, das wäre ein unhaltbarer Zustand für sie. Wir hätten dann aber uns an den Folgen orientiert, was Kant untersagte.
Das Originalbeispiel:

„Ich habe z. B. es mir zur Maxime gemacht, mein Vermögen durch alle sicheren Mittel zu vergrößern. Jetzt ist ein D e p o s i t u m  in meinen Händen, dessen Eigentümer verstorben  ist und keine Handschrift darüber zurückgelassen hat" (a.  a. . S.47,48) „Natürlicherweise ist dies der Fall meiner Maxime. Jetzt will ich nur wissen, ob jene Maxime auch als allgemeines praktisches Gesetz gelten könne. Ich wende jene also lauf gegenwärtigen Fall an und frage, ob sie wohl die Form eines Gesetzes annehmen, mithin ich wohl durch meine Maxime zugleich ein  solches Gesetz geben könnte: daß jedermann ein Depositum ableugnen dürfe, dessen Niederlegung ihm niemand beweisen kann. Ich werde sofort gewahr, daß ein solches Prinzip,  als Gesetz, sich selbst vernichten würde, weil es machen würde, daß es gar kein Depositum gäbe..." (a. a. O. S.48)

Das Beispiel mit der Lüge, wäre drastischer ausgefallen; denn könnten die Menschen nicht auch leben, ohne anderen ihr Vermögen ohne jede Sicherheit anzuvertrauen? Ja, würden sie, wenn sie mit Veruntreuung rechnen müßten (heuzutage müßten sie es!) nicht geradezu moralisch (?) dazu verpflichtet,  wenigstens an dritter Stelle eine Niederschrift zu hinterlegen, mit dem der Betraute  rechnen muß? Ein Depositum unter den von Kant vorgestellten Bedingungen ist m. E. nicht schutzwürdig, es sei denn in Notlage und unter Zeitdruck gemacht worden. Ich könnte mir dann ein Gewissen draus machen, die Notlage eines Sterbenden ausgenutzt zu haben: aber geht dieses mein Empfinden wirklich über mein abstraktes Denken? Unmöglich wird die zugestandenermaßen unbotmäßge Bereicherung nicht, auch wenn sie von allen so gehandhabt würde; beschränke ich mich aber auf die Maxime, so lande ich sehr leicht wieder bei meinem Gefühl, was mir Kant verbietet.

Wie viel leichter habe ich es mit BIOTELIE, der biotelen Gesetzgebung! Ich soll mich fragen, ob ein Verhalten mit der Lebenserhaltung vereinbar ist und in welchem Umfang; dabei wird mir noch zugestanden, daß ich mein eigenes Leben und das meiner nächsten Verwandten vor anderen bevorzuge. Nicht einmal Christus spricht sich klar gegen eine solche Bevorzugung aus, wenn er verlangt: "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!". In der Regel, zumindest häufig, wird mir diese Überlegung dadurch erleichtert, daß ein Gesetz einen Verhaltensspielraum festlegt. Eine moralische Auseinandersetzung  mit irgendeinem Problem bleibt mir dann immer noch unbenommen.
Etwas größere Schwierigkeiten bekomme ich, wenn ich das Verhalten der Sozialisten und "Gutmenschen" am kategorischen Imperativ messe, da es Kant ja allein auf die gute Gesinnung und nicht auf den Erfolg abstellt. Ist es aber nicht ein eichen guter Gesinnung, wenn man sich grundsätzlich gegen den Krieg und für Allgemeineigentum und Freundschaft unter allen Menschen ausspricht? Würde eine solche Maxime zu einem allgemeinverbindlichen Gesetz taugen? Und warum eigentlich nicht? Und da bin ich in der schwachen Position, auf die Folgen, den Erfolg also, hinweisen zu müssen, der doch eher negativ ausfällt, weil eben nicht alle Menschen guten Willens sind. Formal aber könnten sie es doch sein? Jeder, der sich so verhält, wie er sich es von jedem anderen wünscht, gibt doch ein gutes Beispiel, aber nur formal! Denn jedes Kind, außerhalb eines solchen Kreises Gleichgesinnter und Gesinnungsgenossen (oder schon unter ihnen?), das aus der Maxime uneingeschränkter praktizierter Nächstenliebe heraus sich verhält, wird früher oder später Schiffbruch erleiden, weil es von anderen ausgenuzt und unterdrückt wird.
Ich kann mich mit Kant nicht mehr streiten;  sondern begnüge mich damit, mit BIOTELIE politische und nicht moralische Regeln herauszustellen, die Kant sicher als solche auch bejaht hätte. Wichtig ist, daß es uns auch in der Politik wieder um die Wahrheit gehen muß, wogen der Schein zurückzutreten hat.

„Da wir oben schon den Inhalt einer Erkenntnis die Materie derselben genannt haben, so wird man sagen müssen: von der Wahrheit der Erkenntnis der Materie nach läßt sich kein allgemeines Kennzeichen verlangen, weil les in sich selbst widersprechend ist.
Was aber das Erkenntnis der bloßen Form nach (mit Beiseitesetzung alles Inhalts) betrifft, so ist eben so klar: daß eine Logik, so fern sie die allgemeinen und notwendigen Regeln des Verstandes vorträgt, eben in diesen Regeln Kriterien der Wahrheit darlegen müsse. Diese Kriterien betreffen aber nur die Form der Wahrheit, d. i. des Denkens überhaupt, und sie sind sofern ganz richtig, aber nicht hinreichend. Denn obgleich eine Erkenntnis der logischen Form völlig gemäß sein möchte, d. i. sich selbst nicht widerspräche, so kann sie doch noch immer dem Gegenstande widersprechen... (Kritik der reinen Vernunft, a. a. O. S.127)
Die allgemeine Logik löset nun das ganze formale Geschäfte des Verstandes und der Vernunft in seine Elemente auf, und stellet sie als Prinzipien aller logischen Beurteilung unserer Erkenntnis dar... Gleichwohl liegt so etwas Verleitendes in dem Besitze einer so scheinbaren Kunst, allen unseren Erkenntnissen  die Form des Verstandes zu geben, ob man gleich in Ansehung des Inhalts derselben noch sehr leer und arm sein mag, daß jene allgemeine Logik, die bloß ein Kanon zur Beurteilung ist, gleichsam wie ein Organon zur wirklichen Hervorbringung wenigstens zum Blendwerk von objektiven Behauptungen gebraucht, und mithin in der Tat dadurch gemißbraucht worden. (a. a. O. S.128,129) Die allgemeine Logik nun, als vermeintliches Organon, heißt Dialektik.
So verschieden auch die Be3deutung ist, in der die Alten dieser Bennennung einer Wissenschaft oder Kunst sich bedienten, so kann man doch aus dem wirklichen Gebrauche derselben sicher abnehmen, daß sie bei ihnen nichts anders war, als die Logik des Scheins.. Eine sophistische Kunst, seiner Unwissenheit, ja auch seinen vorsätzlichen Blendwerken den Anstrich der Wahrheit zu geben, daß man die Methode der Gründlichkeit, welche die Logik überhaupt vorschreibt, nachahmete, und ihre Topik zur Beschönigung jedes leeren Vorgebens benutzte... (a. a. O. S.129)

Es ist ein alter Wunsch, der, wer weiß wie spät, vielleicht einmal in Erfüllung gehen wird: daß man doch einmall, statt der endlosen Mannigfaltigkeit der bürgerlichen Gesetze, ihre Prinzipien aufsuchen möge; denn darin kann allein das Geheimnis bestehen, die Gesetzgebung, wie man sagt, zu simplifizieren. Aber die Gesetze sind hier nicht nur Einschränkungen unserer Freiheit auf Bedingungen, unter denen sie durchgängig mit sich selbst zusammenstimmt, mithin gehen sie auf etwas, was gänzlich unser Werk ist, und wovon wir durch jene Begriffe selbst die Ursache sein können. Wie aber Gegenstände an sich selbst, wie die Natur der Dinge unter Prinzipien stehe und nach bloßen Begriffen bestimmt werden solle, ist, wo nicht etwas Unmögliches, wenigstens doch sehr Widersinniges in seiner Forderung. Es mag aber hiermit bewandt sein, wie es wolle, (denn darüber haben wir die Untersuchung noch vor uns,) so erhellet wenigstens daraus: daß die Erkenntnis aus Prinzipien (an sich selbst)  ganz etwas andres sei, als bloße Verstandeserkenntnis, die zwar auch andern Erkenntnissen in der Form eines Prinzips vorhergehen kann,, an sich selbst aber (so fern sie synthetisch ist) nicht auf bloßem Denken beruht, noch ein Allgemeines  nach Begriffen in sich enthält. " (a. a. O. S.383,384)
Der Verstand mag ein Vermögen der Einheit der Erscheinungen vermittelst der Regeln sein, so ist die Vernunft das Vermögen der Einheit der Verstandesregeln unter Prinzipien. Sie geht also niemals zunächst auf Erfahrung, oder auf irgendeinen Gegenstand, sondern auf den Verstand, um den mannigfaltigen Erkenntnissen desselben Einheit a priori durch Begriffe zu geben, welche Vernunfteinheit heißen mag, und von ganz anderer Art ist, als sie von dem Verstande  geleistet werden kann. (a. a. O. S:384)

Bei den Linken beginnt die Philosophie gewöhnlich erst mit Karl Marx, der sich ja an seinen Lehrer Hegel hielt und meinte, diesen vom Kopf auf die Beine gestellt zu haben. Dialektisches Denken im Sinne sophistischer Wort- und Kümmelspalterei und die Instrumentalisierung der Sprache für ihre Parteipolitik sind typische Kennzeichen marxistischen Denkens. Im übrigen setzt man auf Sprachumbildung und Begriffsverwirrung. So wurde der Begriff der Kritik als Gesellschaftskritik zum bloßen Räsonnieren und,  nachdem die gravierenden Mißbräuche — zumeist von Nicht-Marxisten — abgestellt wurden, zum besserwisserischen Herumnörgeln auch an Bewährtem. Ursprünglich als Materialisten gegen den Idealismus antretend speisten Sozialisten, wo sie Völker unterwerfen konnten, diese mit Ideen ab anstelle des versprochenen materiellen Wohlstandes.
Wie aber wenn sie sich mit Immanuel Kant befaßt hätten? Vielleicht könnten Sie ihre Gegner  in nicht unbeträchtliche Verlegenheit bringen können mit der Frage, ob denn die sozialistische Utopie einer klassenlosen Gesellschaft mit hin zur Menschheitsverbrüderung nicht etwa mit dem kategorischen Imperativ Kants verträglich, ja vielleicht sogar mit ihm identisch sein könnte? Könnte rein formal etwas gegen eine Maxime, eine Gesinnung also einzuwenden sein, die auf Gewaltlosigkeit und schrankenloses Miteinander, beginnend beim Gemeineigentum, abstellt? Ist die sozialistische Idee nicht der der Religiosität entkleidete Begriff des Guten? Der Kommunist Herbert Wehner verfiel dann mit dem Bad Godesberger Programm der SPD auf die wählerstimmenwirksame Idee, eine Identität der sozialistischen mit den Zielen des Christentums festzustellen.
Und nun bewegt sich doch auch Kant mit dem kategorischen Imperativ ganz  im ideellen Raum! Aber damit daß Sozialisten sich nicht damit begnügen, eine Weltanschauungsgemeinschaft zu pflegen, sondern sich der Politik verschreiben und die Natur des Staates verändern, ja diesen auflösen wollen, haben sie, wie einst Cäsar, den Rubikon überschritten und müssen sich an der Bewährung ihrer Lehre in der Praxis, sich am Erfolg  messen lassen.

Sie können auch nicht mit Fug und Recht behaupten, erst das Rad neu erfinden zu müssen, und mit jeder jungen Generation alle Erfahrungen neu beginnen zu müssen, welche die Menschheit nun schon seit Jahrtausenden überliefert. Die sozialistische Doktrin ist für größere Gemeinschaften als undurchführbar oder unerträglich widerlegt, da die Menschen eben nicht von Grund auf nur Gutes im Schilde führen, sondern mehr oder minder selbstsüchtig sind. Die sozialistische Doktrin wendet sich an das Gefühl, was sie bereits als politisch motiviert kennzeichnet, der Kant' sche kategorische Imperativ aber an den Intellekt. Der Intellekt, die Vernunft, aber ist das Höhere (Aristoteles) und allein zur Führung und Kontrolle fähig; mit den Gefühlen stehen wir dauernd in Gefahr, in animalische Urabgründe des Instinktlebens zurückzufallen; was von den Demagogen auch bei entsprechender Gelegenheit  ausgenutzt wird. Eine derart tiefgehende Umwandlung des Menschen, die nicht nur das Großhirn umfaßt, sondern bis in den Hirnstamm hinunterreicht, ist nicht möglich und auch nicht wünschenswert: es bedeutete einen Spontaneitätsverlust.

Wenn aber im Bereich des Begehrungsvermögens, das uns Menschen aus dem Erkenntnisvermögen der Vernunft nach einem Endzweck suchen läßt und darauf unsere Freiheit (AUTONOMIE) begründet, unsere Verantwortung und Pflicht begründet ist, so muß alle Politik (zumindest als Staatskunst und -wissenschaft) dieser Verantwortlichkeit unterstellt werden. Das Erkenntnisvermögen im engeren Sinne gründet sich auf den Verstand und beruht auf Gesetzmäßigkeit, die wir auf die Natur hin anwenden und uns mit den Mechanismen der unserer Technik zu nutze und zu Schaden machen. Vermittelnd tritt nach Kant die Urteilskraft dazwischen, die auf Zweckmäßigkeit abstellt,  getragen und mitbestimmt vom Gefühl der Lust und Unlust und über das Rationale hinausgehend in den Bereich der Kunst.

Gesamte Vermögen des Gemüts

Erkenntnisvermögen

Prinzipien a priori

Anwendung auf

Erkenntnisvermögen Verstand Gesetzmäßigkeit Natur
Gefühl der Lust und Unlust Urteilskraft Zweckmäßigkeit Kunst
Begehrungsvermögen Vernunft Endzweck Freiheit

Im Freiheitsbegriff liegt begründet, daß nicht die Subjektivität des einzelnen allein ausschlaggebend ist, wie wohl sie durch Initiative Neues in die Welt bringen kann, sondern daß sich subjektive Freiheit (Willkür) dem Wohl der Gesamtheit, der Menschheit, in einer lebenstragenden Natur zu unterstellen hat. Damit wird der Mensch schöpferisch im positiven Sinne und kann zum Gesetzgeber (in bescheidenem Umfange auch der Natur) aufsteigen.

Greifen wir noch auf die Kategorientafel zurück, so spielt die Kategorie der Quantität mit Einheit, Vielheit und Allheit im Netzwerk der biotelen Aspekte eine schwer zu fassende Rolle. Als Einzelaspekt könnte am ehesten die Kategorie der Relation angesprochen sein, die mit Inhärenz (Träger der Stabilität) und Subsistenz (Mittel der Dynamik) das Mögliche in der Realität hält.

Akzidenz (also das Hinzutretende, grammatikalisch das Prädikat zum Subjekt) macht ja erst die Vielheit (PLURALITÄT) als Verschiedenheit (Diversivität) aus. Auch hier bei Kant bleibt diese schillernde Doppelfunktion von Vielheit, denn Menge allein wird ja kaum gemeint sein: höchstens über das Denken der modernen Atomphysik (Zahl der Elektronen und Protonen usw.) kann Quantität in Qualität gewandelt vorgestellt werden. 

Dasein als Modalität wird in der Kant'schen Kategorientafel unter Quantität der Vielheit gestellt und Ursache und Wirkung  vermittelt; es ist spekulativ, die Rolle der AUSLESE aus der Qualität der Negation herauslesen zu wollen, die über Dasein und Nichtsein entscheidet.  Die letzte Reihe stieß mich über die Allheit (auf unsere Spezies eingeschränkt: Menschheit) als Quantität und die Qualität der Limitation (Begrenzung) auf die Relation der Gemeinschaft mit ihren Wechselwirkungen (Reziprozität), also auf den biotelen Aspekt der GEGENSEITIGKEIT, dem ich (als Gesetzgeber) Notwendigkeit einräume. 

1. Der Quantität: Einheit Vielheit  Allheit
2. Der Qualität: Realität Negation  Limitation
3. Der Relation der Inhärenz und Subsistenz (substantia et accidens) 
[grammatikalisch etwa: Subjekt und Prädikat]
Kausalität und Dependenz (Ursache und Wirkung) der Gemeinschaft (Wechselwirkung zwischen dem Handelnden und Leidenden) [was, biotel gesprochen, GEGENSEITIGKEIT begründet]
 4. Der Modalität: Möglichkeit — Unmöglichkeit Dasein — Nichtsein  Notwendigkeit — Zufälligkeit

Man sieht, welche Schwierigkeiten und Vergewaltigungen des Systems Kants notwendig werden, wenn man bei ihm die Erkenntnis der biotelen Aspekte aufspüren wollte. Die SPONTANEITÄT bereits des Denkens (ob nur aus der Gesetzmäßigkeit des Verstandes heraus?) wird von Kant häufig erwähnt. Wie sehr ihm an HYPARCHIE (Minimierung von Gewalt, Zwang und Bedrohung) gelegen war, kommt in seiner Hoffnung auf Abschaffung der Kriege in "Zum ewigen Frieden" zum Ausdruck, wäre aber in seinem kritischen Hauptwerk höchstenfalls mit der "Gemeinschaft" in Verbindung mit der "Limitation" in der Kategorientafel zu begründen. Auch der AUSTAUSCH und der AUSGLEICH könnten hier mit eingezwängt werden. Der Aspekt des VERGLEICHENS liegt spätestens der Urteilskraft zugrunde, ohne die ja nicht unter Begriffe subsummiert, d. h. irgend etwas ihnen zugeordnet  werden kann, was auf ein Denken ohne Begriffe hinausliefe.

Von Kant — im Gegensatz zu Aristoteles — konnte ich also beim "Sammeln" der biotelen Aspekte also wenig beeinflußt worden sein. Was dessen — so oft beklagter — ethischen Formalismus anbelangt, so war mir die Funktionalisierung der Ethik mit der Möglichkeit eines personenunabhängig (also funktionärsgetragen) Regelung staatlich-gesellschaftlichen, ja bereits individuellen Verhaltens recht sympathisch; wie anders könnte Gesetzgebung denn tragbar sein, als unter der Behandlung von Menschen als Gleiche und Tatsachen als vergleichbar? Ein vereinfachender Schematismus ist für den Erfolg notwendig, er muß aber ständig der Kritik und Kontrolle (der biotelen Kontrollkörpergesetzgebung über unabhängige Begutachtung) unterstellt werden.

Die Berücksichigtung individueller Sonderumstände muß zwar irgendwie (etwa über die Regierungsgesetzgebung) möglich bleiben, aber wohin dann die Kritik am ethischen Formalismus Kants — der gewiß seine Schwächen hat und in der gesellschaftlichen Handhabung entgegen den Erwartungen des Urhebers des kategorischen Imperativs als Orientierung nicht ausreicht, ja nicht einmal tragfähig ist   — treibt, sei anhand der "materialen Wertethik" Max  Schelers kurz erläutert.
Der Ausgangspunkt Schelers ist die Anthropologie:

Max Scheler Die Stellung des Menschen im Kosmos, (hrsg. von Manfred S. Frings, 14.unveränd.Aufl, Verlag Bouvier, Bonn 1998)
Es wird auf Band 9 der Gesammelten Werke verwiesen, die in 16 Bänden im Bouvier-Verlag erschienen, neu 16. durchgesehene Auflage  als Studiienausgabe 2005 im Bouvier-Verlag 

Max Scheler Die Stellung des Menschen im Kosmos, hrsg. von Manfred S. Frings, 14. unveränd.Aufl, Verlag Bouvier, Bonn 1998
ISBN 3-416-02592-X, in  Band 9 der Gesammelten Werke in 16 Bänden, erschienen im BOUVIER Verlag, oder in der aktuellen 16.,
durchgesehene Auflage 2005 als Studienausgabe, ebenso erschienen im BOUVIER Verlag.

Die erste Auflage erschien 1928 (a. a. O. S.7). [  ... ] beziehen sich auf meine Anmerkungen oder örtlich willkürliche Hinzufügungen.

„Fragt man einen gebildeten Europäer, was er sich bei dem Wort >Mensch< denke, so beginnen fast immer drei unter sich ganz unvereinbare Ideenkreise in seinem Kopf miteinander in Spannung zu treten. Es ist einmal der Ideenkreis der jüdisch-christlichen Tradition von Adam und Eva, von Schöpfung, Paradies und Fall. Es ist zweitens der griechisch-antike Gedankenkreis, in dem sich zum ersten Mal in der Welt das Selbstbewußtsein des Menschen zu einem Begriff seiner Sonderstellung erhob in der These, der Mensch sei Mensch durch Besitz der Vernunft, logos, phronesis, ratio, mens — logos bedeutet hier ebensowohl Rede wie Fähigkeit, das >Was< aller Dinge zu erfassen; eng verbindet sich mit dieser Anschauung die Lehre, es liege eine übermenschliche Vernunft auch dem ganzen All zu Grunde, an der der Mensch, und von allen Wesen er allein, teilhabe. Der dritte Gedankenkreis ist der auch längst traditional gewordene Gedankenkreis der modernen Naturwissenschaft und der genetischen Psychologie, es sei der Mensch ein sehr spätes Endergebnis der Entwicklung des Erdplaneten — ein Wesen, das sich von seinen Vorformen in der Tierwelt nur in dem Komplikationsgrade der Mischungen von Energien und Fähigkeiten unterscheide, die an sich bereits in der untermenschlichen Natur vorkommen. Diesen drei Ideenkreisen fehlt jede Einheit untereinander. So besitzen wir denn eine naturwissenschaftliche, eine philosophische und eine theologische Anthropologie, die sich nicht umeinander kümmern — eine einheitliche Idee vom Menschen aber besitzen wir nicht..." (a. a. O. S.9)

Damit ist das Arbeitsprogramm Max Schelers bereits umrissen. Als besonders "erschüttert" sieht Scheler "die darwinistische Lösung des Problems vom Ursprung des Menschen" an (a. a. O. S.9), obwohl (oder weil?) er sich mit den naturwissenschaftlichen Ergebnissen im Folgenden stark beschäftigt und sie ja weitgehend auch übernimmt. Der Mensch, diesen Begriff im metaphysischen Sinne aufgefaßt, setzt sich von allen anderen Lebewesen in einer Sonderstellung ab, die "im Wesensbegriff des Menschen" seinen Ursprung hat (a. a. O. S.11). Wohl vermeidbar bestreitbar ist die Grenzziehung zwischen Anorganischem und Organischem, die S. mit dem Psychischen vollzieht, obwohl dies natürlich sehr ansprechend wirkt. Von jedem Professor erwartet man ja schließlich etwas Neues.) Das vorliegende Büchlein wurde 1928 abgeschlossen.
Ich gehe dabei aus von einer Stufenfolge der psychischen Kräfte und Fähigkeiten, wie sie die Wissenschaft langsam herausgestellt hat.Was die Grenze des Psychischen betrifft, so fällt sie mit der Grenze des Lebendigen überhaupt zusammen. Neben den objektiven wesensphänomenalen Eigenschaften der die Dinge, die wir >lebendig< nennen, wie Selbstbewegung, Selbstformung, Selbstdifferenzierung, Selbstbegrenzung in zeitlicher und räumlicher Hinsicht ... ist die Tatsache, daß Lebewesen nicht nur Gegenstände für äußere Beobachter sind, sondern auch ein Fürsich-und Innesein besitzen, indem sie sich selber inne werden, ein für sie wesentliches Merkmal — ein Merkmal von dem man zeigen kann, daß es mit den objektiven Phänomenen des Lebens an Struktur und Ablaufform innigste Seinsgemeinschaft besitzt. Es ist die psychische Seite der Selbständigkeit, Selbstbewegung etc. des Lebewesens überhaupt— das psychische Urphänomen des Lebens (a.  a. O. S.11,12)

Die unterste Stufe des Psychischen — zugleich der Dampf, der bis in die lichtesten Höhen geistiger Tätigkeit alles treibt, auch noch in den reinsten Denkakten und zartesten Akten lichter Güte die Tätigkeitsenergie liefert — bildet der bewußtlose >Gefühlsdrang<. In ihm ist >Gefühl< und >Trieb<  (der als solcher bereits eine spezifische Richtung und Zielhaftigkeit >nach< etwas, z.B. Nahrung, Sexualbefriedigung, hat) noch nicht geschieden. Ein bloßes >Hinzu<, z.B. zum Licht, und >Vonweg<, eine objektlose Lust und ein objektloses Leiden sind seine zwei einzigen Zuständlichkeiten. Scharf geschieden ist der Gefühlsdrang aber bereits von den Kraftzentren und -feldern, die den transbewußten Bildern zugrunde liegen, die wir >anorganische Körper< nennen; diesen kann ein Innesein in keinem Sinne zugesprochen werden.

Diese erste Stufe des seelischen Werdeseins, wie sie sich im Gefühlsdrang darstellt, müssen und dürfen wir schon der Pflanze zuweisen. Der Eindruck, der Pflanze mangele ein Innenzustand, rührt nur von der Langsamkeit ihrer Lebensvorgänge her; vor der Zeitlupe verschwindet dieser Eindruck vollkommen. Keineswegs aber geht es an, wie dies Fechner getan hat, der Pflanze auch bereits >Empfindung< und >Bewußtsein< anzueignen. Wer wie Fechner Empfindung und Bewußtsein als die elementarsten Grundbestandteile des Psychischen ansieht — es geschieht dies mit Unrecht —, der müßte der Pflanze die Beseeltheit absprechen." (a. a. O. S.112)

Auf mich wirkt diese Einführung in die Anthropologie schon erhebliche Skepsis erregend, daß M. Scheler hier in der an anderer Stelle eingestandenen Anhänglichkeit an Edmund Husserls Phänomenologie, wie die meisten Philosophen nach Kant, eigentlich hinsichtlich einer glaubwürdigen Erkenntnisgewinnung eher zurückgehen, indem sie sich von ihren Wünschen und Gefühlen leiten lassen und Vermutungen als Tatsachen ausgeben. Macht es denn Sinn, der Pflanze eine Seele — übrigens eine oder wie viele? — oder (ich will ehrlich bleiben) Beseeltheit zuzusprechen und ihren Drang (nach Boden und Licht ) mit dem psychischen Begriff des Gefühls zu verschmelzen? Mit solchem Vorgehen können wir schon sicher sein, daß es M. Scheler am Ende gelingt, die Theologie spekulativ mit der  Wissenschaft zu einer Gesamtweltanschauung zu vereinigen. Die entwickelten Gedanken sind gewiß oft tief und fesselnd, aber führen sie bei der  Lösung der menschlichen Probleme weiter? Ich werde noch ein paar Leseproben geben und wurde schließlich doch noch tiefer in das Werk hineingezogen, und gebe zu, daß meine Verkürzungen gewaltsam und willkürlich anmuten müssen.
Zum Gefühlsdrang der Pflanze sei noch genannt, daß M. Scheler der Pflanze Gedächtnis und Lernfähigkeit abspricht, die nachweislich schon Infusorien, also Einzeller, besitzen a. a. O. S.13). Ich könnte mir dies so erklären, daß es für diese Fähigkeiten eines Zentrums bedarf, das Mehrzeller erst entwickeln müssen mit den zugehörigen Leitungsverbindungen bzw. chemischen Signalsystemen.  M. Scheler spricht den Pflanzen das "Re-flektieren" ab; leider erwähnt er die Mimose und verschiedene fleischfressende Pflanzen nicht. Es fehle den Pflanzen die "Rückmeldung von Organzuständen", die beim Tier erfolge (a. a. O. S.14) Aber dann erfahren wir:
„Anorganische Gebilde haben ein solches Inne- und Selbstsein überhaupt nicht; sie haben kein Zentrum, das zu ihnen ontisch gehörte, daher auch kein Medium, keine Umwelt. Was wir in dieser Gegenstandswelt als Einheit bezeichnen, bis zu Molekülen, Atomen und Elektronen, ist ausschließlich abhängig von unserer Macht, die Körper realiter oder doch gedanklich zu zerteilen. Jede anorganische Körpereinheit ist nur relativ auf eine gewisse Gesetzlichkeit ihres Wirkens auf andere Körper. Die unräumlichen, aber die Erscheinung der Ausdehnung in der Zeit setzenden Kraftzentren, die wir den Körperbildnern metaphysisch zugrunde zu legen haben, sind Zentren gegeneinander wirkender Kräftepunkte, in denen die Kraftlinien eines Feldes zusammenlaufen. Ein Lebewesen dagegen ist ein ontisches Zentrum und bildet stets selbst >seine< raumzeitliche Einheit und Individualität; sie stammt nicht wie beim anorganischen Gebilde von Gnaden unserer selbst biologisch bedingten Zusammenfassung. Es ist ein X, das sich selbst begrenzt; es hat >Individualität< — es zerteilen heißt es vernichten, sein Wesen und Dasein aufheben. Dem Gefühlsdrang der Pflanze ist ein Zentrum zu eigen und ein Medium, in das, relativ in seinem Wachstum ungeschlossen, das pflanzliche Lebewesen hineingesetzt ist ohne Rückmeldung  seiner verschiednen Zustände an sein Zentrum; aber ein Innesein und damit Beseeltheit besitzt die Pflanze.. (a. a. O. S.43)
Jedoch findet sich bereits im pflanzlichen Dasein das Urphänomen des Ausdrucks, eine gewisse Physiognomik ihrer Innenzustände, der Zuständlichkeiten des Gefühlsdranges als des Innenseins ihres Lebens, wie matt, kraftvoll, üppig, arm. Der >Ausdruck< ist eben ein Urphänomen des Lebens— keineswegs wie Darwin meinte, ein Inbegriff atavistischer Zweckhandlungen. [Was ich im Augenblick selbst nicht verstehe.]
Was dagegen der Pflanze ganz fehlt, das sind die Kundgabefunktionen, die wir bei allen Tieren finden, die allen Verkehr der Tiere miteinander bestimmen, und die das Tier bereits unabhängig machen von der unmittelbaren Anwesenheit der Dinge, die für es lebenswichtig sind." (a. a. O. S.15)

Erst bei weiterer Lektüre verstehen wir, warum M. Scheler der Pflanze das Psychische zuschreiben will:
„Das psychophysische Leben ist eins — und diese Einheit ist eine Tatsache, die für alle Lebewesen gilt..." (a. a. O. S.78)

„Die anderen, insbesondere alle Evolutionisten der Darwin- und Lamarckschule, lehnen mit Darwin, G. Schwalbe, und auch mit W. Köhler einen letzten Unterschied zwischen Mensch und Tier ab, eben weil das Tier auch bereits Intelligenz besitze; sie hängen damit in irgendeiner Form der großen Einheitslehre vom Menschen an, die sich als Theorie des >homofaber<  bezeichne, und kennen selbstverständlich dann auch kein metaphysisches Sein, keine Metaphysik des Menschen, d. h. kein ausgezeichnetes Verhältnis, das der Mensch als solche zum Weltgrund besäße.

Was mich betrifft, so weise ich beide Lehren zurück. Ich behaupte: Das Wesen des Menschen und das, was man seine >Sonderstellung< nennen kann, steht hoch über dem, was man Intelligenz und Wahlfähigkeit nennt, und würde auch nicht erreicht, wenn man sich diese Intelligenz und Wahlfähigkeit quantitativ beliebig, ja bis ins Unendliche gesteigert vorstellte. (Fußnote: Zwischen einem klugen Schimpansen und Edison, dieser nur als Techniker genommen, besteht nur ein — allerdings sehr großer — gradueller Unterschied.)
Aber das wäre verfehlt, wenn man sich das Neue, das den Menschen zum Menschen macht, nur dächte als eine zu den psychischen Stufen. Gefühlsdrang, Instinkt, assoziatives Gedächtnis, Intelligenz und Wahl noch hinzukommende neue Wesensstufe psychischer und der Vitalsphäre angehörigen Funktionen und Fähigkeiten, die zu erkennen also in der Kompetenz der Psychologie und Biologie läge.
Das neue Prinzip steht außerhalb alles dessen, was wir >Leben< im weitesten Sinne nennen können. Das, was den Menschen allein zum >Menschen< macht, ist nicht eine neue Stufe des Lebens — erst recht nicht nur eine Stufe der einen Manifestationsform dieses Lebens, der >Psyche< — , sondern es ist ein allem und jedem Leben überhaupt, auch dem Leben im Menschen entgegengesetztes Prinzip; eine echte neue Wesenstatsache die als solche überhaupt nicht auf die natürliche Lebensevolution zurückgeführt werden kann, sondern, wenn auf etwas, nur auf den obersten einen Grund der Dinge selbst zurückfällt: auf denselben Grund, dessen eine große Manifestation das >Leben< ist." (a. a. O. S.37,38)

Hier spricht schon fast nicht mehr der Philosoph, sondern der Theologe, der mehr zu wissen vorgibt, als die Erfahrung hergibt.
Denn wenn der Sprung ins Geistige, Sinnhafte auch ein gewaltiger ist, so ist er doch auch als Ersatzfunktion zur Abwehr der Verzweiflung deutbar, die mit dem Gewahrwerden der eigenen Sterblichkeit und Hinfälligkeit verbunden ist. Und in einem Zeitalter um sich greifender Arbeitslosigkeit flüchten sich Menschen ins "Kulturschaffen" oder Vergnügen, da die Maschine, deren massenhafte Anwendung mit der Industrialisierung, ihnen die Arbeit, das Ringen um die Beschaffung des Lebensnotwendigen wegnimmt. Ich vertrete diesen Standpunkt nicht als den meinigen, aber ich halte ihn für möglich und in einem doppelten Sinne zusammenhangsstiftend, weil in der Suche nach dem Sinn ja auch die Industrialisierung möglich geworden sein könnte.

„Schon die Griechen behaupteten ein solches Prinzip und nannten es >Vernunft<. Wir wollen lieber ein umfassenderes Wort für jenes X gebrauchen, ein Wort, das wohl den Begriff >Vernunft< mitumfaßt, aber neben dem >Ideendenken< auch eine bestimmte Art der >Anschauung<, die von Urphänomenen oder Wesensgehalten, ferner eine gewisse Klasse volitiver und emotionaler Akte wie Güte, Liebe, Reue, Ehrfurcht, geistige Verwunderung, Seligkeit und Verzweiflung, die freie Entscheidung mitumfaßt —: das Wort >Geist<." (a. a. O. S.38)

Mit der "freien Entscheidung" ist M. Scheler auf Kant getroffen, bzw. er lehnt dessen kategorischen Imperativ als formalistische Ethik ab und hält Ethik untrennbar vom Emotionalen bereichert durch eine Wesensschau, die wohl in den Urgrund der Dinge reicht, was doch Spekulation ist. Ich ahne schon, daß ich Mühe haben werde, in einem später zu behandelnden Buche, in der "materialen Wertethik", die M. Schelers Namen berühmt gemacht hat, Hilfe für die Fundamentierung der biotelen Aspekte zu finden. Denn M. Scheler scheint sich der Aufgabe der Lebensverteidigung zu entziehen, sie scheint ihm sekundär, denn er hat ja die Sphäre des Geistes, in die er sich zurückzieht. Braucht es dann noch der Entscheidung? Dies ist bis jetzt nur mein Vorurteil.
Den biotelen Aspekt der AUTONOMIE, der Freiheit und Selbstbestimmung, habe ich in diesem Buch kaum bemerkt; es ist also ob der >Geist< dies für den Willen  besorge.

„Was aber ist nun jener >Geist<, jenes neue und so entscheidende Prinzip?.. Stellen wir hier an die Spitze des Geistbegriffes seine besondere Wissensfunktion, die Art Wissen, die nur er geben kann, dann ist die Grundbestimmung eines geistigen Wesens, wie immer es psychologisch beschaffen sei, seine existentielle Entbundenheit vom Organischen, seine Freiheit, Ablösbarkeit — oder doch die seines Daseinszentrums — von dem Bann, von dem Druck, von der Abhängigkeit vom Organischen, vom >Leben< und allem, was zum Leben gehört — also auch von seiner eigenen triebhaften >Intelligenz<.
Ein >geistiges< Wesen ist also nicht mehr trieb- und umweltgebunden, sondern >umweltfrei< und, wie wir es nennen wollen, >weltoffen<: Ein solches Wesen vermag die auch ihm ursprünglich gegebenen >Widerstands- und Reaktionszentren seiner Umwelt, die das Tier allein hat und in die es ekstatisch aufgeht, zu >Gegenständen< zu erheben und das Sosein dieser Gegenstände prinzipiell selbst zu erfassen, ohne die Beschränkung, die diese Gegenstandswelt oder ihre Gegebenheit durch das vitale Triebsystem und die ihm vorgelagerten Sinnesfunktionen und Sinnesorgane erfährt. (a. a. O. S.38,39) 
Geist ist daher Sachlichkeit, Bestimmbarkeit durch das Sosein von Sachen selbst. Geist >hat< nur ein zu vollendeter Sachlichkeit fähiges Lebewesen. Schärfer gesagt: Nur ein solches Wesen ist >Träger des Geistes<, dessen prinzipieller Verkehr mit der Wirklichkeit außerhalb seiner wie mit sich selber sich im Verkehr zum Tiere mit Einschluß seiner Intelligenz dynamisch geradezu umkehrt...
Alles, was das Tier merken und fassen kann von seiner Umwelt, liegt in den sicheren Zäunen und Grenzen seiner Umweltstruktur. Der zweite Akt des Dramas des tierischen Verhaltens ist irgendeine Setzung realer Veränderung der Umwelt durch eine Reaktion des Tieres in Richtung auf sein leitendes Triebziel...."  (a. a. O. S.39)
Das Tier hat ein "biologische Zentrum" (a. a. O. S.39) und ist von diesem eingeengt, wenn der Mensch nun von diesem biologischen Zentrum frei wurde, besteht dann nicht die Gefahr, daß er seine Lebensgrundlagen nicht genügend berücksichtigt, ja stürzt er nicht gerade hierdurch schicksalhaft, unter Umständen alles planetarische Leben mit sich reißend, in den Abgrund?
Gegen Ludwig Klages, Edgar Dacqué, Leo Frobenius, C. G. Jung, Hans Prinzhorn, Theodor Lessing wendet sich M. Scheler, soweit sie, "wie die Positivisten und Pragmatisten", den Geist mit Intelligenz und Wahlfähigkeit gleichsetzen. Der so seines "Kernes beraubte Geist" befindet sich bei den Genannten in einem ursprünglichen und grundsätzliche Kampfzustand — nicht in einem Verhältnis gegenseitiger Ergänzung".
„In diesem Kampfzustande erscheint der Geist als das im Ablauf der menschlichen Geschichte Leben und Seele immer tiefer zerstörende Prinzip, so daß die menschliche Geschichte als eine décadence, als eine fortschreitende Erkrankungserscheinung des im Menschen sich darstellenden Lebens erscheint." (a. a. O. S.85)
Aber ist die Freiheit und das sich Entbundenhaben von der Rücksicht auf die Natur nicht doch auch eine sich rasant steigernde Gefahrenquelle?  Ohne die Besinnung auf BIOTELIE, als eine Versachlichung der Politik im Dienst des Lebens, scheint heute die Menschheitskatastrophe schon absehbar. Aber nehmen wir den Faden der Geistdefinition im Vergleich mit dem Tier wieder auf:

„Nur der Mensch hat die vollausgeprägte konkrete Ding- und Substanzkategorie.. Ein Affe, dem man eine Banane halbgeschält in die Hand gibt, flieht vor ihr, während er sie ganz geschält frißt, ungeschält aber selber schält und dann frißt...(a. a. O. S.44)
Die Wurzel der allen äußeren Sensationen vorhergehenden menschlichen Raum- und Zeitanschauung liegt in der organischen spontanen Bewegungs- und Tunsmöglichkeit in einer bestimmten Ordnung. Die Tatsache, daß, wie man an bestimmten Ausfallserscheinungen nachweisen konnte, der Tastraum dem optischen Raum nicht direkt zugeordnet ist, sondern die Zuordnung nur durch die Vermittlung der kinästhetischen Empfindungen erfolgt, weist auch darauf hin, daß die Leerform des Raumes wenigstens als noch ungeformte >Räumlichkeit< im Menschen schon vor dem Bewußtwerden irgendwelcher Sensationen erlebt wird auf Grund der erlebten Bewegungsantriebe (denn es sind ja Bewegungsantriebe, die an erster Stelle die kinästhetischen Empfindungen zur Folge haben)" (a. a. O. S.43)

Für Kant waren Raum und Zeitbegriffe Vorgegebenheiten des Denkens und dies sind sie ja, soweit sie  in ein Weltzusammenhang, in ein Weltbild einmünden, auch bei M. Scheler weiterhin geblieben.

 Das Tier vermag die Leerformen des Raumes und der Zeit so wenig wie die >Zahl< von bestimmten Inhaltlichkeiten der Umweltdinge loszulösen wie die >Zahl< von einer als größer oder kleiner in den Dingen selbst liegenden >Anzahl<. Es lebt ganz in die konkrete Wirklichkeit seiner jeweiligen Gegenwart hinein. Erst wenn — im Menschen — die in Bewegung sich umsetzenden Trieberwartungen das Übergewicht haben über all das, was faktische Trieberfüllung in einer Wahrnehmung oder Empfindung ist, findet das überaus seltsame Phänomen statt, daß die räumliche >Leere<, und analog die zeitliche, allen möglichen Inhalten der Wahrnehmungen und der gesamten Dingwelt als vorhergehend, als >zu Grunde liegend< erscheint. So blickt der Mensch, ohne es zu ahnen, seine eigene Herzensleere als eine >unendliche Leere < des Raumes und der Zeit an, als ob diese auch bestünden, wenn es die Dinge gar nicht gäbe! Erst sehr spät korrigiert die Wissenschaft diese ungeheure Täuschung der natürlichen Weltanschauung, in dem sie lehrt, daß Raum und Zeit nur Ordnungen, nur Lage- und Sukzessionsmöglichkeiten der Dinge sind und außer und unabhängig von diesen keinen Bestand haben.
Auch den >Weltraum<... hat das Tier konstitutionell nicht. Ein Hund mag jahrelang in einem Garten leben und an jeder Stelle des Gartens schon häufig gewesen sein — er wird  sich niemals lein Gesamtbild des Gartens und der von seiner Körperlage unabhängigen Anordnung der Bäume,, Sträucher usw. machen können... Der Grund ist eben, daß das Tier seinen eigenen Leib und dessen Bewegungen nicht zum Gegenstand zu machen imstande ist, als daß er seine eigene Körperlage als veränderliches Moment in seine Raumanschauung einbeziehen könnte und mit dem Zufalle seiner Stellung gleichsam instinktiv so zu rechnen lernte, wie es der Mensch auch ohne Wissenschaft vermag (a. a. O. S.46,47)
Der Mensch allein — sofern er Person ist — vermag sich über sich — als Lebewesen — emporzuschwingen und von einem Zentrum gleichsam jenseits der raumzeitlichen Welt aus alles, darunter auch sich selbst, zum Gegenstande seiner Erkenntnis zu machen. So ist der Mensch als Geistwesen das sich selber als Lebewesen und der Welt überlegene Wesen. Als solcher ist er auch der Ironie und des Humors fähig, die stets eine Erhebung über das eigene Dasein einschließen.
Das Zentrum aber, von dem aus der Mensch die Akte vollzieht, durch welche er seinen Leib und seine Psyche vergegenständlicht, die Welt in ihrer räumlichen und zeitlichen Fülle gegenständlich macht — es kann nicht selbst ein >Teil< eben dieser Welt sein, kann also auch kein bestimmte Irgendwo und Irgendwann besitzen: es kann nur im obersten Seinsgrunde selbst gelegen sein.
Schon Kant hat in seiner tiefen Lehre von der transzendentalen Apperzeption jene neue Einheit des cogitare [denken, ursprünglich: zögern], die >Bedingung ist aller möglichen Erfahrung und darum auch aller Gegenstände der Erfahrung< — nicht nur der äußeren, sondern auch jener inneren Erfahrung, durch die unser eigenes Innenleben zugänglich wird —, im wesentlichen klargestellt. Er hat damit den >Geist< über die >Psyche< erhoben und ausdrücklich geleugnet, daß der Geist nur eine Funktionsgruppe einer sog. >Seelensubstanz< sei — die nur unberechtigter Verdinglichung der aktualen Einheit des Geistes ihre fiktive Annahme verdanke. (a. a. O. S.47,48)
Damit haben wir eine dritte wichtige Bestimmung des Geistes bezeichnet: Der Geist ist das einzige Sein, das selbst gegenstandsunfähig ist — er ist reine, pure Aktualität, hat sein Sein nur im freien Vollzug seiner Akte. Das Zentrum des Geistes, die >Person<, ist also weder gegenständliches noch dingliches sein, sondern nur ein stetig selbst sich vollziehendes (wesenhaft bestimmtes) Ordnungsgefüge von Akten. Die Person ist nur in ihren Akten und durch sie. Seelisches vollzieht >sich selbst< nicht; es ist eine Ereignisreihe >in< der Zeit, der wir eben aus dem Zentrum unseres Geistes heraus zuzuschauen vermögen, die wir in der inneren Wahrnehmung und Beobachtung noch gegenständlich machen können. Alles Seelische ist gegenstandsfähig — nicht aber der Geistesakt, die Intentio, das die seelischen Vorgänge selbst noch Schauende. Zum Sein unserer Person können wir uns nur sammeln, zu ihm hin uns konzentrieren — nicht aber es objektivieren. Auch fremde Personen sind als Personen nicht gegenstandsfähig.." (a. a. O. S.48)

Wird der Geist uns verderben oder retten? BIOTELIE ist eine Fluchtbewegung unterhalb der Geisteshöhe, in die Vernunft. Aber allzu viel Hoffnungen dürfen wir uns nicht mehr machen, daß Vernunft die Menschheit noch rechtzeitig genug leiten könnte.
Der Geist selber wäre ja auch nach M. Scheler machtlos, wie könnte er dann Politik machen!

„..Auch an den Akten jenes einen übersingulären Geistes — den wir auf Grund des unverbrüchlichen Wesenszusammenhanges von Akt und Idee anzunehmen haben, wenn wir überhaupt eine in dieser Welt sich realisierende Ideenordnung unabhängig vom menschlichen Bewußtsein annehmen und dem Urseienden selbst als eine seiner Attribute zuschreiben zuschreiben — können wir nur durch Mitvollzug Teil gewinnen: an einer Wesensordnung, soweit es sich um den erkennenden Geist, an einer objektiven Wertordnung, soweit es sich um den liebenden Geist, an einer Zielordnung des Weltprozesses, soweit es sich um den Geist als wollenden handelt (a. a. O. S.48,49).Doie ältere, seit Augustinus herrschende Ideenphilosophie hatte >ideas ante res< angenommen, eine >Vorsehung< und einen Plan der Weltschöpfung schon vor dem Wirklichsein der Welz. Aber die Ideen sind nicht >>vor<, nicht >nach< den Singen, sondern >mit< ihnen und werden nur im Akt der ständigen Weltrealisierung (creatio continua) im ewigen Geist erzeugt. Darum ist auch unser Mitvollzug dieser Akte nicht ein bloßes Auffinden oder Entdecken eines von uns unabhängig Seienden und Wesenden, sondern ein wahres Mithervorbringen, ein Miterzeugen der dem ewigen Logos und der ewigen Liebe und dem ewigen Willen zugeordneten Wesenheiten, Ideen, Werte und Ziele aus dem Zentrum und Ursprung der Dinge selbst heraus  (a. a. O. S.49)

Wollen wir uns die Besonderheit, die Eigenart dessen, was wir >Geist< nennen, noch im einzelnen klarer machen, so knüpfen wir am besten an einen spezifischen geistigen Akt an, den Akt der Ideierung. Es ist ein von aller technischen Intelligenz, allem mittelbaren, schlußfolgernden >Denken<, dessen erste Anfänge wir schon dem Tiere zuwiesen, völlig verschiedener Akt. Ein Problem der Intelligenz wäre beispielsweise folgendes: Ich habe jetzt hier Schmerz im Arm — wie ist er entstanden, wie kann er beseitigt werden? Das festzustellen wäre Aufgabe der positiven Wissenschaft, der Physiologie, der Psychologie, der Medizin. Ich kann aber denselben Schmerz in einer distanteren, besinnlichen, kontemplativen Haltung zu diesem selben Erlebnis auch als >Beispiel< fassen für den höchst seltsamen und höchst verwunderlichen Wesensverhalt, daß diese Welt überhaupt schmerz-, übel- und leidbefleckt ist: dann werde ich anders fragen: Was ist denn eigentlich der >Schmerz selbst< abgesehen davon, daß ich jetzt hier habe — und wie muß der Grund der Dinge beschaffen sein, daß  so etwas wie >Schmerz überhaupt< möglich ist? (a. a. O. S.40,50)...
Eindringliche Beispiele für Fragen essentieller Art bietet die gesamte Mathematik... Der Mensch erst vermag die Dreiheit als >Anzahl< von drei Dingen von diesen Dingen loszulösen und mit der >Zahl< 3 als einen selbständigen Gegenstand nach dem inneren Erzeugungsgesetz der Reihe solcher Gegenstände zu operieren... Das alles sind Fragen, wie sie der Geist als solcher stellt, nicht die schlußfolgernde Intelligenz, die nur Mittel geben kann, sie zu lösen. Nichts dergleichen vermag das Tier.

Ideiern heißt also, unabhängig von der Größe und Zahl der Beobachtungen, die wir machen, und von induktiven Schlußfolgerungen, wie sie die Intelligenz anstellt, die essentiellen Beschaffenheiten und Aufbauformen der Welt an je einem Beispiel der betreffenden Wesensregion mitzuerfassen (a. a. O. S.50,51) Das Wissen aber, das wir so gewinnen, gilt, obschon an einem Beispiel gewonnen, in unendlicher Allgemeinheit von allen möglichen Dingen, die dieses Wesens sind, und ganz unabhängig von unseren menschlichen Zufallssinnen und der Art und dem Maße ihrer Erregbarkeit, für alle möglichen geistigen Subjekte, die über das selbe Material denken.
[Fußnote: Der Mensch besitzt also sehr wohl jenen >intellectus archetypus<, den Kant, der ihn nur als >Grenzbegriff< anerkannte, ihm bestritt — Goethe aber ihm ausdrücklich zubilligte]"
Wir stoßen wiederum auf das Problem, ob spekulative Erkenntnis dem Wissen zuzuschlagen ist  — ob also Theologie wirklich eine Wissenschaft ist —, ja ob man nicht auch emotionale Wissensquellen schließlich zulassen sollte, auf die Gefahr hin, daß die Grenze zum Tierreich abermals fließend wird: denn — dies ist meine erlebnismäßige, erfahrungsgedeckte  Gewißheit — es gibt Ahnungen, die man den gefühlsunterlegten Erkenntnissen zuschlagen könnte oder müßte; es gibt ein unterbewußtes Denken, das man — insbesondere bei brauchbar erscheinenden Ergebnissen — auch als Intuition bezeichnet und das äußerst fruchtbar und oft lebensrettend ist. Aber Kant ging es ja darum, das Denken nach Verstandesregeln und seine Grenzen darzulegen, und die will nun Max Scheler offensichtlich weit hinaus verschieben (transzendieren). Für die biotele Institutionen ist dies kein Fortschritt, denn sie muß sich in ihrem Verfahrensablauf auf berechenbares Denken stützen, wobei Unterstützung aus dem Unberechenbaren heraus natürlich hoch willkommen bleibt.
Nach M. Scheler stützen sich die positiven Wissenschaft auf oberste Voraussetzungen,
„die in den Grenzen der allgemeinen Gegenstandslogik für alle Gebiete je besondere Gruppen ausmachen und die Richtung einer fruchtbaren Beobachtung, Induktion und Deduktion durch Intelligenz und diskursives Denken allererst weisen. Für die philosophische Metaphysik aber, deren Endziel die Erkenntnis des absolut seienden Seins ist, bilden die Wesenserkenntnisse die >Fenster ins Absolute<, wie Hegel treffend und bildhaft sagt....
Einsichten, die wir so gewinnen, gehen also hinaus über die Grenzen unserer sinnlichen Erfahrung; sie gelten nicht nur für diese wirklich daseiende Welt, sondern für alle möglichen Welten. Wir nennen sie in der Schulsprache >a priori<." (a. a. O. S.51)
Dies alles aber ist spekulative Erkenntnis, deren spekulativen Charakters man sich aber bewußt bleiben sollte (was leider fast selten geschieht!), von der wir Menschen nicht ablassen können und doch offenbar auf dieser Fährte zu ganz unterschiedlichen und wechselnden Ergebnissen kommen. Das Absolute entspricht dem Charakter der unserer Sprache, die zum erfahrungsgemäß Endlichen eben in Dialektik auch das Gegenteil, das Unendliche uns zu denken zwingt.
„Es kann nur, soweit es Wesen ist, dem einen übersingulären Geiste als dem Attribut des übersingulären seienden ens a se [Seins an sich] zugeschrieben werden, und alles Dasein eines solchen Wesens überhaupt als eine Setzung des ewigen Dranges als seines zweiten Attributs aufgefaßt werden. ( a. a. O. S.51)
Diese Fähigkeit der Trennung von Wesen und Dasein macht das Grundmerkmal des menschlichen Geistes aus, das alle anderen Merkmale erst fundiert. Nicht daß er Wissen hat, ist dem Menschen wesentlich, wie schon Leibniz sagte, sondern daß er Apriori-Wissen hat oder e
s zu erwerben fähig ist. Eine konstante Vernunftorganisation, wie sie Kant angenommen hat, gibt es dabei keineswegs; sie unterliegt vielmehr prinzipiell dem geschichtlichen Wandel. Nur die Vernunft selbst als Anlage und Fähigkeit, durch Funktionalisierung neuer Wesenseinsichten — welche führende Pioniere der Menschheit an den erfahrbaren Tatsachen finden und die von der Menge nach- und mitvollzogen werden — auch immer neue Denk- und Anschauungs-, Liebens und Wertungsformen zu bilden und zu gestalten, ist konstant.
Wollen wir von hier aus tiefer in das Wesen des Menschen dringen, so haben wir uns das Gefüge der Akte vorzustellen, die zum Akt der Ideierung führen. Bewußt oder unbewußt vollzieht der Mensch dabei eine Technik, die man als (versuchsweise) Aufhebung des Wirklichkeitscharakters der Dinge bezeichnen kann.. Das Tier, wir sahen es, lebt ganz im Konkreten und in der Wirklichkeit. Mit aller Wirklichkeit ist jenachdem eine Stelle im Raum und eine Stelle in der Zeit, ein Jetzt und Hier, ferner ein zufälliges Sosein verbunden, wie es die sinnliche Wahrnehmung je von einem >Aspekt< aus gibt.
Mensch sein heißt: dieser Art Wirklichkeit ein kräftiges >Nein< entgegenschleudern. Das hat Buddha gewußt, wenn er sagt, >herrlich sei es, jedes Ding zu schauen, furchtbar es zu sein<, und seine Technik der Entwicklung der Welt und des Selbst entwickelte. Das hast Plato gewußt, wenn er die Ideenschau an eine Abwendung der Seele von dem sinnlichen Gehalt der Dinge knüpft und an eine Einkehr der Seele in sich selbst, um hier die >Ursprünge< der Dinge zu finden." (a. a. O. S.52) Und nichts anderes meint auch Edmund Husserl, wenn er die Ideenerkenntnis an eine >phänomelogische Reduktion<, d. h. eine >Durchstreichung< oder eine >Einklammerung< des zufälligen Daseinskoeffizienten der Weltdinge knüpft, um ihre >essentia< zu gewinnen. Freilich kann ich der Theorie dieser Reduktion bei Husserl im einzelnen nicht zustimmen, wohl aber zugeben, daß in ihr der Akt gemeint ist, der den menschlichen Geist recht eigentlich definiert. (a. a. O. S.52,53)

Unser Wirklichkeitserlebnis entstehe aus dem Widerstand "für unser triebhaftes Leben, für unseren zentralen Lebensdrang" , der schon der Pflanze und dem Tier begegnet (a. a. O. S:53), was den "Wirklichkeitseindruck der Welt" gebiert und allem "Be-wußtsein, ...aller Vor-stellung, aller Wahr-nehmung vorher...geht". Zur Wahrnehmung ist eine "triebhafte Zuwendung" noltwendig, "unumgängliche Mitbedingung" (a. a. O. S.54) Der "asketische Akt der Entwirklichung" kommt nur dem Menschen zu und besteht in der "Aufhebung, in der Außerkraftsetzung eben jenes Lebensdranges.
„Darum, weil Triebe und Sinne zusammengehören, meint Platon, es sei Philosophieren ein >ewiges Ersterben< — und darum ist jeder ausgeprägte Rationalismus letzten Endes auf das >asketische Ideal< gegründet.
Diesen Akt der Entwirklichung aber kann nur eben jenes Sein vollziehen, das wir >Geist< nennen. Nur der Geist in seiner Form als reiner >Wille< kann durch einen Willensakt — und das heißt: Hemmungsakt — die Inaktualisierung jenes Gefühlsdrangszentrums bewirken,  das wir als den Zugang zum Wirklichsein des Wirklichen erkannten.
Der Mensch ist das Lebewesen, das kraft seines Geistes sich zu seinem Leben, das heftig es durchschauert, prinzipiell asketisch — die eigenen Triebimpulse unterdrückend und verdrängend, d. h. ihnen Nahrung durch Wahrnehmungs- und Vorstellungsbilder versagend — verhalten kann, ... ein >Neinsagenkönner<... Protestant gegen alle bloße Wirklichkeit... Das ist ganz unabhängig von Weltanschauungs- und Wertfragen; ob man (etwa im Sinne Buddhas, der auf alle Fälle diese Frage wie kaum einer tief beantwortet hat) diesen Aufschwung des Geistes zur unwirklichen Sphäre der Essenzen als Endgültigkeitsziel sucht, weil man Realität selbst schon als Übel wertet (>omne ens ist malum< [alles Sein ist ein Übel]), oder ob man aus der Sphäre der Essenzen — wie ich es für recht halte — immer wieder zurück zur Wirklichkeit und ihrem Jetzt-Hier-Sosein zu kehren sucht, um sie besser zu machen (Dasein zunächst indifferent nehmend gegenüber gut und schlecht) und in dieser ewigen Rhythmik zwischen Idee-Realität, Geist-Drang — in dem Ausgleich ihrer immerwährenden Spannung  — das wahre Leben und die wahre Bestimmung des Menschen sieht. (a. a. O. S.55,56)
Auf alle Fälle ist der Mensch — im Verhältnis zum Tiere, dessen Dasein das verkörperte Philisterium ist — der ewige >Faust<, die bestia cupidissima rerum novarum [das aufs stärkste neuigkeitsbegierige Tier], nie sich beruhigend mit der ihn umringenden Wirklichkeit, immer begierig, die Schranken des Jetzt-Hier-So-seins zu durchbrechen, immer strebend, die Wirklichkeit, die ihn umgibt, zu transzendieren — darunter auch seine jeweilige Selbstwirklichkeit... Der Mensch kann seine Triebenergie zu geistiger Tätigkeit >sublimieren<...
Nach meiner Überzeugung ist durch jene negative Tätigkeit, jenes >Nein< zur Wirklichkeit, jene Abstellung, Inaktivierung, der Wirklichkeit und Bild gebenden Triebzentren keineswegs das Sein des Geistes, sondern nur gleichsam seine Belieferung mit Energie und damit seine Manifestationsfähigkeit bedingt. (a. a. O. S.56,57) Der Geist ist, wie wir bereits sagten, in letzter Linie ein Attribut des Seienden selbst, das im Menschen manifest wird in der Konzentrationseinheit der sich zu sich >sammelnden< Person. Aber als solcher ist der Geist in seiner >reinen< Form ursprünglich schlechthin ohne alle >Macht<, >Kraft<, >Tätigkeit<. Um irgendeinen noch so kleinen Grad von Kraft und Tätigkeit zugewinnen, muß jene Askese, jene Triebverdrängung und gleichzeitige Sublimierung hinzukommen." (a. a. O. S.57)

Hatte die europäische Antike die Macht, Kraft und Tätigkeit dem Geist (nous poiätikós) zugesprochen und den "Formen des Seins" vorhergehen lassen, von "Selbstmacht der Ideen" ist die Rede (a. a. O. S.63) so
"vertritt ... die >negative Theorie< des Menschen .. umgekehrt die Meinung, daß der Geist selbst — soweit dieser Begriff dann überhaupt zugelassen wird —, daß zumindest alle >kulturerzeugenden< Tätigkeiten des Menschen, alle logischen, moralischen, ästhetisch-schauenden und künstlerisch-bildenden Akte, ausschließlich jenes >Nein< erst erstehen.
Beide Theorien weise ich zurück. Ich behaupte, daß der Geist zwar eigenes Wesen und Gesetzlichkeit hat, aber keinerlei ursprüngliche Eigenenergie.." (a. a. O. S.57)
Als "in sich allerdings recht verschiedene Beispiele" für die negative Theorie nennt M. Scheler "Buddhas Erlösungslehre" durch "Erlöschen des Begierdesubjekts" im Nirwana,  Schopenhausers Lehre von der >Selbstnegierung des Willens zum Leben<,... Paul Alsbergs Buch ">Das Menschheitsrätsel<,... , wonach der "der Mensch seine Organe aus dem Lebenskampf der Individual- und Arterhaltung >auszuschalten< gewußt habe zugunsten des Werkzeugs, der Sprache, der Begriffsbildung"... zum "Prinzip der Menschlichkeit" ", dann die Spätlehre Sigmund Freuds, besonders in >Jenseits des Lustprinzips< "; mir drängt sich dabei noch  die Hypothese eines >Todestriebes< auf (a. a. O. S.58,59).Unser Autor widerspricht der "negativen Theorie": sie enthalte "lauter Thesen einseitiger, nur auf Lebenswerte bezogener >Psychiker< , zu denen er auch Buddha zählt" und schlägt sich auf die Seite der >Pneumatiker<" (a. a. O. S.60,61).
„Alle indischen Systeme sind entweder positiver oder negativer Biologismus".
Der Grundmangel jeder Art von negativer Theorie des Geistes ist die Tatsache, daß sie keine Spur Antwort auf die fundamentalen Fragen gibt: Was denn im Menschen negiert, was denn verneint den Willen zum Leben, was verdrängt Triebe? (a. a. O. S.61) ...Wie rettete es sich aus dieser Sackgasse (die ich als solche rein biologisch zugebe)  einer Lebensrichtung? Sicher doch nicht durch Vernunft, durch Geist, der ja erst durch Askese, Verdrängung, Organausschaltung entsprungen sein soll!" (a. a. O. S.62)
Sofort regt sich in mir Widerstand: ist denn nicht die menschliche Kultur und Zivilisation als eine Strategie des Werkzeuggebrauchs zur Daseinssicherung, zum Überleben deutbar?
Für M. Scheler ist es
„der Geist.., der bereits die Triebverdrängung einleitet, indem der idee- und wertgeleitete geistige >Wille< den idee-wertwiderstreitenden Impulsen des Trieblebens die zu einer Triebhandlung notwendigen Vorstellungen versagt, andererseits den lauernden Trieben idee-und wertangemessene Vorstellungen gleichsam wie Köder vor Augen stellt, um die Triebimpulse so zu koordinieren, daß sie das geistgesetzte Willensprojekt ausführen, in Wirklichkeit überführen." (a. a. O. S.62)
M. Scheler spricht hier von "Verlebendigung des Geistes" oder von "Sublimierung des Lebens zum Geist" als dem Endziel [Und wieder ist der Mensch "die Krone der Schöpfung"] Auf die "klassische Theorie des Geistes" kommt M. Scheler zurück und betont nochmals, daß die Auffassung von der "Selbstmacht der Idee, ihrer ursprünglichen Kraft und Tätigkeit, ihrer Wirkfähigkeit... ein gefährlicher.. Irrtum" sei, der sich auch in der "jüdisch-christlichen Religiosität" .. vom schöpferischen, ja allmächtigen Willen" Gottes findet, der sich nicht auf  "Leitung und Lenkung (Hemmen und Enthemmen)" beschränkt. (a. a. O. S.63) Den "Grundirrtum" sieht er darin, daß bei der klassischen Theorie die
 "höheren Seinsformen nicht nur an Sinn und Wert, sondern — hier beginnt der Irrtum — auch an Kraft und Macht  zunehmen, je höher sie sind" (a. a. O. S.64,65)
Aber die griechische Mythologie, so erinnere ich, kannte doch die kraftstrotzenden, rohen Giganten, die den olympischen Göttern vorhergingen, und die Parzen und Erynnien, die Schicksalsgöttinnen (das spätere fatum) udn auch der Monothjeismus war auf den Teufel angewiesen und erlebte ihn im Christentum im Triebhaften des Sexuellen, dem Tier Gemeinsamen.
Den Gegnern der klassischen Lehre, wie "Epikur, Hobbes, Machiavell, Lametrie bis Schopenhauer, Marx und Freud"  wiederum wirft M. Scheler  vor, daß sie im "Lebendrang ein mächtiges, ja allmächtiges Prinzip" sahen, wobei des formenden Geistes nicht bedarf. Und doch:
Der Kräfte- und Wirkstrom, der allein Dasein und zufälliges Sosein zu setzen vermag, läuft in der Welt, die wir bewohnen, nicht von oben nach unten, sondern von unten nach oben!" (a. a. O. S.65)
„Fast nur wie ein glücklicher, gnadenreicher Zufall erscheint es zunächst unseren endlichen Augen, wenn die Erde oder irgendein ferner Stern >lebenssreif< wird: reif, Leben zu tragen, oder wenn der eigengesetzliche Zug menschlicher Massenbewegungen in eine Richtung gerät, in der die Masse den Genius auch nur zu dulden vermag — geschweige denn darüber hinaus ihre Interessen und Leidenschaften seine Ideen und Werte aufzunehmen vermögen, um sich durch sie befruchten zu lassen. Welch seltener Glücksfall, wenn in dieser Welt der sittlich Gutwillige und Gutgesinnte auch Erfolg ha — das erreicht, was wir >historische Größe< nennen, d. h. erhebliche Wirkmacht auf die Geschichte! Kurz und selten sind die Blüteperioden der Kultur in der menschlichen Geschichte. Kurz und selten ist das Schöne in seiner Zartheit und Verletzlichkeit.
Das ursprüngliche aller Macht, aller Wirksamkeit Bare ist gerade der Geist, je reiner er Geist ist...>Mächtig ist ursprünglich das Niedrige, ohnmächtig das Höchste<. Jede höhere Daseinsform ist im Verhältnis zu der niedrigeren kraftlos — und sie verwirklicht sich nicht durch ihre eigenen Kräfte, sondern durch die Kräfte der niedrigeren.."(a. a. O. S.66)
Das Mächtigste, was es in der Welt gibt, sind die ideen-, formen- und gestalt>blinden< Kraftzentren der anorganischen Welt als unterste Wirkpunkte dieses Dranges... Erst der Mensch als Lebewesen bringt — nicht aus rationaler, sondern biologischer Notwendigkeit, d. h. um handeln zu können — dadurch, daß seine Sinnesorgane und -funktionen mehr die regelmäßigen als die unregelmäßigen Vorgänge der Welt indizieren, jene >Naturgesetzlichkeit< in die Welt hinein, die der Verstand nachher abliest" (a. a. O. S.67)
[Kant in Reinkultur!]

Unverkennbar wird hier das Verhältnis, das Spannungsfeld zwischen den biotelen Aspekten der SPONTANEITÄT und der AKTIVITÄT (mit)abgehandelt.
SPONTANEITÄT, ursprüngliche Kraft — bereits im atomaren — werde sublimiert und in den Dienst der Vergeistigung gestellt., wörtlich : "eines höher gestalteten Seins und Werdens", Triebsublimierung wird als demjenigen im Anorganischen "analoger Prozeß" aufgefaßt. Für die Menschengeschichte gilt
„nicht die These Hegels, daß sie mehr auf einer Explikation bloßer Ideen auseinander beruhe, vielmehr durchaus der Satz von Karl Marx, daß Ideen, die keine Interessen und Leidenschaften hinter sich haben — und das heißt: Mächte, die aus der Vital- und Triebsphäre des Menschen stammen — sich in der Weltgeschichte unweigerlich zu >blamieren< pflegen. Trotzdem aber zeigt die Geschichte eine im großen und ganzen zunehmende Ermächtigung der Vernunft, aber eben nur durch und auf Grund einer zunehmenden Aneignung der Ideen und Werte  durch die großen triebhaften Gruppentendenzen und die Interessenverzahnungen zwischen ihnen." (a. a. O. S.68)
„Das Wollen erwirkt immer das Gegenteil von dem, was es will, wenn es nicht, anstatt einen höheren Wert zu intendieren, dessen Verwirklichung das Schlechte vergessen läßt, und die Energie des Menschen anzieht, auf die bloße Bekämpfung, Negierung des Triebes richtet, dessen Ziel als >schlecht< vor dem Gewissen steht. So muß der Mensch auch sich selber dulden lernen..." (a. a. O. S.69)
„Hält man freilich wie Descartes den physischen Organismus für eine Art Maschine, und zwar in dem starren Sinne der alten, heute schon von der theoretischen Physik und Chemie selber überwundenen und zum alten Eisen geworfenen mechanischen Naturlehre des Galilei-Newton-Zeitalters, übersieht man andererseits wie Descartes und alle, die ihm folgten, auf der psychischen Seite die Selbständigkeit* und (sicher nachgewiesene) Priorität des gesamten Trieb- und Affektlebens vor allen >bewußten< Vorstellungsbildern; schränkt man alles Seelenleben auf das Wachbewußtsein, die gewaltige Abspaltung ganzer zusammenhängender Funktionsgruppen des seelischen Geschehens vom Bewußtseins-Ich, vom einheitlichen Ichganzen übersehend wie die bekannten Spaltungserscheinungen des Bewußtseins-Ich selber; leugnet man ferner die Affektverdrängung und übersieht man die für ganze Lebensphasen möglichen Amnesien, dann kommt man allerdings auf den falschen Gegensatz: hier Einheit und Einfachheit ursprünglicher Art, dort nur Vielheit erst sekundär verbundener Körperteile und in ihnen erst fundierte Prozesse; hier eine Seelensubstanz, dort unendlich viele körperliche Einzelsubstanzen. Dieses überzentralistische Seelenbild ist genau so irrig wie das übermechanistische Bild des physiologischen Geschehens , das sich die ältere Physiologie gemacht hat. (a. a. O. S.73,74)

*Mit der Selbständigkeit kommt auch der biotele Aspekt der AUTARKIE ins Visier, vermengt mit demjenigen der PLURALITÄT (Diversivität,Verschiedenheit, Mannigfaltigkeit und Vielzahl, Menge zugleich).

Im äußersten Gegensatz zu all diesen Theorien dürfen wir sagen: Der physiologische und der psychische Lebensprozeß sind ontologisch streng identisch (wie es schon Kant vermutet hatte). Sie sind nur phänomenal verschieden — aber auch phänomenal streng identisch in den den Strukturgesetzen und in der Rhythmik ihres Ablaufs. Beide Prozesse sind amechanisch, die physiologischen wie die psychischen, beide sind teleoklin und auf Ganzheit eingestellt. Die physiologischen Prozesse sind es um so mehr, je niedriger (nicht also je höher) die Segmente des Nervensystems sind, in denen sie ablaufen; die psychischen Prozesse sind gleichfalls um so ganzheitlicher und zielhafter, je primitiver sie sind...
Was wir also >phyiologisch< und >psychologisch< nennen, sind nur zwei Seiten der Betrachtung eines und desselben Lebensvorganges." (a. a. O. S.74)
„Das psycho-physische Leben ist eins — und diese Einheit ist eine Tatsache, die für alle Lebewesen gilt; also auch für den Menschen. Den Menschen seinem Seelenleben nach mehr als gradweise vom Tier zu trennen, seiner Leibseele eine besondere Art von Herkunft und künftigem Schicksal zuzuschreiben, wie es der theistische Kreationismus und die herkömmliche Lehre von der Unsterblichkeit tut, dazu besteht nicht der mindeste Grund."(a. a. O. S.78)
 Das menschliche Gehirn genießt den unbedingten Vorzug in der Ernährung in einem viel ausgedehnteren Maße als das tierische Gehirn — genießt ihn, da es die intensivsten und vielseitigsten Energiegefälle besitzt und eine Verlaufsform seiner Erregungen, die rein örtlich viel weniger starr umgrenzt ist (Goldstein)... Das Gehirn scheint beim Menschen auch in höherem Maße als beim Tier das eigentliche Todesorgan zu sein, wie es bei der viel stärkere Zentralisierung und Gebundenheit aller seiner Lebensvorgänge an die Gehirntätigkeit auch zu erwarten ist (a. a. O. S.79,80)
Nicht also Leib und Seele oder Körper und Seele oder Gehirn und Seele im Menschen sind es, die irgend einen ontischen [d.h. Seins-]  Gegensatz bilden. Der Gegensatz, den wir im Menschen antreffen und der auch subjektiv als solcher erlebt wird, ist von viel höherer und tiefgreifenderer Ordnung: es ist der Gegensatz von Geist und Leben...
Ist schon das Leben unräumliches Sein, wohl aber zeitliches Sein" [Mir noch schwer begreiflich, da doch nicht außer dem Raum] — >der Organismus ist ein Vorgang<, bemerkt Jennings treffend, und alle scheinbar ruhende Form des Köpers ist von diesem Lebensvorgang in jedem Augenblick getragen und unterhalten —, so ist das, was wir >Geist< nennen, nicht nur überräumlich, sondern auch überzeitlich. Die Intentionen des Geistes schneiden sozusagen den Zeitablauf des Lebens." (a. a. O. S.80)
Der Geist ideiere das Leben, benötige es aber, um "in Tätigkeit" gesetzt zu werden (a. a. O. s.81).
Die >naturalistischen< Theorien weist M. Scheler zurück: in den "formal-mechanischen Auffassungen" — er nennt da noch, neben David Hume, der das Psychische aus dem Physikalisch-Chemischen ableitet, Ernst Mach, für den im Ich als "Knotenpunkt .. die sensualen Weltelemente in besonderer Dichte zusammenhängen" — (a. a. O. S.81,82) zum zweiten die der  "vitalistischen" mit dem "System der Nahrungstriebe, ... der Fortpflanzungs- und Geschlechtstriebe oder ... der Machttriebe" etwa bei Friedrich Nietzsche oder Karl Marx, wo die ">materiellen Produktionsverhältnisse<" die Geschichte bestimmen und "den geistigen Hervorbringungen in Kunst, Wissenschaft, Philosophie, Recht usw. eine innere Eigenlogik und Kontinuität überhaupt nicht zu-"kommt. Die dritte naturalistische Auffassung über Schopenhauer zum jungen Freud war schon genannt, "die das geistige Leben als sublimierte Libido.. auffaßt " und Kultur als deren "Symbolik und Überbau" (a. a. O. S.83) In "panromantischer Denkart hat Ludwig Klages" die "beiden irreduziblen Kategorien >Leben und Geist< zu verstehen versucht (a. a. O. S.84). Geist ist für ihn das "zerstörende Prinzip", menschliche Geschichte ein Zerfall (décadence), die er aber "erst nach der Menschwerdung" in die Tragödie der Geschichte der "Menschwerdung ... >hereinbrechen< läßt" (a. a. O. S.85). Aber M. Scheler führt die Beobachtungen solcher Zerstörungsfolgen durch den Geist als ">Übersublimierungen< ..auf einen Zustand ... übermäßigen Vergehirnlichung des Menschen" zurück und verweist auf die Fluchtbewegungen bereits im Dionysos-Kult und die Sehnsucht der heutigen Jugend nach dem Primitiven (a. a. O. S.86) . Es geht in bioteler Ausdruckweise um die Ersetzung unbewußter  SPONTANEITÄT durch bewußte AKTIVITÄT, welche die Menschheit inzwischen — und zwar rapide! —  in eine gefährliche Lage gebracht hat.

Ich greife auf M.Schelers frühere Abhandlung "Versuche einer Philosophie des Lebens" (s..u. Vom Umsturz der Werte Bd.II, Der Neue Geist Verlag, Leipzig 1919, S.146,147) zurück:
„Nietzsche war es auch, der begann, von >dem Leben< schlechthin zu reden, Er apostrophierte es wie z.B.:>In Dein Auge schaute ich jüngst, o Leben usw.<; das >Leben< ist hier nicht mehr ein Vorgang in den räumlich abgeschlossenen Formen der Organismen..".(a. a. O. S.146)
„Er, der von Biologie so gut wie nichts verstand, — er war doch derjenige, der die Falschheit der Ur- und Grundkonzeption eines großen Teiles der modernen biologischen Wissenschaft klar erkannte... Er sah, daß Darwin und Spencer die >Aktivität< dem Begriff des Lebens >entwendet< hätten. [Fußnote: Siehe: >Genealogie der Moral<] Spencer definierte Leben als >Anpassung innerer Beziehungen an äußere<, und so findet Nietzsche, daß in dieser Definition bloße >Reaktivität< an Stelle der ursprünglichen Aktivität gesetzt wird. Aber Leben ist nicht etwas, das sich >anpaßt< oder auch >angepaßt< wird, das ist vielmehr eine Tendenz zur Gestaltung, zur Formung, ja zur herrschaftlichen Überwältigung und Einverleibung eines Materials. Die einzelnen Organismen und Arten haben >Umwelten<. [Fußnote: >Der Formalismus in der Ethik und die materiale Wertethik< 1. 'Teil, Niemeyer Halle1913-14] Aber deren kategoriale Strukturen sind in den Aktionsrichtungen des zu ihnen gehörigen Lebens vorgebildet. Nur was diesen Strukturen entspricht, kann aus der Weltgegebenheit in die Umweltsphäre hineingelangen." (a. a. O. S.147)
Aber liegt hier, im letzten Satz,  nicht eine Verwechslung  vor, die zu einer Umkehrung der gegenseitigen Beziehungen führt?
Wir sehen, daß der Begriff der AKTIVITÄT den der SPONTANEITÄT hier ersetzt (oder mitumfaßt?). 

Zurück zu "Die Stellung des Menschen im Kosmos":

„Geist und Leben sind aufeinander hingeordnet — es ist ein Grundirrtum, sie in eine ursprüngliche Feindschaft, in einen ursprünglichen Kampfzustand zu bringen." (a. a. O. S.87)
„Es ist eine der schönsten Früchte des sukzesiven Aufbaus der menschlichen Natur aus den ihr untergeordneten Daseinsstufen, wie er hier zu geben versucht wurde, daß man zeigen kann, mit welch innerer Notwendigkeit der Mensch in demselben Augenblicke, in dem er durch Welt- und Selbstbewußtsein und durch Vergegenständlichung auch seiner eigenen psychophysischen Natur — den spezifischen Grundmerkmalen des Geistes — >Mensch< geworden ist, auch die formale Idee eines überweltlichen unendlichen und absoluten Seins erfassen muß." (a.. a. O. S.87,88)
 „Was Wilhelm v. Humboldt von der Sprache gesagt hat, daß der Mensch sie darum nicht habe erfinden können, da der Mensch nur durch die Sprache Mensch ist, das gilt mit genau derselben Strenge für die formale Seinssphäre eines alle endlichen Erfahrungsinhalte  und das zentrale Sein des Menschen selbst überragenden, schlechthin in sich selbständigen Seins von Ehrfurcht gebietender Heiligkeit.." (a. a. O. S.88)
„Daher ist es ein vollständiger Irrtum, das >Ich bin< (Descartes) oder das >Die Welt ist< (Thomas von Aquin) dem allgemeinen Satz >Es gibt absolutes Sein< vorhergehen zu lassen und die Sphäre des Absoluten allererst durch Schlußfolgerung aus jenen Seinsarten erreichen zu wollen. Welt-, Selbst- und Gottesbewußtsein bilden eine unzerreißbare Struktureinheit..." (a. a. O. S.89)
„Es sit der alte Gedanke Spinozas, Hegels und vieler anderer: Das Urseiende wird sich im Menschen seiner selbst inne in demselben Akte, in dem der Mensch sich in ihm gegründet schaut. Wir müssen nur diesen bisher viel zu einseitig intellektualistisch vertretenen Gedanken dahin umgestalten, daß dieses Sich-gegründet-Wissen erste eine Folge ist der aktiven Einsetzung unseres Seinszentrums für die ideale Forderung der Deitas und des Versuches, sie zu vollstrecken und in dieser Vollstreckung den aus dem Urgrunde werdenden >Gott< als die steigende Durchdringung von Geist und Drang allererst mitzuerzeugen." (a. a. O. S.91)
„Geist und Drang, die beiden Attribute des Seins, sie sind, abgesehen von ihrer erst werdenden gegenseitigen Durchdringung — als Z
iel — , auch in sich nicht fertig: sie wachsen an sich selbst eben eben in diesen ihren Manifestationen in der Geschichte des menschlichen Geistes und in der Evolution des Lebens der Welt." (a. a. O. S.92)

Die willkürliche Verkürzung des Textes tut dem Büchlein Gewalt an: man sollte es ganz und unverstümmelt lesen!
Ich blieb dennoch unbefriedigt, weil für mich das Auftreten des Bewußtseins immer der entscheidende und (vielleicht für immer?) unaufgeklärte Einschnitt war, der hier so einfach übergangen wird., indem M. Scheler  ja bereits der Pflanze einen Gefühlsdrang zusprach, nicht aber aussagte, ob damit so etwas wie ein — vielleicht noch so dämmerige — Bewußtsein verbunden sein könnte.
Gewiß ist der Mensch auf Sinnsuche hin angelegt und haben Spekulationen einen — wenn auch vermutlich sehr verschiedenwertigen —  Sinn, ja führen vielleicht einzig zu einem Sinn hin, aus dem "ungeheuren Phantasieüberschuß", der dem Menschen eigen ist (a. a. O. S.90) heraus sich entfaltend. Für mich ist die vorgetragene Weltsicht Max Webers nur eine zusätzliche Variante, über deren Wert oder gar Richtigkeit ich mir kein Urteil anmaße. Angesichts der Weltlage haben wir uns zu fragen, was der Erhaltung des Lebens, insbesondere des höher organisierten und des menschlichen dienlich sein könnte.

 

 

 


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