Buchbesprechung: Felix Ekardt, Das Prinzip Nachhaltigkeit -
Generationengerechtigkeit und globale Gerechtigkeit, Beck‘sche Reihe, Verlag C. H. Beck, München 2005
Einige vorangestellte Auszüge aus dem Buch (aus
2015 als Ergänzung zu den nachfolgenden
Erörterungen aus 2005) . F. Ekardt in Times New Roman schwarz,
eigene Anmerkungen in Verdana grün
Vorbetrachtungen:
Es geht doch vordringlich um die
richtigen, d. h. tauglichen Begriffe
Hinsichtlich der Reflexionstheorie von
Johannes Heinrichs http://stiwi.biotelie.de/index13.html, mit Anknüpfung an
BEZIEHUNG (einem damals ausgelassenen
biotelen Aspekt oder Brückenbegriff zu allen anderen Aspekten?). die mich in www.biotelie.de beschäftigten,
erscheint mir heute Reflexion (Rückbezüglichkeit) als ein Unterbegriff von BEZIEHUNG (Relation). Da ich das biotele
Gutachtenverfahren so gerne wegen meines Alters sicherheitshalber in fremde
Hände geben möchte, wurde mir bewusst, dass ein oder der andere der zwölf
Aspekte später in Frage gestellt oder zumindest durch andere ergänzt werden
könnte, derer Wichtigkeit ich nicht gewahr wurde. Dies könnte sein: aber
Vorsicht!
Die Verkehrung der Moral über die moderne Diskursethik mahnt Zurückhaltung ein.
Es wird zu schnell etwas dahingeredet; ich habe wenigstens Jahrzehnte darüber
gegrübelt. AUSTAUSCH, so meine neuere Erkenntnis, ist für mich so ein
Wackelkandidat, eigentlich nur ein Unterbegriff von BEZIEHUNG. Aber würde BEZIEHUNG uns weiterhelfen bei der Beurteilung von Gesetzesfolgen???
Auch der Aspekt GEGENSEITIGKEIT wäre dann dem der
BEZIEHUNG unterzuordnen, wo er doch bereits historisch unter dem Symbol der
Waage als Grundsatz Jahrtausende maßgebend für gerechtes menschliches Verhalten
ist. AUSTAUSCH lässt uns wenigstens über dessen Begrenzung (ob im Einzelfall
positiv oder negativ zu bewerten) besonders nachdenken; ähnlich zweischneidig
handabt sich PLURALITÄT (als Verschiedenheit). BEZIEHUNG ließe keinen
Zusammenhang zwischen Personen und Dingen mehr außerhalb und REFLEXION
(Rückbezüglichkeit) brächte uns auch nicht viel weiter; es sei denn man zwänge
dadurch Politiker als Machthaber endlich zur Selbstbesinnung und Selbstkritik.
(Was ich mir als Möglichkeit nicht vorstellen kann.)
Johannes Heinrichs will der Demokratie wieder auf die Beine helfen, mit einem
Kleinbus ließ er Propaganda für „Mehr-Direkte-Demokratie e. V.“ fahren.
Inzwischen fährt schon ein großer Bus: “Omnibus = Für alle“ http://www.omnibus.org
für mehrere Initiativen in dieser
Richtung.
Hatte J. Heinrichs hatte mit seiner Unterscheidung nach Ebenen der Komplexität
der Reflexion sein Haus der Politik in Etagen teilen wollen, in denen unten die
Wirtschaft residiert und unter dem Dach Philosophie und Religion thront; es kam
also aus dem Prinzip REFLEXION eher heraus, wer (wieder) das Sagen haben
sollte, und war das wirklich das heute in Abschaffung befindliche Volk? Bei
Biotelie geht es nicht nur darum, wer regiert, sondern darum, was die Inhalte
des Regierens sind. Ist die Abschaffung des Volkes für die Demokratie
unerheblich?
http://www.couragiert-magazin.de/rab/pegida-angst.html
20.01.2015
von Ralf-Uwe Beck
Pegidas
Angst vor Gespenstern
So kann man die reale Bedrohung auch
abwiegeln und PEGIDA herabwürdigen; und auch J. Heinrichs hat BIOTELIE nicht in
die Debatte mit einbezogen, obwohl wir kurz in Korrespondenzkontakt kamen (den
er abbrach). Direkte Demokratie e. V schloss vor Jahren sogar ihr Forum, so
dass ich nicht mehr dort diskutieren konnte. Direkte Demokratie (in
Deutschland) steht weiterhin für Kurzzeitdenken, ohne fundierte kritische
Kontrolle, so dass jeder Gewiefte sein Süppchen auf ihr kochen kann, was bisher
unwiderlegt ihre Schwäche ausmacht.
Inzwischen will also Felix Ekardt
weiterhelfen.
Aber schon beim Titel stutzt man: „Das Prinzip Nachhaltigkeit“.
Er spielt deutlich auf Hans Jonas‘ „Das Prinzip Verantwortung“ an, der ein Verhalten
fordert, dass Nachfolgegenerationen überleben lässt.
http://www.praxisphilosophie.de/mstjonas.pdf
Arno Münster (Paris)
PRINZIP VERANTWORTUNGT ODER PRINZIP HOFFNUNG?
Versuch einer Entgegnung auf Hans Jonas` Kritik an Marx und Hans Bloch
(28) ….
Dabei wird von ihm [Jonas] nicht einmal zur Kenntnis genommen, dass es
hinsichtlich des Utopiedenkens sogar noch einen Unterschied zwischen Marx und
Bloch gibt, der vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass die Utopien der
französischen Frühsozialisten von Marx und Engels im „Kommunistischen Manifest“
als zu abstrakte Projektionen ins Imaginäre kritisiert werden, die den
wirklichen Bezug zum unterdrückten und kämpfenden Proletariat verloren haben;
wohingegen es Bloch eigentlich darum geht, den wissenschaftlichen Sozialismus
des historischen und dialektischen Materialismus mit der Tradition des
utopischen Sozialismus wieder zu versöhnen. Dazu erweitert Bloch den Marx’schen
Realitätsbegriff und auch den „klassischen“ Materiebegriff des Marxismus….
Ebenso
inakzeptabel ist Jonas’ radikaler Zweifel an den Realisierungsmöglichkeiten
utopischer
Erwartungen und utopischer „Träume nach vorwärts“, d.h. all jener „Tagträume
vom
aufrechten Gang“, die für Bloch der Hauptzielinhalt des „antizipierenden
Bewusstseins“
sind. Nach
Jonas liegt der „Hauptfehler“ an Blochs Utopie einer von Entfremdung befreiten
Gesellschaft,
in der die Freizeit, das „Hobby“ und die ungehemmte Entfaltung der
schöpferischen
Potentialitäten der Individuen zu bestimmenden Elementen werden, in der
prinzipiellen
Trennung des „Reichs der Freiheit“ vom „Reich der Notwendigkeit“, sowie in
dem Umstand,
dass die „Freiheit hier jenseits der Notwendigkeit“ angesiedelt wird, statt
sich
mit ihr zu verschränken.
(29) Das
„Reich der Freiheit“ wird für Jonas offensichtlich zu einer Schreckensvision.
So geht er noch einen Schritt weiter und beklagt den zusätzlichen „Verlust der
menschlichen Würde“, die seiner Ansicht nach das unvermeidliche Ergebnis der Schaffung
eines „Reichs der Freiheit“ im Sinne von Marx und Bloch wäre. Er verschweigt dabei
aber vollständig, dass Bloch selbst - ich verweise hier nur auf sein Buch
„Naturrecht und menschliche Würde“ - einer der grössten philosophischen Anwälte
des Begriffs der „Menschenwürde“ nach Immanuel Kant ist und unbestritten der
neo-marxistische Denker des 20. Jahrhunderts, der sich zur Begründung seines
revolutionären Humanismus am stärksten auf den Begriff der „Menschenwürde“
stützt. In seinem Buch „Naturrecht und menschliche Würde“, der letzten in
seiner DDR-Zeit in Leipzig entstandenen Schrift, beruft sich Bloch immer wieder
auf diesen aus der idealistischen Philosophie stammenden Begriff, versteht ihn
als unverzichtbares Element seines eigenen humanistischen Materialismus und
verwendet ihn nicht nur zur Kritik des Faschismus, sondern auch zur Kritik der
Missachtung der Menschen- und Bürgerrechte durch die bürokratischen und
staatsvergötzenden Regime des „real-existierenden Sozialismus“. Wie kann also
Hans Jonas zu der Behauptung kommen, im Zuge der Eröffnung des „Reichs der
Freiheit“ und bei der Realisierung utopischer Zielinhalte trete unvermeidlich
ein Verlust der Menschenwürde ein?
Mit dieser
Kritik und Polemik zielt Jonas nicht nur auf die Emanzipationsphilosophie
Marxens und Blochs. Sie ist offenkundig zugleich gegen Herbert Marcuse
gerichtet. Dieser
unterstreicht
in seiner freudo-marxistischen Soziologie das Moment des Triebverzichts im
Realitätsprinzip,
das die entfremdete Arbeit darstellt, und vertritt die These, dass bei
Voraussetzung
des in der modernen spätkapitalistischen Gesellschaft erreichten
Produktivitätsniveaus
unter neuen gesellschaftlichen Bedingungen eine schmerzlose
Befriedigung
der Bedürfnisse möglich sein müsste.
(30) Jonas
hält dies für reine Fiktion und besteht auf der kritischen Feststellung, dass
dies allein schon „vom psychologisch-praktischen Standpunkt aus zum Scheitern
verurteilt“ ist.“
(31) …Andererseits aber scheint er nicht richtig wahrzunehmen, dass der
Kernbegriff und der eigentliche Motor von Blochs Ontologie das dynamei-on ist,
d.h. das Sein als ständiges Werden, als ein in einem permanenten Prozess der
Veränderung und Entäusserung befindliches „esse in potentia“. Und er ist
offensichtlich nicht bereit anzuerkennen, dass in Blochs materialistischer
Philosophie die Materie das hypkeimenon, d.h.die materielle Grundlage für die
Verwirklichung dessen ist, was möglich und herausbringbar ist. Darüber hinaus
ignoriert er die enge philosophische Beziehung des im jüdischen Messianismus
verwurzelten Bloch’schen „Noch-Nicht“ mit der säkularisierten Erwartung des
„Neuen“ bzw. „Novum“.
(32) Gewiss
zitiert Jonas jenen Abschnitt aus dem
„Prinzip Hoffnung“, wo Bloch – gegen Kant – die These vertritt, dass
„die unfertige Welt noch zu ihrem Ende gebracht“, dass der „in ihr anhängige
Prozess zum Resultat gebracht“ und dass „das Inkognito der in sich selbst
real-verhüllten Hauptsache gelichtet“ werden kann.
„Das
Eigentliche oder Wesen (aber) ist dasjenige, was noch nicht ist, was im Kern
der Dinge
nach sich
selbst treibt, was in der Tendenz-Latenz des Prozesses seine Genesis erwartet;
es
ist selber
erst fundierte, objektiv-reale – Hoffnung.“
(33) Exakt
diese Prozesslogik, die Latenz-Tendenz-Dynamik und die marxistische
Reformulierung der aristotelischen Lehre von dem „In-Möglichkeit-Seienden“ mit
ihrer klaren Ausrichtung auf das Werden und die Zukunft wird von Jonas
bezweifelt und bestritten …
Nach Obigem kommt F. Ekardt auch mit
Blochs Betonung der „Menschenwürde“ in enge Berührung und auch sonst mehrfach
mit sozialistischen Vorstellungen, aber in seiner strikten Ablehnung eines
Zusammenhangs dessen, was sein soll mit dem was ist, steht F. E. isoliert da. Hans
Jonas dagegen hält die Existenz der Menschheit für einen Beleg dafür, „dass es
die Menschheit geben solle“. (a. a. O. S.84)
Vorher ging den Auffassungen Jonas‘ „Das Prinzip Hoffnung“ von Erich Bloch, der
sich stärker für die Marxistische-kollektivistische Utopie erwärmte. F. Ekardt erörtert
eigentlich „Das Prinzip Freiheit“, und ich zweifle daran, dass dessen
Verabsolutierung dadurch geheilt werden kann, dass man es mit dem „Prinzip der
Nachhaltigkeit“ so quasi substanzialisiert. (E. würde diesen Einwand besonders energisch zurückweisen, zumal mit
Substanz wenig am Hut hat. Nachhaltigkeit ist ein Modebegriff aus der
Zielvorstellung der Brundtland-Kommission „Nachhaltige Entwicklung“, dem man
inzwischen modisch die Komponente „Entwicklung“ einfach entzieht. “Nachhaltig“
nannte sich früher „dauerhaft“.) Weiter mit F. E.:
Ohne eine
neu fundierte Lehre von der gerechten Grundordnung und eine Neuinterpretation unserer Verfassungen,
ohne ein neuformatiertes Verfassungskonzept und ohne mehr
Generationengerechtigkeit und Gerechtigkeit zwischen den Völkern dieser Erde
(also Nachhaltigkeit) können wir nicht länger sagen, dass unser Zusammenleben gerecht ist. …
(a. a. O. S.9)
Inhalt
I Unsere
Lebensform ist weder zukunftsfähig noch global ausdehnbar
… D. Der bisherige verfehlte Nachhaltigkeitsdiskurs: Worthülsen ohne
Begründung, Konkretisierung und praktische Durchsetzung,,,
Die
westliche Lebensform: weder dauerhaft durchhaltbar noch globalisierbar?
Die Lebensform, das
Gerechtigkeitsdenken und das Recht in westlichen Staaten sind seit den
bürgerlichen Revolutionen im großen und ganzen liberal. Liberal nicht im Sinne des parteipolitischen
Liberalismus oder des noch zu kritisierenden Wirtschafts- oder Neoliberalismus.
Liberal heißt vielmehr eine Ordnung, die auf weitgehende Freiheit für die
Bürger sowie die Volkssouveränität, also die Demokratie, baut – und die all
dies als Vernunftgebot ausweist… (a. a. O. S.10)
… Doch unser Recht und unsere Moral
scheinen sich –wie wohl stets, seit es Menschen gibt – immer noch auf die Konfliktlösung unter zeitlich und
räumlich zusammenlebenden Menschen zu b
e s c h r ä n k e n, und dies in einer informationell vernetzten Welt, in
der wir uns wegen des erreichten wirtschaftlich-technischen, auch
kriegswaffentechnischen
Entwicklungszustandes für alle Zukunft darauf einstellen müssen, daß die
Folgen unseres Handelns weit über uns und unser Land hinauswirken – räumlich global und zeitlich weit in die Zukunft hinein… [und] bisher nur einem
Fünftel der Weltbevölkerung zugutekommt…
Unsere überkommene zeitliche >Beschränktheit < äußert sich darin, daß
unsere Politik und unsere Gesetze dazu führen, dass wir die Grundlagen der Freiheit in ihrer dauerhaften Erhaltung
für jüngere und zukünftige Menschen
gefährden…. (a. a. O. S.11)
Gegenwärtig emittiert
z.B. ein Deutscher jährlich durch seinen
Lebensstil rund 42 Tonnen problematischer Substanzen. Davon ist
nur ein verschwindend kleiner Teil Schadstoffe, Dagegen ein großer Teil Klimagase
wie CO2. … (a. a. O. S.12) … Diese vielberedete
..Klimarahmenkonvention… wird uns selbst bei perfekter Umsetzung nur rund 0,3 Grad der vielleicht 6 Grad
Erderwärmung bis zum Jahr 2100
ersparen… (a. a. O.S.14)
Indirekt
spricht sich E. damit gegen die Klimarettungspolitik aus, auf die er im Buch
aber mehrmals als Aufgabe und Verpflichtung mit allerdings wissenschaftlich
kaum haltbaren Begründungen zurückkommt.
Ökonomische Faktoren
wirken beim Menschen ebenzusammen mit wohl eher evolutionsbedingten bzw.
genetischen Prägungen wie Bequemlichkeit, Kurzzeitdenken, Streben nach sozialem
Ansehen, Verdrängung unangenehmer Einsichten und Narzißmus. Wir alle wollen
gern unsere Ruhe haben… (a. a. O. S,16) … wir unterlassen nicht im Traum
unseren schönen Urlaubsflug auf die Kanarischen Inseln. All dies sind letztlich
vielleicht genetisch mitbedingte, typische Eigenschaften des Wesens Mensch…
Da habe ich doch noch wenigsten eine Verkehrsutopie in die
Patentämter getragen, welche den Luftverkehr großenteils durch auch submarin
geführte schnurgerade evakuierte Röhren ersetzen sollte, für die künstliche
transatlantische Zwischeninseln für den Fall von Seebeben vorgesehen waren und
das vereinzelte Zwischenschalten von Personenkabinen unter die Frachtkabinen,
um die Unglückopferzahl zu minimieren. Der Antrieb sollte elektrisch-linear wie
beim Transrapid erfolgen. Übrigens war ich als Erfinder auch bei der Ablösung
der „FCKW-Sprühdosen (a. a. O. S.125) dabei; die Hoechst AG ließ sich zu den
ersten Druckpresslingen (Faltenbälgen mit CO2 innerhalb der Dosen)
anregen. (Ungeschickterweise hatte ich die Presslinge nur in Verbindung mit
Dosierköpfen geschützt, später nur in zu Zwecken der „direkten Injektion aus Vorratsgefäßen“ weiterverfolgt und hatte
natürlich den kürzeren Atem.)
F. Ekardt dem die Armen in Entwicklungsländern
sonst so große Sorgen bereiten, hat offenbar bei seinen Tiraden gegen den
Flugreiseverkehr nicht an die Bedeutung des Reise- und Urlaubsverkehrs für sie
gedacht.
Aber die moderne
Wirtschaft, Wissenschaft und Technik entstand >von selbst< nur im Abendland – und erst
von hier aus verbreitet sich ihr Geist über die ganze Welt . Das impliziert,
daß eine nachhaltigkeitsabträgliche Motivationslage auch kulturell bedingt ist
und nicht nur biologisch… (a. a. O. S.17)
Der Reformation ging es um die Kritik an einem katholischen Autoritarismus und
Traditionalismus, der geradezu bibelfeindlich war. Aus der nachgerade
revolutionären Inspiration der frühchristlichen Zeit war eine bürokratisch
verwaltete Tradition geworden…
Die Reformation brach mit alledem; im Kern stellte sie den Menschen stärker auf
sich selbst und brach mit dem mittelalterlichen Gemeinschaftsdenken. Das
Priestertum aller Gläubigen wurde propagiert und der einzelne direkt auf Gott
verwiesen… Der Mensch könne sich, wie Gott allmächtig ist, weder durch Gebete
und Glauben noch durch gute Taten selbst erlösen – Gott allein entscheide, wer das
ewige Seelenheil und wer die ewige
Verdammnis verdiene…
nur eine >perfekte< Welt und ein >perfektes< Arbeiten konnte als
heilig gelten… (a .a. O. S.19) Und
dieser radikale Autoritätsschwund und
der so induzierte Pluralismus sind ja wiederum – gemeinsam mit der Idee
einer >Befreiung von allen Fesseln durch Christi Opfertod – Wurzeln jenes
stark auf das einzelne nach Erlösung
strebende Wesen verengten
Individualismus, der heute wirtschaftsliberal
oder postmodern-selbstverwirklichend überhöht wird. Und genau dies wirkt
mit der ins Grenzenlose weisenden ständigen Optimierung des Lebens, die die
moderne Naturwissenschaft, Wirtschaft und Technik auf den Weg bringt, zusammen…
Mehr und mehr Arbeit, mehr und immer mehr Fortschritt – dies schien der einzige
Weg zu einem gottgefälligen Leben zu sein.
Damit sind die großartige moderne Freiheitsidee und die existentielle Bedrohung
unserer Lebensgrundlagen in ihrer ideengeschichtliche Wurzel verwandt… (a. a. O. S.20)
… das Bedauern der doppelten Freiheitsgefahr setzt voraus, daß eine
freiheitliche und die Belange künftiger und „südlicher“ Menschen achtende
Lebensweise geboten ist… (a. a. O. S.21) … Damit wird unsere Freiheit von Grund
auf neu konzipiert; vor allem werden erstmals … junge und künftige sowie in anderen
Erdteilen lebende Menschen zu
gleichberechtigten Trägern
menschenrechtlicher Freiheit (Generationengerechtigkeit und globale
Gerechtigkeit.) Die Freiheits- und Autonomieidee fordere ich also nicht nur
universal in allen Gesellschaften, sondern auch global zwischen den Menschen
verschiedener Gesellschaften und verschiedenen Zeiten… (a. a. O. S.22)
Man beachte,
dass E. Gerechtigkeit an AUTONOMIE koppelt, während sie biotel stärker auf
GEGENSEITIGKEIT (Wechselseitigkeit) menschlicher Beziehungen bezogen wird.
Nicht nur von
religiöser, u. U. fundamentalistischer Seite sowie von kulturrelativistischen
Kontextualisten innerhalb und außerhalb
Europas, die die Gerechtigkeit in „kulturellen Grundwerten“ und den jeweiligen
z. T. auch autoritären „Traditionen“ verkörpert sehen, kommt zunehmend radikale
Liberalismus- und Universalismuskritik.
Ebenso gewinnen spiegelbildlich skeptizistische (geradezu postmoderne)
Ansätze eine wachsende Anhängerschaft. Sie bezweifeln ganz generell, dass
Gerechtigkeit und Rationalität möglich sind – und reduzieren damit die
Gerechtigkeit auf politisch-ökonomische Machtspiele oder beliebige
Mehrheitsentscheide, begleitet durch Formen „privater Selbstverwirklichung“ der
Bürger…. Wie aber muss eine Freiheit aussehen, die allen Menschen in einer
globalisierten Welt Entfaltungschancen bringt – und zwar dauerhaft und ergo
nachhaltig? Dies ist auch unabhängig von der Zukunfts- und Nord-Süd-Thematik
die Kernfrage danach, ob und inwiefern so etwas wie eine gerechte Gesellschaft
möglich ist – sei es in supranationalen Gebilden wie der EU, sei es im
Nationalstaat, sei es zwischen den Menschen verschiedener Erdteile. (a. a. O.
S.23,24)
Hier wird
die Nationalstaatlichkeit von E. wenigstens noch ernstgenommen.
Kap. V ..zielt auf
einen philosophischen und verfassungsrechtlichen modernen Liberalismus, der
zugleich eine umfassende Kohärenz der Gerechtigkeitstheorie mit der
Interpretation liberaler Verfassungen darstellt… (a. a. o. S.24)
…Freilich muß die nachhaltige, freiheitliche Gerechtigkeit nicht nur begründet,
interpretiert und abgewogen werden – sie bedarf auch der faktischen
Durchsetzung in dieser Welt. Der dafür nötige steuerungstheoretische
Liberalismus (Kap.VI) versteht sich als Konzept, wie Nachhaltigkeit real werden
kann (durch Wettbewerb? Selbstregulierung? Verbote?)….
C. Nachhaltigkeit * intergenerationelle und globale Gerechtigkeit
…. Nachhaltige Entwicklung meint, dass unsere Kinder und Kindeskinder auch
morgen noch etwas auf dem Teller haben – und dass überhaupt erstmals alle Menschen
dieser Welt etwas auf den Teller bekommen. Es geht also um eine lebenswerte.
freiheitliche und friedliche Erde für alle Menschen… (a. a. O. S.25)
Na ja, dann folgt die Zieldefinition der Brundtland-Kommission
http://www.are.admin.ch/themen/nachhaltig/00266/00540/00542/
D.
Der bisherige verfehlte
Nachhaltigkeitsdiskurs: Worthülsen ohne Begründung, Konkretisierung und
praktische Durchsetzung.
Das Thema der Nachhaltigkeit ist eine dauerhaft und global lebenswerte Welt. Schon rein vom Wortsinn her setzt
Nachhaltigkeit immer den Langzeitbezug voraus… (a. a. O. S.27)
… ein falsches Verständnis von Umweltschutz als reines Schadstoffproblem… Damit wird Reduktion von Stoffverbrauch,
Klimainanspruchnahme, Ozonschichtschädigung etc. für den Westen als Form der
nachhaltigen Entwicklung impliziert… (a. a. O. S.28),,, bekannte… vier
Nachhaltigkeitsregel… Die Regeln überschneiden sich und bilden in der
Ressourcenfrage eine integrierte („einsäulige“) Perspektive, wie ich sie aus
den Gründen der Unterscheidungsunmöglichkeit und aus Gründen der begrifflichen
Klarheit ja selbst favorisiere. Hinzutreten könnte im Sinne physischer
Grundbedürfnissicherung eine elementare Existenzsicherung für alle
einschließlich Rente und elementare Bildung (weltweit) ebenso Fragen des
Staatshaushaltes. (a. a. O. S.29,30) „Ganz allgemein Bildung“ hat dagegen nicht direkt mit Nachhaltigkeit
zu tun. Denn bei ihr wäre wiederum nicht klar, wie heutige Menschen sie über
lange Zeiträume ermöglichen oder verhindern könnten. Sehr wohl relevant sein
kann dagegen der Zugang zu sauberem Trinkwasser und medizinischer Behandlung –
und die Abwesenheit von Krieg und Bürgerkrieg. All dies ist begrifflich die Idee der Nachhaltigkeit…
(a. a. O.S.30)
Warum der Bogen um die Bildung herum, wenn so große Sicherheit, die ja ohne umfassende Bildung nicht gewonnen und erhalten werden kann, in fast schon sozialistisch-kommunistischer Art versprochen wird?
… Nachhaltigkeit handelt
eben von einer dauerhaft lebenswerten Welt – und wohl kaum davon, wie wir ohnehin schon Reichen noch reicher
werden könnten… (a. a. O. S.30)
… Eine pauschale Erhaltung von Besitzständen ist darum das letzte, was das
revolutionäre neue Konzept der Nachhaltigkeit im Sinne hat… (a.. a. O. S.31)
… Wenn es freilich um die Durchsetzung des Gerechten, oftmals nach Vornahme
einer Abwägung zwischen widerstreitenden Zielen/Normen geht, verläßt man das
Feld der normativen und kommt zur instrumentellen Vernunft. Diese betrifft die
Effektivität bestimmter Maßnahmen. Effektivität
bezeichnet die Wirksamkeit bestimmter z. B. von politisch-rechtlichen
Steuerungsinstrumenten im Hinblick auf ein als richtig vorausgesetztes Ziel
wie etwa die Nachhaltigkeit…
Hinter der Vernunftebenenentscheidung steht die Scheidung von Sein und Sollen
bzw. Tatsachen und Wertungen/Normen/Zielen/Zwecken/Präferenzen (ich verwende
diese Begriffe synonym) Sie bildet in diesem Buch eine entscheidende Rolle.
Wäre auf der Welt „alles Wertung“, könnte man z. B. keine empirischen Aussagen
über die Steuerungseffektivität einer Maßnahme X zur Erreichung des
vorausgesetzten Ziels Y treffen - oder über Naturtatsachen (Klimawandel) oder
über Erklärungen für unsere Nicht-Nachhaltigkeit. Die Scheidung ist ferner entscheidend
für die (mangels Gründen dafür) bestehende Unmöglichkeit, von Tatsachen direkt
auf Normen zu schließen („naturalistischer Fehlschluss“). (a. a. O. S.34,35)
Aus dem Klimawandel (Fakt) z. B. folgt nicht sein Verbotensein (Norm), Denn dieser Schluss wäre sinnlos, auch wenn
viele öffentliche Diskussionen so laufen und viele Ökonomen und
Naturwissenschaftler so denken. Denn es folgt ja auch nicht aus dem Faktum.
Dass Herr X den Y erschießt, dass diese Tat als „moralisch schlecht“ zu
bewerten ist. Um diese Bewertung vorzunehmen, genügt das Vorliegen einer
Tatsache nicht – man braucht vielmehr ein Bewertungskriterium, also z. B. eine
Norm. Die sagt, „man soll keinen Menschen töten“ oder „man soll die
menschlichen Lebensgrundlagen und ergo auch ein stabiles Globalklima erhalten.“
Deshalb sagen auch die faktische
Nicht-Nachhaltigkeit und die faktisch hinter ihr stehenden Motive nichts
darüber aus, ob unser Leben nachhaltiger werden sollte – ob es also gute Gründe
für einen Wandel gibt…
Es wird im Folgenden zentral sein zu zeigen… dass man …über… Wertungen… mit Gründen (rational) streiten kann… daß Grundordnungen/Normen/Präferenzen (universal)
begründbar sind – wogegen sich andere Quellen für Wertungen als die Vernunft
(die Tradition, die Religion usw.) als unhaltbar erweisen werden…. (a. a. O.
S.35)
…Klar ist natürlich, dass Tatsachen natürlich
den „Anwendungsbereich“ einer Wertung/Norm angeben. Der Satz „Zukünftige Menschen haben ein
Grundrecht auf das Existenzminimum“ ist ein wertender Satz, ebenso wie die
Konkretisierung „Jenes Grundrecht setzt sich in der Abwägung immer durch, wenn
es mit dem Grundrecht auf unternehmerischer Freiheit der heute Lebenden
kollidiert oder die weitere Konkretisierung die unternehmerische Freiheit
enthält, vorbehaltlich der Abwägung mit
gegenläufigen Rechten, die Garantie, Atomkraftwerke betreiben zu dürfen“. …(a.
a. O. S.36)
Wirklich eine Vermischung träte aber ein, wenn man sagen würde, daß – entgegen
dem Gesagten – tatsächlich in der Bevölkerung vorfindliche Normen als solche
irgendeinen Anhaltspunkt für ihre eigene Richtigkeit bieten, dass also der
jeweilige „kulturelle Kontext“ oder auch die eigennützigen faktischen
Präferenzen einfach als per se „richtig“ anzusehen sind. Würde dies zutreffen,
entstünde die ziemlich ungemütliche Frage, ob ein neues, der Tradition und den
eigennützigen Präferenzen fremdes Ideal wie die Ausweitung von Gerechtigkeit
und Recht ins Intertemporale und Globale jemals begründet werden kann. Eine
solche Sein-Sollen-Verknüpfung scheitert jedoch (Kap.II). … (a. a. O. S.37)
Ich übergehe
die Argumente gegen die „Postmodernen“ mit ihrem Konstruktivismus, obgleich sie
in der Schul-Inklusionsdebatte Wasser auf meine Auffassungs-Mühlen wäre.
Ursachen und innere
Tatsachen sind vielleicht schwer zu beweisen, ebenso wie ein Mörder mitunter
schwer zu finden ist…
Damit lassen sich Tatsachen von Wertungen/Normen scheiden. Wann aber sind
Normen, Wertungen, Grundordnungen gerecht und
begründet? In der
Gere3chtigkeitsphilosophie lassen sich spätestens seit der frühen Neuzeit im
wesentlichen vier Grundansätze auseinanderhalten. Ich nenne diese vier –
natürlich stilisierten – Richtungen (a) kontextualistisch,, (b) metaphysisch. (c) liberal und (d) skeptizistisch,
wobei die Richtungen teilweise auch kombiniert auftreten (etwa im Marxismus
oder der Rede von einem „ewigen Naturrecht“). (a. a. O. S.39,40) Sie finden die Gerechtigkeit
unter Berufung auf (a) Herkommen und tatsächlich gelebte Kulturtraditionen und
Intuitionen („Kontext“); (b) auf jenseitige Instanzen wie Gott oder ewige
Ideen; (c) auf die normative Vernunft; (d) unter Bestreiten jeder
Normbegründbarkeit einfach „gar nicht“. Die letztere, skeptische Sicht heiße
positivistisch, sofern sie normative Prinzipien für möglich hält und diesen
lediglich die Begründbarkeit abspricht; sie heiße postmodern, wenn sie nicht
nur Normen; sondern konstruktivistisch auch Tatsachen für reine subjektive
Konstruktion und für unbegründbar hält; und nihilistisch, sofern einfach jede
Norm (und nicht nur wie bei den Positivisten und Postmodernen deren
Begründbarkeit) abgelehnt wird. Eine spezielle Variante des Positivismus sind
übrigens die (hobessianischen) ökonomischen Eigennutz-Theorien.
Liberalismus nenne ich entgegen verbreiteter Übung (in der Presse sowie der
Ökonomie und der Jurisprudenz) nicht den alten, z. T. autoritären
Wirtschaftsliberalismus. Liberalismus ist hier einfach die Lehre, die diejenige Grundordnung für gerecht hält, die
gut und womöglich universal begründet ist, also der normativen Vernunft
entspricht. Diese liberale Vernunft
unterscheidet sich dabei von anderen Lehren; die sich z. T. ebenfalls
vernünftig nennen, durch ihren kritizistischen Anspruch, also durch ihre
Reflexivität. >liberale < Normen werden, noch ungeachtet aller Details,
nicht religiös oder aus rein faktisch gelebten Sitten deduziert. Vielmehr
werden vorfindliche Traditionen kritisch auf rechtfertigende Gründe befragt…
Meine Thesen zu Nachhaltigkeit und Freiheit… richten sich auf eine allgemeine
Gerechtigkeitstheorie. Sie richten sich aber auch auf eine Interpretation der
nationalen, europäischen und globalen Verfassung. (a. a. O. S.40,41) Deren Gegenstand ist ja gerade die richtige
Grundordnung des Zusammenlebens oder wenigstens von Entscheidungen, die für
“alle“ gültig sein sollen. (Die weitere Frage nach der „persönlichen Moral“,
also danach, wie sich der einzelne verhalten soll, kommt im Liberalismus, der
innerhalb des Gerechtigkeitsrahmens gerade breite Freiräume eröffnet, nicht
gesondert vor, wie man noch sehen wird, sondern beschränkt sich auf die Pflicht
für die richtige Grundordnung und ihre
optimale Verwirklichung einzutreten.) Damit entsteht die Frage nach dem Verhältnis
von Gerechtigkeitstheorie und Verfassungsinterpretation. Dabei erübrigt
keinesfalls die Existenz einer Verfassung die Frage nach der Gerechtigkeit der
Grundordnung (wie einige Juristen meinen), Denn um sagen zu können, ob eine Verfassung
gerecht oder ungerecht ist , braucht man ein Kriterium, das nicht selbst wieder
aus der Verfassung entnommen sein kann
(sonst wird man zirkulär)…. Aber was begründet die Verfassung selbst (und damit
indirekt auch die einzelnen Gesetze, deren Gerechtigkeit ja an der
Gerechtigkeit der sie begründenden Verfassung hängt)? … Und auch rein faktisch
wird eine liberale Verfassung dauerhaft nur akzeptiert werden und damit real
durchsetzbar sein, wenn sie begründet ist…
Da die Gerechtigkeitslehre ergo der Grund des Rechts ist, dirigiert sie auch
seine Auslegung in den sehr unklaren Rechtsbegriffen der Verfassung wie z. B.
Freiheit, Würde, Demokratie. Denn wie wollte man sonst rationale Kriterien
dafür gewinnen, was jene Begriffe, die
in jeder okzidentalen Verfassung auftauchen,
dort aber nicht näher definiert werden , bedeuten? (a. a. O. S.41,42)
… Und zwar braucht man für die Rechtsinterpretation gerade den Liberalismus.
Nicht nur, weil diese Gerechtigkeitstheorie die unhintergehbar gerechte und zwingende ist (Kap. II), sondern auch
weil unsere Verfassungen spezielle Anhaltspunkte für eine liberale
Affinität enthalten – z. B.in Gestalt der Verwendung der liberalen Grundbegriffe…
zuletzt noch folgendes: Verfassung und Recht sind keinesfalls einfach „die
Interpretation der Verfassung/des Rechts durch das Gericht X Y“ bzw. „durch die
Mehrheit“. Denn diese Interpretation kann falsch sein…. Ich trenne deshalb in
folgenden die Frage nach den inhaltlichen Gerechtigkeitskriterien (Kap. II, III,
IV) von der Verfahrensfrage, welche Instanzen,/Mehrheiten/Gerichte diese
Kriterien am ehesten gerecht anwenden können (Kap. IV D, V). … (a. a. O. S.42)
… daß Rechtsinterpretation im Kern
wertend , aber ebensowenig irreal (Kap. II) ist wie liberale Philosophie.
Denn es ist eben keine Verfahrensfrage, was man z. B. unter Freiheit zu
verstehen hat und da das gesamte Recht
stets im Lichte der Verfassung auszulegen ist, ist die Interpretation aller
Gesetze stets normativ…. (a. a. O. S. 43)
II Wann sind
Gesellschaften gerecht? Eine
universalistische Neubestimmung
…Ist Gerechtigkeit
schlicht eigennutzenabhängige oder einfach irrationale Ansichtssache, oder ist
sie kulturrelativ – oder ist gerade die Gesellschaft gerecht, die bestimmten
religiösen Prinzipien folgt? ... oder ist sie liberal(normativ rational
bestimmbar? Dies ist die Grundfrage einer globalisierten und zerrissenen Welt,
die wegen dieser Frage Terror, Kriege und Bürgerkriege führt – und die nach
ihrer Zukunftsfähigkeit sucht… Ja, wir
können ein solches Ideal begründen….
Nur ist dieses Ideal weder der alte okzidentale Liberalismus noch der
islamische Gottesstaat – und es ist auch nicht die postmoderne Beliebigkeit,
für die alles irgendwie „okay“ oder eine bloße Mehrheitsfrage ist… (a. a. O.
S.44)
A. Warum Religion, kulturelle
Grundwerte, Postmoderne und Wirtschaftsliberalismus keine Probleme lösen
Wann sind eine
Gesellschaft und ihre Ordnung gerecht?
Warum sollte gerade jene Ordnung die allein richtige sein, die Freiheit
und Demokratie verheißt, sei es in Europa oder sonst wo immer? Die Liberalen sind es, die die These von der
universalen Richtigkeit der Freiheit für jede einzelne Gesellschaft weltweit
vertreten, und sie begründen dies meist mit zwei Kernideen: mit der Würde jedes
einzelnen Menschen und mit dem Unparteilichkeitsprinzip. Würde (gleiche
Achtung) sei im folgenden – vor aller
Detailerfassung – verstanden werden als der gebotene Respekt vor dem einzelnen
Menschen als autonomes Wesen; Unparteilichkeit
heiße Nichtidentifikation einer Ordnung mit Sonderinteressen. Der alte
Liberalismus, der das abendländische Denken seit langem beherrscht, betrachtet
jene zwei Prinzipien als Vernunftgebote. Seine klassische Form, um deren
Revision in puncto Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Freiheit es vorliegend
gehen soll, findet sich bereits markant bei Immanuel Kant (und heute z.B. bei
Ottfried Höffe). Kants Streben, situiert
im zeitlichen Kontext der nordamerikanischen
und Französischen Revolution, galt einer zwingenden, unhintergehbaren
Fundierung der politischen Freiheit, also
des unveräußerlichen Rechts jedes Individuums, selbst über seinen Lebensentwurf
zu bestimmen und möglichst frei zu bleiben
von staatlichem Zwang. Für Kant folgt
ein solches Recht zwingend aus der
menschlichen Vernunftbegabung und der in ihr enthaltenen
Willensfreiheit, also der Fähigkeit zum reflexiven Umgang mit Einflüssen, die
auf einen einwirken. Jeder Mensch als
Mensch habe die Befähigung, Gründe zu geben und Zwecke zu setzen; und dies
verleihe ihm eine universale und unverlierbare Würde, gebe ihm also einen
intrinsischen Wert und zwinge dazu, seine Autonomie zu achten.
Fußnote: Übrigens sieht man schon bis hierher: Die vier Konzeptionen des
>Verhalten-Sollens“ (liberal/metaphysisch/ kontextualistisch/skeptisch)
knüpfen in gewisser Weise jede an besonders einen der vier Faktoren des
>faktischen Verhaltens< an (normative
Vernunft/Gefühl/Konformität/instrumentelle Vernunft) – die zur Scheidung
materiell/genetisch/kulturell bekanntlich quer liegt. (a. a. O. S.45)
Aber - so
muss ich entgegnen – der einzelne Mensch, zumindest wenn man einen aus dem
Durchschnitt herausgreift, wird wohl kaum sein Verhalten im Einzelnen – schließlich
gar noch in seinen Folgen „intertemporal und global“ – übersehen und deshalb
auch verantworten können. Die Biotelie-Konzeption geht davon aus, dass nahezu
in der Regel ein Sein die Veranlassung und Anregung zu einem Sollen gibt, so
wie eine Knospe in uns bereits die Vorstellung des aus ihr sich entfaltenden
Blattes anregen kann. Aber die Komplexität der Lebenszusammenhänge besonders
heute erfordert für eine vernünftige Gesetzgebung den Einsatz einer an der
Wirklichkeit orientierten und um Wahrheit ringenden Wissenschaft, um wenigstens
bei Teilentscheidungen die richtige, lebenstragende Wahl zu treffen. Das
Zusammenziehen aller lebenstragenden Prinzipien auf eines, nämlich auf die
AUTONOMIE dient vermutlich der Anwendungsfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit
der Gerechtigkeit weltweit und in die Zukunft hinein wenig. Eine gewisse
PLURALITÄT (Vielfalt) der Lebensauffassungen und auch der Regierungsformen wird
man zulassen müssen, bereits des Wettbewerbs und der dabei sich entwickelnden
AUSLESE zum Besseren hin, also der „nachhaltigen Entwicklung“, wegen. (Dies
bestreitet auch E. nicht.) Dass die Demokratie als Staatsform geboten wäre,
dafür gibt eigentlich auch E. keine Belege; denn gegen Mehrheitsbeschlüsse
äußert er Bedenken und will sich in die Gewaltenteilung retten, bei der dann
schließlich Gerichte, d. h. Juristen wieder das letzte Wort hätten, da sie ja über
die Anwendungs- und Auslegungsart der liberalen Verfassungsgrundsätze
entscheiden. Aber die Freiheitsbelastung über die Verrechtlichung des Lebens
ist ein Kreuz, wie es besonders im explodierenden Versicherungswesen etwa der
USA deutlich zutage tritt.
Das Gewicht und die Wertschätzung der direkten Demokratie wird von E. umgangen.
Dabei werden Kollektivzusammenschlüsse eigentlich nur auf freiwilliger Basis
gerechtfertigt, von einem Eigenwert der Familie und der Gemeinschaft überhaupt ist
bei ihm nicht die Rede. Der Staat als beliebig errichtete Verwaltungsinstanz –
von Neoliberalen in den letzten Jahrzehnten im geistigen Schlepptau des
Marxismus zugunsten einer illusorisch-utopischen Weltgesellschaft bereits
aufgegeben – wird als Regelungs- und Vermittlungsinstanz zwischen den
Individualrechten dann doch von E. als unentbehrlich anerkannt; wie sollten die
Rechte etwa künftiger Generationen auch über eine Art Ombudsmänner oder –frauen
auch sonst wahrgenommen werden?
Biotelie folgt dagegen den Vorbildern bereits im Tierreich, die häufig
kollektiv zusammenhalten (müssen), und spricht auch rechtlich Kollektiven und
vor allem gewachsenen Gemeinschaften genuine Rechte zu. So wie der
Mehrheitsbeschluss in der Demokratie im biotelen System ernst genommen wird, so
auch das Gemeinwohl als Ausdruck von Vorteilen für die Mehrheit. Minderheiten
haben zwar auch Rechte für ihre Eigenständigkeit, die sie aber dem Willen, den
Traditionen und der Kultur eines Mehrheitsvolkes unterzuordnen haben. Nur so
kann vermieden werden, dass der heute unübersehbare Kampf der Kulturen sich
nicht noch weiter verschärft (Zur Erinnerung: das auch biotel durchaus zu
rechtfertigende, ja fast zwingende, im Ausland viel gescholtene Minarettverbot
in der Schweiz!). Dem Maßstab der individuellen Freiheitsmaximierung – wenn man
so die biotelen Aspekte-Abwägungen in denjenigen der AUTONOMIE zusammenzieht –
für alle jetzt und künftig Lebende kann nicht einmal ein juristisches Genie (wie
es E. anerkannter Weise ist) gerecht werden.
Gemeinwohl, aufgefasst als subsidiäre (gestaffelt aufgebaute) Verantwortung
über Familie, gewählten Verein, Gemeinde, Nation bis hin zur Menschheit ist ein
Wertgefüge, das von den (meisten) Individuen geachtet wird und geachtet werden
muss. Von der verabsolutierten Freiheit der Individuen zum Bruch der damit verbundenen (globalen)
Verantwortung gemäß E.‘ neuem Liberalismus ist es für nur auf Entschuldigung
ihres Egoismus lauernde Durchschnittsmenschen nur ein Schrittchen. Auch E. hat
sich mit mir nicht in den erbetenen Dialog um Gründe (das geradezu
heilig-gesprochene Diskursrecht!) eingelassen. Ich kenne auch keine Instanz in
der dies heute der Fall wäre, ehe das biotele Gutachtenverfahren hier Abhilfe
schafft.
…Für Kant… [hat ] jeder
Mensch… die Befähigung, Gründe zu geben und Zwecke zu setzen; und dies verleihe
ihm eine universale und unverlierbare Würde, gebe ihm also einen intrinsischen
Wert und zwinge dazu, seine Autonomie zu wahren. Dies aber gelinge nur, wenn er
ein möglichst umfassendes Recht auf politische Freiheit habe. (a. a.O.S.45,46)
Dies klingt nun vielleicht gut und vertrat.
Bei näherem Hinsehen ist jedoch so ziemlich alles unklar. Warum folgt
aus der Vernunft der Respekt vor dem autonomen Individuum und womöglich auch
noch der kategorische Imperativ, also die Kantsche Version des
Unparteilichkeitsprinzips: dass eine Norm und ein Handeln genau dann gerecht sind, wenn sie zum Maßstab
einer allgemeinen Gesetzgebung dienen könnten?
Halt einmal!
Kant spricht ausdrücklich davon, dass die Maxime
[= Absicht] des Handelns so beschaffen sein soll, dass sie zu einem allgemeinen
Gesetz tauge; es geht ihm also hier um die Gesinnung, um Moral und nicht um die
Handlungsfolgen selbst, um Politik oder Recht.
Kants Vorstellung, universale Prinzipien wie die
Unparteilichkeit schlicht als >Faktum< in der Vernunft auffinden zu
können, ist nämlich einigermaßen unklar. Das gilt auch für seinen Hinweis auf
die Willensfreiheit als Grundlage der liberalen Prinzipien. Die menschliche
Willensfreiheit ist zwar eine notwendige (aporetische und nicht wirklich erklärbare, daher
letztlich aber auch >unproblematische<) Vorannahme jedweder Gerechtigkeitslehre,
denn ohne freies menschliches Entscheidenkönnen ist die Frage nach der
menschlichen Moral witzlos. Sie allein
aber begründet keine Rechte, weil sie eine bloß empirische Befähigung ist – und aus dieser folgt nicht logisch die
Würde, also das Prinzip des Autonom-sein-Sollens der Individuen gegenüber
anderen (sonst: naturalistischer Fehlschluß). Aus der menschlichen
Entscheidungsfähigkeit (Willensfreiheit) folgt also noch nicht die Norm, daß wir
einen Anspruch auf freie Entfaltung haben sollen (poltisch-rechtliche
Freiheit). Wenn Kant demgemäß keine wirkliche Begründung der liberalen
Prinzipien Würde, Unparteilichkeit, Freiheit anzubieten scheint (wie ich hier,
notgedrungen in Übergehung divergierender Literaturansichten, feststelle),
setzt er sich dem – z. B von Apel
und Habermas
erhobenen – Verdacht aus, eine vage und substantialistische
Theorie zu formulieren. Es wird also einfach irgendein Inhalt in die Vernunft
hineingelesen…. [weil] er …über kein
bzw. kein näher konkretisiertes Konzept von Freiheit, Demokratie,
Nachhaltigkeit usw. verfügte…(a. a. O. S.46,47) Dies betonen auch die
Vertreter.. die ich Kontextualisten nenne (bzw. Kommunitarismus/Kohärismus) und
die man vielleicht mit Hegel und Aristoteles assoziieren kann. Sie reicht aber
viel weiter zurück und ist der eigentliche historische Ausgangspunkt aller
menschlichen Moral und die altehrwürdige Basis allen Nachdenkens über Gerechtigkeit…
Als richtig galt schlicht das, was man von der eigenen Familie, der
eigentlichen Horde, dem eigenen Dorf gelernt hatte. Und auch heute ist ein
solches Denken in unseren Köpfen rein faktisch irgendwie präsent
(>Konformität<). Es führt uns zu Fragen, die uns aus den Kantschen Wirren
scheinbar auf festen Grund führen – die uns aber auch von vornherein an der
Möglichkeit einer universalen Gerechtigkeitstheorie und einer Theorie der
Nachhaltigkeit zweifeln lassen. Muss es vielleicht einfach >jeder Kultur<
überlassen bleiben, ob Kopftücher in Schulen verboten werden sollen? Ob wir
künftige Generationen stärker beachten sollten – und ob das Kollektiv wichtiger
ist als das Individuum? Erst recht meinen dies z.B. islamische und chinesische
Kontextualisten. Man kann ja auch mit großer Suggestivkraft für Terroristen
fragen: Drückt der Liberalismus nicht der Welt kulturimperialistisch einen
westlichen Stempel auf, einmal abgesehen davon, daß der alte Liberalismus
wesentliche Bedingungen unserer nicht nachhaltigen Welt (Kap. I A.) generiert
hat? (a. a. O. S.47,48)
Mit Biotelie
bin ich der Auffassung, dass wir tatsächlich den Kontext mit unseren Ahnen
nicht dergestalt und in dem Umfange zerreißen sollten und dürfen, wie das heute
geschieht, nicht zuletzt durch Überfütterung einer Wissenschaft, die sich am
Zweifel auch an allem ernährt, was sich seit jeher bewährt hat. So ist
Gerechtigkeit für mich und für uns in erster Linie ein Ausdruck menschlicher
GEGENSEITIGKEIT (Wechselseitigkeit): >Ich gebe – du gibst< unter dem
Sinnbild der Waage (als Ausgeglichenheit).
Die kennt die Bibel und bezweifelt auch der Koran nicht. Darauf müsste schon
einmal eine Gemeinsamkeit aufgebaut werden. Aber – und damit sollte der Westen
sich nicht einfach abfinden – der Koran verweigert den Menschen anderer
Weltanschauung diese Gemeinschaft in GEGENSEITIGKEIT; und das Fatale ist, dass
unsere Politiker und die maßgebenden Kreise einschließlich der Medien diesen
selbstmörderischen Kurs unterstützen gegen die Interessen ihres Volkes, zu
dessen Wohl sie sich teilweise sogar eidlich verpflichtet haben: wer es wagt, sich
auf die freiheitliche Verfassung, auf Meinungsfreiheit zu berufen und die
Interessen des eigenen Volkes vor denjenigen anderer, die uns ablösen und uns
kaum noch Rechte zugestehen werden, zu vertreten, der wird (wie derzeit PEGIDA)
wie ein Staatsfeind bekämpft. Ich habe nichts davon gehört, dass unser Prof.
Ekardt oder andere Vertreter seiner Zunft in wahrnehmbarer Anzahl sich gegen
diesen Bankerott des Liberalismus zur Wehr gesetzt hätten. Von „Achtung und
Unparteilichkeit“ kann da doch nicht mehr die Rede sein! Wie wird Demokratie
als Mehrheitsherrschaft nun wirklich praktiziert? Ist diese Frage wirklich erst
eine Frage der Ausführungsinstrumente für Gerechtigkeit? Bei ihrer Entstehung
stand doch der Gedanke der Gleichberechtigung der Bürger Pate, was für gerecht
gehalten wurde. Geht es beim Regieren und schon beim Verhalten jedes einzelnen
eigentlich wirklich nur um Gerechtigkeit, und nicht auch um Richtigkeit und um
angemessene Reaktion zur Vermeidung unerwünschter Folgen zumindest für die
Mehrheit, wenn nicht für alle oder (im Extremfall der Zumutung) schon für
einzelne?
Der
Kontextualismus erscheint beruhigend und
vertraut. Gleichwohl ist eine kontextualistische Position unhaltbar, und zwar
schon als Grundlagentheorie – von bestimmten Folgeproblemen für Nachhaltigkeit
und Freiheit noch ganz abgesehen. Zunächst einmal: Warum sollte die tatsächlichen Moraltraditionen per se als richtig
gelten?
Weil sie
sich in Jahrhunderten und Jahrtausenden herausgebildet und in vielfacher
Hinsicht für das Überleben der Menschen bewährt haben, ehe unsere
Professorenzunft ins Gigantische erweitert wurde und zunächst einmal alles in
Zweifel ziehen muss, um beschäftigt zu sein.
Oder wenn wir unsre Intuitionen am jeweils geltenden Recht
festgemacht werden: Warum sollten die gerade geltenden Gesetze immer und in
jedem Fall als gerecht anzusehen sein?
Muss denn
von jedem Gesetz zunächst einmal gefordert werden, dass es gerecht ist: genügt
es denn nicht, wenn es richtig ist, d. h. aufgetretene Schwierigkeiten und
Probleme unter möglichst geringen Verlusten oder gar mit Zuwachs an Vorteilen
löst? Freilich darf und muss sich dann auch die Frage nach der Gerechtigkeit
stellen, die Frage darnach, ob es dabei nicht vermeidbare Nachteile für gewisse
Personen oder Personengruppen gibt. Aber die Problemlösung steht doch zunächst
einmal im Vordergrund und muss sich ursprünglich nicht auf Gerechtigkeit
beziehen; dieser Aspekt der GEGENSEITIGKEIT läuft immer nebenbei; er muss nicht
Ursache eines Gesetzes sein. Oft wird sich erst im Nachhinein zeigen, ob und
inwieweit ein Gesetz auch die Anforderungen der Gerechtigkeit erfüllt; diese
Ungewissheit hinsichtlich seiner Tauglichkeit betrifft natürlich auch die
Problemlösungsfähigkeit jeden Gesetzes.
… Dazu kommt noch
folgendes unlösbare Problem: Wessen Intuitionen sollen überhaupt die
maßgebliche >kulturelle Tradition< sein: die der Mehrheit, der
Allgemeinheit, der Zwei-Drittel-Mehrheit, der Arbeiterklasse, der
Linkintellektuellen? ... (a. a. O. S.48)
Der
Linksintellektuellen natürlich! (Zu denen ich E. ebenfalls zähle, denn er kann
den derzeitig vorherrschenden Stallgeruch nicht ablegen.)
Man sieht hier, daß
kontextualistische Ansätze letztlich in die Beliebigkeit führen – denn ohne
klare Empirie kann ein Kontextualist
einfach beliebige Thesen über >unsere Intuitionen< aufstellen und
damit die Gerechtigkeit manipulieren, Zumindest zeigt sich hier, daß Kontextualisten
keine Argumente gegen einen mehrheitlich gewollten Fundamentalismus, Faschismus
oder Kommunismus haben – und daß sie noch aus einem anderen Grund
autoritär sind: Kontextualisten unterschieben >uns<
gerne irgendwelche Intuitionen, ohne überhaupt empirisch zu überprüfen,
ob dies wirklich unsere Intuitionen sind…
(a. a, O, S.48,49) … Beispiel >China< … All dies
kann man für die Nachhaltigkeit veranschaulichen:
Bedeutet die heute verbreitete Begeisterung z. B. für einen radikalisierten
Individualismus, eine hypostasierte Anthropozentrik und ein überhöhtes
Fortschritts-, Wachstums- und Arbeitsethos, daß jene Ideale gerecht sind? Warum
sollte unsere rein faktische Ignoranz gegenüber der Nachhaltigkeit ihre eigene
normative Richtigkeit belegen? … Wenn eine Theorie jeweils nur das Vorfindliche
rekonstruiert und damit die Zeitgebundenheit alles Normativen betont, gerät das
Zukunfts- und Nord-Süd-Problem niemals in den Blick…(a. a. O. S.49) … Es gibt eben doch eine universale
Richtigkeit von Aussagen jenseits aller Kulturrelativität. Die Vernunft ist
damit die letzte und universale Instanz, von der aus wir über Gerechtigkeit
reden können (und nicht der soziale Kontext).
Ebenso wie kontextualistische Positionen scheitert auch der Versuch, die
Gerechtigkeit religiös zu finden. Auch religiöse Ideen haben nicht nur faktisch
einen unvorteilhaften Einfluß auf die Genese unserer heutigen
Ressourceninanspruchnahme gehabt… Sie können vielmehr auch normativ keine Rechtfertigung der Nachhaltigkeit
leisten … Doch ist Gott, wie wir seit Kant wissen, eine Frage des Glaubens – er
ist weder belegbar noch widerlegbar… (a. a. O. S.50) … Am Beispiel Jonas werden
wir noch sehen, daß religiöse und quasi-religiöse Theorien weitre Defekt
aufweisen (womit ich nicht bestreite, daß Religion manche Menschen zur
Nachhaltigkeit motiviert und damit deren faktische Durchsetzung befördert *
doch Motivation ist nicht Begründung!).
Ein gerechtigkeitstheoretischer Skeptiker würde nun einwerfen: >Da sieht man
es! Alle Fundierungsversuche einer Konzeption gerechter Gesellschaften
scheitern. Folglich ist Gerechtigkeit etwas rein Subjektives, Befreiungskriege,
Ger3echtigkeit im Welthandel, Zukunftsschutz usw. Sind eben einfach
Ansichtssache…
Anders als ihre nihilistischen Ahnherren Friedrich Nietzsche und Martin
Heidegger leugnen postmoderne Skeptiker indes >nur< die Begründbarkeit
von Normen, ohne in je4dem Fall die liberalen Prinzipien als solche abzulehnen…
(a. a. O. S.51) [Doch] wenn jede Norm
nur eine unbegründbare und nicht weiter rationalisierbare >subjektive
Konstruktion< ist, muß eine postmoderne Position selbiges gegen sich selbst
gelten lassen…
Damit zeigt sich bereits hier: Man kann der Vernunft in Wertungs- und damit
Gerechtigkeitsfragen offenbar nicht entgehen … Es gibt also eine universale
Grundlage… (a. a. O. S.52) … Selbst wenn man davon absähe, daß eine skeptische
Position sich selbst aufhebt, wäre sie zumindest sehr seltsam. Denn sie macht
uns schwach gegenüber autoritären und totalitären Lehren, die doch offenbar
auch postmoderne Denker ablehnen (etwa Foucault und Rorty, aber auch Luhmann)… Am
Widerspruchs-Argument, das die normatoive Vernunft als unhintergehbar ausweist,
scheitern auch wirtschaftsliberale und utilitaristiscjhe Präferenztheorien,
welche die unter Ökonomen und z. T. auch Soziologen und Politologe gängigen
Varianten eines positivistischen Skeptizismus sind. Sie basieren im Anschluss
an die früh-liberalen Klassiker Thomas Hobbes und z. T. John Locke auf der
instrumentell rationalen These, daß diejenige Ordnung richtig sei, die sich
ergäbe, wenn man allein den Eigennutzen der Bürger zugrundel[egt]e. (a. a. O.
S.53,54)… [Aber] die gegenwärtige
Ignoranz gegenüber der Zukunft und gegenüber dem Interesse der Südländer an
Armutsbeseitigung, gleicher Teilhabe am Welthandel usw. ist ja gerade durch Eigennutzerwägungen
westlicher Staaten und ihrer Bewohner verursacht… Doch alle
Präferenztheoretiker halsen sich mit ihrer Orientierung allein am
Instrumentellen, wie es für die historischen Anfänge der liberalen
Freiheitsidee typisch war, die Frage auf: Warum sollten faktische Präferenzen
per se das Gerechte sein? Warum soll das Eigennützige per se das Gerechte sein?
… (a. a.O.S.54)
B.
Warum die modernen Klassiker Rawls und Habermas wie Kant wichtige Stichworte
geben, aber entscheidende Fragen nicht beantworten
Die Vernunft ist also
unbestreitbar. Warum aber soll gerade die freie und demokratische Grundordnung
die allein gerechte sein, sei es in Europa oder wo auch immer, und was genau ist
daran rational? Die hinter der Freiheit
stehende Idee gleicher Achtung und Unparteilichkeit bringt der bekannteste
heutige Liberale, John Rawls, mit seinem Urzustand in ein berühmtes
Gedankenexperiment. In jenem fiktiven Urzustand sollen sich gleichwertige Entscheider (= Würde)
gegenüber stehen, und zwar unter der Bedingung des Nichtwissens darüber, wer sie im realen Leben sein werden
(= Unparteilichkeit). Für Rawls ist
dann die Ordnung gerecht, auf die sich jene Entscheider einigen würden, nämlich
eine freiheitliche und demokratische. …
Biotelie
geht in seiner gutachterlichen Verfahrensweise doch eigentlich ähnlich vor. Nur
denken wir uns die Gutachter nicht im Urzustand, sondern versetzen sie in einen
solchen, indem wir sie in das Korsett der biotelen Zielsetzung, Aspekte und
Verfahrensregeln zwängen – die sie (langfristig gesehen) allerdings erweitern
oder sonst verändern können, so sie gute Gründe dafür haben – und ihnen zugunsten
der Unparteilichkeit und je eigenen Freiheit (Unabhängigkeit) den persönlichen Kontakt
mit dem Mit- und Gegenspieler verwehren
(Unparteilichkeit). Damit wird der einzelne biotele Gutachter in eine Art
Urzustand versetzt, indem die außerhalb des biotelen Verfahrens geltenden
Maßstäbe außer Kraft gesetzt sind.
Rawls versucht
immerhin, irgendeine Antwort auf die Frage nach der Begründung seiner zwei
liberalen Prinzipien zu geben – durch ein Überlegungsgleichgewicht: Diese
eruiert unsere zwei angeblich zentralen moralischen Intuitionen, nämlich
Achtung und Unparteilichkeit, (a. a. O. S.55,56) Dies rechtfertigt er daraus,
daß sie wenigstens im Okzident akzeptiert werden. Man kann diese Rawlssche Linie „minimalkontextualistisch“ nennen…
Rawls … wirft … den alten liberalen und Kantschen Anspruch einer universalen
Gerechtigkeit über den Haufen – denn die Basisintuitionen sind eben nicht
weltweit die gleichen…
Aber ob die Begeisterung der Weltmehrheit für die Freiheit als
einzigem Endziel der Gesetzgebung und Weltordnung von E.
geweckt werden kann, scheint nicht nur mir zweifelhaft; zumal die westliche
Ordnung ja sichtbar im Zusammenbruch begriffen ist und aller Welt demonstriert,
wie Freiheit zum Untergang durch Selbstentäußerung (oder Selbstmord?) führen
kann (oder gar muss?). Will der Mensch wirklich frei sein??
Die Frage im Angesicht
der Jahrhundertherausforderung
>Nachhaltigkeit< (oder dynamische Stabilität?) ist
aber gerade, o b wir den alten Kantschen Anspruch einer universalen
Gerechtigkeit (>Gerecht ist, und zwar universal, genau die Ordnung, die der
normativen Vernunft entspringt<) wirklich aufgeben dürfen. Kant konnte aber
eben auch nicht zeigen, ob Würde und Unparteilichkeit wirklich zwingende
Vernunftgebote sind – und ob die Vernunft , noch dazu universal, wirklich
unhintergehbar ist… (Zudem scheidet Kant nicht klar genug danach, nach welchen
Prinzipien wir unsere Grundordnung bauen sollen –normative Vernunft – und nach welchen wir sie faktisch
bauen–normative und instrumentelle Vernunft,
Gefühl, Konformität . Man muss auch scheiden, ob ich vernünftige = normativ gut
begründbare Ordnungen/Handlungen auch aus vernünftigen faktischen inneren Motiven vornehmen muss;
anders als Kant werde ich das verneinen.) …. (a. a. O. S.56)
Die
Erkenntnis, dass man ein Werk zweimal
lesen sollte – Prof. Uwe Schneidewind hat dem meinigen gegenüber auf seinen
Standpunktwechsel hingewiesen – zeigt sich mir auch hier wieder: die unten auch
mich heute oft störende und unnötige Polemik im Tonfall hätte ich mir auch E.
gegenüber nach dem zweiten Durchgang erspart; denn s a c h l i c h hätten wir eigentlich häufig zusammenfinden
können.
Indem nämlich E. die AUTONOMIE mit Nachhaltigkeit verkoppelt muss er sich auch
mit den „Freiheitsvoraussetzungen“ befassen und diese als unverzichtbar
anerkennen; und diese entpuppen sich dann als die biotelen Aspekte , ohne die auch
E. nicht auskommt, da der Kopf ja nicht ohne Rumpf, Beine und Arme („Handlungen“) auskommen kann;
auch wenn er diese (nur) zur „instrumentellen Vernunft“ zählt.
Lassen sich denn nun
die Grundprinzipien Achtung und Unparteilichkeit – und mit ihnen die
Freiheitsrechte – aus der normativen Vernunft zwingend und universal rechtfertigen? Erst mit einer
solchen Rechtfertigung stünde fest, dass eine liberale Grundordnung die allein
gerechte ist…
Der neueste und interessanteste V ersuch, die liberalen Prinzipien aufzunehmen
und erstmals zu einer solchen unhintergehbaren und universalen Theorie zusammenzusetzen
stammt von den sogenannten Diskursethikern (Jürgen Habermas, Karl-Otto Apel,
Konrad Ott, Robert Alexy u. a,) Sie fassen die normative Vernunft nicht länger
als etwas Substanzhaftes auf, sondern begreifen sie eben schlicht und
abschließend als die Befähigung, Wertungsfragen mit Gründen zu entscheiden. Habermas
z. B. postuliert sodann das
Unparteilichkeitsprinzip – also das Prinzip, daß die gesellschaftliche Ordnung
unabhängig von Sonderinteressen allgemein zustimmungsfähig sein muß – als
zentrales Prinzip der Gerechtigkeit. Dies wird aber nicht wie bei Kant mehr
oder weniger bloß behauptet, sondern im Verein mit der in Kap. II gezeigten Widersprüchlichkeit eines Leugnens
der universalen Ebene so begründet: Wertungen und überhaupt Erkenntnisse seien
stets an das Medium Sprache gebunden. Sprache käme aber immer nur unter
mehreren Menschen zustande, darum wohne ihr der Zweck der „Verständigung“ inne,
die aber nur argumentativ, also mit Gründen, sicherbar sei. Sobald wir, wie
Menschen dies gewöhnlich tun, Behauptungen aufstellten, müssten wir darum den begründeten Konsens suchen. Daraus
aber ergebe sich das Prinzip, daß genau jene Norm und jene Ordnung richtig
seien, der alle möglichen Beteiligten an unseren Diskursen zwanglos zustimmen
könnten, Ferner müsse jeder seine Gesprächspartner als Gleiche achten. Das
volle Prinzip gegenseitiger Achtung gerade für das autonome Individuum, aus dem
er sodann Freiheit und Demokratie rechtfertigt, fasst Habermas anders als
Kant wohl als kulturrelativ auf…(a. a.
O. S.57.58) Die Autonomieidee soll damit
letztlich nur für den Westen verbindlich sein… Gleiches kann man Robert Alexy
fragen, der zudem eine ergänzende – instrumentell rationale (an Hobbes
erinnernde) – Begründung des Liberalismus aus dem Eigennutzen für jeden Bürger
für nötig hält, ohne zu sehen, dass wir dies vielleicht gar nicht brauchen –
und daß solche Versuche (Kap. II A). unhaltbar sind. Zweitens liefern die Diskursethiker
bisher eher Bruchstücke ab als eine vollständige Konzeption der Gerechtigkeit.
Nicht nur fehlen eine vollständige Konzeption der Freiheit und der
Nachhaltigkeit – und damit eine Antwort auf die Kernfragen unserer Zeit. Es
fehlt auch die im „Kampf der Kulturen“ wohl
entscheidende Weichenstellung , ob die menschliche Vernunft gerade das autonome Individuum zum Maßstab macht. …
Bei all
unseren Geistesverrenkungen unserer Kultur- und Sozialwissenschaftler wird
übersehen, dass über die Zukunft der Menschheit wegen der schlechten
Beratungsleistung eben dieser Wissenschaftler die Zukunft zumindest eines
großen Teiles der Menschheit –
einschließlich der zuletzt den Ton angebenden Europäern, – in die Hände der
Nachfolger einer autoritären Führung
eines Feldherrn und Gelehrten des 7. Jhdts und in die Bäuche der Muslimae
gelegt wird, bei denen Geistesfreiheit keinen hohen Rang hat. Die Demokratie
und ihre allgemeinen Menschenrechte sind zur ausschlaggebenden Waffe zu deren
Vernichtung geworden. Die Natur ist stärker als der Geist.
.. Meine
universalistische Gerechtigkeitskonzeption knüpft darum im folgenden nicht so
sehr an „Sprache an sich“ an– als
vielmehr direkt an die menschliche Praxis
des Begründens (und damit an die Rationalität) in Fragen der
Gerechtigkeit… [damit] … sich aus der normativen Vernunft womöglich nicht
nur Regeln für das Gespräch über Gerechtigkeit, sondern für das gesamte
menschliche Handeln herleiten lassen. (a. a. O. S.58,59) Und das ist es ja, was wir suchen: Regeln
nicht dafür, wie wir uns unterhalten sollen. Wir suchen vielmehr Regeln unseres
Zusammenlebens und der gerechten Lösung unserer Konflikte …. Und zwar
universale Regeln und damit eine Nachhaltigkeitsbasis…
C.
Ein universalistischer Neuansatz: Vernunft, Würde, Unparteilichkeit, Freiheit
als unbestreitbarer und alleiniger Kern von Gerechtigkeit
… Ich behaupte also: (I) Gerecht ist eine politische
Grundordnung nur dann, wenn sie dem Achtungs- und dem Unparteilichkeitsprinzip
genügt, dies neu begründet und daraus Freiheitsrechte und Demokratie herleitet.
Freilich ist die Richtigkeit, so meine weitere These, nur gegeben, wenn die
Ordnung (II) die Freiheitsrechte zeitneutral und auch (III)
global-zwischenstaatlich anerkennt (sich als der Nachhaltigkeit öffnet) und (
IV) den Freiheitsbegriff neu interpretiert. Dies wäre der prinzipielle
Bruch mit der altliberalen Tradition. Ich strebe ihn an, indem ich
transzendental argumentiere.
Transzendentale Argumente zeigen, daß ein bestimmter Satz ) z. B. eine
bestimmte Norm) nicht bestritten werden kann, ohne daß der Bestreitende die
Norm gleichzeitig wieder voraussetzt. (a. a. O. S.59,60) Sie sind also ein >negativer Beweis<, ein Argument
der Unbestreitbarkeit. Dies macht im Gegensatz zum positiv-deduktiven Beweis,
der X aus seinem Grund Y folgert und sodann Y aus Z usw. , ihre Kraft aus, dem
infinitiven Regreß als dem unendlichen Rückgriff auf immer neue Gründe, die
ihrerseits wieder bestritten werden können, und damit dem Scheitern zu
entgehen.
Mit dem transzendentalen
Beweis ist das aber so eine Sache, der ich nicht so leicht folgen kann; greift E. hier nicht auf den Konstruktivismus
zurück, den er ansonsten doch ablehnt?
http://www.uni-tuebingen.de/fileadmin/Uni_Tuebingen/Fakultaeten/PhiloGeschichte/Dokumente/Downloads/ver%C3%B6ffentlichungen/TranszendArg.pdf
Was kann ich
nicht alles Zweifelhaftes behaupten; habe ich es damit
etwa bewiesen, dass ich die Behauptung widerlege, nur weil ich die Behauptung
zur Widerlegung voraussetzen musste? Im biotelen Gutachtenverfahren wird
ähnlich „transzendent“ vorgegangen. Zunächst einmal sind die Sachverhalte hinsichtlich
ihres Geldwertes schwer aufzuklären; ganz heikel wird es, wenn Leben und
Gesundheit in Geldwert umgerechnet werden sollen um sie vergleichend ins
biotele System einzubringen.
Am gutachten-inklusion.doc wurde deutlich, dass die Erziehungswissenschaft
verschiedene Lösungen kennt. Als Zwischenlösung galt es über biotele
Begutachtung zu verhindern, dass die Inklusion Behinderter einfach als
Menschenrecht erzwungen wird. Und hier gelingt die Widerlegung, d. h. der
negative Beweis, dass auf diese Weise biotele Aspekte aufgehoben würden,
zuvorderst der des VERGLEICHENS mit der Folge einer ständig fortschreitenden
Beeinträchtigung des Bildungswesens. Wegen Schwierigkeiten des positiven
Nachweises für einen biotelen Gutachtenvorschlag wird in die Zurückweisung
eines Folgezustandes ausgewichen, welcher aus Nichtberücksichtigung des
Gutachtenvorschlags folgen würde.
Ähnlich überzeugen kann aber E. nicht bei seiner Verabsolutierung der AUTONOMIE
als einzige Vernunftbastion und der Behandlung der übrigen biotelen
(lebenstragenden)Aspekte als bloße „Freiheitsvoraussetzungen“.
E. leugnet einfach den Kampf der Kulturen, indem der Islam gegen die westliche
Freiheitsideologie und Demokratie die schlechteren Karten hat.
Die Massen lassen sich ideologisch-religiös freiwillig bevormunden; und die
westlichen Demokratien rechnen kurzsichtig nur in Wahlperioden und wiegeln die
tödliche Gefahr für die Freiheit ab. Immer mehr Leute schlagen sich auf die
Seite der offensichtlichen Sieger wegen deren längeren Atems. Die Freiheit
stirbt mangels Verteidiger, ja mangels Freiheitsträger. Die Moslems besinnen
sich auf ihre militante Mannesstärke und ihre Frauen setzen die Kinder in die
Welt. Der Westen aber garantiert global deren Lebensunterhalt? Dabei hegt
doch E. selbst Zweifel an der Richtigkeit der demokratischen Mehrheitsherrschaft.Und wie lange wird dank
unserer Liberalität die Wohlstandverführung etwa gegenüber islamischen Kindern noch anhalten? Folgt nicht
dem Geschwafel von der „bunten Republik“ über ähnliche oder gar unähnliche Vorstellungen [v] zwangläufig
die Uniformierung der Lebensverhältnisse?
… Vielmehr läßt sich
durch zwei transzendentale und zwei Alternativlosigkeits-Argumente die
Unbestreitbarkeit von (a) Achtung und Unparteilichkeit als Ausfluss unserer
Vernunft und (b) der Vernunftbasis selbst zwingend demonstrieren. (a. a. O.
A.60,61
… Meine liberale These ist ja: (a) Universal gerecht ist eine Grundordnung, die
auf Würde, Unparteilichkeit und Freiheit aufbaut (auch wenn dies westlichen
Machtpolitikern ebenso mißfällt wie chinesischen oder islamischen Autokraten). Und:
(b) Gerechtigkeit als Vernünftigkeit ist alternativlos… Es ist zwar begrifflich
klar, daß Vernunft das menschliche Vermögen meint, Wertungsfragen
[g] mit Gründen zu entscheiden. Vernünftig heißt
also >begründet<. Aber welche Ordnung darf sich als begründet bezeichnen?
Eine konkrete Methode, um zu bestimmen, welche Normen >vernünftig< sind,
scheinen wir nicht zu besitzen (auch wenn Kant dies noch nicht sah). …
Deshalb müssen wir auf allgemeine Zustimmungsfähigkeit hinarbeiten und unsere
Partner als Gleiche achten – ja, sogar alle potentiellen Gesprächspartner und
damit alle Menschen über alle Grenzen und Kulturen hinweg … (a. a. O. S.61)
… Jemand, der in seinem Gespräch Gründe angibt, dann aber dem Gesprächspartner
die Achtung streitig macht, widerspräche sich ergo selbst, weil er das leugnet,
was sein Reden in Gründen logisch impliziert. Und genau dieser Nachweis des
Selbstwiderspruchs macht transzendentale Argumente aus (u. U. liegt hier aber
sogar ein normales positives Argument vor). … Und diese Achtung – und jetzt
kommt etwas Zentrales – muss gerade dem Individuum gelten: Denn es sind nicht
Kollektive, die rationale Diskurse führen,
sondern es ist der einzelne Mensch. Mehr noch: Die Achtung muß gerade der
individuellen Autonomie gelten, denn es
geht ja gerade um ein freies Sich-Überzeugen von Gründen. Darin liegt die bei
Kant unklare Fundierung der Achtung als Respekt vor dem autonomen Individuum.
Und sofern ein Gerechtigkeitsdiskurs geführt wird, muß, wieder mangels
substantialistischer Maßstäbe und wegen der auf gleiche freie Überzeugung
gerichteten Kategorie >Grund<, sowohl der Ablauf als auch das Ergebnis
allgemein zustimmungsfähig , also unparteiisch,, sein. Dies ist die Begründung
der liberalen Basis – und sie ist universal, weil sie an die humane Praxis des
Sprechens in Gründen anknüpft und damit alle Kulturgrenzen übersteigt, (a. a.
O. S.62,63)
… Wirklich schlagend werden Achtung und Unparteilichkeit als zentrale Diskursprinzipien durch den nächsten
Schritt: daß sie zugleich Handlungsprinzipien
sein müssen. Denn der Diskurs über eine Frage (oder ein neuer Diskurs über eine
andere Frage) könnte ja jederzeit wieder weitergehen. Wer, auch außerhalb des
Diskurses, das Würdeprinzip verletzt, würde die Möglichkeit zu weiteren
Diskursen einschränken, wie sie angesichts der offenen Vernunft unausweichlich
ist, sobald man sich im Leben auf die Vernunft eing4elassen hat. Also müssen
die liberalen Prinzipien auch für das (ggf. wortlose) Handeln gelten. Wiederum
lebt diese Unausweichlichkeit nicht nur von der Inexistenz einer substanziellen
(= inhaltliche Prinzipien enthaltenden) Vernunft und von der Inkonsistenz
antiliberaler Modelle, sondern auch vom Wortsinn von >Grund<. … Grund ist … etwas, was auch wieder in Frage
gestellt werden kann, sobald ich mich überhaupt erst einmal auf den Vorgang des
Begründens eingelassen habe. (a. a. O. S.63,64) .Darum muß stets… prinzipiell
die Möglichkeit eines neuen Diskurses offenstehen… Würde und
Unparteilichkeit als universale Basis
eines gerechten Zusammenlebens müssen demgemäß für Diskurse als Prozeduren u n d
für ihre Ergebnisse gelten… Diese
Handlungs- plus die Potentialitätsseite
von >Grund< errichten einen Raum von Liberalität, der eben auch
die Momente abdeckt, wo ich aktuell gar nicht diskutiere. Übrigens zeigt sich
hier, dass der weit verbreitete Vorwurf, daß Diskurstheorien Kleinkinder und
geistig Schwerstbehinderte rechtlos stellen, falsch ist. Bei Kleinkindern
reicht die künftige Diskursteilnahme als
Grund ihrer Rechte – und bei Behinderten genügt die immer bestehende
theoretische Möglichkeit, sie vielleicht eines Tages zu heilen. (a. a. O,.
S.64)
Hierin kann
ich wieder schwer folgen. Biotelie bietet nur dann Möglichkeiten für
Problemlösungen, wenn die entscheidenden „Diskurs“-Teilnehmer, die Gutachter,
an Wissen und gedanklicher Kombinationsfähigkeit den allgemeinen Durchschnitt
überragen, ohne aber parteilich zu sein, da sie ja an Gesetzesantrag und
Begutachtungsregeln strikt gebunden sind. Ob es dann zum biotelen Gesetz kommt
entscheidet in elektronischer Abstimmung die Mehrheit der abstimmenden
Betroffenen.
Eine weitere
Ursache für meinen Groll aus 2005 liegt eben im Diskursauschluss von Seiten E‘,
der dessen These von der zentralen Bedeutung der Achtung und Geltung zwischen
Menschen ja eigentlich unterstützt und bestätigt. Zugleich wird hier aber
deutlich, dass die ganze Diskurs-Ethik eine bloße Finte ist, da höchstens die
am Ausbau ihrer Pfründe interessierten Akademiker zum Gedankenaustauch zu
gelassen werden. Die viel hervorgehobene Unparteilichkeit
bleibt weit abgehängt auf der Strecke. Wie könnte es auch Diskurse (Gespräche)
geben, in denen die Teilnehmer nicht Partei ergreifen? Die Talk-Shows im
Fernsehen sind ein abschreckendes Beispiel für Diskurse über Zeitfragen, zu
denen die Parteiendiktatur ausgewählte und ihr genehme Fachleute und das
entsprechend handverlesene Publikum einlädt – und notfalls lassen sich ja die
Mikrophone auch einmal kurz abschalten. Die „Diskurs-Ethiker“, zu denen ja auch
E. zählt, meinen es also gar nicht ernst mit ihrem Verfahren und der
Unparteilichkeit desselben; und sie können es auch nicht ernst nehmen, eben
weil unparteiliche Diskurse nicht möglich, sondern eine Fiktion sind.
Im biotelen Gutachtenverfahren dagegen kommt der Unparteilichkeit als
Verfahrensvoraussetzung eine zentrale Rolle zu. Dies äußert sich bereits bei
der Gutachterauswahl strikt nach dem Zufallsprinzip und deren gegenseitigem
Inkognito. Möglich wird eine – allerdings nicht zwangsläufige – Gutachterübereinstimmung
erst dadurch, dass deren sachliche Erhebungen als Quellenverzeichnis und die
Verfahrensregeln und –maßstäbe zur gemeinsamen Entscheidungsgrundlage erhoben
werden.
Aus der somit umfassend
gebotenen Autonomie und Unparteilichkeit folgt logisch ein umfassendes Recht
auf Freiheit im Sinne von >Abwesenheit von Zwang aller
Art<. Denn nur mit einem solchen Recht kann ich autonom über meine Lebenspläne – von denen wir unabhängig von Sonderperspektiven keinen besonders bevorzugen
dürfen – entscheiden….
(a. a. O. S.64)
Der biotele
Aspekt der HYPARCHIE (möglichst wenig Gewalt, Zwang oder Bedrohung) ist da wieder bescheidener. Aber ganz so frei
sind auch die liberalen Spielwiesen nicht:
…Warum? Weil alle potentiellen Gesprächspartner Adressat unserer einmal geäußerten Gründe
sind und uns so fortwährend binden – und weil auch die unauflösliche
Verflechtung von Diskurs und Handeln ein
Netz von normativen Bindungen über uns wirft…
Entgegen Alexy sind mit dem Gesagten nicht nur einzelne, besonders offenkundig
diskursrelevante Freiheiten wie Meinungs-, Versammlungs- oder Vereinsfreiheit universal geboten. Allen
Menschen ist vielmehr eine umfassende Freiheit versprochen, ihr Leben nach
eigenen Vorstellungen einzurichten. Dazu gehören dann aber auch alle denkbaren
Freiheiten, wie wir sie aus dem Kanon der menschenrechtlichen Tradition kennen.
(a. a. O. S.66,67)
Bevor wir zu
meinen Aufzeichnungen aus 2005 zurückkehren, will ich das Verdienst E.‘ dankend hervorheben, den biotelen Aspekt der
AUTONOMIE so speziell herausgearbeitet zu haben, Meine Polemik wäre inzwischen
durch mein Alter gemildert worden, zeigt aber auch, wie groß die Bedeutung von
Achtung und Ehre zwischen Menschen ist.
Wenn ich diese subjektiven Bewusstseinsphänomene auch nicht ins Zentrum
staatlicher Grundordnung rücken möchte, obwohl Achtung und Würde mit eine Basis
des gegenseitigen Zusammenlebens bilden sollten, so weist im biotelen Aspekt
der AUTONOMIE der Mensch allen andern Lebewesen gegenüber einen Vorsprung auf.
Ich hoffe jedoch, dass Biotelie in seinem Aufbau auf auch substantieller
Grundlage des Lebens – verkörpert bereits im Zielbegriff der dynamischen Stabilität – die Widerstände
von Seiten der mehr kollektiv-ausgerichteten Kulturen leichter überwinden kann
und deren Verständnis näher kommt. Auch ohne transzendentale Beweisführung
können die biotelen Aspekte beanspruchen zur Herstellung und Fortführung eines
bejahten Lebens von Menschen hilfreich zu sein.
Da es dabei um ein Zusammenspiel und Gleichgewicht zwischen den Aspekten
handelt, können auch stärker autokratisch, ja totalitär organisierte Regime
unter Zeitgewinn für eine Anpassung an eine auch auf das Wohl des Individuums
ausgerichtete Rechtsstaatlichkeit sich eher zur Übernahme bereitfinden. Die
„Freiheitsvoraussetzungen“ liegen im Wortsinn häufig vorrangig vor der
Freiheit.
Wer dem Mitmenschen
nicht maximale Freiheit einräumt, würde ihn darum zugleich in seiner Autonomie
nicht voll achten, weil er ihn stärker beschränken würde, als dies zur
Sicherung der Autonomie aller anderen nötig ist. Zudem wäre man dann nicht
unparteiisch, weil man so bestimmte Lebenspläne mehr befördern würde als
andere.
Die ist also der Raum für unsere Diskurse über das Gerechte. Achtung,
Unparteilichkeit, Freiheit sind aber nicht nur normativ, sondern auch
instrumentell rational einleuchtend, das heißt, sie wären auch für einen puren
Egoisten nützlich – soweit man annimmt , was für religiöse Fundamentalisten
freilich nicht gilt, daß Abwesenheit von Bürgerkrieg etc. für fast alle
Menschen äußerst wichtig ist… (a. a. O. S.67)
„Mangelnde Distanz zu ihrer je eigenen Religion“ und damit
„mangelnde Unparteilichkeit“ fördern allerdings auch in unserer Zeit die Grausamkeit von Menschen. (a. a. O.S,67)
Vielmehr hatte es
gerade den Anschein, daß die Gebote, die von den jenseitigen oder
gemeinschaftsbezogenen Instanzen als „objektiv“ gesetzt wurden, eine Ideologie
lieferten, die höchst ungute menschliche Neigungen geradezu förderte. Daraus
ergibt sich zwanglos eine starke Position des einzelnen mit Freiheitsrechten –
die der Staat (siehe Kap. IV C.) auch gegen seine Mitbürger schützt und die
mich durch gewaltenteilige Demokratie auch
vor dem Staat selbst schützen.
Dazu kommt, daß der wohlstandsschaffende Kapitalismus rechtssichere Freiheit
braucht. All dies ist auch für rein eigennützig Denkende einleuchtend…. (a. a.
O. S.68)
… Menschen sind endliche Subjekte –doch wir bringen durch unser Reden ein intersubjektives
Universum normativer Prinzipien zum Entstehen, welches uns lebenslang bindet…
(a. a. O. S.69)
Fußnote: …Auf die innere Einstellung darf man … in liberalen Ordnungen nur
insoweit einwirken, wie dies nötig ist, um ein äußeres Handeln zu verhindern,
welches die liberalen Grundprinzipien
verletzen würde. Darum ist z. B. eine schulische Erziehung hin zu Achtung,
Unparteilichkeit und Freiheit zulässig – nicht indes die Forderung, die Bürger
mögen sich mehr lieben. Fehl geht bei alledem
der an Platon erinnernde Einwand von Vittorio Hösle, das Achtungsprinzip
könnte allenfalls eine „objektive Idee“ sein, aber nicht diskursethisch
begründet werden, , daß eben nicht jeder etwad zu Diskursen beitragen könne…
(a. a. O. S.70)
… Man kann auch nicht sagen, daß ein liberaler Universalismus fremden Kulturen
minutiöse „kulturimperialistische“ Vorgaben machen würde: Zum einen kollidieren
Freiheiten (die allerdings in der Tat gemeinsam mit den zahlreichen aus ihnen
ableitbaren Prinzipien und mit den liberalen Basisprinzipien den Umfang
gerechter Politik abschließend
bestimmen: Kap. IV) sehr häufig untereinander. Schon das erzeugt große
Spielräume für Gesellschaften und Staaten… die… ganz unterschiedliche Lösungen erlauben…
(a. a. O. S.71)
… Erstens ist ein
bloßes Faktum für normative Theorien dann sehr
wohl relevant, wenn es eine Unmöglichkeit signalisiert. So ist es z. B.
nicht nur ein Problem der Durchsetzbarkeit, sondern schon der Begründung, daß
die Norm > Ihr sollt jeden Morgen zum Mars joggen“ nicht durchsetzbar ist.
Denn Normen sollen Konflikte lösen… (a.
a. O. S.72)
… Insbesondere ist die hiesige Diskurstheorie keine Theorie der faktischen
konsensualen Zustimmung (wie viele es Habermas unterstellen), sondern eine
Theorie der Zustimmungsfähigkeit im Sinne der Unabhängigkeit von
Sonderperspektiven. Zweitens wäre die nötige Konfliktlösung zwischen Menschen,
die der Sinn von Norm ist, aufgehoben, wenn man jemandem, der schlicht >auf
stur schaltet<, ein Vetorecht gegen die Gerechtigkeit einräumen würde (wie
er es auch bei der Idee >faktischer Zustimmung< hätte.) … Drittens
mißdeutet der fiktive Einwand die Fallibilität von Theorien….
Aber hier
geraten wir bereits in den Anschluss der 2005-Erörterungen!
Noch einige Punkte aus dem Buch sollen vorab noch näher
erläutert werden:
Auch im Hinblick auf
die globale Gerechtigkeit sei herausgestellt, was all dies auch bedeutet: Die rein wechselseitige Freiheitsbegrenzung
generiert zugleich eine universale Konzeption des Sozialstaates, zusammen mit
dem Junktim und dem Recht auf die elementaren
Freiheitsvoraussetzungen – sei es im Nationalstaat oder gar
(Kap. IV E.) in einem Weltstaat. (a. a. O. S.138,139) Als besonders
wichtig ausgewiesen wird der Schutz der Schwächsten, weil der Anspruch auf die
elementaren Grundbedürfnisse eben ein besonders wichtiges Freiheitsrecht ist.
Und dieser Schutz gilt bekanntlich gerade global und intertemporal . Dies bemerkt
Rawls, der Haupttheoretiker sozialer
Gerechtigkeit, nicht. [Mir ist anderes
erinnerlich.] … Damit ist (a) ein
universaler Anspruch auf Sozialhilfe in Notfällen geboten, ob der Adressat der
Nationalstaat oder der Weltstaat sein
mag, was wir ja noch klären wollten. (b) Nur > sinnvoll< sind sozialpolitische
Maßnahmen wie die Bereitstellung von Kindergärten, also ein Schutz der >weiteren<
Freiheitsvoraussetzungen. (c) Sehr wohl
geboten ist dagegen durch das Junktim
eine national/europäische/globale Grundordnung, die die Folgenverantwortung
fördert – die also z.B. jeden Menschen
anhält, sich konsequent um seinen Lebensunterhalt zu bemühen. (d) Weder
geboten noch überhaupt sinnvoll ist ein Recht auf Arbeit, welches nur mit einer
freiheitsfeindlichen Planwirtschaft realisier bar wäre. (c) Zudem müssen alle
sozialpolitischen Maßnahmen stets vor
dem Recht auf >Freiheit von Steuern< gut begründet werden.
Entgegen
Rawls darf bei alledem nicht stets
ausgeschlossen sein, daß die Freiheit auch einmal zugunsten der
>weiteren< Freiheitsvoraussetzungen zurückgestellt werden kann, wenn hierfür gute Gründe
bestehen und die3s insgesamt der Freiheit dient. So sichert es die Autonomie
aller; Steuern für die Einrichtung von Nationalparks oder auch von Kindergärten
zu akzeptieren, weil dies die Entfaltung heutiger und künftiger Menschen fördert,
ohne indes >elementar< zu sein – auch wenn Steue3rn unsere heutige
Eigentumsfreiheit beschränken. Klar ist aber, daß eine kommunistische faktische Verteilungsgleichheit nicht
geboten ist – national nicht und wohl noch weniger global …
Jeder muss also Freiheitschancen inklusive Bildungschancen haben, es müssen
aber nicht alle ein ähnliches oder gar gleiches Einkommen haben. Nicht geboten
ist eine diesbezügliche Gleichheit, weil
sie aus dem Freiheitsprinzip welches
seinerseits bekanntlich unhintergehbar ist – nicht ableitbar ist und damit eine
beliebige dogmatische Setzung wäre. (a. a. O. S.139,140) Und die Idee absoluter
Gleichheit müßte zudem in weitem Umfang die Früchte eigenen Fleißes, wie sie im
Rahmen der Freiheit möglich werden, enteignen. Dies würde zudem den allgemeinen Arbeitsanreiz minimieren und
zum schon in Kap. IV B. erwähnten
>Sozialismusproblem< führen, also die Bereitstellung der
elementaren Freiheitsvoraussetzungen
sogar gefährden, weil der allgemeine Wohlstand sänke…(a. a. O. S.140)
…Verdrängungsprozesse dürften
eine wichtige Antriebskraft übermäßiger Ressourcennutzung sein. Hier
kann das Junktim einem hypostasierten Fortschrittsglauben und Wildwest-Individualismus
nachhaltig den Boden entziehen und
zwar in Anwendung liberaler Prinzipien. Ein ins Endlose weisendes
ökonomisch-technisches Fortschrittsideal ist kein >Sachzwang<, sondern
menschengemacht.
Aber
deshalb darf der produktive biotele Aspekt der AUSLESE keineswegs
ausgesetzt werden: Es könnten leicht
Zeiten kommen, in denen wir auf unsere moderne Technik in ihrem Fortschritt angewiesen wären.
Es fällt nicht vom
Himmel, sondern wir entscheiden uns
dafür. Und diese Fokussierung des Menschen ist gerade liberal. Keineswegs darf
ich die Folgen meiner Handlungen auf >das System Wirtschaft<, wie der Systemtheoretiker
Niklas Luhmann glaubt …abschieben und damit fröhlich so weitermachen wie
bisher. Es geht nicht um anonyme >kollektive Probleme<, die dann
womöglich ein paternalistischer Übervater lösen müsste…
Die zwei neuen Freiheitsaspekte >Junktim< und
>Voraussetzungsschutz< können freilich auch einmal miteinander
kollidieren, wenngleich Freiheitsvoraussetzungsschutz keinen rigiden paternalistischen
Wohlfahrtsstaat meint… (a. a. O. S.128) So betrifft die Streichung der
Sozialhilfe für einen arbeitsunwillige Bedürftigen dessen
Freiheitsvoraussetzungen. Doch rechtfertigt das Junktim eigentlich die
Nichtzahlung, weil dem Handelnden schlicht die Folgen seines freigewählten Tuns
angelastet werden. Der Anspruch auf den Freiheitsvoraussetzungsschutz sagt nun
aber: Niemand soll verhungern. Daher muss der Kompromiß lauten: Sozialhilfe
kürzen… weil liberale Verfassungen den
direkten Arbeitszwang verbieten<, z.B. Art. 12 Abs.2 GG)… (a. a. O. S.128)
Gute Gründe sprechen
somit dafür, die historisch einmalige Dynamik, die das liberal-rationale Denken
in den vergangenen Jahrhunderten in der Weltaneignung an den Tag gelegt hat,
nunmehr von der Errichtung eine primär wirtschaftlich-technischen Paradieses
ab- und einem neuen Ideal zuzuwenden:
einem universal zukunftsfähigen Zusammenleben der sich gegenseitig achtenden
Individuen in Freiheit… (a. a. O. S.111)
Herrn
Prof. Felix Eckardt, LL. M, M. A.
Sehr geehrter Herr Prof. Eckardt,
bezugnehmend auf Ihr Buch "Das Prinzip Nachhaltigkeit" bitte ich
um Ihre Unterstützung zur Überprüfung eines Konzepts gleicher Zielrichtung, an
dem ich seit 1943 mit wachsendem Arbeitseinsatz gearbeitet habe. Noch 1959, als
ich eine Kurzfassung meiner "Ökologischen Staatslehre" (wie man sie
heute benennen würde) vier Freiburger Professoren vorlegte und schriftlich
ausführliche Stellungnahmen erhielt, ahnte ich nicht das rasante Tempo der Zerstörung von
Natur und Wissenschaft. Es wäre damals einfach undenkbar gewesen, daß es nicht
möglich ist, wohlbegründete Thesen, heute niedergelegt in http://www.biotelie.de einer
fachkundigen Überprüfung zu unterziehen.
Stoßen Sie sich bitte nicht daran, daß ich etwa die Benennung des
gemeinsamen Zieles als "Nachhaltigkeit" wegen der Doppelsinnigkeit
des Ausdrucks — gibt es doch immerhin auch ein "nachhaltiges
Wirtschaftswachstum", "nachhaltiges Geschäft", "nachhaltige
Mobilität" etc.) für unglücklich halte, wo doch offenbar auf Lebendigkeit,
auf die Erhaltung der Lebensgrundlagen abgezweckt werden sollte (oder eben doch
nicht?).
Sprachmanipulationen sind in nie gekanntem Umfange üblich geworden; und doch
wurde selbst von den Feministinnen, der Begriff "Mensch" - nach Max
Scheler von "männisch" abgeleitet - noch nicht angegriffen und
Menschheit nicht durch "Mann-Frauheit" ersetzt (meinerseits
Anspielung auf Universalität des Menschseins). Da halte ich den Versuch einer
klaren Begriffsdefinition für politisches Zentralziel (dynamische Stabilität -
als Modell"vorstellung" auf fast allen Ebenen tauglich?) und
Instrumentalbegriffe (bei mir schon laut Aristoteles: biotele Aspekte) dazu
doch für dringlich. Es geht doch um einen notwendigen Grundkonsens zunächst
einmal der Wissenschaftler, wenn nicht die düstere
Prophezeiung Herbert Gruhls ("Ein Planet wird
geplündert") sich explosiv rasch erfüllen soll, daß der Mensch zum
Überleben zu intelligent sei.
Tatsächlich stehen die Neuerer - ich selbst verlor Millionen über die
Patentierung einer Vorrichtung zur schmerzfreien Blutzuckermessung und
Insulinbehandlung, die mit Jahrzehnten Verspätung erst eingeführt wird, und
krebse augenblicklich an der Spielzeugproduktion für ein von mir erfundenes
Verkehrsmittel, das jeglichen Verkehrsstau bei geringster Natur- und
Umweltbelastung beheben könnte - völlig hilflos da: keine
Institution (seit Zerfall der Sowjetunion, die wenigstens einen Ansatz zur
praktischen Erfindungsprüfung bot) Neuerungen in Unparteilichkeit auf
ihre soziale Brauchbarkeit hin überprüft und dabei doch auch
politisch-soziale Vorschläge nicht ausschließen sollte.
Ihre Kritik utilitaristischen Aspekten gegenüber ist mir jetzt aus dem Buch ja
bekannt. Sie haben - ausgenommen im Buchtitel (den man aus der Feder von
Vittorio Hösle erwarten könnte!) - den Aspekt der AUTONOMIE zum beherrschenden
erhoben, wie die denn auch Peters in der Synopsis der Weltgeschichte
die Entfaltung der Freiheit zum Ziel der Geschichte erklärte. Meine Homepage
müßte hinsichtlich meiner Auffassung und meines Diskursbeitrages für sich
sprechen. Mehr Worte, das würde doch heißen, Eulen nach Athen zu tragen.
Ich wäre für Ihre kritische Stellungnahme sehr verbunden, vor allem aber
für eine Knüpfung von Verbindungen zum akademischen Lehrbetrieb,
um die biotelen Thesen und das Anwendungssystem einer Überprüfung zu
unterziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Wagner
Herr Professor E. gehört zu der
lobenswerten kleinen Minderheit, die mir auf meinen Anruf wenigstens eine
prompte Antwort zukommen ließ, die eine ebenso prompte Absage darstellte. Aber
wahrscheinlich hat er recht damit, daß er im engen Verbund mit der
Fachprofessorenschaft mir wirklich keine Internetprüfung der biotelen Thesen
durch eine Studentenschaft verschaffen kann, ohne sich selbst zum Paria, zum
Ausgestoßenen zu machen. Herr E. wird mir doch hoffentlich nicht böse sein,
wenn ich mit ihm nicht schonender umgehe, als er es etwa mit einer Geistesgröße
wie Platon — der für ihn (in seinem Antwortschreiben) tot ist — getan hat.
Herr E. betont auch in seiner Antwort
die Bedeutung der Logik bei der Beurteilung der Ethik; aber gehört nicht
auch letztere bereits zur Seinswissenschaft, indem sie sich an der Erfahrung
als richtig erweisen muß? Jede Ethik erwächst aus dem Sein und orientiert sich
an ihm, ist auf Sein ausgerichtet. Das "logische" Argument, daß das,
was erst sein soll, nicht schon ist, betrachte ich als Kümmelspalterei. Denn
eine Vorstellung darüber, was sein soll, kommt eben aus dem
Vorstellungsvermögen, das im Sein, in der bestehenden Wirklichkeit wurzelt. Bei
den Rotgrünen, die nur für Farbenblinde noch etwas an Grünem an sich haben, hat
sich das Schlagwort "Nachhaltigkeit" ebenso gut eingebürgert wie das
der "Umwelt". In beiden Fällen stehen wir vor schwammigen
Begriffen, welche aus der Politik kommend oder doch von ihr begierig aufgenommen,
die Begriffe "Leben" und "Lebendigkeit" bzw.
"Naturschutz" vermeiden, sozusagen umgehen sollen, obwohl diese —
etwa auch nach deutsch-nationalsozialistischem Mißbrauch — doch bedeutend
klarer, ja so eindeutig sind, daß man von ihnen derartige Mißbräuche scharf
abscheiden und aussondern kann. "Nachhaltig" kann auch der tote
Diamant sein und was noch schlimmer ist: die Korruption und das Verbrechen. Und
Umwelt ist eigentlich alles für mich, was nicht mein Ich ist. Was wird also
damit überhaupt noch ausgesagt? Und was beliebiges kann man alles vielleicht
morgen unter diesen Begriffen aussagen?
Die Nachhaltigkeit der Dummheit der Leute, ist sie nicht unbestreitbare
Tatsache? Und nun kommt auch noch der Begriff des Prinzips dazu. Lange schien
es mit, als wollten auch die Linken von Prinzipien überhaupt nichts hören, so
wenig wie von Ideologien, von deren utopisch-illusorischen Variante (dem
Marxismus-Sozialismus) sie ja glühende Anhänger sind. Nehmen wir einmal an, daß
Prinzip (wörtlich: Anfang) nicht im Sinne des Ursprünglichen gemeint ist,
sondern in dem des Grundsätzlichen, wohin sich der Begriff
historisch-semantisch bewegt hat. Es wäre ja schon ein Fortschritt, wenn sich
Politiker endlich wieder an Grundsätzen orientieren wollten und darum bemühen
würden, welche Grundsätze dies sein dürfen und was dafür den Maßstab abgeben
soll. Nun soll es hier nach E. also die "Nachhaltigkeit" sein: die
Anspielung auf die Werktitel von Vorgängern, wie Ernst Blochs "Prinzip
Hoffnung", oder Hans Jonas' "Prinzip der Verantwortung" wird in
dem Buch bestätigt. Während doch in der Bezeichnung "Prinzip" das
Vorgängige steckt wird es nun unter der Zusammenführung mit
"Nachhaltigkeit" mit einem Nachgängigen zusammengesperrt! Wie im
Begriff der "Umwelt" haben wir damit also fast alles komplett: umspannt,
sozusagen Welt und Zeit! Und deutlich in Buch und E-Mail betont E. ja daß, er
sich von Konservativen (er nennt Rudolph Steiner und Herbert Gruhl)
distanziere, also von denen. die etwas Bestehendes und Bewährtes etwa bewahren
wollen. Wenn etwas, wie etwa heute die "weiße Rasse" und die
Deutschen im Besonderen, sich nicht mehr genügend fortpflanzen, so wird nicht
etwa nach den Gründen darnach gefragt, um diese abzustellen — schmerzlich nur,
daß Herr Prof. E. zu den wohldotierten Politikberatern zählt — , sondern diese
Gründe als Frucht der Freiheit und nicht etwa als Mangel oder Verstoß gegen die
Nachhaltigkeit hingenommen. Und soweit die Gründe des Aussterbens
festgestellt werden, wird keine Abhilfe eingefordert. Denn jegliche Art von
"nachhaltigem" Zwang — ausgenommen nur vage Anerkennung nach Einigung
auf ebenso vage Ordnungsprinzipien — soll ja Abstand genommen und alles
durch das Mittel der Autonomie, der Freiheit, bewirkt werden. Es gibt ja
genügend Ausländer und dann Einwanderer, die bereitwilligst den eben genannten
Schaden wiedergutmachen. Ich müsste diesen Satz ??? wörtlich zitieren, weil er so
schlaglichtartig die politische Richtung und (meiner Meinung nach)
Selbstverblendung des Buchautors beleuchtet, seine Zeitgebundenheit und damit
Verfallenheit an den Ungeist unserer Zeit.
Allerdings, um Mißvertändnissen vorzubeugen: das Selbstschädigungsrecht (sog.
"Rücktrittsrecht", also nicht im üblich-juristischen Sinne eines
Vertragsrücktritts) wird auf naturrechtlicher Grundlage im biotelen Rechtssystem
unter dem Aspekt der SPONTANEITÄT ebenfalls eingeräumt und verbietet einen
Zwang zur Selbstverwirklichung oder etwa gar zur Fortpflanzung; auf den
kollektiven Bereich übertragen also auch eine Zwang zur Kulturverteidigung. Es
ist hier doch die Gesamttendenz, die bei
E. zu rügen ist. Denn der Ausschluß eines gesetzlichen Zwangs zur
Selbstbehauptung enthebt noch lange nicht einer moralischen Verpflichtung
gegenüber der eigenen Kultur; und die eben leugnet E.
Die vorgelegte ist eine Philosophie der Selbstaufgabe und so
recht Wasser auf die Mühle des Islam, geradezu eine Aufforderung zur Invasion.
"Die aus der universalen
Freiheitsidee hervorgehende Scheidung Gerechtigkeit/gutes Leben ermöglicht auch
eine präzise Antwort auf eine weitere brennende Frage moderner
(globalisierungsinduzierter) Gesellschaften. Wie ist mit Migranten umzugehen,
die nach ganz anderen kulturellen Konzepten im liberalen Staat leben möchten?
Die Antwort ist: Die Verpflichtung aller Bürger auf eine >Leitkultur< mit
Ordnung, Pünktlichkeit, Anstand ist unhaltbar - aber ebenso falsch ist ein
gefühliges >Alles-Okey-Finden<, wenn Migranten ihre Töchter zwangsweise
in die Türkei verheiraten, Mädchen gegen ihren Willen vom Schulsport befreien
oder wenn Brüder ihre Schwestern physisch bedrohen, weil sie Freundschaften mit
Männern pflegen. Kurz gesagt: Wenn kulturelle Traditionen in den
Anwendungsbereich der Menschenrechte geraten, muß der Staat zum Schutz der
Schwächeren intervenieren. Wenn es dagegen nur darum geht, daß z. B. eine
muslimische Frau freiwillig (!) mit Kopftuch auf die Straße gehen möchte, geht
dies den Staat nichts an. Nebenbei bemerkt, heißt das freilich auch: Es ist
außerordentlich problematisch, wenn die US-Regierung vor ihren
Kabinettsitzungen betet. Denn Religion ist eine Frage des persönlichen
Glücksideals und keine staatliche Angelegenheit". " (a. a. O.
S.130)
Dies wird beispielsweise im Iran anders gesehen. Und wie wollen
wir die "Freiwilligkeit" denn nachprüfen? F. E. dürfte ja eine
muslimische Frau nicht einmal ansprechen; auch sie länger anzusehen könnte in
gewissen Straßen etwa Berlins unter bestimmten Umständen gefährlich werden. Und
wo konnte der Staat die Schwächeren denn schützen; die sog.
"Ehrenmorde" sprechen doch eine deutlich Sprache Und hier geht es um
die eigenen Leute, die zu Ungläubigen erklärt werden; das Töten Ungläubiger
verbietet der Koran nicht. Noch ist man der List Allahs unterworfen, um auf
freiwilliger Basis die Eroberung der Erde zu betreiben; denn für den Islam ist
der Krieg ein nachgeordnetes Mittel, Mission gibt es für ihn (fast) nicht, und
der "Kreuzzug" bleibt vorderhand US-Präsident W. Bush
vorbehalten. Ein aufgeklärter, aber nicht gerade besonders
fleißiger, türkischer Lehrer, der von der türkischen Regierung beordert wurde,
verhinderte erfolgreich, daß seine Frau auch bei vieljährigem Aufenthalt hier
deutsch lernte; soweit war er nicht nur eingefleischter Nationalist, sondern
auch noch Muslim, dem die Frau eben in völliger Abhängigkeit zu dienen
hat. Die vom Autor angesprochenen
Probleme hinsichtlich der Ordnung bestehen überhaupt nicht. Muslime sind
disziplinierter als wir "Christen"; hinsichtlich Anstand könnten sich
viele eine Scheibe abschneiden; Unpünktlichkeit wäre mit einem industriellen
Einsatz unvereinbar. Die Aufhebung der Leitkulturen - nur Deutschland wagt man
so etwas expressis verbis zuzumuten - würde die Aufhebung der PLURALITÄT der
Kulturen bedeuten; kein Wunder wenn die Weltmächte USA-Israel eben gegen eine Konvention zum Schutz der Kulturen
gestimmt haben: es soll alles platt gemacht und gleichgeschaltet werden außer
die Cliquenherrschaft; und das nennt man dann "Freiheit". Es
geht um das globale Billionen-Mediengeschäft und die über die Medien ausgeübte
Informationsmacht, die eben von vielen Menschen zunehmend als Versklavung und
Verdummung bewertet, gefürchtet und zunehmend bekämpft wird. Was hat E. zu
diesen Problemen zu sagen?
"Islamischen Kindern [n] im
Mittleren Osten wird früher oder später die Lust auf das enge Korsett
religiös-traditionell fundierter Regeln vergehen, wenn sie nur lange genug via
TV andere Lebensoptionen sehen. Doch warum sollte das gegen liberale
Gesellschaften sprechen. Jeder hat ja die Freiheit, z. B. in eine geschlossene
religiöse Gemeinschaft einzutreten. So kann jeder Traditionalist in einer
liberalen Gesellschaft ungehindert z. B. dafür plädieren, Frauen generell
hinter den Herd zu verbannen. Und wenn sich etwa eine indische Witwe freiwillig
(!) mit ihrem toten Mann verbrennen möchte, würde ein Liberalismus meiner
Lesart ihr dies ja nicht verbieten..." (a. a. O. S.151)
Die eingeklammerten Ausrufungszeichen
hinter "freiwillig" stammen vom Autor, könnten aber auch von mir
stammen und bekämen dann zugleich Fragecharakter. Die genannten großzügig
eingeräumten, d. h. belassenen "Freiheiten", könnten doch auch als
heuchlerische Ironie aufgefaßt werden.
Aber haben denn nun alle diese Menschen wirklich die Freiheit, den westlichen
Wohlstand, sprich Überfluß und Verschwendung, zu genießen? E. verneint diese Frage selbst. Sein
"Zeitwohlstand" anstelle eines Güterwohlstandes ist doch wohl auch
mehr eine Sache für Akademiker. Aus Langeweile könnten auch Kriege geführt
werden, heute wohl eher noch als aus Freiheitsliebe.
Für bioteles Denken ist Freiheit
schon bei den Tieren angelegt und vollendet sich entwicklungsgeschichtlich in
der AUTONOMIE des Menschen als Selbstgesetzgebung (Ethik). Kein Hundebesitzer
wird bestreiten, daß sein tierischer Kumpan selbst entscheidet, ob er auf das
Kommando "Sitz!" gehorcht oder nicht; ausgenommen es handele sich um
einen Tierquäler und Sadisten. Die Eigenwilligkeit der Katzen ist
sprichwörtlich. Freiheit ist in erster Linie ein Mittel zur Lebensbewältigung,
daß sie auch die Würde begründet, gehört eigentlich schon in die Sphäre der Sinndeutung
und des Glaubens. Dennoch ist es auch aus meiner Sicht zu begrüßen, wenn die
Menschenwürde universal eingefordert wird. Nur muß sie auf alle Fälle als ein
wichtiges Instrument der Lebensbewältigung eingesetzt werden, welches die
Beachtung der anderen lebenstragenden Aspekte zur Voraussetzung hat.
Die Wirklichkeit, das Sein, wird
bei E. weitgehend ausgeblendet, Vernunft beschränkt sich angeblich auf die
Sollens- und damit auf die Willenssphäre; der Mensch platzt beinahe vor
Überheblichkeit.
"Natürlich ist jeder rein faktisch
durch andere mitgeprägt und könnte ohne sie schlechter existieren (wobei die
Kommunitarier inkorrekt Schwierigkeit mit Unmöglichkeit gleichsetzen). Und
natürlich handeln Menschen, was die Handlungs- und Steuerungstheorie als Lehre
von der faktischen Durchsetzung der Gerechtigkeit (Kap. VI) bedenken muß, z. T.
auch schlicht konformistisch und nicht normativ rational. Doch beweist dieses
empirische Faktum normativ nichts. Empirische Gegebenheiten sind ja stets nur
dann normativ relevant, wenn ein normatives Prinzip ohne etwas Empirische
verunmöglicht würde (Kap. II C.)." (a. a. O). S.145)
Herrlich, es kommen nach uns die Muselmanen (die Muselmaninnen
natürlich als die wichtigeren, denn sie sind die eigentlich
Geschichtsbestimmenden) und die ganzen von E. aufgestellten Normen sind mangels
Substrat, Mangels Normträger hinfällig!
"Es geht eben auch bei der Jahrhundertherausforderung Nachhaltigkeit nicht darum, mehr >an die Gemeinschaft zu denken<. Es geht darum, mehr an andere Menschen zu denken - dies allerdings auch über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg." (a. a. O. S.145)
Typisch Neolinker (der E. nicht sein
will): ein geschlossenes, eroberndes Kollektiv steht vor der Haustür und hat
den Fuß schon über der Schwelle, aber man präsentiert sich nicht als anderes
Kollektiv, sondern denkt nur an "andere Menschen... über räumliche und
zeitliche Grenzen hinweg" und verfällt vom extremen Kollektivismus in
einen extremen Individualismus. Man vergißt, daß man alles, was man hat,
seiner Kultur und seinen Vorfahren verdankt. Der Gemeinwohlidee wird
vorgeworfen, daß sie "monarchistisch und vordemokratisch" sei:
"Der Staat des Gemeinwohls ist bei Thomas von Aquin, Aristoteles und Hegel
eine Art Organismus, von dem der Bürger seine Rechte empfängt und der gegen
über Privatinteressen andersartig und höherrangig ist. ...>Das Ganze ist
mehr als die Summe seiner Teile<…" (a. a. O. S.144)
Aber stimmt das denn nicht? Warum
leisten Menschen in bestimmten Gemeinschaften, in bestimmten Staaten mehr oder
anderes als andere in anderer Umgebung? Wie kam es zur kulturellen Blüte des
Stadtstaates Athen? Und zerfiel sie nicht just dann, als die Sophisten (in
Menge) aufkamen und so redeten wie unsere heutigen "Philosophen"?
"Aus ähnlichen Gründen wie die Gemeinwohlidee
ist auch die Idee von Eigenrechten der Natur, also eines Tier- und
Naturschutzes um seiner selbst willen, keine zulässige Freiheitsschranke. Im
Grunde genommen ist diese Idee sogar einfach irrelevant, da Schutzgüter wie
Ressourcenschonung, ökosystemare Stabilität oder
Artenvielfalt eben Freiheitsvoraussetzungen sind, teils elementare, teils
weitere.... Aus gleichen Gründen ist die Möglichkeit naturästhetischer
Erlebnisse Freiheitsvoraussetzung : Denn Menschen ohne jede Empfindung oder
sinnliche Anregung verkümmern und werden krank, wie auch die Kriminalität in
Plattenbausiedlungen zeigt. Ökozentrische Belange sind also schlicht überflüssig..." (a.
a. O. S.146)
Tierquälerei verbiete sich mit Kant aus der daraus entstehenden
menschlichen Verrohung. (a. a. O. S.146) Der Mensch also nicht Hüter der Natur
und Schöpfung sondern nur ihr Verbraucher (Konsument). Die Plattenbauweise
konnte zum ökonomischen Erfordernis werden und letzteres, nämlich Armut und
Vermassung, dann auch zu einem kriminalitätsfördernden Faktor, der aber doch
nicht an die "Platte" allein gebunden ist. Verschafft den Menschen
wieder mehr Raum, vor allem grünen Raum! Auch "in der Platte" muß
heute keiner geistig verkümmern, selbst wenn er durch Krankheit ans Haus
gefesselt wäre. Naturästhetik ist nur für eine Minderheit der Menschen geradezu
Lebensbedürfnis und trägt keinen Naturschutz, sobald auch recht flüchtiger
menschlicher Wohlstand durch diesen zur Disposition gestellt wird. Die
Ökologisch-Demokratische Partei (in der Nachfolge Herbert Gruhls) erhält unter 1
% Wählerstimmen! zur Freude Ekardts. Unser Planet darf weiter geplündert
werden, wenn man nur die geeigneten Verbrämungen dafür findet wie "Die
Grünen", als Linkspartei. Als solche Verbrämung werden - etwa im Hinblick
auf die EU-Aufnahme der Türkei- dann die Stärkung der Menschenrecht und der
Freiheit herangezogen. Daß man sich mit Hereinlassen der Türken bereits
massenhafte Freiheitsverletzungen an Bord geholt hat, das auszusprechen würde
einem den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit zuziehen. Unsere Rechtspraxis
deckt Menschenrechtsverletzungen weit aus großzügiger als die türkische; wir
könnten dies nach dem EU-Beitritt der Türkei noch zu spüren bekommen und
nachträglich der türkischen Regierung Abbitte leisten für zu strenge Kritik am
traditionellen "Militärregime", wie es eben über ein kriegerisches
Volk mit militanter Religion möglicherweise angemessen ist. Das entstehende
Desaster verantwortet man als Demokrat ja längst nicht mehr.
Sieht Ekardt denn nicht selbst, wie er mit seiner Verabsolutierung der Freiheit
in die Irre geht? Kann er sich nicht damit abfinden, daß Vernunft naturgebunden
ist, ein komplexes Vermögen und Instrument der Lebenserhaltung, wobei das
Verhalten aus Grundsätzen und nach Normen und die Freiheit nur eine Facette
ist?
"Ökosystemare Stabilität" -
immerhin fällt auch einmal der Begriff der Stabilität! Aber was will der bei E.
besagen? Anerkennt E. die gegenseitigen Verflechtungen aller Lebewesen damit?
Für einen Freiheitsfanatiker kein weiteres Problem. Der biotele Aspekt der
GEGENSEITIGKEIT ist immerhin schon anerkannt, nicht als selbständiger freilich,
sondern in die nächste Nähe der AUTONOMIE gebracht (wie bei Kant, muß ich
wieder erinnern). Einen "Schutz gegen sich selbst" will auch E. nur
Kindern und bei Geistesversagen zugestehen; er verteidigt diesen Aspekt
allerdings unter der Rubrik Freiheitsbegrenzung und nicht als (biotelen) Aspekt
des Schutzes der SPONTANEITÄT. Ein Kapitel "Freiheit und Spontaneität"
fehlt, vor allem im Hinblick einer Spontaneität, die mit der Natur verwoben
ist. Es soll offenbar genügen, daß Freiheit ja Handlungsspielräume schafft. E.
sieht die "Aufgabe der Politik als wechselseitigem
Freiheitsbegrenzer" (a. a. O. S.147) und damit als erschöpfend beschrieben
an. (Immerhin wird die Wechselseitigkeit (GEGENSEITIGKEIT) damit benannt. Im
Wortlaut:
„Aufgabe der Politik als wechselseitiger Freiheitsbegrenzer ist es zu
klären, was für die Bürger richtig ist, nicht was für sie gut, schön oder
lustig ist.“ (a. a. O. S.147)
„Offenbar wecken Kollektivideen , gegenüber denen >der einzelne unwichtig wird<, eine fatale, das Tor zur Diktatur (im Falle ausreichend extremer äußerer Situationen, z. B. Klimakatastrophe) weit aufstoßende Motivationslage – ohne jede Prüfung, ob die unpersönlich formulierten >Ziele< konkreten Menschen Gutes bringen.“ (a. a. O. S.86)
Zukunftsschutz sowie umwelt- und
bioethische Ansätze werden als verfehlt zurückgewiesen (a. a. O. S.86,87) , und
darin muß ja beigepflichtet werden, daß Rechtsordnung eine Sache der Menschen
ist und ohne Anthropozentrik nicht auskommt. Aber ich geniere mich fast dafür, einen philosophischen Juristen daran
erinnern zu müssen, daß nicht AUTONOMIE sondern GEGENSEITIGKEIT (Reziprozität)
der Angelpunkt der Gerechtigkeit ist. Für die Urteilsfähigkeit bei
solcher Abwägung im VERGLEICHEN hat der Mensch doch seinen Verstand. Und da
verliert doch die strikte Trennung von Sein und Sollen rasch an Bedeutung, denn
wir vergleichen doch Seinsbestände einschließlich von Verhaltensweisen; daß sie
ausgeglichen sein sollten im Rahmen des Möglichen und allen Zuträglichen ergibt
sich zwar auch aus der Forderung nach allgemein-menschlicher AUTONOMIE,
ist zugleich eine von deren Voraussetzungen (innerhalb eines weiten Rahmens),
aber wir sind weit primärer auf die Gegenseitigkeit angewiesen; wir könnten
ohne sie überhaupt nicht überleben oder müßten eben des Verstandes wieder
beraubt sein und wenigstens den Tieren gleichgestellt (die auch schon
instinktive Ansätze der GEGENSEITIGKEIT kennen).
Eine
weltanschauliche Unterstützung für seine Zentrierung auf die AUTONOMIE hätte
sich der scheinbar nichtgläubige Religionswissenschaftler Ekardt aus den
Glaubenslehren beschaffen können. Er tat es nicht; schon weil er dem Zeittrend
folgend mit Autorität wenig am Hut hat. Gott wäre darnach für die
Buchreligionen nämlich deshalb ein persönlicher und damit menschenähnlicher
Gott, weil er die absolute AUTONOMIE verkörpert, also unbeschränkter
Gesetzgeber ist. Für den Menschen aber ist unbeschränkte Freiheit eine zu große
Versuchung.
Warum nicht
das biotele Gutachtenverfahren experimentell überprüfen? Es würde sich ja
zeigen, in wie vielen Fällen die Gutachter den Aspekt der AUTONOMIE und/oder
den der GEGENSEITIGKEIT bei einer Problemlösung bemühen. Aber das soll ja nicht
sein; es soll ja überhaupt nichts geschehen; die Leute sind ja daran zu
gewöhnen, daß es in 20 Jahren (!) vielleicht alles vorbei bzw. unerträglich
ist; Horrorszenarien kommen an. Im Übrigen sind die Staaten mit der Unterzeichnung
der Menschenrechtscharta, die nicht in einer einzigen Einzelheit von E. in
Frage gestellt wird, ja bereits auf bestem Wege.
Eine Frage, die nicht gestellt wird,
stelle ich: gibt es nicht doch Argumente dafür, die Geburtenziffern global zurückzufahren,
um den Späterlebenden mehr Lebensqualität bieten zu können? Aber diesen wahrscheinlich einzigen Ausweg
aus dem Dilemma, den unsere Vorfahren sehr wohl kannten und beschritten, wäre
ja ein Rückfall hinter die erreichte Freiheit; und E. lehnt eine solche
Unterbrechung der Kette wachsender Freiheit ja vehement ab, auch angesichts der
des dadurch drohenden Absturzes in die totale Unfreiheit, eben weil Freiheit für ihn Selbstzweck und
nicht Mittel ist.
Wenn die Frage nach der Generationengerechtigkeit immer wieder aufgetischt
wird, dann doch endlich auch einmal in dieser Richtung und nicht rein
wirtschaftspolitisch oder nun nach E. rechtspolitisch orientiert.
Utilitaristische Ansätze, wie das größte Glück der größten Zahl, werden
ebenfalls als untauglich abgestempelt und der Eigennutz (a. a. O. S.86)
trägt bestenfalls selbstlose Idealisten. Ob man das
">Kollektivziel Menschheitserhaltung<" wirklich so
einfach negativ abstempeln sollte? Nach bioteler Auffassung sind wir mit Körper
und Geist darauf angelegt, unser und fremdes Leben zu fördern; auch wenn eine
solche Haltung als "transzendental" und unbegründbar angegriffen
wird; und die ">Eigenrechte der Natur<" (a. a. O. S.87) werden
von uns doch zumindest soweit günstigerweise respektiert, daß die Natur nicht
wegen dieser Verletzung auf uns mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückschlägt. In
der Achtung des Selbsterhaltungstriebes sind wir dann wieder auf einem
gemeinsamen Gleis.
"Wenn es begründete Nachhaltigkeit gegeben
kann, dann nur liberal" (a. a. O. S.89)
und damit ist der Friede zwischen
schon wieder brüchig. Denn bruchlos wird "das gute Leben", ja
gelegentlich nicht einmal das nackte Überleben, nicht durch stures Festhalten
an Freiheitsprinzipien ans rettende Ufer gebracht: Lügen und Täuschung
waren öfters erforderlich, um auch eine gute Entwicklung einzuleiten; auch
unter direkter Freiheitseinschränkung entstand manches Gutes. So ichbezogen und
nur auf ihr eigenes Wohl aus waren frühere Generationen nicht; und solange
Wahlkämpfe von "Persönlichkeiten" beherrscht und entschieden
werden und nicht von Sachentscheidungen, kann mir keiner weismachen, daß der
demokratische Konsens der Hauptpfeiler der Demokratie sei. Langzeitdenken und
damit Zukunftsorientierung gingen mit dem Niedergang der vordemokratischen
Herrschaftsformen ja eher baden und machte einem Kurzzeitdenken in Wahlperioden
Platz. Soviel von Unparteilichkeit zu reden, ohne für deren Vorbereitung auch
nur den geringsten Schritt zu tun, auch nur den kleinen Finger zu rühren,
steht doch in einem Parteienstaat recht schlecht an.
Wie steht es jetzt, kann es "in die Gegenwart vorwirkende
zukünftige Rechte zukünftiger Menschen geben"? (a. a . O.
S.91) Ich würde mir die Sache leichter machen und verlangen, daß man eventuell
später Lebenden eine vernünftige Staatsverfassung und genügend auch
naturbelassenen oder doch naturdurchwirkten Raum zugänglich halten sollte bei
Besitz von möglichst günstigem körperlichem und geistig-kulturellem Erbgut. Es
ist doch unsinnig, liberale "zeitneutrale Rechte" (a. a. O.) zu
deklarieren und proklamieren und gleichzeitig eine Erdbevölkerung zu fördern,
die dem Liberalismus den Todesmarsch bläst.
"Vorab mag
man wissen wollen, von welchen Menschenrechten hier überhaupt die Rede sein
könnte. So wäre eine Zukunftswirkung des Briefgeheimnisses oder der
Religionsfreiheit sinnlos. Denn wie könnten wir von heute aus je das Recht
künftiger Menschen verkürzen, ihre Religion auszuüben oder ungestört Briefe zu
schreiben?" (a.
a. O. S.91)
Halt mal! Könnten wir, müßten wir nicht etwa die
Verbreitung des Korans verbieten, da es mit einer liberalen Grundordnung
unvereinbar ist, daß schon Kinder dazu erzogen werden, daß Ungläubige (und zwar
alle Andersgläubige) verächtlicher seien als Tiere und, zumindest später einmal, auf Befehl Allahs, der höchsten Autorität,
getötet werden müssen?
"Zu denken ist vielmehr an Rechte auf eine Grundversorgung mit
Nahrung, Trinkwasser, Atemluft und einem hinreichend stabilen Klima. Wir sehen
noch, daß man dieses Recht >Freiheit von Beeinträchtigungen in Leben,
Gesundheit und Existenzminimum< nennen sollte und daß es einen elementaren
Freiheitsvoraussetzungsschutz betrifft. Im Moment genügt die Einsicht, daß es
ein Recht jedenfalls unter Lebenden geben muß, weil anderenfalls Autonomie unmöglich
wäre - und daß liberale Verfassungen es kennen." (a. a. O. S.91)
Dieses hören die muslimischen Imigranten natürlich sehr
gern, ohne sich jedoch am Liberalismus anzustecken! Die
kommunistisch-sozialistischen Verfassungen kannten und kennen es auch! Verfassungen
sind überhaupt geduldig. Also machen wir die Verfassungen eben
"nachhaltig", damit auch künftig eventuell Lebende einen maximalen
Freiheitsspielraum genießen! (a: a. O. S.93) Es kommt noch schlimmer:
"Die offene, nicht-substantialistische Vernunft ist zunächst einmal
auch im Generationenvertrag alternativlos. Jene Vernunft läßt uns nun aber
nicht nur im Ungewissen über das, was heute inhaltlich gerecht ist. Sie macht
es auch unmöglich, substantialistisch ein bestimmtes Gerechtigkeitskonzept zu deduzieren.
Auch das Generationenverhältnis müßte also idealiter im rationalen Diskurs
geklärt werden, weil vorab erst einmal ungewiß ist, wer die besten Argumente
haben wird." (a.
a. O. S.94)
Da ringen nun seit der Antike die
besten Köpfe, wirklich noch Köpfe! und Leute mit Muse!, um die vernünftigste
Ordnung und ihre Prinzipien; unsere Scharen von Professoren an unzähligen aus
dem Boden gestampften Universitäten aber meinen als Kostgänger der Demokratie
dazu verpflichtet zu sein, das Rad neu zu erfinden und die Vernunft im endlosen
Diskurs klären zu müssen. Angehört werden darf natürlich nur der, den sie, die
Professionellen, die Clique, hören wollen. Ich spreche also weiter
ins Leere, mich darüber freuend daß der biotele Aspekt der AUTONOMIE als
"nachhaltig" - für mich als biotel - einmal so ganz verabsolutiert
und durchgewalkt wird. Aber Vorsicht! Hat man der Freiheit dieses Attribut nur
angehängt, damit sie wertvoller sein soll, wie alles was als dauerhaft
deklariert wird? Aber Freiheit ist doch allzu flüchtig und hat zu viele
Facetten; vor allem aber bedarf sie der substantiellen Grundlage, des
Organischen, des Lebens. Zyniker diejenigen, die nur die Toten für frei
erklären. Unser Autor hebt hervor, daß der Wohlstand der westlichen Nationen ein
nie dagewesener sei. Aber ist es denn ein Wohlstand in Freiheit? Ein Blick auf
den Lehrbetrieb der heutigen Massenuniversitäten lehrt mich das Gegenteil. Ohne
Vorankündigung konnte ich in den Fünfziger-Jahren in den Zug steigen, mit dem
Rucksack auf dem Rücken, dem Koffer in einer und das Fahrrad in der anderen
Hand und siebenmal ohne Voranmeldung die Universität wechseln zwischen
Innsbruck (Ausland!) und Kiel. Dadurch verlängerte sich meine reguläre und
tatsächliche Studienzeit nicht um einen Tag. Ich konnte für
"Fleißprüfungen" jeden beliebigen Professor aufsuchen und um Prüfung
bitten, was zu persönlichen Gesprächen unter vier Augen führte, gelegentlich
länger als eine Stunde! Da ich arm war, wurden mir Studiengebühren erlassen;
und trotzdem durfte ich immer an zwei Fakultäten eingeschrieben sein; ich
brauchte nur formell die Genehmigung der Dekane einzuholen, die ich immer
prompt erhielt. Und heute? Wo bleibt heute die akademische Freiheit? Da muß ich
mich erst einmal für einen Studiengang bewerben und abwarten, in welcher Stadt
mir ein Platz angeboten wird. Aus zwei verschiedenen Fakultäten, daraus wird
nichts. Zum Universitätswechsel muß ich mir erst einmal einen Austauschpartner
suchen. Nein ich wollte mit meinem studierenden Sohn hinsichtlich seiner "Freiheiten"
nicht tauschen! Materielle Güterversorgung macht den "Wohlstand" noch
nicht aus! Dem würde ja E. beipflichten, aber die beklagte negative Entwicklung
war doch mit dem Abbau der konservativer Politik und einer Liberalisierung
verbunden, die von E. durchaus bejaht wird.
Mit meinen Arbeiten für Biotelie fand ich bei jedem Professor offene Ohren, den
ich ansprach; und wurde zur Weiterarbeit aufs Persönlichste ermuntert.
Die Notwendigkeit einer Instanz, in der jedermann seine Ideen zur Prüfung
vorlegen kann, wird heute nicht als Mindestvoraussetzung der Freiheit
anerkannt; denn wenn man keine Beurteilungsmaßstäbe anerkennt, auf Grund dessen
eine Antwort erteilt wird: für einen Dauerdiskurs über seine Fragestellungen
kann man nicht jedermann, nicht einmal jedem Bürger, Gehör anbieten. Daß
Dauerhaftigkeit eine der Freiheit anhaftende Eigenschaft sei, eine solche
Behauptung wäre doch in keiner Richtung hin belegbar. Abstrakt und in Gedanken
ist natürlich alles möglich, auch die Ewigkeit; in der Natur gilt der Wandel
und das Leben mit seinen substantiellen Kernen relativer Stabilität bietet uns
die verletzlichen Ausnahmen.
"Ein Fortfall des Golfstroms allein würde in Europa gar die Durchschnittstemperatur um 10-20 °C senken. Global wäre dagegen eine Temperaturerhöhung um rund 6 Grad in 100 Jahren denkbar. Damit würde z.B. das Überleben in Europa zum täglichen Überlebenskampf: Ginge man dann nicht an Erfrieren, Naturkatastrophen oder Herz-Kreislaufschäden zugrunde, bräche jedenfalls die Nahrungsmittelversorgung zusammen." Die EU-Osterweiterung verstärkt die Tendenz. (a. a. O. S.12)
Dies alles oder doch ein wesentlicher
Teil davon sind vermutlich Folgen menschlicher Freiheit!? Und nun soll
ausgerechnet eine Freiheitsmaximierung als Zielvorstellung durch Verknüpfung
mit dem Ziel der Nachhaltigkeit, sie also dauerhaft zu machen, uns aus der
Misere helfen!? Da E. keine Pflicht zur Erhaltung von Natur und Menschheit
anerkennt, sind die Probleme einfach dadurch zu lösen, daß man die Menschheit
aussterben läßt. Aber den Deutschen und den Europäern will in diesem
Fortpflanzungsverhalten die übrige Welt noch keinesfalls folgen; daß sie durch
das Vorbild des Westens dazu angeregt würden, ausgerechnet die
Freiheitsmaximierung zur Grundlage einer Verfassung und damit der Gesetzgebung
zu machen, hört sich für mich geradezu abenteuerlich an. Und wenn Freiheit
augenfällig Selbstaufgabe bedeutet, hat sie überhaupt keinen missionarischen
Gehalt.
Ist es denn da nicht doch
wahrscheinlicher, daß es in absehbarer Zeit gelingen könnte, die angestrebte
Konsummaximierung der "Unterentwickelten" an eine Geburtenregelung zu
binden, insbesondere wenn dirigistische Regime (wie China) durch das Mitziehen
anderer Staaten in einer solchen Politik bestärkt fühlen würden? Kein Lebewesen
ist in solchem Umfange fähig, seine Nachwuchshöhe zu regulieren, wie der Mensch
dank Vernunft und der in dieser inbegriffenen Freiheit. Jahrtausende lang haben
Menschen zur Geburtenregelung gegriffen, um ihr Überleben zu sichern; sie
gingen bis zur Kindesaussetzung. Dagegen sind die Methoden zur
Empfängnisverhütung in moderner Zeit minimal eingreifend. Die Stärke der
Bevölkerung muß hierzu aber von der politischen Macht abgekoppelt oder
wenigstens auch theoretisch als Machtfaktor relativiert werden, was ein neues
Demokratieverständnis dringend erforderlich machte. Wenn das Prinzip aufrecht
erhalten wird, daß die Mehrheit siegt, so wird es nicht zur freiwilligen
Einschränkung bei den Völkern "des Südens" - insbesondere nicht bei
Muslimen - kommen. Und dagegen ist das Umsteigen vom Auto aufs Fahrrad (ich
persönlich besitze seit meiner Berentung kein Auto mehr und unternehme seit
Jahrzehnen keine Fernreise) und die Benutzung von Stromspar-Glühbirnen (a. a.
O. S.199-201) im Westen und Norden recht bedeutungsarm.
"C. Mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit durch klare Spielregeln, ökonomische Mechanismen und regulierten Wettbewerb - nicht also durch die alte >sozialstaatliche Daseinsvorsorge<. ... Doch zumindest ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich die politisch/verfassungsgerichtliche Ebene - also bestimmte Einzelpersonen - zum Handeln entschließt, immer noch erheblich größer, als daß alle Bürger dieser Welt damit gleichzeitig von selbst anfangen. Den Startschuß müßte aber wohl der Druck einer Minderheit aufgeklärter Bürger geben, die Politik und Gerichte antreiben und zugleich möglichst vielen Mitbürgern die guten Gründe vermitteln, die dann einsetzende Nachhaltigkeitspolitik zu akzeptieren. " (a. a. O. S.223)
Hierzu müßten jedoch erst einmal die
freiheitlichen Bedingungen hergestellt werden, daß eine derartige Initiative
sich überhaupt bilden und zum Tragen kommen kann, d. h. Zugang zur
Öffentlichkeit finden kann: eine unabhängige biotele Gutachteninstanz. Daß Demokratie über
Mehrheitsvotum auch zur Diktatur führen kann, hat E. erkannt und hofft dieser
Stolperfalle durch die Gewaltenteilung zu entkommen. Vor allem setzt er auf die
Gerichte. Aber (Zusatz aus 2015) nicht unsere Verfassungshüter – vom
Parteienproporz in Amt gehievt – in den letzten Jahren den Bruch der
europäischen Verträge zu Lasten von Demokratie und Bürgern abgesegnet?
"D Beispiel Familienpolitik: Qualitative Verbesserung der Lebensbedingungen statt quantitativer Geburtenförderung." (a. a. O. S.193) "Und viele finden diese Kinderlosigkeit im Okzident ganz und gar nicht nachhaltig, sondern werfen uns übermäßige Individualisierung und Spaßorientierung vor. Für viele ist dies das Nachhaltigkeitsproblem schlechthin.. Können wir denn unsere Kultur einfach aussterben lassen?.. In der Familien-Debatte herrscht jedoch große Konfusion, wohl auch deshalb, weil einerseits Kinder positive Gefühle auslösen, andererseits jeder weiß, daß in einer individualistischen Welt ohne >Familien als lebenslange Wirtschaftsgemeinschaft<, dafür aber mit Frauenerwerbstätigkeit und rationalisierungsbedingter Arbeitsplatzunsicherheit Kinderlosigkeit die logische Folge ist." (a. a. O. S.194).
Mit E. sehe auch ich in den
Fördermaßnahmen, angefangen vom Kindergeld, nicht den richtigen Ausweg; ich
bedauere aber, daß die Politik nicht längst über den Hebel: kontrollierbare
Entlohnung (Chip-Geld) Lebensarbeitszeitverkürzung einsetzt, um die Jugend
systematisch und zügig in den Arbeitsprozeß eingliedern zu können und damit die
Richtung auf AKTI'VITÄT vorzugeben und gleichzeitig die Großelternrolle und den
Familienzusammenhalt neu zu beleben. Freilich würde dies bedingen, daß manche
Wunschseifenplatz hinsichtlich der Berufswahl zunächst platzen müßte; ich sage
zunächst, da die wachsende Länge des erwerbsfreien Lebens doch weite Kompensationsmöglichkeiten
bietet. Aber die Theorie Ekardts von der Ununterbrechbarkeit der Freiheit wäre
da ein Hemmnis; das Aufschieben von Wünschen paßt ja nicht in eine Landschaft
und Wirtschaft mit Kauf oder gar Leben auf Kreditkarte, in eine Welt der Freiheit
auf Pump. Aber wie viel Kredit verdient künftiges Leben, wenn es auf
solcher "entsubstantialisierter" Basis garantiert werden soll?
Nach E. belasten viele "Vielverbraucher" jedoch nur unnötig die Umwelt durch Importe, die anderer Länder berauben und benachteiligen. E. kennt also doch Grenzen des AUSTAUSCHES, wenn auch leider nur im Wirtschaftlichen, wo sie am Unwahrscheinlichsten aufrechterhalten und mit allen Konsequenzen, nämlich unter Wohlstandseinbußen (durch Waren- und Leistungsverteuerung bei Sortimentsverengung), aus Freiheit gewünscht werden.
"Ein >geburtenfördernder Sozialstaat< zerstört also eher Freiheit, als daß er sie ermöglicht. In puncto Nachhaltigkeit ist unsere Bevölkerungsschrumpfung daher eher günstig... Nicht nur die Finanzierung des einen Autos..., sondern ebenso die Versorgung der eigenen Kinder ist zunächst einmal Sache der Eltern, und es kann nicht per se erwartet werden, daß die Mitbürger hierfür in die Bresche springen.." (a. a. O. S.195)
Ganz auch meine Meinung! Auch wenn
das biotele Aspekte-Fundament dazu, die SPONTANEITÄT, nicht genannt wird.
"An die Stelle der >quantitativen Familiensubventionierung< solle daher eine qualitative Familienpolitik treten. Diese müßte sich weniger auf Geburtenzahlen konzentrieren - sondern vielmehr darauf den heutigen und künftigen Kindern, die denn da sein werden, die Basis einer physischen und autonomen Existenz zu sichern..." (a. a. O. S.198)
Und schon wieder beißt
sich die Schlange in den Schwanz! Man schaue also nicht auf die globale
Bevölkerungsexplosion, sondern garantiere in alle Zukunft hinaus genügend
Nahrung, Luft und stabiles Klima! Wer kann denn an ein solches Märchenwunder
glauben? Und eine andere innere Einstellung im Hinblick auf ein gutes
Leben, eine Verhaltensänderung der gesamten Menschheit aus freien Stücken
erwartet ja E. selbst nicht:
"Dagegen wird nicht nur reine Selbstregulierung und reine Steuerung durch
Informationen, sondern auch eine reine Verfahrenssteuerung ungünstige
Motivationslagen kaum neutralisieren" (a. a. O. S.219).
Ich mache die Zeitung auf: Berliner
Morgenpost, 15. Oktober 2005:
"Ermittlungserfolg: Sozialbetrüger
in die Türkei abgeschoben - Berlin - Ermittler von Kripo und Ausländerbehörde
haben einen Straftäter in seine türkische Heimat abgeschoben. Der 41jährige war
bereits 1986 unter Angabe falscher Personalien als Staatenloser über den
Libanon nach Deutschland eingereist. Kenan G. hatte sich seitdem sowohl in
Berlin als auch im Ruhrgebiet aufgehalten. Er, seine Frau und die acht Kinder
haben 1997 bis 2002 insgesamt rund 160 000 Euro Sozialhilfe bezogen. G. ist
wegen acht Delikten rechtskräftig verurteilt worden". (a. a. O. S.1)
Nach EU-Beitritt der Türkei wäre eine Abschiebung nicht
mehr möglich. Kenan G. ist kein Einzelfall. Die Praxis sieht eben ganz anders
aus wie eine wohlmeinende Theorie. Die eben genannte Summe wird sich noch
wesentlich erhöhen wegen der vielen Identitäten, unter denen der Kurde auftrat.
Drei seiner Söhne fielen schon durch Straffälligkeit auf. 4000 Personen sollen
mit gefälschten Identitäten in Berlin leben. Die Ermittlungsgruppe
"Ident'" konnte 35 Straffällige abschieben und 24 weitere zur
freiwilligen Abreise bewegen. (a. a. O. S.11) In Kürze wird der Betrüger
vermutlich wieder einreisen. So etwas hat man davon, wenn man die Gesellschaft
im großen Maßstab durcheinandermixt und anonymisiert.
Generationengerechtigkeit soll also neuerdings
beachtet werden Man spricht von ihr, weil sie ja erstmals so universal und grob
mißachtet wird; so etwas war in den Jahrmillionen der Menschheitsgeschichte
noch nie passiert! Und wie will man das Wohl zukünftiger Menschen
berücksichtigen, wenn man ja nicht einmal mehr VERGLEICHEN darf? Gleich wird
einem Diskriminierung vorgeworfen! Vergleichen ist doch das Rückgrat jeglicher
Wissenschaft und des Menschseins überhaupt? Menschliches Denk- und
Vorstellungsvermögen ist doch zu schwach, um den Reichtum des Vorhandenen, des
Seins, der Natur auch nur erfassen zu können, darum wollen viele die
Vielfalt abschaffen (gleichwohl sie das Gegenteil behaupten)und
konstruktivistisch eine neue, angeblich bessere Welt schaffen, sie in das enge
Korsett ihres begrenzten Horizontes einzwängen. Daß etwas nicht einem
anderen gänzlich gleich ist, verbietet noch lange nicht den VERGLEICH, die
Suche nach Gemeinsamem und die Feststellung des verbleibenden Verschiedenen. In
dieser Fähigkeit gipfelt die menschliche Intelligenz und macht sie zu einem
überlegenen Instrument des Überlebens. Und ein solcher Vergleich kann auch in
der Stille und Einsamkeit eines vereinzelten Gehirns angestellt werden, er
benötigt nicht ständig den Diskurs, der übrigens ja auch bei den
Diskursethikern in der Regel nicht stattfindet.
In dem man andere Völker, kampflos
und einfach so - aktuell durch den Türkeiaufnahme in die Europäische
Union bei völliger Freizügigkeit - im seit Jahrhunderten, ja
Jahrtausenden von unseren Vorfahren unter Aufbau und Ausbau einer gewissen,
spezifischen Kultur erschlossenen Land frei sich ausbreiten läßt: übt man damit
etwa "Generationengerechtigkeit"? Ihr eigenes Land haben die Türken
ruiniert, jetzt soll unseres drankommen! "Merken sie denn nicht, daß wir
in ihr Land kommen und ihre Grenzen enger machen?" so höhnt der Koran!
Welchen Beitrag haben die Türken, inzwischen ein fast 80 Millionenvolk, denn
zur Höhe menschlicher Kultur, zur modernen Zivilisation beigetragen? Wo sind
denn ihre die Welt sich erschließenden hohen Kunstwerke, ihre Musik, ihre
Nobelpreisträger? Was sie dem Touristen vorzeigen, sind die Reste griechischer,
römischer, arabischer, altchristlicher Erbschaft: die hohen Zeugnisse der
armenischen Kultur haben sie nach dem Völkermord völlig geschleift. Soll es
etwa einmal auch in Deutschland heißen, daß es unsere Dome und Schlösser nie
gegeben hat? Gilt denn wirklich nur das Recht des Schwertes und des Bauches?
Woher und warum dieser Kniefall vor dem Imperialisten, vor den Eroberern? Liegt
darin nicht eine versteckte (beileibe und keinesfalls eine bewußte!)
Bewunderung des Verbrechers Hitler und der Welteroberungspläne Lenins und
Stalins? Das beliebte Kriechen vor der Macht, das sich immer bezahlt gemacht
hat, kurzfristig natürlich nur. Auch für F. Ekardt, den Stipendiaten der
Deutschen Bundesstiftung für Umwelt (Quelle Internet) gilt dies und begrenzt
seine Redefreiheit. Nutzen wir wirklich Freiheit zu deren Verteidigung?
AUTONOMIE, Freiheit, sollte doch das Ziel sein? Oder bloßer feiger Defaitismus,
dem Mut keine Tugend mehr ist? Ist der Mangel an Zivilcourage bei uns nicht
erschreckend genug?
Aber, kann man hier einwenden, F. E.
hat sich doch mit keinem Wörtlein mit dem Türkeibeitritt befaßt. Das ist es ja
gerade: den epochalen Ereignissen widmet man keine Beachtung: die Einleitung
der freiwilligen Turkisierung und Islamisierung Europas, ist dies nicht ein
weltgeschichtlicher Einschnitt? Vittorio Hösle meint ja lediglich lakonisch,
daß man die Aufnahme der Türkei in Europa wagen könne. (Begründung liefert auch
dieser Politikberater keinerlei für diesen dubiösen Ratschlag.)
An anderer Stelle aber erwartet E. eine Verteidigung der
freiheitlichen Ordnung; so beschwert er sich über die "postmoderne"
Ironie gegenüber der liberalen Ordnung, da sie letztlich die Bereitschaft
untergrabe, die "Freiheit überhaupt noch zu verteidigen". Die
Postmoderne könne sich verstärkt für "die unguten Einflüsse klassisch
liberaler Ideen wie Fortschritt, Wachstum und hypostasierter
Individualismus" öffnen und dem Wohlergehen und den "scheinbaren
Imperativen des Augenblicks" verschreiben. (a. a. O. S.81) Die Postmoderne
(auch unter der Bezeichnung "Radikaler Konstruktivismus" als
ein anderes Mißverständnis von I. Kant´s Kritiken bekannt) ist so ein richtiger
Blitzableiter für E., obwohl (oder weil?) er doch ein ihnen in vieler Beziehung
ganz Seelenverwandter ist (vgl. a. a. O. S.35-37). Zurück zu den Vorwürfen oben
gegen die Postmoderne. Merkwürdig wenn das jemand sagt, der keine Verpflichtung
zur Menschheits- und schon gar nicht eine solche zu Naturerhaltung anerkennt;
damit schwächt E. aber jede Argumentationsbasis in Richtung auf eine
Geburtenregelung zur Balance zwischen Mensch und Natur und zwischen den Ethnien
und Völkern. Die Muslime und nationalistischen Türken können darauf verweisen,
daß "in Mitteleuropa ja genügend Platz sei" und noch weiterer durch
dortigen Geburtenschwund entstehe. Unser Autor wird sich aber doch nicht
einbilden, daß Bayern, Schwaben und schließlich auch andere deutsche
Stammbevölkerungen eine ethnisch-kulturelle Umschichtung widerstandslos
hinnehmen! Das Leben scheint, von einigen lokalen Naturkatastrophen
abgesehen, zu langweilig und ohne Ereignisse abzulaufen, alles tendiert
auf erneute kriegerische Konflikte hin. "Das Leben ist Kampf"
überschrieb ein deutscher Muslime seine Homepage für eine Biotelie-Kritik.
Biotelie steht für eine friedliche Verteidigung der Freiheit aller
Kulturen. Mit dem diskursiven Versprechen der Bemühung um maximale Freiheit für
alle auch eventuell später Lebenden wird da wenig auszurichten sein. Wie sollen
Leute ein solches Versprechen einhalten und garantieren, die sich dem Leben
gegenüber nicht verpflichtet fühlen oder auch nur glaubwürdig wirken? Wenn man
die Ablehnung gegenüber "Wirtschaftsliberale[r] und postmoderne[r]
Wildwestfreiheit" noch mitunterschreiben kann, so wird man bei der
strikten Ablehnung eines "paternalistischen Gemeinschaftsdenkens" (a.
a. O. S.115) schon vorsichtiger und
kommt ins Stutzen. Zu groß sind sogar bei uns bereits Bevölkerungskreise, die
gar nicht anders als unter einem Dirigismus und Verhaltensvorgaben leben können
und wollen. Freiheit und Geborgenheit sind ja auch als gegensätzliches Begriffspaar
anzusehen. Legt das schleppende Aufholen der ehemaligen DDR nicht letztlich an
den Schwierigkeiten mit dieser Lebensumstellung?
Da können wir ja noch einiges aus dem
gerade geschaffenen "Bremer Institut für Transnationales
Verfassungsrecht" erwarten, das E mit Kollegen gegründet hat (Quelle:
Internet). Vor allem natürlich krisensichere neue Pfründen zu Lasten derer, die
in ihrer wirtschaftlichen Freiheit ohne hin eingeengt sind. Man
kombiniere Fachbezeichnungen untereinander oder versehe sie mit entsprechenden
Adjektiven, und schon hat man neue Wissenschaftsdisziplinen. Wie eine Hydra mit
Wasserköpfen breiten sich neue Wissenschaften aus; hier, in diesem
Fall, darf man ja nicht einmal mehr nach einem "Gemeinnutzen"
fragen, denn er wird ja programmgemäß gar nicht beabsichtigt. Nun versteht man
auch, warum E. allen politischen heißen Eisen ausweicht. Dabei gibt es mit dem
Europarecht bereits transnationales Recht. Ein theoretischer Prototyp für
transnationales Recht ist das biotele, da ja bei grenzüberschreitenden
Auswirkungen zunächst bioteler Gesetzesanträge, sekundär aber auch anderer
festgestellter Übelstände (sofern zum Gegenstand bioteler Begutachtung werden)
das gesamte betroffene Kollektiv ein Vetorecht über elektronische Abstimmung erhalten
soll. Im Vorfeld ohne legislatorische Befugnis könnten biotele Gutachten
bereits transnationales Interesse und Denken erwecken. Aber dies soll ja gerade
nicht sein! In Eintracht mit Vittorio Hösle u. a. sollen riesige Staatsblöcke,
wie etwa die Vereinigten Staaten von Europa, geschaffen werden, um mit dieser
Konzentration unter Abwürgen der lästigen kulturellen PLURALITÄT, zu der
illusorisch-utopischen Weltgesellschaft zu gelangen. Aber da diese Blöcke um
die knapper werden Ressourcen konkurrieren und mit hoher
Wahrscheinlichkeit sich nicht auf die liberale Weltanschauung als
allgemeingültige festlegen lassen, wird es zum wegen der Kräftekonzentrationen
umso schrecklicheren Weltkrieg kommen. Gerade (Deutschlandradio, 27.10.05) hat
die Deutsche Forschungsgemeinschaft ein umfangreiches Forschungsvorhaben
("Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen
Mittelalter") über die Religionen im mittelalterlichen Europa aufgelegt,
um gegen das heutige Vorurteil einer religiösen Überfremdung aufzutreten.
("Kleingedruckt", d. h. ganz nebenbei, wird bestätigt, daß aber
alle religiösen Gruppen sich bis um etwa 1900 etwa gleichmäßig
fortpflanzten.) Bisher kamen die Muslime als Eroberer, gewährten
Religionsfreiheit und herrschten über Teile Europas als Minderheit. Dem
wirklich bedeutenden Thema der Menschheit, wie man die Fortpflanzungsstärke in
ein Konzept vernünftiger Menschenrechte eingliedern und die Expansion
bestimmter Völker letztlich zu Lasten der Natur aufhalten könne, weicht man
wohlweislich aus. Wie verträgt sich das Gewähren von Minderheitenrechte mit
expandierenden Minderheiten ohne wirklich kulturelle Überlegenheit? Für E.
würde jeglicher Ansatzpunkt für eine wenigstens regionale freiere Handhabung
entfallen, da er ja die Kollektive nur als Sachwalter der Rechte von
Einzelmenschen anerkennen will (falls ich ihn nicht mißverstanden habe); wohl
richtiger interpretiert: für ihn ist die Fortpflanzungsfreiheit eine absolute,
auch wenn Natur und Menschheit darüber vorzeitig zugrundegehen. Freiheit war
dann offensichtlich nachhaltig, denn sie sollte ja nur "dauerhaft"
(a. a. O. S.11) für diejenigen erhalten werden, die – auf private
(Eltern-)Initiative hin! – noch dazu kamen zu leben.
Die (von E. kritiklos hingenommenen)
Menschenrechtsdeklarationen (a. a. O.
S.25) sind für ihn eine unanzweifelbare Bastion der und Ausgangspunkt für die
angestrebten globalen Liberalität. Da AUSLESE nur in Gestalt von Konflikten
(rechts)erheblich zu sein scheint (a. a. O. S.11), Recht also bloße
Konkurrenzordnung sein soll, ist dieses Steuerungsdefizit gleichwohl ein
orbitanter Mangel. Zumal recht unwahrscheinlich ist, daß "junge und
zukünftige sowie.. in anderen Erdteilen lebenden Menschen " als
"gleichberechtigte Träger .. menschenrechtlicher Freiheit (Generationengerechtigkeit
und globaler Freiheit) " (a. a. O. S.22) sich außer der Wahrnehmung ihrer
Fortpflanzung auch noch alle freiheitlichen Verpflichtungen (aus dem Repertoire
der nun untergegangenen westlichen Kultur) annehmen werden.
"Nachhaltige Freiheit ist gleichwohl nicht einfach grenzenlos. Sie ist vielmehr universal, global und intertemporal austarierungsbedürftig... Und auch davon abgesehen lassen Art.1 ABs.1 S.2 GG, 1EuGRC und auch die Gerechtigkeitstheorie keineswegs eine Ungleichrangigkeit des direkt und des indirekt in seiner Freiheit Betroffenen erkennen. Die alte Idee, es gäbe >ein striktes negatives Recht, von anderen nicht geschlagen zu werden<, aber nur >eine schwache positive Pflicht, anderen Almosen zu geben<, kann daher so nicht fortbestehen: Ekardt, Zukunft in Freiheit, 2004, §6 A.II.1." [hier in der Fußnote] (a. a. O. S.134)
Auch hier muß ich widersprechen, wenn
es um die künftige Rechtspolitik gehen soll. Für mich ist die Rechtsverletzung
stärker, wenn einer eine Person absichtlich etwa mit dem Auto überfährt, als
wenn er ein Almosen verweigert. Das vorgesehene biotele Verweigerungsrecht
durch Direktabstimmung über biotele Gesetzesentwürfe schließt ja auch indirekt
Betroffene vom Wahlrecht aus. Es ist doch eine ganz andere Intensität und Qualität
der Betroffenheit, wenn innerhalb meines Wohngebietes eine Atom- oder
Müllverbrennungsanlage errichtet werden soll, als wenn solches etwa in China
geschieht. Die Ausdehnung des Vetorechtes auf alle, die sich subjektiv von
einer Maßnahme betroffen fühlen, würde insbesondere nach globaler Ausweitung
einer derartigen Gesetzgebung leicht, ja sicher zu deren Blockade führen. Nicht
einmal mit dem Rahmen einer universalen Freiheitsordnung im Sinne von E. wäre
solches vereinbar, da sich bevölkerungsstarke Nationen aus ihrer Kultur und
Weltanschauung heraus sich gegen eine Erweiterung des Freiheitsrahmens, auch
schon im Umfange wie etwa bei uns hier in Europa, entscheiden und sie
blockieren könnten.
Was versteht nun E. unter
"wohlverstandener Freiheit"? (a. a. O. S.136) "Man
erinnere sich: Menschen, die sich unhintergehbar wechselseitig, eben
unparteilich, in ihrer Autonomie respektieren müssen, müssen sich gleiche
Freiheitsrechte zugestehen, und zwar Freiheit sowohl von direktem staatlichen
Zwang als auch von indirektem durch Gewährenlassen von Mitbürgern. Wenn aber
unsere Freiheit wegen der Multipolarität notwendig von Kollisionen geprägt ist,
müssen unparteiische Akteure die wechselseitige Freiheitsbegrenzung
akzeptieren. Dabei ist der Anspruch auf die elementaren
Freiheitsvoraussetzungen bekanntlich im Recht auf Freiheit enthalten, nicht
aber die >weiteren< Freiheitsbedingungen. Weil die >weiteren<
Freiheitsvoraussetzungen gleichwohl die Freiheit fördern können, muß eine
gerechte Grundordnung, die wegen des autonomiezentrierten Achtungs- und
Unparteilichkeitsprinzips die Maximierung der gleichen Freiheit aller Menschen
fordert, diese Belange gleichwohl akzeptieren. Nur sind sie eben keine
Grundrechte (wie das Recht auf Presse-, Meinungs-, Berufs- oder Eigentumsfreiheit
oder die Garantie für Leben, Gesundheit und Existenzminimum). Auf sie (zu denen
auch die allgemeinen Verfassungsvoraussetzungen - also die Bedingungen
friedlicher Vergesellschaftung - wie eine gewisse wirtschaftliche Stabilität
und eine gewisse soziale Integration, auch der Migranten, zählen) hat der
einzelne zwar keinen Anspruch. Das Ziel möglichster Autonomie und
unparteiischer = allgemein zustimmungsfähiger Zustände impliziert aber:
Auch die> weiteren< Freiheitsvoraussetzungen sind soweit wie möglich zu
fördern, damit möglichst viel Freiheit real wird - und zwar gleiche Freiheit
für alle. Jegliche Freiheitshindernisse sind also genau bis zu dem Punkt zu
beseitigen, wo die Beseitigung insgesamt eine Freiheitsmaximierung verspricht.
Umgekehrt sind Belange, die die Autonomie mehr als um der Autonomie aller
anderen willen nötig beschränken, damit unzulässig. Solche Belange (z. B. reine
Kollektivbelange wie >das Ansehen Deutschlands< oder >die Erhaltung
der deutschen Kultur<) scheitern ergo an der Autonomie - und daran, daß sie
selbst eben keine Begründung wie Freiheit vorweisen können (zu den letzteren
gleich unten)". (a. a. O. S.137)
Zugunsten eines Kollektivinteresses ließe sich viel an
Freiheit einschränken, ohne es so recht begründen zu müssen. E. nimmt also den (national)staatenlosen
Weltbürger vorweg, obwohl der gar nicht existiert. Selbst das Bild des
"Ewigen Juden", der heimatlos umherirrt, ist seit der Gründung des
Staates Israel ja Vergangenheit. Diese Linksintellektuellen (und dahin ordne
ich nun einmal die verlorene Nach-68er Generation ein, der man alles geboten
und von denen man nichts verlangt hat) wollen wieder wie Nomaden auftreten. An
anderen Stellen kann man dann Überlegungen anstellen, daß wir den
Umweltverbrauch zurückschrauben müßten, weniger herumjetten (etwa im Winter in
den heißen Süden), ja weniger autofahren, ja weniger Südfrüchte essen könnten
und was all derartiges ökologisches Denken vortäuschendes Gefasel mehr ist. Aus
welchen Tatsachen heraus kann mir Herr Ekardt überzeugend begründen, daß etwa
die mit dem EU-Beitritt der Türkei in Aussicht genommene Massenbesiedlung
Deutschlands mit muslimischen Anatoliern die Natur, unsere viel besungenen
Wälder, besser bewahren werden als wir alteingesessenen Deutschen? Dazu schweigt
aber des Sängers Höflichkeit. E. weint ja auch dem Artensterben keine
Träne nach (a. a. O. S.138). Ein Lebewesen aber ist Substanz, Kern einer
Stabilität; aber die Freiheit ist lediglich eine Funktion, sehr häufig sogar
nur eine Fiktion; und sicher wird sie zu einer solchen, wenn man sich nur an
ihr als Funktion und nicht an den organischen Trägern - und hierzu gehören auch
Gemeinwesen, Kollektive und Kulturen - orientiert. Wir Menschen sind
hilfebedürftige Wesen oder können es von einer Sekunde zur anderen werden. Wohl
denen, die sich dann nicht auf eine globale Solidarität der Menschheit
verlassen müssen oder auf eine Weltverfassung, sondern auf die Nächstenhilfe
und -liebe zurückgreifen können. Aber mit einem Nach-68er kann man über so
etwas nicht reden: sie haben ja keine Not kennengelernt, sind nie auf die Stufe
eines ums Überleben kämpfenden Tieres zurückgeworfen worden.
Zunächst halte ich mich an die
Ankündigung: "dieses Buch sucht eine in wichtigen Punkten präzisere
und erheblich vervollständigte Gesamtschau meiner bisherigen Ideen, wie ich sie
in einer Reihe von Büchern und Zeitschriftenartikeln entwickelt habe" und auch die "gewählte, geradezu anmaßende
Kürze" ist für mich keine Entschuldigung dafür, wenn ich so
Weltumgestaltendes beim ersten Durchsehen nicht entdecken konnte.
"Ohne eine neu fundierte Lehre von der gerechten Grundordnung und eine Neuinterpretation unserer Verfassungen, vor allem aber ohne mehr Generationengerechtigkeit und Gerechtigkeit zwischen den 'Völkern dieser Erde können wir nicht länger sagen, daß unser Zusammenleben gerecht ist." (a. a. O. S.9)
Aber wer hätte denn eine solche
Behauptung, daß die Welt gerecht sei, je aufgestellt? Und E. fährt fort:
"Und ohne ein neues Konzept politischer Steuerung wird die Politik als Mittler unserer Konflikte endgültig scheitern. Ganz besonders die Jahrhundertaufgabe Nachhaltigkeit, unter die wir die Generationen- und die globale Gerechtigkeit seit kurzem begrifflich fassen, wird ohne ein solches Konzept nicht zu meistern sein, Das sind meine Kernthesen." (a. a. O. S.9)
Ich wollte mich schon darüber
beschweren, daß das Ziel Nachhaltigkeit nicht definiert werde. (So rasch läßt
man sich negativ einstimmen!) Aber dann hatte ich Definition vor mir:
"C. Nachhaltigkeit = intergenerationelle und globale Gerechtigkeit -. Aber wovon reden wir überhaupt? Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung meint das Ziel, daß unsere Kinder und Kindeskinder auch morgen noch etwas auf dem Teller haben – und daß überhaupt erstmals alle Menschen dieser Welt etwas auf den Teller bekommen. Es geht also um eine lebenswerte, freiheitliche und friedliche Erde für alle Menschen... sustainable development..." (a. a. O. S.25)
Von dieser Definition ist allerdings
noch ein weiter Schritt zu der Beweisführung, daß dieses Ziel mit dem einer
Freiheitsmaximierung für alle Menschen zusammenfalle. Vergessen wir auch nicht,
daß viele Menschen von ihrer Freiheit einen schrecklichen Gebrauch machen, und
daß sich immer sehr viele Menschen finden, die ihre Freiheit billig abzugeben
bereit sind, und sei es nur dafür, keine Verantwortung übernehmen zu müssen.
"Ein Korsett starrer Regeln, wie es traditionalistischen Staaten eigen ist, zwängt nicht nur ein - es hält auch." (a. a. O. S.78)
Anders als im Adjektiv
"nachhaltig" klingt in "sustainable" (eigentlich:
"unterhaltend") ein Moment der Unterstützung mit; es ist nicht ganz
sinngleich mit "permanent" oder "ausdauernd", rührt aber an
die Zeitperspektive und berührt sich schließlich irgendwie mit dem Wunsch des
Menschen nach Ewigkeit, die für Irdisches illusorische Utopie ist, weil
schlußendlich alles dem Zerfall und der Verwandlung anheimgestellt ist. Und da
von einer Idee die Rede ist, liegt auch die Nichtberücksichtigung dieses
grundsätzlichen Mangels, der grundsätzlichen Sterblichkeit, nahe.
"Menschen sind endliche Subjekte - doch bringen wir durch unser Reden ein intersubjektives Universum normativer Prinzipien zum Entstehen, welches uns lebenslang bindet. Und das doppelte transzendentale und Alternativlosigkeitsargument für Vernunft und liberale Prinzip eine (ganz abgesehen vom weiteren Argument >Widerlegung der Gegentheorien<) hält auch dem Ansturm kritischer Nachfragen statt, denen es sich in einer globalisierten, kulturell pluralistischen Welt stellen muß. Unschädlich ist etwa - wie ich auf eine gängige Kritik an einem diskursiven Liberalismus erwidern möchte -, daß sich auch bei Sicherstellung maximaler gleicher Freiheiten nie völlig ideale, von jeglichem Zwang, materiellen Nöten, psychischen Belastungen, begrenzter Intelligenz oder Zeit freie Diskurse [hier: typische Unklarheit durch neue Rechtschreibung! ich nehme an es ist "zeitfreie Diskurse" gemeint und es hat sich kein Druckfehler eingeschlichen und habe denn Sinn auch dann noch nicht erfaßt, "Zeit freier Diskurse" ginge mir eher ein] über Gerechtigkeit unter Menschen ergeben kann. Denn da Menschenunmögliches nicht verlangt werden kann, können Normen nur das regeln, was eben regelbar ist.." (a. a. O. S.69)
Und da sollen wir glauben, daß aus
solcher Bemühung um das Ideal maximaler Freiheit keine Zwangsherrschaft
entstehen könnte?
Ich will nun meinerseits einem
Vorwurf von dritter Seite gegen meinen Kernbegriff "dynamische
Stabilität" versuchen zu entkräften, nämlich den Vorwurf, ich hätte ihn
doch nirgendwo definiert. Unter Nachhaltigkeit scheint zunächst
dasselbe verstanden zu werden; aber warum benennt man dieses so wichtige und
zentrale Ziel derart widersprüchlich: nachhaltig kann auch Dummheit sein und
Gleichgültigkeit; früher suchten die Philosophen nach dem Wahren und Guten;
aber Platon ist ja tot (siehe E-Mail Ekardts) Für mich liegen die Gründe auf
der Hand: man will nichts von Natur wissen und hat die Gerechtigkeit zu einer
Spezialsparte der Verteilungsgerechtigkeit verengt; es ist das pseudodialektische
Denken aus der Tradition der altgriechischen Sophistik, das den Ausübenden den
besten Profit verspricht, da sie sich immer herauszureden verstehen. Dies ist
die Wurzel des Neomarxismus (oder auch der "Postmodernen"?), der kein
klares Ja und Nein mehr kennt, sondern nur ein Sowohl-als-Auch, eine Pluralität,
der man die AUSLESE erspart hat. Freilich sind Gegensätze treibende Kräfte,
aber es gibt auch eine falsche Entscheidung und falsches Verhalten, die Tod und
Vernichtung zur Folge haben; mit einer ausgerotteten Pflanzen- oder Tierart
geht eine Millionenjahre-Geschichte endgültig zu Ende. Und die verblödete und
hilflose Menschheit vernichtet täglich Hunderte von Arten. Man kann ja über
alles reden, solange man nicht selbst leidet. Ein derartiges Problem kennt
unser Autor gar nicht. Er kann sich lachend auf dem Buchumschlag präsentieren:
vieljähriger, hochdekorierter Stipendiat, zweifacher Preisträger, konnte er auf
anderer Leute Kosten (wie ich allerdings nur aus den Beispielen anderer
vermute) die Welt bereisen, mehrere Studiengänge absolvieren, sich seine
Ratschläge teuer bezahlen lassen. Ein weiteres Argument für meine
Forderung, ausgenommen von besonders hochbegabte Sonderfällen, die
Geisteswissenschaften von Leuten betreiben zu lassen, die ihren Anteil am
Bruttosozialprodukt (oder wie man es aktueller benennen will) mit etwa
vierzig Jahren schon erbracht haben. Aber Felix Ekardt zählt ja schon zu diesen
Ausnahmen!
Also zunächst einmal der Versuch über
den Zielbegriff der "dynamische
Stabilität" ins Reine zu kommen, ein Begriff, der
jedem Naturwissenschaftler sofort einleuchtet; weshalb er sich ja auch nicht um
eine Definition bemüht. Stabilität ist eigentlich nur eine
Abstraktion; denn bereits Heraklit wußte, daß alles fließt, daß alles der
Veränderung, der Dynamik unterworfen ist. Aber um in dieser Welt bestehen zu
können, müssen wir irgendwo Halt finden; in Bildern von gewissem Bestand, in
Begriffen. Stabilität bedeutet für uns das verhältnismäßig Gleichbleibende,
dessen Veränderung uns wenigstens für den Augenblick verborgen bleibt, das
Nominale, so die bereits erwähnten Pflanzen- und Tierarten mit dem Wissen, daß
auch diese sich wandeln. Jedes Ich, jedes Selbstbewußtsein ist bestimmt von
diesem Phänomen der Stabilität oder der Substanz, Persona (wörtlich Maske)
wurde zur unverwechselbaren und unauswechselbaren individuellen Persönlichkeit
weiterentwickelt, eingebettet in eine Familie, eine Gemeinde, und schließlich
in ein Volk, eine Nation, Einheiten die gegenseitig voneinander abweichen und
in die Menschheit, die in subsidiärer Reihe in die Natur münden. Die höchste
Stabilität wird Gott nachgesagt. Aber nicht nur demjenigen, das unter ein
Substantiv fällt, legen wird den Begriff der Stabilität zu, sondern auch dem
Geschehen, wenn es uns betrifft, dem physikalischen (etwa dem Wetter) und dem
Psychischen. Und nun kommt es darauf an, daß alle Wandlung, alle Dynamik, der
Erhaltung gefundener Stabilität oder deren (Wieder-)Herstellung zu dienen hat
oder wenigstens mit ihr verträglich sein muß. Und da haben wir es wesentlich
leichter, wenn wir der Zielvorstellung der Biotelie uns etwa im Wortsinn
nähern: nämlich dem Ziel der Lebenserhaltung. Erst dann können wir mit dem
Begriff der dynamischen Stabilität auch im Hinblick auf die Naturgewalten, wie
das Wetter oder das Klima, etwa Vernünftiges anfangen. Wenn wir weiterhin
derart sinnwidrig und rücksichtslos in das Naturgeschehen eingreifen, indem wir
alle Gifte und Zerstörungskräfte, die in der Erde ruhen, auf einmal - in
Jahrhunderten, ja Jahrzehnten - verpuffen, so zerstören wir die dynamische
Stabilität global. Es bleibe dem Leser überlassen hierzu den Zugang bei Ekardts
obiger Definition Nachhaltigkeit als Generationen- und globaler Gerechtigkeit
zu suchen, mir gelingt dieser Zugang dort leider nicht oder nur ganz pauschal
ohne das Eindringen in Einzelproblemlösungen. Der Teufel aber sitzt bekanntlich
im Detail. Der unermeßliche und so rücksichtslos geplünderte Schatz des
Reichtums der lebendigen Natur bleibt bei Ekardt vor der Tür. (Vgl. E-Mail: Er
halte nichts von Neokonservativen wie Gruhl...) Anstandshalber darf ich
hier aber nicht unterschlagen, daß E. dann doch wieder dazu bereits ist
"Steuern für die Einrichtung von Nationalparks oder auch von Kindergärten
zu akzeptieren, weil dies die Entfaltung heutiger und künftiger Menschen
fördert, ohne indes >elementar< zu sein..." (a. a. O. S.139) Also
sozusagen Natur als eine Art von Museumsveranstaltung.
Elementare Bedürfnisbefriedigung
sollen unseren Nachkommen also zugesichert werden: Wasser zum Trinken und Luft
zum Atmen. Gewährleistet offensichtlich durch eine Umweltindustrie, denn so
elementare Funktionen wie die Wasserreinigung über die Bodenfiltration und die
Luftreinigung über die Bäume gehören bei ihm ja nicht zu den „elementaren"
Erfordernissen. (Oder sagen wir lieber: er versteht wenig von Biologie und
Naturwissenschaften: was ein einziger Wald an Entgiftung leistet schaffen
ganze Industrien nicht.) Da die Bevölkerungslawine dabei dank Freiheit nicht
gestoppt wird, würde auch nicht viel mehr noch zu verteidigen sein, und der
Kampf bis aufs Messer wäre vorbestimmt. Dagegen kann man sich sehr wohl
vorstellen, das "westliche Wohlstandsmodell" zu globalisieren, wenn
man eine Geburtenkontrolle erzwingt. Nur wäre auch dann der westliche "Wohlstand",
sprich: Überfluß, kein anzustrebendes Ideal und die westlich maximierte
Freiheit schon gar nicht. Nur allmählich begreife ich bei der Lektüre dieses
Büchleins, daß "kein Kant" eben heißen soll: keine Pflichtethik;
"Platon ist tot" muß übersetzt werden in: keine paternalistisch-autoritäre
Ordnung, sondern eine solche nur in ständigem Diskurs (für mich: Geschwätz),
unterbrochen durch Mehrheitsabstimmungen aus Verlegenheit wegen der doch sehr
häufigen Uneinigkeit.
Und zwischen allem schimmert durch, daß ja E. auch seine Vorstellungen gerne
durchsetzen würde und damit "paternalistisch-autoritär" (oder
monarchistisch?) eingestellt ist, denn jedermann wird ihm als Diskutant kaum
folgen können, wird ja auch nicht zugelassen. Und Zweifel an der Zukunftsträchtigkeit
aller Mehrheitsbeschlüsse werden auch bei E. wach, weshalb Gerichte, doch wohl
qualitativ-intellektuell hoch besetzte, eingreifen müssen, mit Leuten seiner,
nicht meiner Bildungsvoraussetzungen und Weltanschauung versteht sich.
Die Polemik gegen neokonservativ (wie andere sagen), gegen Platon ist also im
Grunde unehrlich. Außerdem muß E. den Gottesglauben ablehnen, da der doch sich
einer höchsten Autorität verschreibt. Damit ist aber die weltanschauliche
Neutralität aufgegeben und ein Wesentliches an Freiheit verraten. Biotelie ist
agnostisch angelegt und läßt die letzten Fragen, insbesondere die konkrete
Beantwortung der Frage nach dem Sinn des Lebens, offen. Verlangt wird jedoch
gegenseitige Toleranz; wo diese verweigert wird, müssen Konsequenzen gezogen
werden bis hin zur Ausweisung sich nicht eingliedernder und an die Spielregeln
haltender Minderheiten (was die Duldung einer türkisch-muslimischen Minderheit,
soweit sie nicht weiter einseitig expandiert, auch bei uns nicht
ausschließt).
Was versteht nun E. unter Demokratie,
für die es bei ihm doch keine Alternative gibt?
"Zu guter Letzt kann man auch nicht sagen, daß eine
diskursrationale Theorie entgegen ihrem eigenen freiheitlichen Ansinnen
platonisch-autoritär ende, weil ihre Prinzipien unabhängig von der faktischen
Zustimmung der Bürger begründet und daher von oben herab kämen (wie Platons -
die Autokraten aller Zeiten inspirierende - diffuse Wesensschau>
erkennen< konnten)."
So kann nur einer sprechen, der selbst keine
"Gesichte", keine Inspirationen erfahren hat, für den z. B.
"Wunder" aus rationalistischer Weltanschauung heraus ausgeschlossen
sind.
"In der Tat gelten liberale Ideen auch dann, wenn die
Mehrheit [h]sie ausdrücklich
abschaffen oder ignorieren und z. B. lieber einen Gottesstaat errichten
möchte.. War etwa das Dritte Reich durch mehrheitliche Zustimmung der Bürger
gerecht?..." (a. a. O. S.79)
Die aufgeworfene Problematik des Demokratiekonzepts ist damit
aber nicht gelöst. Das biotele Gutachtenverfahren läßt Verbesserungsvorschläge
von jedermann zu und arbeitet mit Urteilsvergleichen, wobei nur solche Urteile
gegenüber dem großen Durchschnitt intellektuell höher Stehender verworfen
werden, die grob von dem Urteil vieler anderer abweichen und auf eine nicht schlüssiges
logisches Denken oder im Urteil ausgeübte Parteilichkeit zurückgeführt
werden müssen. (E. läßt dagegen nur solche zum Diskurs zu, die seiner
Auffassung sind; allenfalls noch einen solchen zwischen Diskursethikern,
der dann wie das Hornberger Schießen ausgeht, d. h. ohne Ergebnis.) Das
übereinstimmende biotele Urteil muß nun auch die erforderliche positive
Publizität unter Zurückdrängung der negativen erfahren; aber die Ablehnung
einer Mehrheit der vom Urteilsergebnis mutmaßlich Betroffenen darf schließlich
dennoch nicht außerachtgelassen werden. Und diese Mehrheitsberücksichtigung bei
der Durchsetzung bioteler Gesetze - also von durch eine geistige Elite
erarbeitete Problemlösungen - nicht nur Konfliktlösungen! - würde auch für
nichtdemokratische Staaten gelten. Wenn eben (27.10.05) der iranische Präsident
zur Vernichtung Israels aufruft und demonstrieren läßt, so könnte der Iran mit
solchem Geschehen kein Mitglied im biotelen Staatenverbund sein; d. h.
der zuständige Weltpolizeiblock würde gegen diesen Präsidenten und gegen
Demonstranten gewaltsam reagieren. (Weshalb ein solcher Fehlpaß recht
unwahrscheinlich würde.) Nicht vergessen werden darf aber, daß dieses gerügte
Ereignis im Zusammenhang mit dem Kulturkampf steht, indem eben der Liberalismus
auch Ekardt' scher Prägung ebenfalls keine Toleranz erkennen läßt
Biotelie würde einen Vorstoß der Naturwissenschaften in die Staatsführung
hinein bedeuten; die Naturwissenschaften und ihre Vertreter stehen sich aber in
ihren Auffassungen in allen Ländern heute bedeutend näher als die sog. Geistes-
und Staatswissenschaftler, was die Entwicklung zu einem weltstaatlichen
Grundkonsens erleichtern könnte. (Auch der Iran beispielsweise bedient sich
der Naturwissenschaften; er bliebe von einer weltweit höheren politischen
Einflußnahme der Naturwissenschaftler kaum unberührt.) Biotelie und die
Zielvorstellung "dynamische Stabilität" entstammen der
Naturwissenschaft; ihre Anwendung auf Politik und Gesellschaft würde
berücksichtigen, daß die genannten Bereiche auch mit der Natur in
Beziehung stehen, ohne die Grenzen der Zuständigkeit verwischen oder gar
ignorieren zu wollen.
Der Begriff der dynamischen
Stabilität bewährt sich modellhaft als Zielvorstellung bezogen auf jede
lebendige Einheit, individuelle wie kollektive und auf fast jeden Vorgang, der
auf das Wohl solcher lebendigen Einheiten einwirken kann. (Bei gleicher
Anwendung des Begriffes "Nachhaltigkeit" müßte ich ständig ein:
"außer bei..., außer bei... und außer bei..." hinzufügen,
nämlich alle die Konstellationen, die eben nicht nachhaltig sein sollen und
dürfen.) Die Vokabel nachhaltig paßt trefflich zusammen mit derjenigen der Umwelt
(für Natur) in den Wortschatz verlogener Politik, wie sie hoffentlich
einmal wirksam eingedämmt werden kann. Wenn Ekardt also eine bessere
Steuerungsfähigkeit der Politik als "Kernthese" fordert, dann müßte
er aus der Naturwissenschaft den Begriff der dynamischen Stabilität als
Regelungsgröße auch den einer politischen Kybernetik übernehmen, wie es
andere (Wilhelm Deutsch: Politische Kybernetik z. B.) schon getan haben. Er tut
es (bisher) nicht! Für Eckardt scheinen wir der Politik lediglich "als
Mittler unserer Konflikte" (a. o. O.) zu bedürfen. Aber auch in E.'s
Gedärm tun Milliarden Keime ihren Dienst zu seiner Gesundheit, auch er ist
Mitglied der Natur, die er so nicht wahrhaben will. Von Naturrecht will
er "so allgemein" (Vgl. E-Mail) nicht sprechen; er hätte sagen
müssen: ich kenne nur Umwelt, die sich meinen gedanklichen Abstraktionen fügt,
keine Natur, die ihre eigenen "Launen" hat. Der Religiöse nennt hier
den Willen und das Walten Gottes; E. als gelernter Religionswissenschaftler (!!
Quelle: Internet) ) aber erregt sich bereits über die Bibelaussage,
wonach zu Urzeiten der Geist über den Wassern schwebte (a. a. O. S.96), ein
mythologisches Bild, an dem kein Naturwissenschaftler Anstoß nehmen würde. Es
ist die Krankheit der Kritelei der 68er, die diese mit Kritik verwechselten und
mit der sie kritisches Denken verhöhnten und schließlich zerstörten.
Ekardt bedient sich der Früchte
anderer Wissenschaftler und nennt sie häufiger nicht einmal mit Namen;
besonders fällt mir dies bei der Schildung einer ökologischen Wirtschaft auf,
wo er die Ökobilanzierungsbemühungen unterschlägt. Wenn es zwischen ihm und mir
Übereinstimmung gibt, so liegt diese in dem Angelbegriff der AUTONOMIE als (bei
mir) biotelem Aspekt der dynamischen Stabilität, eingebunden in das Konzert mit
den anderen elf biotelen Aspekten. E. sucht sich damit zu retten, daß er von
einem "multipolarem" Freiheitsbegriff spricht. Bei Polarität
geht der Naturwissenschaftler zunächst einmal von zwei Gegensätzen aus; erst in
neuerer Zeit wird auch dort von einer Vielzahl von Polen gesprochen, was dem
Begriff aber an Anschaulichkeit nimmt. Aber nun suche man einmal in diesem Buch
diese von E. eingeräumten Pole! Auf Seite 141 findet sich ein "Hinweis
auf >Rechte anderer< als Freiheitsschranke neben Art.2
ABs.1 GG,52 EuGRC", die Multipolarität soll aber noch hinzukommen.
"Gegen die Kompatibilität des Gemeinwohlbegriffs, verstanden als
Auffangformel für kollektive Belange"
will E. Verfassung und Gerechtigkeit setzen. "Nachhaltigkeit
meint also nicht eine emotional aufgewühlte >Aufopferung für die
Gemeinschaft, das Volk, die Kultur usw.<, wie viele wohl befürchten oder auch
hoffen. Denn eine solche Idee wäre erstens unbegründet und birgt zweitens eine
latente Offenheit des Aufopferns auch für autoritäre Ziele in sich " (a.
a. O. S.141,142)
Ein Eintreten für die eigene Kultur
oder Familie oder Gemeinde oder Nation muß noch nicht unter emotionaler
Aufwühlung (oder gar Massenhysterie) stattfinden, sie ist auch aus rationalem
Verhalten möglich und m. E. gelegentlich geboten. "Autoritäre Ziele"
lassen sich leichter unter dem Mäntelchen "Freiheit" verstecken als
unter einem anonymen biotelen Gutachtenverfahren, das AUTONOMIE bei jeder
Stellungnahme gesondert zu beachten hat. Schutzvorkehrungen gegen
Willkürautorität, die über das Nennen des Demokratieprinzips hinausginge,
konnte ich in dem Buch nicht entdecken.
"Nachhaltigkeit ist vielmehr die radikale Autonomie - eine
Autonomie indes, die sich ihrer Absolutheit ebenso bewußt ist wie ihrer
Begrenzung in der Autonomie aller anderen, auch wenn sie räumlich oder zeitlich
entfernt von uns leben." (a. a. O. S.142)
Der Selbstlosigkeit der
Einzelindividuen und den Ergebnissen ihres Diskurses ausgeliefert bleibt
Nachhaltigkeit dann sicherlich weiterhin auf der Strecke.
Der letzte Satz E. 's schießt für mich über das Ziel hinaus: dynamische
Stabilität, Biotelie, kann unter AUTONOMIE allein schlecht verstanden werden:
es wäre eine AUTONOMIE bis zum Ende der Zeiten, eine Erhaltung der
Handlungsfähigkeit (AKTIVITÄT), der GEGENSEITIGKEIT (die von E. gerade noch
gestreift wird), der HYPARCHIE (Gewalt-, Zwang- und Bedrohungsminimierung)
usw. Aber soweit trägt der Satz: "Nachhaltigkeit ist die radikale
Autonomie" eben nicht. Wenn wir uns auf die AUTONOMIE der Individuen
zurückziehen, dann werden die auf ein auf Gruppen oder Nationen etc.
beschränktes Gemeinwohl hin orientierten Kollektive - es gibt sie übrigens auch
unter Pflanzen und Tieren! - allerdings über uns "Individualisten"
herfallen und uns wie die Termiten auffressen, und keine Verfassung wird uns
schützen können, denn auch sie benötigt das Kollektivorgan Polizei. Das
Wertvollste am Begriff der AUTONOMIE , als derjenige der Freiheit des
Menschen durch Selbstgesetzgebung, hat Ekardt Immanuel Kant entnommen; dem
stand als individuelle Kontrollinstanz wenigstens damals noch das Gewissen zur
Verfügung. Im kategorischen
Imperativ soll die Maxime (der Vorsatz) meines Verhaltens sich bekanntlich
daran orientieren, ob sie zu einem allgemeinen Gesetz tauge, so daß ich
wünschen könne, daß sie von allen so befolgt werde. Auch E. stellt bloß
auf die gute Absicht ab, läßt sich an ihr genügen und sieht dem Untergang
seelenruhig zu; nur eben hat er - ganz richtig aus bioteler Sicht - das Ziel
der Autonomie von der Ethik in die Politik verlagert. AUTONOMIE ist für Kant
die einzige Forderung der praktischen Vernunft also der Sollenssphäre
(wie bei E.), aber kennt noch eine vielschichtigere theoretische Vernunft, die
E. einfach kategorisch von der praktischen abtrennt. Theoretische Vernunft ist
für E. nur als "Subsumptions"kunst oder -wissenschaft
erheblich, also dafür, festzustellen, was und wie denn etwas unter die ethische
Kategorie fällt. Aber da sitzt der Hase ja gerade im Pfeffer! Mit dieser
Aufgabe ist der Einzelne oder gar der Durchschnittsbürger bei der Komplexität
heutiger Verhältnisse überfordert: eben darum werden Ethik und Moral
drängender Weise politische Aufgabe.
Ethik ist , bei Kant noch, allein
Selbstzweck und nicht Mittel zur Existenzsicherung (wie als Ergänzungszweck in
der Biotelie und in fast allen Morallehren). Bei E. fungieren die Mittel zur
Selbsterhaltung als Freiheitsvoraussetzungen und werden
merkwürdigerweise vernachlässigt, zumindest in den Hintergrund abgedrängt Für
ethische biotele Politik aber kommt es auf das Handeln für das Leben und
damit für die (sich entwickelnde) Freiheit an und darauf, daß Freiheit so
entwickelt wird, das sie dem Leben dient; nur so kann sie auf eine Ebene
mit der Würde gestellt werden. Nur zuzusehen bei der allgemeinen Vernichtung
ist des Menschen unwürdig. Wertvoll bei E.s Konzept ist es, das Konzert der
biotelen Aspekte in Konzentration auf den der AUTONOMIE bestätigt zu sehen; der
tragende "Grund" ist eben auch bei ihm nicht allein
"Freiheit/Würde"; es könnte aber (fast) jeder andere biotele Aspekt
genauso verabsolutiert und ins Zentrum gerückt werden. Die Pazifisten und
Anarchisten versuchen dies (leider andere Aspekte, wie gerade die AUTONOMIE,
häufig ausblendend) mit der HYPARCHIE, sie durch maßlose Übertreibung ins
Gegenteil verzerrend, die Kommunisten-Sozialisten vergewaltigen den biotelen
Aspekt des AUSGLEICHS und der SUBSIDIARITÄT, die "Alt"-Liberalen den
des AUSTAUSCHS und der AUSLESE - letzteren als Wettbewerb unter
GEGENSEITIGKEIT, also Fairneß, sprachlich tarnend. Ich bin E. dankbar, daß
er den hohen Rang der AUTONOMIE im Zusammenhang mit den anderen biotelen
Aspekten gesondert herausgearbeitet und bestätigt hat.
Zu behaupten, daß Kant den Begriff
der Nachhaltigkeit noch nicht gekannt habe, ist kein Schwächenachweis gegen
diesen Philosophen. Eine derartige Zerstörungswut über Anwendung von Technik
konnte Kant nicht voraussehen; eine derartig radikale technikverstärkte
Abkehr von der Vernunft war damals noch unvorstellbar. Noch lächerlicher wirkt
das Argument Eckardts, ausgerechnet Kant habe noch nicht in
Menschheitskategorien gedacht, Kant der Kosmopolit unter der kosmopolitischsten
Stadt der Welt, die Königsberg damals darstellte. Er, der sogar alle
vernunftbegabten Wesen, nicht nur den Menschen, in seine Philosophie mit
einschloß! Aber auch der wird geradezu als nebensächlich abgekanzelt, obgleich
ich mich beispielsweise kaum für würdig halten würde, Kant auch nur die Schuhe
zu binden. Und so räumt E. denn auch einmal ein, daß Kant ein "Titan"
ist; aber er biete "im Kern keine haltbare Basistheorie der
Gerechtigkeit". Menschliche Willensfreiheit sei eine notwendige Grundannahme,
ohne die man keine Moral einfordern könne, "eine bloße empirische
Befähigung", aus der "nicht logisch die Würde, also das Prinzip des
Autonom-sein-Sollens der Individuen gegenüber anderen" folge.
Auch das universelle Prinzip der Unparteilichkeit sei bei Kant "einigermaßen
unklar" (a. a. O. S.46)
">Einen neuen Grund legen" möchte E. "Die Grundidee, der archimedische Punkt,
in dem meine Thesen konvergieren, ist dabei kein religiöser Glaube, kein
Bestand kultureller Grundwerte, kein postmoderner Subjektivismus, kein
Wirtschaftsliberalismus oder Paternalismus, kein Kant, aber auch nicht die
>radikale Demokratie< eines Jürgen
Habermas." (a. a. O. S.9, 10)
Wenn bei Kant Unparteilichkeit eine Forderung der Vernunft ist (übrigens von
Jürgen Habermas und John Rawls in recht zweifelhaften Versuchen, bei der
Gesetzgebung von persönlichen Voraussetzungen absehen zu wollen, übernommen!
Der Mensch als "unbeschriebenes Blatt"!), so wird sie in den Regeln
des biotelen Gutachtenverfahrens konkret zu praktizieren vorgeschlagen,
unter der - noch zu überprüfenden - Voraussetzung, daß es unter Anwendung des
biotelen Aspekterasters bei Zugrundlegung des Zieles bioteler dynamischer
Stabilität und glücklicher Umstände einer möglichen Sachzusammenhangsaufklärung
zu Gutachtenübereinstimmungen kommen könne. Erst darnach kommt dann das
"radikaldemokratische" Element der Befragung und Entscheidung durch
alle direkt von einem biotelen Gesetzesvorschlag Betroffenen. Auch kommt hier
klar zum Vorschein, daß die Konfliktregelung im Diskurs, in gegenseitiger
Verständigung und Verhandlung eigens in den Bereich der Regierungen und
Parlamente und anderer Institutionen fällt. Hier hätte bei Ekardt die Glocke
läuten müssen! Er aber scheint den ganzen Sumpf der Korruption, in dem die
Menschheit zu versinken droht, die eigentliche Gretchenfrage gar nicht
wahrzunehmen. Korruption ist für ihn kein Thema, mit dem er sich allerdings
auch als Regierungsberater hätte unbeliebt machen können. Und wieder zur
Ehrenrettung, daß auch E. den verderblichen Einfluß von Korruption kennt, zeigt
eine Bemerkung betreffs Verzerrung des Wettbewerbs etwa durch "korrupte
Regime in Afrika oder konzernhörige Politiker in Europa" (a. a. O. S.224)
Eine zweite Stelle
sei nicht unterschlagen:
"Natürlich ist die Partizipation an Diskursen die Grundlage aller liberalen Gerechtigkeit (Kap.II C.). Gleiches gilt für die Transparenzregeln - die man z. B. für Parteien und Abgeordnete noch ausweiten sollte, um Einflüsse offenzulegen und damit bestimmten Kräften, die das Licht scheuen, das Wasser abzugraben (erst recht in einer naturgemäß unübersichtlichen Weltföderation). Verfahren ist wichtig!"... (a. a. O. S.220)
Das tut natürlich niemandem weh! Mir
ist das alles zu vage und zu wenig verändernd, eben Gerede. Hätte E.
eingegriffen, wäre er nie mehr Regierungsberater!
Mir ist klar, daß nach Einführung
einer biotelen Gutachteninstanz sehr bald Auslegungsschwierigkeiten auftreten
werden, welche sich aus dem Konflikt und aus der Bewertung des Gewichts der
verschiedenen Aspekte; zumal beim rechnerischen VERGLEICHEN ja auch im strikten
Sinne Unvergleichbares zunächst einmal fiktiv einander gegenübergestellt
wird. In welchem Ausmaß werden positive Ansätze im Hinblick auf den
Aspekt der HYPARCHIE (der Minimierung von Gewalt, Zwang und Bedrohung) den
Aspekt der AUSLESE beeinflussen oder den der AUTONOMIE? Bis über den Kreis der
Akademiker hinaus, bis in die Medien hinein würden sich da Diskussionen und
Stellungnahmen ereignen. Der Diskurs würde also nicht abgeschafft, sondern nur
in entscheidungsträchtigere Bahnen gelenkt, da man damit rechnen könnte, daß
auch etwas geschieht (gestützt auf die Erfahrung, daß etwas geschehen ist in
Richtung Mißbrauchsabbau). Hans Apel hat in seinem Buch "Die deformierte
Demokratie, Parteienherrschaft in Deutschland", Deutsche Verlagsanstalt
1991, eine lange Liste von Mißbräuchen aufgedeckt; aber wurden sie etwa
beseitigt? Der Bundesrechnungshof rügt alljährlich Kritik die Behörden wegen
Milliardenverschwendungen; aber ändert sich etwas? Es fehlt eine Instanz,
die unter Billigung der Betroffenenmehrheit gesetzgebend und (mangels anderer
Möglichkeiten) vollziehend durchgreifen kann.
"Schon daraus folgt dann aber, daß uns die menschliche Praxis des
Sprechens in Gründen nötigt, jeden menschlichen Konflikt liberal im Geiste des
Würde- und Unparteilichkeitsprinzips zu lösen, auch globale Konflikte."
(a. a. O. S.107)
Wir können es nur hoffen!
"Der Ausgangspunkt ist klar. Gerecht ist genau die von Vernunft, Würde,
Unparteilichkeit, Freiheit und Demokratie (und allein aus ihnen herleitbaren
Implikationen: z. B. Sozialstaat, Kulturförderung, Schutz des Stadtbildes,
Bereitstellung einer Infrastruktur usw.) gebotene Abwägungs- und
Institutionenlehre. Denn dies sind die alleinigen und alternativlosen
Prinzipien gerechter nationaler und globaler Ordnung. Diese Prinzipien bzw.
Gründe sind keineswegs >leer und ergänzungsbedürftig<, wie
Kontextualisten oder auch manche Diskursethiker wie Habermas meinen, sondern
beschreiben abschließend das , was uns Menschen als Menschen in der konfliktreichen
Welt der (unhintergehbaren) >offenen< Vernunft als Diskurs- und
Handlungsmaßstab möglich ist..." (a. a. O. S.172)
Wenn man Kulturen durch
Durcheinanderrühren von Ethnien und Nationen erst so recht verunsichert und in
Konflikt gebracht hat, wenn sie sich mangels "Leitkultur" so gar
nicht mehr gegenseitig verständigen können, dann erinnert man sich der
"Kulturförderung" und behauptet (theoretisch), konkrete Dinge bis
hinein in die Stadtplanung von der Würde, Freiheit und Demokratie ableiten zu
können bzw. zu müssen. So etwas kommt mir wie ein Hokuspokus vor!
Manschetten hat E. gegenüber
den Gefahren einer "Ökodiktatur". Und wenn unter Hinweis auf die
psychologischen Experimente von Stanley Milgram vor der
Autoritätshörigkeit "okzidentaler" Menschen gewarnt wird (a. a. O.
S.85, 86), so liegt der Schluß doch näher, diesem Mehrheitsbedürfnis dadurch
Rechnung zu tragen, daß man eine zuverlässigere Autorität, etwa im unabhängigen
biotelen Gutachteneinrichtung, herausgebildet über positive Folgen von deren
Urteilen anbietet; dem Demokratieprinzip wäre dadurch Rechnung getragen, ohne
am Autoritätsbedürfnis zu rütteln. Die Versager- und Mißbrauchspannen können
doch mit dem Vetorecht aller direkt Betroffener gegen Urteile dieser Instanz
wohl optimal minimiert werden. Ja wäre dies sein Einfall gewesen! (Meiner war
es auch nicht.) Es geht aber hier nicht um die Schwäche des Menschen, sein
Geltungsstreben, seine Suggestibilität als Grundeigenschaft; sondern um die
Schwäche dieser universalen Freiheitstheorie, die Charakter und Wesen
des Menschen offenbar durch Aufklärung und Erziehung ändern möchte. (Halt, er
besitzt nach E. ja gar kein Wesen, weil ein solches seine Theorie stören würde!
Ich bleibe dennoch bei der Weisheit der Sprache.) Der Mensch ist nämlich
nicht nur Freiheitsträger, er ist in erster Linie Lebewesen! Es ist Sache einer politischen Theorie, auf das Wesen des
Menschen einzugehen, nicht aber, es zunächst zu verändern, damit er für
die Theorie tauglich wird. Sollte eine Veränderung hin zum "guten
Leben" durch die neue Praxis erreicht werden, dann umso besser. Auf
die Praxis ist dabei aber zu sehen, nicht auf die Theorie, wie die Marxisten
und anderen Linken es noch heute an sich haben.
Auch daß eine Instanz geschaffen
werden muß, an die sich der einzelne mit einem Antrag auf gebührenpflichtige
Überprüfung von Verbesserungsvorschlägen* wenden kann, um sich auf eine
unabhängige Überprüfung verlassen zu können; derartige Notwendigkeiten scheint
E. nicht zu sehen. Tatsächlich aber hat der einzelne ohne den Rückhalt eines
Interessenverbandes doch in der Demokratie keinerlei Chance Gehör zu finden. Da
wo Freiheit sich als fruchtbar erweisen sollte, da sind ihr die Wurzeln
abgeschnitten, und die ganze universale Freiheitstheorie wird nutzlos.
Patentverfahrensrüge [entfernt]
Hier liegen die konkreten
Freiheitsprobleme, Herr Professor! Von politisch-sozialen
Verbesserungsvorschlägen will schon gar niemand etwas wissen. Es ist hier
dringend ein Nachtrag fällig zu Ihrem Buch! Der "andere Mensch" ist
ein Anonymer und unangreifbar; Einzelner; auch Täter und Untäter, sind nur über
eine Gruppe innerhalb eines Staates haftbar zu machen und diesen
Gruppenzusammenhalt lassen sie sich auch von Ihnen nicht nehmen! Menschen
agieren fast nur in Cliquen, weshalb ja auch Prof. E. mit nicht zur Überprüfung
meiner biotelen Vorschläge verhalf, obwohl (oder weil) er passendes
Zunftmitglied ist. Das Schutzbedürfnis des Einzelmenschen in der Gruppe,
es wird von E. überhaupt nicht in Rechnung gestellt; offenbar gehört er auch
keinem entsprechenden Sportverein an, etwa dem Kletter- oder Rudersport, sonst
wüßte er von der gegenseitigen "kollektiven" Abhängigkeit (Allein
könnte er nämlich abstürzen oder Wasser saufen.)
Ein Rechtsverkehr oder eine Politik über die tatsächlichen Gruppeninteressen
hinweg ist schlicht unmöglich; der extreme Individualismus nach
liberal-autonomem Muster Ekardts vermeidet die Schwächen einer Demokratie durch
und für Gruppeninteressen nicht dadurch, daß er diese als hinfällig oder
schädlich oder auch nur für unnötig erklärt. Er müßte hierzu dringend und
wenigstens theoretisch erläutern, warum und wie der Zusammenschluß zum
Kollektiv oder wenigstens zum Kollektivinteresse zu vermeiden wäre. Der
Ausdruck "Clique" fällt wohlweislich nicht; ist ja auch nur ein
Kollektiv, nur was für eines! Und rasch käme er dabei dahinter, daß die
Einzelnen eben doch bei aller Freiheit weit weniger können, als er hier immer
wieder voraussetzt. Die Abspaltung vom Eigen- und Kollektivinteresse wird von
mir mit dem biotelen Gutachtenverfahren wenigstens für einen
institutionellen Ausnahmefall vorgeschlagen und dieser deshalb zur Überprüfung
dargeboten. Auf den Begriff des Gemeinnutzens kann ich dabei nicht verzichten, da einzelne wohl fast immer
benachteiligt sein werden, wenn Gesetze durchgesetzt werden.
Eckardt stellt sich auf den Boden der
westlich-liberalen Entwicklung gegen das, was er unter "Kontextualismus
(bzw. Kommunitarismus/ Kohärentismus)" zusammenfaßt, wie sie etwa auch von
islamischer und chinesischer Seite vertreten wird. Dabei stützt man sich auf
die "tatsächlich vorfindliche Sittlichkeit", auf "das, was
man von der eigenen Familie, der eigenen Horde, dem eigenen Dorf gelernt
hat." Eine derartige Konformität soll mit Nachhaltigkeit unvereinbar sein.
(a. a. O. S.47)
Wer die Dinge aber einmal anders betrachtet, der findet ja gerade in der Abkehr
vom Traditionellen bei den Entwicklungsländern, wie etwa in China, in der
Übernahme westlicher Standards das Zerstörerische gegenüber Natur und Kultur
(Peking: "Zweischluchtenprojekt"!). Die hier notwendige abwägende,
entscheidende Instanz fehlt jedoch; und auch Ekardt bietet sie nicht an.
"Daß Kontextualisten keine Argumente gegen
einen mehrheitlich gewollten Fundamentalismus, Faschismus oder Kommunismus
haben - und daß sie ... autoritär sind",
gilt dieser Vorwurf nicht auch gegenüber unseren
parlamentarischen Demokratien? Wir alle sind
"vom kulturellen Kontext abhängig" (a. a. O. S.49)
Daß das Sollen nicht vom Sein
abhängt, ist ja gerade auch eine Leitidee der Kant' schen Philosophie; E.
hätte dies ruhig anmerken dürfen. Diese Abtrennung des Sittengesetzes in jedem
Menschen von seinem Lebenskontext ist aber auch die große Schwäche, die dann
Max Scheler mit seiner materialen
Wertethik zu Recht aufzeigte und zur ergänzenden Korrektur aufrief. Man tut
gut daran, zwischen (philosophischer) Ethik und (überkommener) Moral zu
unterscheiden und beide zu beachten. Kants, des Vaters der
Menschenrechte, Forderung, sich in jedem Falle und unter allen Umständen
sittlich-rational gegen jedes Gefühl zu entscheiden - auch etwa das
eigene Kind der Wahrheit und der "praktischen Vernunft" zuliebe
"aus Pflicht" zu opfern - , ist unmenschlich.
Einen kleinen Sprung in die Debatte
um
C.(multipolare) Freiheit und
Freiheitsvoraussetzungen als einzige Schranken nachhaltiger Menschenrechte -
nicht dagegen Gemeinwohl, Glück, Ökozentrik, Schutz vor sich selbst.
Gegen die Altliberalen John Lockes und Thomas Hobbes darf für E.
wirtschaftliche Freiheit nicht uneingeschränkt gelten (a. a. O. S.128).
Jene Denker würden nun aber darauf bestehen, daß der wirtschaftliche
Freiheit nicht noch mehr Grenzen auferlegt werden (allenfalls durch ganz
vereinzelte >Gemeinschaftsbelange< wie z. B. Steuerzahlung für eine Armee
zwecks äu0erer Verteidigungsbereitschaft und zwecks Finanzierung des
Existenzminimums – ergänzt durch eine Anwendung des Junktims. Zumindest dürfe
es keine Menschenrechte geben, die einen Schutz vor den Mitmenschen und ihrer
Wirtschaftsfreiheit geben. (a. a. O. S.128,129) … Wenn die liberale Tradition
also philosophisch und verfassungsrechtlich die Grundreche ausschließlich als
Rechte >direkt gegen den Staat< und nicht als Rechte >gegen die
Mitbürger< bzw. >auf staatlichen Schutz gegen Mitbürger< auffaßt,
bedeutet das: Der Schutz junger, künftiger und in anderen Kontinenten lebender
Menschen wäre zwar formal Menschenrecht; er hätte aber sozusagen keinen
Anwendungsbereich. De3nn der intertemporale Konflikt entsteht durch das
Verhalten von Privatpersonen, die Ressourcen, Klima, Ozonschicht usw. in Anspruch
nehmen – und nicht durch staatlichen Ressourcenverbrauch. Nun ist es zwar
gerechtigkeitstheoretisch durchaus überzeugend, daß der nationale/globale Staat
aus organisatorischen Gründen und wegen der notwendigen Abwägungen der
alleinige Grundrechtsverpflichtete ist. Könnten die Bürger sich direkt
gegenseitig unter Berufung auf ihre Menschenreche in Anspruch nehmen, wäre ein
Gesamtausgleich der verschiedenen Freiheiten unmöglich; zudem sind bei vielen
Freiheitsbeeinträchtigungen zwar Bürger die >Täter<, jedoch sind
diese Tätern für die >Opfer<
schwer zuordenbar (selbst im Miet- oder Arbeitsecht und allgemein im
Zivilrecht werden >direkte Ansprüche< nur dadurch möglich, daß die
Politik in Konkretisierung unserer eher unbestimmten Freiheit zunächst einmal
festlegt, wer was von wem fordern kann). Jedoch
ist damit noch nicht geklärt, ob ich u. U. ein Menschenrecht gegen den
National- oder Globalstaat habe, mich gegen Schädigungen durch meine Mitbürger
in Schutz zu nehmen. (a. a. O. S.129,130)
Ich will zeigen, dass ein solches Recht besteht…
Nur aus Praktibilitätsgründen werden die wechselseitig geschuldeten Rechte über
eine Streitentscheidungsinstanz
>Staat< vermittelt. Zudem ist die unparteiische, also nicht
speziell einer Seite zugeneigte Vermittlung
zwischen den Bürgern (als aktuelle und potentielle
Gerechtigkeitsdiskutanten), die sich gegenseitig achten müssen, doch gerade die
Aufgabe der in einer gerechten Grundordnung bestehenden staatlichen Organe,
national wie ggf. auch global. Grundrechte als elementare Rechte sollen feste
Positionen gegen typische Freiheitsgefahren verleihen. Und diese drohen nicht
nur direkt durch den Nationalstaat, die EU oder auch einen Weltstaat – sondern
ebenso durch Private, deren Tun der Staat >nur< hinnimmt (oder, wie eine Industrieanlage),
genehmigt)…. (a. a. O. S.130)
Ich sage: Menschenrechte
werden nur durch Menschenrechte
inklusive der >elementaren < Freiheitsvoraussetzungen und de
Junktims begrenzt – niemals dagegen
durch kollektive >Gemeinwohlbelange<, ökozentrische Belange, Belange
eines >guten Lebens<oder gar einen Schutz des Menschen vor sich selbst.
Denn dies sind keine zulässigen Gegenstände einer gerechten und nachhaltigen
Politik,…
Die These dazu ist: Auch >weitere< Freiheitsvoraussetzungen können
die Freiheitsrechte ausnahmsweise einschränken… (a. a. O. S.136)
Weil die >weiteren< Freiheitsvoraussetzungen gleichwohl die Freiheit fördern können
"Klar ist also, daß die Demokratie
Entscheidungen der Diskurse in möglichster Übereinstimmung mit Achtung und
Unparteilichkeit fördert, weswegen sie mit Sicherheit >geboten< ist. Ohne
Entscheide bliebe die Freiheit irreal, und zudem würde es (mangels Konsens)
stets beim nationalen, globalen und intertemporalen Status bleiben. Auch
Nichtentscheiden ist ja eine Entscheidung, und zwar hier für einen
nicht-nachhaltigen Status quo. Doch spricht viel dafür, (I) die Demokratie auf
den Ausgleich der Freiheiten und ihrer Voraussetzungen zu beschränken,, also
auch mit demokratischer Mehrheit keinen Schutz gegen sich selbst, kein Gemeinwohl,
keine Ökozentrik usw. anzuerkennen. Ebenso spricht viel dafür, (II) neben der
Demokratie auch andere Institutionen, wie z. B. Verfassungsgerichte und
Nachwelträte zwischen den global und intertemporal kollidierenden Freiheiten
vermitteln zu lassen, sofern diese Institutionen im Einzelfall mehr
Rationalität, Unparteilichkeit und Freiheit versprechen als eine
Mehrheitsentscheidung. Meine universale Institutionenlehre, auch für globale
und intertemporale Konflikte, kulminiert darum in einer gewaltenteiligen
Demokratie und nicht in einer >radikalen<. " (a. a. O. S.156)
Gut gebrüllt Löwe!, was die Notwendigkeit von Entscheidung und
damit von AUSLESE angeht. Der Begriff "Ausgleich" deckt sich
hier nicht so ganz mit seinem Gebrauch im biotelen Sinne, aber E. sagt ja auch
zu undeutlich, für was den im AUSGLEICH Ersatz geboten werden soll und wie weit
dieser Ersatz gehen darf. Im biotelen Gebrauch hat AUSGLEICH beispielsweise
eine Schranke in der Schwächung der AUSLESE, die es zu vermeiden gilt.
Ekardt kommt also praktisch zu einem ziemlich ähnlichen Ergebnis, nämlich
ebenfalls zu einer Konstitutionellen Demokratie, in der Regierungen und
Parlamente nicht immer und unbedingt das letzte Wort haben. Aber die
"Ökozentrik" abzulehnen, dies ist entweder aus der heutigen Art zu
verstehen, wie die ökologische Richtung politisch sich gebärdet oder eben aus
Unverständnis des Autors für Natur. Wenn ich einer von denen wäre, die durch
seine Gunst in einer späteren Generation auf diese Welt kämen, ich würde ihm
nicht verzeihen, wenn ich eine Natur, in der Fülle wie sie sich heute
darstellt, nur noch am Bildschirm erleben dürfte. Es könnten sich dann leicht
kriminelle Banden bilden, die darauf ausgehen, die Überbevölkerung mit
illegalen Vernichtungsaktionen zu lichten, also ein Ökoterrorismus (Carl Amery:
Das Geheimnis der Krypta, Listverlag s.u.). . Natürlich befaßt sich eine
jegliche Gesetzgebung mit der Schaffung von Freiheitsräumen durch
Freiheitsbeschränkungen; insofern kommt man dann theoretisch auch mit dem Begriff
der AUTONOMIE zurecht; aber viel gescheiter ist man damit nicht., was die Art
und Weise der Steuerungen und Regelungen angeht. Was die entscheidenden
Institutionen betrifft, so scheint E. ganz in Ordnung zu finden, wie es in
derartigen Räten und Gremien zugeht; eine verbesserte Rationalität hat er
jedenfalls nicht im Blickfeld; er unterstellt eine Unparteilichkeit, die
kaum irgendwo zu finden ist. Und müßten solche Institutionen über die Qualität
ihrer Urteile nicht wenigstens ein hohes Ansehen, eine Autorität in der
Öffentlichkeit repräsentieren? Und wann käme welche zum Zuge? Muß man die Leute
wirklich erst lehren, daß es kein Gemeinwohl zu achten gäbe? Ich sehe
Vandalismus in fast allen Straßen: tut der Begriff des "anderen Menschen
mit seinen Freiheiten, die es zu achten gelte" hier bessere Dienste? Was
dann E. an Ratschlägen erteilt, ist keineswegs anhand bestimmter Prinzipien
ermittelt und ausgemittelt, es wirkt häufig wie frei aus dem Handgelenk
geschüttelt. So sollen Bildungschancen gleich sein, nicht aber die Einkommen
(a. a. O. S.139); was aber wird aus einer "maximalen Freiheit", wenn
die Leute sich für Geld und nicht für Bildung interessieren? Das Gewicht der
Veranlagung wird nicht genannt, wohl aber die Motivation etwa zur Arbeit durch
Anreize. "Die Schädigung konkreter Menschen durch klimabedingte
Überschwemmungen kann man sich vorstellen", dagegen nicht den
Gemeinnutzen, "den Schutz seltener Arten"; das müsse zur Motivation
ausgenutzt werden.
"Die rein wechselseitige Freiheitsbegrenzung generiert zugleich
eine universale Konzeption des Sozialstaates, zusammen mit dem Junktim und dem
Recht auf die elementaren Freiheitsvoraussetzungen - sei es im Nationalstaat
oder gar ... in einem Weltstaat." (a. a. O. S.138,139)
Der Aspekt der SUBSIDIARITÄT als von
unten her sich aufbauender größerer Einheiten geht bei E. baden. Aber ohne
diesen Stufenaufbau von unten hätte es keine Kultur gegeben, die ja doch
Voraussetzung für Freiheit ist; vor allem für Freiheit in dem Sinne, die E. im
Auge hat, nämlich die menschliche Autonomie, Selbstbestimmung. Auch hier gleich
wieder die "Ehrenrettung":
"Gegen einen echten Weltstaat spricht
allerdings die dann sehr große Entfernung zwischen Wählern und Gewählten,
welche Freiheit und Demokratie gleichermaßen gefährden kann. Auch wird es eine
echte globale Öffentlichkeit, die politische Fragen zusammenhängend diskutieren
und durch Kontrolle, wie sie eine gewaltenteilige Demokratie braucht, ausüben
können, auf absehbare Zeit nicht geben. Dis ändert nichts an den Argumenten für
eine globale Institutionsebene." Deren Zuständigkeit müßte auf wenige
Sachgebiete beschränkt werden, auf > Kernregelungen<.
"Unterhalb dessen sollten kontinentale Zwischenstufen nach EU-Vorbild zum
allgemeinen Modell werden. Sie könnten einen größeren Kreis von Fragen regeln
und wären näher am Bürger dran als eine notgedrungen hochabstrakt globale
Ebene. Zu dieser von der Freiheit her gebotenen föderal-subsidiären Abstufung
gehört auch, daß die Behörden, die die globalen Gesetze real vollziehen, oft
die nationalstaatlichen sein sollten (so ist es heute schon in der E. U).
Deshalb und wegen des Junktims von Freiheit und Folgenverantwortung darf der
Globalstaat, z. B. bei der Armutsbekämpfung also nur das tun was der
Nationalstaat nicht selbst kann. Es muß mithin klare Rahmenbedingungen geben
(siehe schon Kap.III D.) aber nicht unbedingt eine einheitliche
Weltsozialhilfe" (a. a. O. S.162)
Also doch besser ein "Europa der
Vaterländer" (De Gaulles). Beim Eu-Verfassungsentwurf, welcher
der gliedernden Subsidiarität wenig Rechnung trägt, hat sich E. offenbar nicht
durchgesetzt, wenn er es überhaupt gewollt hätte.
Im letzten Zitat hätten wir also ein klares Bekenntnis zur Subsidiarität,
aber warum will E. diese dann dem Freiheitsbegriff, "als
Junktim" sozusagen, beiordnen und nicht als gesonderten Aspekt bei
jeder Fragestellung und Entscheidung berücksichtigen? Wer die Übersicht
verliert, verliert auch Freiheit. Und das Regieren von Gewählten beweist die
Entscheidung für eine repräsentative Demokratie trotz all der Mängel, die aus
der Abgabe von Freiheit durch die Wähler an die Gewählten entspringen.
Und ein neues qualifizierteres Auswahlverfahren, auch für die Besetzung etwa
der Verfassungsgerichte, wird ja nicht geboten, auch keines, das diese AUSLESE von
Gruppen- oder Kollektivinteressen freier halten könnte. (Warum wohl?)
Auch E. mag den Begriff des
Umweltschutzes nicht, sondern dafür lieber "Schutz der
Lebensgrundlagen". (a. a. O. S.138) Und auch hier nehme ich ihn beim
Wort: viel anschaulicher ist es doch auf die einzelnen Pflanzen und
Tiere oder doch auf ihre Arten zu sehen, um die Menschen zum Schutz der
Lebensgrundlagen zu ermuntern. Damit hätten wir aber uns also doch näher kommen
können, da doch Biotelie nichts anderes besagen will. Nur kann man ein solches
Ziel nicht fest an die AUTONOMIE und an den Freiheitsbegriff binden, zumal der
Großteil der Menschen ja in einem Großteil der Lebenslagen gar keine Freiheit
wünscht, sondern mehr oder weniger geführt oder gegängelt werden will, und dies
bis in die intimsten Zweierbeziehungen hinein. Und dann kommt eine subsidiär
aufbauende Struktur doch noch einmal zum Vorschein, indem E von einer
"national/europäisch/globalen Grundordnung" spricht, "die die
Folgenverantwortung fördert - die also z. B. jeden Menschen anhält, sich
konsequent um seinen Lebensunterhalt zu bemühen", was er strikt von einem
"Recht auf Arbeit" trennt und der damit angeblich verbundenen
Planwirtschaft (a. a. O. S.139) Auch hier wieder hohe Übereinstimmung; nur
bedarf es offenbar erst des biotelen Systems, dies Problem mit Chipgeld zur
Verhinderung der Finanzierung von Schwarzarbeit, durch Kürzung der
Lebensarbeitszeit und durch frühe Hinführung der Jugend zur Arbeit zu lösen.
Denn da wo E mit seinen Erklärungen hierzu aufhört, beginnt auch die Freiheit
zur Untätigkeit auf Kosten anderer. Und wenn ich dann von der Fülle möglicher
Diskussionen und Diskurse höre, wird mir beinahe schlecht.
"Wir können jederzeit über ästhetische oder persönliche Fragen des
guten Lebens reden - gerade das ermöglicht die Freiheit doch allererst! Nur
fällt dies eben nicht in den Bereich der Gerechtigkeit und bleibt privat und nichtstaatlich.."
(a. a. O. S.140, 141)
Für Fragen des Gemeinwohles, Verzeihung!, solche die
"andere Menschen" oder "den Menschen" angehen, interessiert
sich aber fast keiner, wie der Büchermarkt und anderen Medienprogramme
beweisen.
Vielleicht hilft noch der folgende Satz zum Verständnis
für die Ablehnung Ekardts gegenüber dem Gemeinwohl-Begriff:
"Jede kollektivistische Einschränkung der
Freiheit (>Gemeinwohl<) würde die Chance auf Entfaltung eigener
Lebenspläne und auf ideale Diskurse, also auf ein rationales Zusammenleben,
stärker reduzieren, als es zur Ermöglichung der gleichen Chancen für alle
anderen nötig ist." (a. a. O. S.142)
Und sofort drängt sich mir das Ereignis einer
außerordentlichen Nilüberschwemmung im Altertum auf und daneben das einer
Sturmflut jüngst im heutigen modernen Amerika, wo die staatlichen Hilfsdienste
prompt zunächst versagten.
Das Kollektiv (oder besser: die Gemeinschaft) nimmt aber nicht nur anderen
etwas weg, sondern es gibt ihren Mitgliedern, was sie allein nicht haben
könnten. Angefangen von der Kultur als Ganzer.
Und nun erkläre mir E. einmal, inwieweit er mit dem folgenden Satz über den
kategorischen Imperativ Kants hinaus ist: (allerdings müßten wir den
vorgeschobenen Einleitungssatz gesondert attackieren!)
"Und die Würde/Autonomie ist ja neben der Unparteilichkeit und der
Freiheit das einzige aus der Vernunft ableitbare Prinzip."
So einfach sollte man es sich nicht machen, aber die
Heutigen sind so. Und jetzt die Definition:
"Ergo werden unparteiische Bürger von ihrer ursprünglichen Freiheit nur so
viel einzubüßen bereit sein, wie unabdingbar ist, um allen anderen die gleiche
Freiheit einschließlich ihrer Voraussetzungen und aller Implikationen
einzuräumen, die aus Freiheit und Voraussetzungen irgend ableitbar sind
(inklusive des Prinzips der gewaltenteiligen Demokratie: Kap. IV D.)"
Aber diese "ursprüngliche
Freiheit" ist für ein Lebewesen wie ein Mensch m. E. bereits
problematisch; zu sehr sind wir von Geburt her eingebunden in tausendfältige
Abhängigkeiten, angefangen von unseren Genen. Ich kenne kaum
"unparteiische Bürger" und fraglich bleibt gerade heute, ob die
meisten immer daran denken, wie ihr Verhalten sich auf andere auswirkt.
"Warum sollte man denn kollektivistische, nicht an den einzelnen und seine Freiheit rückgebundene Belange, z. B.
>ein Gebot der Menschheitserhaltung<, akzeptieren? In Ermangelung einer solchen Begründung ist
das >Gemeinwohl< eine bloße dogmatische Behauptung und ergo grund- und
haltlos." (a. a. O. S.143)
Ausgenommen in Deutschland
heute, das ja immer noch aus den sechs (oder zwölf?) dunkelsten Jahren seiner
Geschichte lernen soll, sind mir reichlich Bürger anderer Nationen (etwa bisher
ausnahmslos alle Hunderte mir persönlich oder aus den Medien begegneten
Türken) bekannt, die für das Gemeinwohl ihrer Nation zu hohen persönlichen
Opfern bereit sind.
Das Junktim, ja sogar die behauptete Einheit von Menschenwürde und Freiheit
darf, ja muß bestritten werden. Es war ein guter Griff der Väter unseres
Grundgesetzes, die Würde des Menschen an die Spitze zu stellen. Diese
Vorrangstellung muß der Würde auch im biotelen System zukommen. Aber das
ungeschmälerte Elternrecht, die Zahl ihrer Kinder zu bestimmen, ohne Einbindung
wenigstens der Kollektive in ihre Verantwortung für ein
Bevölkerungsgleichgewicht, verletzt die HYPARCHIE, muß zu Konflikten führen,
insbesondere wenn Nichteltern dann für die Kinder anderer aufkommen müssen und
in ihren Rechten bis hin zum "Naturgenuß" (bei E. ein nicht
essentieller Bereich) geschmälert werden. Die Bevölkerungsexplosion ist ein
Angriff auf die Menschenwürde; das Problem muß von unten, in erster Linie durch
Kollektive gelöst werden; eher wie in China durch Zwangsmaßnahmen (falls nicht
anders möglich, was zu prüfen wäre) als wie in der Türkei durch Aussiedlung
eines weiter expandierenden Bevölkerungsüberschusses nach Mitteleuropa. E.
fordert eine
"freiheitlich und demokratische... Weltföderation oder
Weltstaat mit ...Gewaltenteilung... Weltparlament, Weltexekutive und
Weltgerichten statt des heutigen unkontrollierten Sicherheitsrates, der reine
Machtentscheidungen treffen darf. Das Parlament müßte dabei dem Proporz zu der
realen Bevölkerungszahl jedes Landes folgen - anstelle des UNO-Prinzips
Ein-Land-eine-Stimme." (a. a. O. S.162,163)
Und dann folgt auch schon gleich der Widerspruch, der
institutionell eben erst mit Biotelie aus der Welt geschafft werden könnte.
"Wir würden also jeweils das Weltparlament, das Kontinentalparlament und
unser nationales Parlament zu wählen haben. Dabei wäre der
Zuständigkeitsbereich der Weltföderation aber auf wenige Gebiete
beschränkt."
Ich müßte meinen Vorwurf der ungenügenden Berücksichtigung der
SUBSIDIARITÄT zurückziehen, wenn E. sich über die Zuständigkeiten genauer
ausgelassen hätte. Was weiß ich als nationaler Bürger, was da eine von
Millionen Landleuten nach dessen mediengestilter Reputation gewählte oder
weiter aus Parteienrekrutierung heraus ins Weltparlament entsandte Person dort
mit ihrer Entscheidungsmacht macht?
Insgesamt ist das Ekardt' sche moderne Freiheitssystem doch ein Angriff auch
auf den Bestand und Zusammenhalt der kleineren kollektiven Einheiten, der
Gemeinden bis hin zu den Nationen. Sie könnten doch gar nicht fortexistieren,
wenn ihnen lediglich die (vorübergehende?) Aufgabe zukäme, Individualfreiheit
gegen Individualfreiheiten abzuwägen und zu schützen. E. befindet sich mit
seiner Lehre im fast unisonen Chor derer, die eine sich immer stärker und
rascher vereinheitlichenden Weltkultur in einer Weltgesellschaft. also
eine sich möglichst gleichende und möglichst vermischende
Menschheit anstreben. (Dies war doch das utopische Ideal des Internationalen
Sozialismus: jetzt zwar nicht mehr auf gleichem Besitz und Eigentum, aber
auf gleichen Freiheiten aufbauend; und was ist da noch der Unterschied, wenn
Besitz das Ausmaß der Freiheiten doch so stark bestimmt?) E.' s
zutreffende Äußerungen und sein Bekenntnis zur Subsidiarität (ohne das
bisherige sozialistische Gießkannenprinzip bei der Hilfe zur
Bedürfnisbefriedigung) wirken auf mich wie die letzten Zuckungen eines
Realitätsbewußtseins.
"Klar ist zudem die Leitlinie, die aus der universalen und nunmehr global
zu verankernden Freiheitskonzeption folgt: Weder darf die globale Ordnung sich
auf die Gewährleistung ungehinderter wirtschaftlicher Freiheit beschränken -.
noch darf die Ordnung beliebige demokratische Entscheidungen der jeweiligen
Mehrheiten eröffnen. Man darf also nochmals mit einem Augenzwinkern sagen:>
Weder Olaf Henkel noch Attac<. (a. a. O. S.163)
Was aber dann, wenn doch im Weltparlament die wenig gebildeten
Bevölkerungsmassen, bzw. deren Agitatoren (sprich: Demagogen) mit ihren
Stimmengewicht zu Mehrheitsbeschlüssen berechtigt sind? Wäre da eine
unabhängige biotele Gutachteninstanz mit klaren Verfahrensrichtlinien in
demokratischer Rückbindung an Eingaben von jedermann und Endentscheidung der
Betroffenen nicht doch ein prüfungswerter Vorschlag? Kollektive sind den
biologischen Organismen nicht gleichsetzbar; aber sie können in vielem mit
großem Gewinn für die Ordnung (dynamische Stabilität) analog betrachtet und
behandelt werden, insoweit muß ich Aristoteles gegen E. (vgl. a. a. O.
S.144) in Schutz nehmen.
Nun, weil eben die Einzelmenschen
eines Kollektivs auch in unserer Vorstellung niemals den Gesamtwilen einer
ganzen Kultur vermitteln und vertreten können, deshalb sind Kollektive da und
auch daseinsberechtigt. Wenn alles andere, wenn das Erlebnis der lebendigen
wunderbaren Schöpfung (Entwicklung), für E. keine "Grund" ist , dann
ist Freiheit für mich schon gar keiner. Eine einzige schwere Krankheit und
meine Freiheit ist so ziemlich dahin. Aber auch mit der PLURALITÄT der Kulturen
scheint E. nicht sehr viel am Hut zu haben.
"Darum gibt es zur liberalen Grundordnung, die eine je eigene Wahl der Lebensform ermöglicht, dauerhaft auf dieser Welt schlicht keine Glücks-Alternative mehr. Schon heute bilden sich global ähnliche Vorstellungen [v] von einem gelungenen Leben heraus. Ähnliche Kleidung, gleiche Kinofilme , die gleichen Kirchen, die gleiche Literatur und das gleiche Internet zeigen dies" (a. a. O. S.79)*)
Andere sehen und erleben in ihrer
eigenen und besonderen Kultur eine Sinnerfüllung des Lebens. Über das Wachstum
der Kultur ist unsere Sprache, unser Denken, sind wir geworden, was wir sind;
wie es weitergeht, das wissen wir alle nicht. Warum kamen die Schriftreligionen
der Welt alle drei aus Palästina? Warum kommt die moderne Technik aus Europa
und den von dort kolonisierten Staaten? Man darf also Gleichgültigkeit
gegenüber Kulturen (cultura, Pflege!) und deren Erhaltung begründet tadeln. Zur
Kultur gehörte bisher auch die Regelung der Bevölkerungsgröße. Angesichts der
Weltbevölkerungsexplosion werden alle Spekulationen hinsichtlich einer
Maximierung von Freiheit Makulatur (das waren einmal vergilbte Zeitungen, die
man unter die Tapeten kleisterte! Ich habe sie noch als Junge geklebt.). Und
die westlich liberalen Grundrechte will ja E. nicht eingeschränkt sehen;
darunter fällt aber auch das Recht der Eltern, die Zahl ihrer Kinder zu
bestimmen. Der Gebrauch, der von diesem Grundrecht gemacht wird, hängt aber
stark von religiös-weltanschaulicher Kollektivzugehörigkeit ab. Dahin kann kein
Diskurs eindringen; die Schwäche und das Versagen des Westens wird von seinen
Feinden längst erfühlt, ja erkannt und reizt zum Großangriff.
Konsumübertreibung auf der einen und Kinderschwemme auf der anderen treiben den
Planeten Erde zum Ökokollaps. Und dann muß man sich zusammennehmen um
weiterzulesen:
"Auch das Generationenverhältnis müßte also
idealiter im rationalen Diskurs geklärt werden, weil vorab erst einmal ungewiß
ist, wer die besten Argumente haben wird, Zwar kann ein intertemporaler Diskurs
real nie stattfinden, weil künftige Menschen heute noch nicht diskutieren
können. Aber jener Diskurs könnte durch Vertreter der Zukunftsinteressen
geführt werden... Die Diskursprinzipien dirigieren eben nicht nur das Verfahren
Gerechtigkeitsdiskurs. Sondern sie dirigieren auch die Gerechtigkeit
seiner Ergebnisse, die ja die Vorbedingung aller künftigen Diskurse setzt.
Besonders intertemporal wären Verfahrensrechte ohne ergebnisregulierende
Prinzipien (also Rechte, daß meine inhaltlichen Belange, z. B. ein Recht auf
ein stabiles Klima, in der Entscheidung berücksichtigt werden und daß ich dazu
als Zukunftsvertreter nicht nur >meine Meinung sagen< darf) katastrophal,
weil eben nur Vertreter die Zukunftsinteressen vortragen. Und solche Vertreter
werden sich stets weniger vehement einbringen als reale künftige Menschen, wenn
man an unseren latenten Hang zum Egoismus denkt." (a. a. O. S.94)
Ich muß einwerfen, daß solche Zukunftsvertreter von der Industrie
natürlich bestochen würden und die Industrie schon dafür sorgen würde, daß die
"richtigen" Leute an diese Stelle kämen, für E. sind ja dies alles
keine Probleme.
"Deshalb und weil das Ergebnis des - hier: hypothetischen intertemporalen
- Diskurses stets die Möglichkeit weiterer Diskurse beeinflußt, fordert
die offene Vernunft, die ja Achtung und Unparteilichkeit als alternativlose und
transzendental gesicherte Prinzipien erst hervorbringt, eben eine inhaltliche
Beachtung der liberalen Prinzipien durch die Diskursergebnisse. (a. a.
O. S.94,95) Nicht nur im Verfahren,
sondern auch im Ergebnis muß darum die Freiheit aller hypothetischen
Diskutanten gewahrt werden. Diese inhaltliche Anforderung an > Gesetze als
Diskursergebnisse< können Lebende
gerichtlich einklagen. Z. B. könnten sie den klimaschützenden Versuch eines
Sonntagsfahrverbotes durch Berufung auf ihre Freiheit vors Verfassungsgericht
bringen - und damit ihre Rechte als Schranke der Gesetzgebung durchsetzen. Sie
können so eine Ergebniskontrolle und zugleich eine zweite Diskursstufe, nämlich
einen Diskurs vor dem Verfassungsgericht, einfordern (die nicht triviale,
entscheidende Notwendigkeit einer solchen Gewaltenteilung zur gerechten,
rationalen und unparteiischen Lösung menschlicher Konflikte vorerst
vorausgesetzt; näher Kap.V.) Genössen Zukunftsbelange keinen Grundrechtsschutz,
hätten sie jene zweite Chance nicht - oder nur insoweit, als das
Verfassungsgericht überprüfen würde, ob sie real am Gesetzgebungsverfahren beteiligt
wurden -, ohne die dortige Entscheidung inhaltlich auf Einhaltung der
Rechte auf Leben, Gesundheit und Existenzminimum zu überprüfen. Damit wären die
Gegenwartsinteressen gegenüber den Zukunftsinteressen im intertemporalen
Gerechtigkeitsdiskurs strukturell bevorteilt. Dies aber wäre nicht mit einer
inhaltlich offenen Vernunft im hypothetischen Diskurs zwischen
heutigen und künftigen Generationen vereinbar." (a. a. O. S.95)
Um den Gegensatz zum biotelen
Gutachtenverfahren deutlich zu machen: anstelle der "offenen Vernunft"
, die blaue Wunder erleben ließe, wie die Diskursergebnisse
durcheinanderpurzeln würden, würde also das Ziel der dynamischen Stabilität
gesetzt in der näheren Präzisierung der Teilziele bzw. Stützungsmethoden in den
biotelen Aspekten; zur Frage stünde dann, ob diese Problemstellung in letzter
Zeit bereits entschieden wurde und mit welchem Ergebnis; die nächste
unabhängige Begutachtungsstufe wäre die, ob der entstehende Aufwand mit einem
zu erwartenden Ergebnis in einem positiven Nutzenverhältnis steht. Wenn
positive Übereinstimmung erzielt oder keine überschlägige Entscheidung möglich
erscheint, geht es um die Entscheidung darüber, wessen Interessen berührt
würden. Von der Beantwortung dieser Frage hängt dann auch ab, welche Personen
wahlberechtigt bei der Schlußentscheidung mitwirken (Ungeborene gewiß nicht!
Aber etwa Eltern, wenn das Interesse ihrer Kinder berührt wird). Zum zweiten
würde unabhängig gutachterlich (also mindestens zwei Gutachter, die sich nicht
kennen; und dies gilt für jede Gutachtenstufe) der Kreis der Fachleute
bestimmt, die für die Sachverhaltsklärung anzusprechen wären. Diese würden auch
prüfen, ob der Antrag auf ein Sonntagsfahrverbot nicht sinnvoller dahingehend
erweitert oder ergänzt werden sollte, die Frage der stärkeren Kontingentierung
des Ölverbrauches generell zu prüfen. Längst wäre durch ähnliche
Gutachtenanträge, die ja jedermann gebührenpflichtig stellen dürfte, die Frage
behandelt, auf welche Weise ohne vermeidbare Härten und Eingriffe in die
Persönlichkeitsrechte das Weltbevölkerungswachstum gedrosselt werden
könne. In weiteren parallelen (bzw. unabhängigen, wahrscheinlich bereits
erledigten) biotelen Verfahren wäre festzustellen, wie groß der Vorhalt von
Ölreserven für künftige Generationen bemessen sein soll, um auch diesen unter
Zugrundelegung der Ergebnisse der Bevölkerungspolitik global einen dem heutigen
vergleichbaren Lebensstandard nach derzeitigem Wissensstand zu ermöglichen. An
diese Abklärung würde sich das Gutachten darüber anschließen - es würde
voraussichtlich bereits durch irgendeine Fachkraft, wenn nicht aus dem
allgemeinen Publikum beantragt - ob denn das Verkehrssystem nicht günstiger auf
ein elektrisches System umgestellt werden könnte, um die Ölreserven und
Gesundheit und Natur zu schonen. Ein entsprechendes Verkehrssystem wurde von
mir zum Patent angemeldet, wird aber in absehbarer Zeit nur als Spielzeugmodell
zu verwirklichen sein, da es ja weder unsere Industrie noch unsere Regierungen
ernst meinen mit der Ökologie.
Und jetzt erst wäre der Ort (hier mehr als Zeitpunkt zu interpretieren, da das
Vorbeschriebene vermutlich bereits abgelaufen wäre), welche Bedeutung dann das
Sonntagsfahrverbot noch haben könne. Ich gehe von der Vermutung aus, daß sich
die Fragestellung (rasch) erübrigt hätte. Der öffentliche "Diskurs"
über alle diese Fragen ergäbe sich bereits aus dem Medienecho über die biotelen
Gesetze nach deren Erlaß, da eine Diskussion über noch unentschiedene
biotele Gesetzesentwürfe nur in Fachorganen gesetzlich zulässig wäre, um den
Einfluß von Sonderinteressen zu schwächen. Das Allheilmittel der Ökosteuern,
das keinem unserer Nachfahren hilft, die doch die Suppe Natur- und
Kulturzerstörung auslöffeln müssen, ist im System der Biotelie hinfällig, da
der Ressourcenverbrauch ja der Industrie in Kontingenten zugeteilt wird. Damit
können besonders sensible Lebensbereiche und Abbaugebiete gezielt geschützt
werden. Die Verknappung von Rohstoffen wird dann ganz selbstverständlich über
den Marktpreis an den Verbraucher weitergegeben, jedoch hat man (mit dem Wegfall
der Ökosteuer) ein Feigenblatt, ein politisches Schlagwort weniger.
Treten wir wieder in die Gedankengänge Ekardts ein:
Unter dem >Gebot der Menschheitserhaltung< nach Hans
Jonas, das E. ja ablehnt, würde mit Karl-Otto Apel der
"diskursrationale Liberalismus auf den Kopf" gestellt, denn es gehe
dann um die Erhaltung der Diskutanten des Diskurses wegen.
"Die Menschen sind doch nicht für den Diskurs da, sondern der Diskurs ist
für die Lösung von Konflikten unter den Menschen da! Wir selbst erzeugen die
Vernunft und die Gerechtigkeit als ihre Implikation. Die Vernunft und ihre
Gebote schweben doch nicht von selbst im Raum wie der Geist Gottes in der
Schöpfungsgeschichte. Wäre dies anderes, wären wir auch bei einer Pflicht zum
Diskurs zwecks >Mehrung der Vernunft< und damit wohl bei der zu
meidenden> Vernunftdiktatur<.... Jedoch sind künftige Ansprüche ja nur
als Vorwirkungen denkbar. Sie schützen also die Menschen, die real sein werden
- nicht aber die Produktion von Menschen. Sobald es mir gelingt, die Geburt
künftiger Vernunftwesen (Menschen) vollständig zu vermeiden, besteht ergo auch
keine Bindung aus künftigen Rechten, weil solche Rechte dann eben gar nicht
entstehen. (a. a. O. S.96, 97) Wenn alle Menschen dies wollten, dürften wir uns
ergo sogar selbst ausrotten (denn dann gäbe es keine geschädigten Nachkommen).
Wobei ein solcher Beschluß selbstredend nie gefaßt werden wird - aber er läge
eben prinzipiell in unserer Freiheit..." (a. a. O. S.97)
Nur setzt sich Ekardt - er muß als
Professor eben doch Bücher schreiben - darüber hinweg, daß die von ihm
geforderte Weltföderation gar nicht zustande kommen kann, wenn er auf
seiner liberalen Vernunftordnung bestehen will: da macht doch die
Mehrheit der Staaten nicht mit, wenn überhaupt einer. Wer einen Weltstaat
anstrebt, der darf doch nicht alle Religionen und Weltanschauungen in das
Korsett seiner eigenen - mich etwa keineswegs überzeugenden - Überzeugung
sperren wollen! Für mich und auch die Wissenschaft bis zur neuesten Zeit
erzeugen wir nicht die Vernunft erst im Diskurs, sondern haben sie - auf
welchem ursprünglichen Weg auch immer - weitgehend ererbt. Vernunft ist für
mich ein Instrumentarium des Überlebens, in erster Linie des menschlichen
Überlebens, aber eben nur in erster Linie. Offen wäre an vernünftigen
Planungen im Rahmen der Freiheitsverwaltung (sprich: Rechtsordnung) nach E.
doch nur das ganz Spezielle, das von den jeweiligen Zeitbedingungen beeinflußt
wird, die wir zumeist heute noch nicht beurteilen und uns deshalb den Diskurs
darüber auch sparen können. Halt, bei E. gilt die Rechtsordnung ja nur der
Konfliktlösung, so verlangt es die Diskurslehre, wie sie derzeit en vogue
ist! (Was darüber ist, paßt nicht ins Konzept und wird verschwiegen.)
HYPARCHIE, d. h. Minimierung von Gewalt, Zwang und Bedrohung ist bei E. kein
eigenständiger Aspekt; er soll wie selbstverständlich aus den Diskursen
hervorgehen, obwohl die Menschen und ihre Weltanschauungen doch gar nicht so
friedlich sind. Der Aspekt der SPONTANEITÄT kommt vollends zu kurz; er würde ja
auch für eine Eigenständigkeit der Natur, auch der menschlichen, stehen,
die ihr E. offenbar nicht zubilligen will. Und sogar Spontaneität rechne ich ja
zu den wichtigsten Quellen und zu einem wichtigen Bachbett der Vernunft. Zur
AKTI'VITÄT will E. an wenigen Stellen ja motivieren; Grenzen des AUSTAUSCHES
werden erahnt; daß PLURALITÄT bei ihm schlecht aufgehoben ist, wurde ja bereits
erwähnt.
Ganz augenfällig werden die Grenzen des AUSTAUSCHS, wenn ich mein Bedürfnis in
Betracht ziehe, meinen Samen bei irgendeiner Frau X los zu werden, die mir
zufällig begegnet. (Dies Beispiel existiert und ist schlagend; allerdings in
anderem Zusammenhang, s.u.). Gegen die PLURALITÄT würden sich schon die
Abschwächung des Zusammenhalts der Kollektive, wie etwa der Nationen,
auswirken, denen ja keine Eigenexistenz neben derjenigen der Bürger zugestanden
wird, also die deutliche Tendenz zu einer globalen Weltgesellschaft (auch
wenn E. immer vom Weltstaat spricht). Der Reinfall beim NPD-Verbot vor dem
Deutschen Bundesverfassungsgericht - abgesehen von der Einschleusung von
V-Leuten des Verfassungsschutzes, die Straftaten provoziert oder gar selbst
ausgeführt hatten - hätte sich laut Klagebegründung auch auf die Philosophie
Ekardts stützen können. Er fordert ja auch dazu auf, die Verfassungen "neu
auszulegen", ein äußerst anstößiges Vorhaben, das leicht zum Substanzverlust
führen könnte; den aber strebt ja E. gerade an. Und so steht hinter der
Reichstagsfassade mit der Aufschrift "DEM DEUTSCHEN VOLK", denn auch
in einem der Höfe das "moderne Kunstwerk": "DER
BEVÖLKERUNG".
Es wurde der NPD nämlich vorgeworfen, sie behaupte, daß
Grundgesetz trete für Belange des Deutschen Volkes ein, wo es doch nur die
Individualrechte vor der Staatswillkür stützen wolle. Peinlicherweise steht eben
dies nicht im Bonner Grundgesetz; und die Väter des Grundgesetzes wollten
unbestreitbar Rechte des deutschen Volkes schützen; und heutige Bundesminister
und Politiker wurden eidbrüchig, soweit sie gegen die Interessen des deutschen
Volkes tätig wurden. (Ich erinnere an die Gerhard Schröder/Joschka
Fischer-Kooperation zur Herstellung der Freizügigkeit der Türken in Europa!
Dabei ging dieser Zielsetzung nicht etwa eine Untersuchung zuvor, welche
Auswirkungen bisher das Leben türkischer Immigranten für die Bundesrepublik
Deutschland hat, auf deren öffentlichen Frieden und Rechtssicherheit, deren
Bildungssystem, deren Wirtschaft etc.)
Aber auch beim VERGLEICHEN und
hinsichtlich der Rolle des Vergleichens müßte manches näher erörtert werden:
der Diskurs ist hochwahrscheinlich nicht der richtige Ort für effizientes
Vergleichen, der verbale Diskurs schon gar nicht. Aber über die Diskursform
wird eigentlich nichts ausgesagt. *) "Der zwanglose Zwang des besseren
Arguments" in Diskursen überzeugt mich
keineswegs, "rationale Foren" unter Gesprächspartnern, die sich und
die den sozialen Rang ihres Gegenüber kennen, sind wohl kaum herstellbar. Ein
machtausgewogenes globales Entscheidungsinstrument ist eben nicht verfügbar und
wird als "normativ rational" (a. a. O. S.166)
im Sinne Ekardt' scher Freiheitsordnung durch eine "rein wechselseitige Freiheitsbegrenzung" (a. a. O. S.169) nie zustandekommen. Auch berührt
mich komisch, wenn der menschliche Embryo "vorwirkende Rechte...,
eben Zukunftsrechte" wegen seiner "potentiellen Vernunftnatur", aus
"Autonomierespekt" erhalten soll - soweit kann ich noch folgen, aber
jetzt kommt' s: weil er "in Zukunft ein Diskussionspartner sein...
kann" (a. a. O. S.169) Es geht eben manchmal doch auch um
die konkrete "Substanz" und nicht nur um Abstraktionen.
Absolute Rechte gibt es nach Freiheitsabwägungen nicht, und so kann sogar "die >Quantität der
Betroffenen<" ein Argument für die Opferung eines Embryonen zu Forschungszwecke sein. (a. a. O.
S.170) Die Argumentation zur Genmanipulation ist problematisch; zumindest deren
Ablehnung aus dem Grunde, daß die "liberale
Ordnung als solche durch den gentechnischen Fortschritt" in Frage gestellt werden könnte, leuchtet mir weniger ein
(a. a. O. S.170) .
"Auch bei >planbarer Intelligenz< könnte
man in Diskursen nicht sicher sein, wer im Einzelfall das bessere Argument zur
Entscheidung einer Konfliktfrage präsentiert, und auch der Wortsinn von
>Grund<, der ja die liberale Theorie trägt, würde sich hier nicht
ändern... könnte eine weitreichende Manipulation diese Ordnung rein faktisch
erodieren lassen: Wüßten die Bürger, daß einzelne von ihnen ein besonders
trächtiges Intelligenzgen besäßen, andere dagegen ein ganz ausgesprochenes
Dummheitsgen, würde das faktisch ihre Achtung voreinander untergraben. Dies muß
in jedem Fall verhindert werden." (a. a. O. S.171)
Die ganz offensichtlich den Tatsachen
widersprechende Fiktion von der Gleichheit der intellektuellen Fähigkeiten,
eine ausgesprochne Schwäche des demokratischen Regierungssystems, soll
also aus staatsrechtlich-weltanschaulichen Gründen aufrechterhalten werden? Mit
der biotelen Gutachteninstanz wird diese Schwäche umgangen, indem sich
jeder, ohne Ansehen der Person und auch anonym vor der Öffentlichkeit, durch
Verbesserungsvorschläge in den biotelen Gesetzgebungsprozeß einbringen kann,
wobei die Gutachter sich durch Berufs- und Lebensbewährung auszeichnen müssen
und gegenseitig gar nicht kennen; nur ihre Gutachtenergebnisse und deren
Begründung liegen gegenseitig vor. Prestigesstreitigkeiten werden hier nicht
ausgetragen, da es gar nicht um Ansehen und Ehre geht; wogegen in dem
vorgestellten Diskursverfahren keine Schutzmaßnahmen gegen ein derartiges
Prozeßentgleisen erkennbar sind.
"Die Tatsachenbasis der Politik muß also gegen Manipulationen aller
Art abgeschirmt werden. (auch wenn dies leichter gesagt als getan ist, weil Politiker
und Bürger oft ein Interesse an der Verdrängung der Wahrheit eint)." (a.
a. O. S.180)
Dem kann ich doch wieder nur
zustimmen!
Das Schlimme ist, daß die Medien sich auf diese Wünsche einstellen, weshalb mit
Biotelie auch ein Publikationsorgan zur unabhängigen Unterrichtung über
einhellige Wissenschaftsergebnisse im lebenswichtigen Bereich einzurichten
wäre, die künftig einmal gesetzlich-zwingend eine „Ecke der Wissenschaft“ in
den Hauptmedien zu beschicken hätte. An Zusammenhängen wirklich Interessierten
wäre es damit leichter gemacht politisch entscheidungsfähiger zu werden.
*) "Zu erinnern ist ferner (13) an das> Junktim< von Freiheit und Verantwortung als Argumentationstopos, der in alle Abwägungen einzustellen ist. Dazu kommt (14) noch ein bisher unerwähnter neuer Freiheitsaspekt: die Einsicht in den freiheitsschaffenden und nicht nur beschränkenden Charakter von Gesetzen: Manche Rechte- zumindest die Eigentumsgarantie - können überhaupt nur sinnvoll entstehen, wenn der Staat sie reguliert und damit letztlich auch eingrenzt (>Freiheit durch Gesetz<) . Die schwächt dann das Gewicht jener Belange in Abwägungen. Nur in Ermangelung anderer, im Einzelfall überzeugenderer Kriterien ist (15) die Anzahl der Betroffenen in der Abwägung wichtig. Man darf also nur im Ausnahmefall sagen: Die Menschen auf der Südhalbkugel sind mehr und sind daher im Recht. Niemals aber darf man, anders als Ökonomen meinen, unterschiedliche und damit unvergleichbare Belange quantifizieren. Man darf also nicht einen Gesundheitsschaden des künftigen Menschen X oder des südamerikanischen Bananenbauers Y mit einem Arbeitsplatzverlust in Deutschland rechnerisch vergleichen, da es insofern an einer einheitlichen Rechengröße fehlt. Dabei dürfen auch Belange, die keinen Marktwert haben, nicht künstlich einen untergeschoben bekommen. So kann das Gewicht des Klimaschutzes z. B. nicht über die Zahlungsbereitschaft der Bürger für ein stabiles Klima geklärt werden... die Rückbindung an die Autonomie... expliziert, was sich Menschen als Menschen gegenseitig schulden."
Wie können Prioritäten aber dann
sonst festgelegt werden, etwa über den Willen der Bürgermehrheit hinweg?
Spätestens seit Marx richtet sich die Menschheit viel zu stark an der
Wirtschaft aus; eine Ausrichtung am AUTONOMIE-Aspekt ist dagegen
sicherlich eine interessante Variante. Nur macht der Nachhaltigkeitsaspekt m.
E.. aus der Autonomie eine Vogelscheuche; zum Überleben braucht Freiheit einen
richtigen Körper, mehr Substanz; es darf nicht vergessen werden, daß Autonomie
(nur) eine Funktion ist. Im "Konflikt >Wirtschaftswachstum
versus Nachhaltigkeit<" (a. a. O. S.186) stehen E und ich wieder auf
derselben Seite. Die Ökosteuern als indirekter Zwang oder doch Druck können
(als Einsteighilfe) sehr behilflich sein, um natürliche Ressourcen für
die Nachwelt zu sparen. (a. a. O. S.186,187)
Ich widerspreche also, daß die Zahl
der Menschen oder gar das rechnerische Gewicht der Fakten nur subsidiär, also
hilfsweise zu rechtlichen Entscheidungen herangezogen werden sollte. Zugegeben,
es macht die derzeitig praktizierte Demokratie ja gerade so angreifbar,
theoretisch wie praktisch, daß bei ihr der weniger gebildete südamerikanische
Bananenpflücker - deren zahlreiche Kinder sollen ja auch noch das Stimmrecht
erhalten! (Etwa nach Däubler-Gmelin, unserer früheren
Bundesjustizministerin) - eine mindestens ebenso gültige Stimme etwa in
der doch von der derzeitigen Gelehrtenwelt überwiegend angestrebten Weltgesellschaft
hätte wie ein euro-amerikanischer Akademiker (insbesondere von deren Minderheit
mit Überblick). Aber mit dieser fast lächerlich wirkenden Gleichsetzung
hinsichtlich der Urteilsfähigkeit im Hinblick auf eine vernünftige
Willensentscheidung steht und fällt ja die Demokratie. Unser Professor und
seinesgleichen können sich aber recht gut damit abfinden, daß via
Medienherrschaft und Massenbeeinflussung durch die herrschende Clique, zu sie
ja selbst (sich) zählen, das Demokratieprinzip ad absurdum geführt oder doch
zumindest stark relativiert wird. Darum doch auch das ständige Gezerre um die
Wahlkampffinanzen und deren Herkunft. Die Demokratie kann als vernünftige
Regierungsform nur gerettet werden, indem man der Stimme der Wissenschaft, die
sich an Sachverhalten und nicht an Sonderinteressen orientiert, eine starke
Autorität bei der Bevölkerung verschafft und sie mit Ratschlägen einwirken
läßt: also mittels bioteler unabhängiger Gutachteninstanz. Eine bessere Vergleichsbasis
ist nicht einmal theoretisch in Sicht. Das VERGLEICHEN-können aber ist eine
Basis des kategorischen Imperativs, also der Ethik Kants, sowohl als auch einer
vernünftigen Politik. Größere informelle Offenheit und Wahrheit wäre eine
Voraussetzung, die sich aber auch E. mit seiner Gründung der Rechtsprechung auf
moderne Liberalität gar nicht leisten könnte und die er (deshalb) ja auch auch
nicht besonders anmahnt. Man könnte also das System der Rechtsprechung und die
Rechtsstaatlichkeit mit höherem Anspruch auf Tauglichkeit auf den biotelen
Aspekt des VERGLEICHENS gründen als auf den der AUTONOMIE, dazu noch allein
bezogen auf diejenige der Individuen nach E., wie es die europäische Aufklärung
(einschließlich Kant) doch getan haben. Begründungsbedürftig wäre auch die
schmale Basis an "prior art", an geistigen Voraussetzungen, wie es
auch der spärlichen Nennung und Berücksichtigung von Vordenkern durch E.
hervortritt. Aber mit der Blindheit der heutigen ("sich ständig
befreienden") Jugend wird ja Tradition und bereits die Vokabel
"konservativ" als unrichtig, überholt und unzumutbar abgetan.
Insofern steht Ekardts Buch in den Fußstapfen der 68er Emanzipationsbewegung;
auch wenn es um die "sexuelle Befreiung" durch Promiskuität
spätestens durch AIDS und um die antiautoritäre Erziehung nach dem Nachwuchsversagen
in der Praxis doch ganz still geworden ist. Da sah sich eine durch die
politisch links-verordnete Akademikerschwemme eine Jugend, die nicht einmal,
mehrheitlich mehr Rückhalt in einem gebildeteren Elternhaus hatte den
einschmeichelnden und verlockenden Phrasen der Frankfurter Schule aus den USA
rückgekehrter Emigranten gegenüber, welche jegliche Autorität in autoritärer
Weise in Fragte stellte und wurde darin noch durch ein Heer ostdeutscher
volksdemokratischer Agenten bestärkt, die den so verhaßten, weil so
erfolgreichen "Adenauerstaat' demontierten. An den Universitäten wurden
die "alten Zöpfe" abgeschnitten, d. h. die Professoren bewährten
Schlages minorisiert und volksdemokratisch (unter Gleichberechtigung auch des
Reinigungspersonals) überstimmt. Auch das Selbstverständlichste mußte erst
diskutiert werden; zum Lehren und Lernen blieb wenig Zeit, auch mußte der
Lernstoff ja "kritisch", d. h. im neomarxistischen Sinne
überarbeitet sein. Freiheit der Wissenschaft bedeutete jetzt Recht auf Bildung
für jedermann, der nicht ernsthaft arbeiten wollte. Vor diesem Hintergrund -
der für Platon und Aristoteles, ja für die Humboldts (deren Namen man
mißbrauchte und weiterhin mißbraucht) keinen Platz mehr hatte - muß auch die
staatswissenschaftliche Entwicklung gesehen werden, auf der E. aufbaut. Das
Alte muß zerstört werden, ehe man ein Neues und insbesondere Besseres aufgebaut
hat oder weil man zur Erhaltung des Bewährten sich gar nicht mehr in der Lage
sieht.
Da wäre der fein- und tiefsinnige jüdische Philosoph Baruch Benedikt Spinoza,
der sein Geld verdiente, indem er durch Linsenschleifen den Mitmenschen zu
besserem Sehen verhalf und dem, aus der jüdischen Gemeinde ausgestoßen,
trotzdem die christlich-abendländische Gelehrtenwelt (auch Goethe) sozusagen zu
Füßen lagen. Die "more geometrico", also unter dem zeitüblichen
Mantel der mathematischen Genauigkeit, verfaßte Ethik dieses einsamen
Gottsuchers war die erste mir bekannte umfassende Ethik der Lebenserhaltung.
Daß Spinoza nach dem Substantiellen suche und Gott in pantheistischer Weise -
was ihm ja auch verübelt wurde - als die Summe aller harmonisierten
Substanzen auffaßte, paßt natürlich nicht ins Konzept der
"Entsubstantiierung" der Freiheit. Erahnt man dagegen im Begriff der
Substanz das Zentrum der Stabilität und in dem Harmoniestreben die Dynamik, so
kann man die spinozeische Philosophie sehr wohl in das System der Biotelie
aufnehmen; woher letzteres ja auch tatsächlich (mit) abgeleitet wurde. Aber E.
zielt ja nur auf die maximale Freiheit derer ab, die eine solche Freiheit
vielleicht eben noch erleben werden; das Eintreten fürs Überleben erübrigt sich
für ihn; es zählt ja auch nur zu den beiläufigen
"Freiheitsvoraussetzungen": es dürfte es nur eine Minderheit bleiben,
die solche angepeilte maximale Freiheit genießt, und dies nur für noch
kurze Zeit, jedenfalls wenn es nach dem Prinzip E.'s gehen würde. Sie reden von
"Generationengerechtigkeit" und leben (nicht schlecht) weiter ohne
den Glauben an künftige Generationen, jedenfalls ohne sofort für deren
als akut bedroht erkannte Existenzmöglichkeit entscheidende Schritte
einzuleiten. Die "Substanz" heutiger Politik müsse über
(staatlich gut honorierte) Diskursethik im erlauchten Kreise doch erst
"erarbeitet" werden; zu Deutsch: die politische Wissenschaft (oder
Sophistik?) arbeitet auf Rechnung und für die Rechtfertigung der jeweiligen
Politik. Wie gehabt.
Ich kann nicht erkennen, wie ein
Gesetzgeber nach dem nachfolgenden "neuen Freiheitskonzept" in
überschaubarer Zeit und selbst bei irgendwie eng kontingentierten Fällen
entscheiden könnte, wo er doch der "doppelten Freiheitsgefährdung"
durch den "altliberalen Minimalstaat und den paternalistischen
Beglückungsstaat" entgegentreten soll:
"In Umformulierung der bekannten Rawlsschen Regeln ergibt sich somit
folgendes Prinzip universaler Nachhaltigkeit: Jedermann soll gleiches Recht
auf das umfangreichste System aller Grundfreiheiten haben, das mit dem gleichen
System für alle anderen einschließlich der jungen, künftigen und in anderen
Ländern und Erdteilen lebenden Menschen verträglich ist. Die gleichen
Freiheitsrechte garantieren dabei auch die elementaren
Freiheitsvoraussetzungen, ohne die ein menschenwürdiges Leben ausgeschlossen
ist, sowie den Schutz gegen andere Bürger und ein Junktim von Freiheit und
Handlungsverantwortlichkeit. An die Stelle der liberalen Tradition, die wie
Rawls das Verhältnis einiger schmaler Freiheiten zu anderen Gütern pauschal
zugunsten der ersten löst und für alle anderen Freiheiten beliebige Schranken
zuläßt, sollte ergänzend folgende Regel treten: Im Regelfall kann die Freiheit
im Sinne des ersten Gerechtigkeitsgrundsatzes nur um der Freiheit
einschließlich ihrer elementaren Voraussetzungen und um das Junktim von
Freiheit und Handlungsfolgenverantwortlichkeit willen beschränkt werden.
Ausnahmsweise kommt bei Vorliegen guter Gründe eine Einschränkung der Freiheit
auch um ihren weiteren Voraussetzungen willen in Betracht. (a. a. O. S.152,153)
Freiheitseinschränkungen ohne Rechtfertigung in der Freiheit und ihrer Voraussetzungen
sind stets unzulässig. Diese Grundsätze drücken aus, was wir uns als
Vernunftwesen gegenseitig schulden, um unser Zusammenleben nachhaltig zu
gestalten. Wobei die Vernunft ihrerseits für uns Menschen als Menschen
unhintergehbar ist - universal, global und im Zeithorizont." (a. a. O.
S.153)
Ich "freue" mich immer über Gesetzesformulierungen,
die als Tatsache hinstellen, was nur mühsam eingehalten und hergestellt werden
kann. Wie beispielsweise GG Art.1: "Die Würde des Menschen ist
unantastbar". Und so geht es mir auch hier. Das Fiktive und die
Nichteinlösung der Proklamationen verrät sich schon in dieser Sprache.
Aus bioteler Sicht gilt es sofort und
unaufschiebbar aus Pflicht angesichts der Notlage von Menschheit und
Natur zu handeln - was sich sehr wohl von einer Verantwortlichkeit von
Handlungsfolgen unterscheidet, soweit man Nichtstun nicht als Handlung wertet,
ich spreche dann deshalb lieber im Sinne von bioteler AKTIVIT'ÄT von Verhalten
statt von Handeln. Zunächst gilt es zu beweisen, daß unter Anwendung der
traditionalen Vernunftregeln der Biotelie (einschließlich ihrer
Verfahrensregeln) Verbesserungen zu erzielen sind. Aus dieser positiven
Beweislage heraus sind dann Angebote an alle Staaten und Institute zu machen,
sich diesem biotelen Regelwerk zu gemeinsamem Nutzen anzuschließen. (Der
Vorwurf des Utilitarismus schreckt mich dabei nicht.) Als optimales Programm
wäre eine Förderung von Entwicklungs- und Notstandsgebieten, soweit sie nicht
als Natur- und Kulturreservate auch mit Zustimmung der dortigen Bevölkerung
auszuweisen wären und in besonderer Art und Weise zu unterstützen wären, an ein
Geburtenbeschränkungsprogramm zu binden, um die globale Bevölkerungszunahme
zunächst zu stoppen und dann sogar die Weltbevölkerung auf eine Stärke zurückzufahren,
die mit dem Erhalt und der Entwicklung natürlicher Artenvielfalt und der
kulturellen Vielfalt bei einem erträglichen Lebensstandard auf augenblicklich
noch unabsehbare Zeit vereinbar zu sein scheint. Wie aus dem biotelen Programm
hervorgeht, soll von Gewaltanwendung dabei nur der notwendigste Gebrauch
gemacht werden; die auch militärisch-polizeiliche Fähigkeit dazu soll jedoch in
ausgewogen verteilter Regie bereitgestellt werden.
Felix Ekardt wird von diesem Programm, das er vermutlich vehement ablehnt,
nicht überrascht sein; ich selbst aber bin überzeugt, daß dieses doch viel
übersichtlicher zu handhabende Programm mehr Freiheit stiften würde als jedes
bisher vergleichbare. Ich bestreite nochmals vorbeugend, daß ein solches
bioteles Konzept eine Ökodiktatur darstellen würde. Es müßten ja die
betroffenen Bevölkerungen durch die Glaubhaftigkeit bioteler
Gutachtenergebnisse dazu gebracht werden, auch für sich selbst die darin
liegenden Vorteile zu erkennen. Die (gegen menschliche Störungen
bezogene) Sicherheitsgarantie für alle Kulturen, die dann durch Weltpolizei in
unabhängigen Blöcken verbunden mit Abrüstungsüberwachung und Katastrophenhilfe
einzulösen wäre, würde enorme Hilfs- und Entwicklungshilfepotentiale
freisetzen. Es ist doch nicht völlig ausgeschlossen, daß die begründete
Hoffnung auf Möglichkeit der Abwendung der Ökokatastrophe und den unter
Endzeitaspekten fälligen Crash der Kulturen (insbesondere verstärkt durch die
Anweisungen des Koran) die Menschen zur Opferbereitschaft und zum Umdenken
bestimmt. Es könnte sofort ein Anfang damit gemacht werden, während von Ekardts
Buch kein Impuls zu einer Rettungsaktion ausgeht, da ihn ja nur Diskurse über
die Freiheitsrechte beschäftigen.
Nun aber zu Ekardts
Freiheitsvoraussetzungen, unter denen die weiteren biotelen Aspekte doch
vermutlich versteckt sind.
"Zwar ist am altliberalen Denken richtig, daß Freiheitsrechte keinesfalls
die Schaffung sämtlicher Freiheitsbedingungen garantieren dürfen. Eine
vollumfängliche und einklagbare Freiheitsvoraussetzungsgarantie würde leicht
einen totalitären und in jede Lebensregung intervenierenden illiberalen Staat
heraufbeschwören...
Somit ist ein Freiheits- und Menschenrecht auf die elementaren
Freiheitsvoraussetzungen geboten - durch die allgemeine Gerechtigkeitslehre,
aber auch durch unsere Verfassungen, die von Würde und Freiheit sprechen und
ergo die gleiche Argumentation tragen. Wir alle, auch junge, künftige und in
armen Ländern lebende Menschen, haben damit dieses Recht. Und wie wir schon in
Kap. II sahen, umfaßt jenes recht auch Topoi wie Atemluft, ein stabiles
Globalklima oder den Zugang zu sauberem Trinkwasser..." (a. a. O. S.120)
"Für meine Integration der elementaren Freiheitsvoraussetzungen in das
generelle Recht auf Freiheit, sprechen nicht nur allgemein die Freiheit und die
Notwendigkeit, die Bedingungen eines würdigen (autonomen) Lebens zu
garantieren. Für sie spricht vielmehr auch, daß nur so die doppelte
Freiheitsgefahr abgewehrt wird: Indem die materiellen Existenzbedingungen in
den Freiheitsbegriff integriert und nicht etwa der Freiheit als Überrecht
vorangestellt werden, welches sodann beliebige Freiheitseinschränkungen deckt,
wird die Ökodiktatur ebenso zurückgewiesen wie die einer entgrenzten
ökonomischen Freiheit. Denn nur so wird der Lebensgrundlagenschutz stets daran
erinnert, daß er freiheitlich sein muß. Auf diese Weise entwertet man die
ständigen Entschuldigungen z. B. Chinas, ein armes Land müsse den Hunger
bekämpfen, wobei jedes, auch jedes freiheitszerstörende Mittel recht sein müsse.
Das Recht auf die Existenzminimumaspekte Nahrung, Atemluft, Sicherheit gegen
Hunger, Unbildung, Naturkatastrophen, Kriege, Verbrechen anderer Menschen usw.
ist eben kein Selbstzweck, für den man jederzeit z. B. die Presse- oder
Versammlungsfreiheit opfern kann (wie Hans Jonas meint); die
Existenzminimumsaspekte sind erst um unserer Autonomie willen wichtig. (a. a.
O. S.121,122) Darum muß die physische Existenz einer unter mehreren Aspekten
der Freiheit sein - und nicht etwas sie Überragendes, wie auch ein John Rawls
kurz vor seinem Tod erwogen hat. >Sicherheit als Selbstzweck< impliziert
dagegen stets ein paternalistisches (oder ein hobbesianisches,,
autoritär-liberales) Staatsverständnis. Frieden usw. ist also
Freiheitsvoraussetzung - und als solche ein globales Recht. Wobei
>Sicherheit gegen Hunger< in der dritten Welt zugleich die >Sicherheit
gegen den Terror< im Okzident erhöht und auch hier freiheitsrelevant ist
(Kap.IV E.) All dies ist keine >Bedürfnisethik<, die (in einer unter Sozialphilosophen
und Globalisierungskritikern anzutreffenden Weise) aus bestimmten faktischen
Bedürfnissen deren eigene Beachtlichkeit herleitet. Dies wäre nicht nur ein
naturalistischer Fehlschluß. Es wäre auch eine beliebige dogmatische Setzung -
denn wer sagt denn, daß irgendein Bedürfnis per se beachtlich ist? Und warum
sollten faktische Bedürfnisse (z. B. mein >Bedürfnis< nach
Geschlechtsverkehr mit der mir gerade zufällig begegnenden Frau X) überhaupt
als normativ relevant gelten? Diese unlösbaren Fragen vermeidet die Theorie der
Freiheitsvoraussetzungen gerade, indem sie mit dem Freiheitsbegriff einen
normativen Orientierungspunkt bietet, von dem aus sich ohne beliebige Setzung
oder Sein-Sollen-Schluß beantworten läßt, daß bestimmte> Bedürfnisse< als
relevant zu erachten sind - andere dagegen nicht. Die Empirie ist hier nur
Subsumtionsmaterial, aber eben nicht selbst normatives Kriterium (zu dieser
Scheidung Kap. I E.)..." (a. a. O. S.122) "
HYPARCHIE, also Minimierung von
Gewalt, Zwang und Bedrohung ist richtigerweise als Aspekt in die Nähe der
AUTONOMIE gebracht, aber Freiheit ist eben selbst nur ein Aspekt zur
Lebenserhaltung (dynamischen Stabilität); ihr einen höheren Rang zuordnen,
würde denen ins Gesicht schlagen, die um "Sicherheit gegen Hunger"
ringen müssen. Ohne Beachtung menschlicher Bedürfnisse hat doch wohl eine
Staatslehre schwache Aussichten: und Freiheit ist doch offensichtlich für die
meisten erst ein sekundäres Bedürfnis nach Befriedung anderer primärer
Bedürfnisse, wie Ernährung, Befriedigung des Geschlechtstriebes, der
Geltungssucht etc. Daß das Bedürfnis nach Sättigung beachtlich ist, sagt das
Hungergefühl und schließlich das Versagen der körperlichen, zuletzt auch der
geistigen Kräfte. Diesen "naturalistischen Fehlschluß" wird E. den
Menschen schlecht abgewöhnen können. Ein "Recht auf (künftige)
Existenz" ist problematisch - E. verneint es an anderer Stelle
richtigerweise und reserviert Recht und Freiheit für die Existierenden - und
wäre doch die einzige Stütze eines "Rechts auf das Existenzminimum".
Für wen sollte sonst per "Nachhaltigkeit" das Existenzminimum
gesichert werden? Freiheit ist sozusagen das oberste, das höchste in der
Rangskala der Bedürfnisse; nur weil es wenigstens noch spurenhaft in allen
Menschen vermutet werden kann, darf man die Menschenwürde allgemein
voraussetzen. Nicht ausgesprochen wird aber bei E., daß Autonomie auch Selbstbeherrschung
bedeutet, und deren Ausmaß ist doch sehr verschieden verteilt; macht
aber die Überlegenheit des Menschen über das Tier im "Kampf ums
Dasein" (Charles Darwin) aus. Letzterer darf aber nicht gänzlich
abgenommen werden, dies verlangt der Schutz der SPONTANEITÄT und die
Gerechtigkeit (GEGENSEITIGKEIT = Wechselseitigkeit). Hans Jonas hat eben doch
recht, wenn er meint, daß dem Überleben zuliebe vorübergehend auch
Freiheitseinschränkungen zumutbar seien, was E. ja bestreitet. Der Furcht
vor einem Mißbrauch von Ausnahmezuständen wird im biotelen System durch die
Unterwerfung aller Schalt- und Befehlsstellen unter eine unabhängige
Begutachtung und letztere wieder unter die Vetomacht der Betroffenen
unbegründet. Biotele Gesetze sind sozusagen im besten Sinne autonome Gesetze
nämlich von Einzel- und Gruppeninteressen bereinigte, die auch
Gewissensentscheidungen standhalten. Der Einfluß der Motivationslage muß im
Sinne der Lebenserhaltung relativiert werden, weshalb auch auf den
Medieneinfluß, insbesondere deren Verhältnis zur wahrheitsgemäßen
Berichterstattung unter Berücksichtigung der Bedeutung für das (Über-)Leben,
geachtet werden muß. Für ein angemessenes VERGLEICHEN müssen Menschen
entsprechend informiert und orientiert sein. Auch dies für E.
bezeichnenderweise geradezu Tabuthema! (Das bloße Erwähnen der Pressefreiheit
und die offensichtlich stille Annahme, daß sie in liberalen Staaten offenbar
funktioniere, ist der Problematik und der wirklichen Lage, der Bedeutung
richtiger Information für die Freiheit also, nicht angemessen. Auch hier waren
Kant und seine Zeitgenossen als Aufklärer bereits weiter.)
"Meine These zum nächsten, zweiten Bruch ist: Freiheit darf - woran das Recht auf das Existenzminimum ja noch nichts ändern würde - nicht länger die pauschale Befugnis sein, andere beliebig zu beinträchtigen, ohne mit den Folgen konfrontiert zu werden..." (a. a. O. S.123) "Der Schutz junger, künftiger und in andern Kontinenten lebender Menschen wäre zwar formal ein Menschenrecht; er hätte aber sozusagen keinen Anwendungsbereich. Denn der intertemporale Konflikt entsteht durch das Verhalten von Privatpersonen, die Ressourcen, Klima, Ozonschicht usw. in Anspruch nehmen - und nicht durch staatlichen Ressourcenverbrauch... Könnten die Bürger sich direkt gegenseitig unter Berufung auf ihre Menschenrechte in Anspruch nehmen, wäre der Gesamtausgleich der verschiedenen Freiheiten unmöglich; zudem sind bei vielen Freiheitsbeeinträchtigungen zwar Bürger die >Täter<, jedoch sind diese Täter für die >Opfer< schwer zuzuordnen... Jedoch ist damit noch nicht geklärt, ob ich u. U. ein Menschenrecht gegen den National- oder auch Globalstaat habe, mich gegen Schädigungen durch meine Mitbürger in Schutz zu nehmen. (a. a. O. S.129,130) Ich will zeigen, daß ein solches Recht besteht. Und diese Multipolarität der Freiheit (also die Schutzrichtung der Freiheit gegen Staat und Mitbürger) ist der dritte Bruch mit der altliberalen, nicht-nachhaltigen Freiheitsdoktrin..." (a. a. O. S:130)
Die Kollektive müssen also plötzlich
wieder notwendig zur Rechtegewährung da sein, ohne aber selbst sich aus
Rechtsquellen, d. h. Ansprüchen gegenüber den Bürgern, speisen zu können? Wird
der Nichttäter, der dazu gezwungen wird ein Opfer anderer Täter zu
entschädigen, nicht selbst Opfer? Aber wir Menschen sind ja einander alle
Schwestern und Brüder! Seid umschlungen Millionen!
Wenn Nachhaltigkeit nicht auf
"Erhaltung von Besitzständen" aus ist (a. a. O.S.31), so ist die
Frage, wie man die denn beurteilen oder gar durchsetzen will.
"Denn Menschen handeln nach aller Erfahrung faktisch nicht nur aus innerer
rationaler Überzeugung von der Richtigkeit bestimmter Prinzipien
(>Vernunftakzeptanz<) , auch wenn die normative Vernunft bekanntlich als
einzige Instanz eine Handlung gut zu begründen vermag. Wir handeln auch aus
Gefühl, Konformität und meist eigennützigem Kosten-Nutzen-Denken.
Letzteres meint, daß wir eigennützig Ziele wählen und sodann schlicht alle
>effektiven< Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung treffen (= instrumentelle
Rationalität). Auf jenen >Egoismus< haben wir schon öfters verwiesen.
Dabei ist unser Kosten-Nutzen-Denken nicht nur durch ökonomische Aspekte
beeinflußt, sondern auch durch drohende Sanktionen, ebenso wie durch Erwartung
oder Entzug sozialer Anerkennung. Die normativ rationale Fundierung der
Nachhaltigkeitsidee wird vor dem Hintergrund jenes Motivstraußes (der
bekanntlich >quer liegt< zur Scheidung ökonomisch-politisch/kulturell/biologisch<)
nicht allein dafür sorgen, daß wir alle freiwillig auf Nachhaltigkeit
umschwenken. Wir reduzieren eben nicht gerne den persönlichen Stoffverbrauch
oder Klimaausstoß oder >kaufen nur noch >fair gehandelte< Produkte.
Weder der Verbraucher noch der Unternehmer handeln so. Für den einzelnen Bürger
oder Unternehmer ist auch der zu erwartende eigennützige Vorteil viel zu
abstrakt, den >wir alle< haben könnten, wenn wir heute mit einer
Effizienzpolitik technische Innovationen und ein >anderes< Wirtschafts- und
Arbeitsplatzwachstum begünstigen, was uns in einer Welt, in der die reichen
Staaten plötzlich zahlreicher werden, überhaupt nur konkurrenzfähig
hielte..." (a. a. O. S.202) "Diese Befindlichkeit macht auch eine Weltföderation
mit gleichen Spielregeln erst einmal für westliche Bürger und Unternehmen
unattraktiv - angesichts der Ahnung, daß globale Standards nach einem
zwischenzeitlichen Effizienzboom (also gleichem Lebensstandard bei geringerem
Ressourcenverbrauch) eben doch gewisse Suffizienzen, also Einbußen am gewohnten
Lebensstandard, bedeuten dürften..." (a. a. O. S.203) "Das
bedeutet freilich, daß schon unter Lebenden die gebotene wechselseitige
Freiheitsbegrenzung oft nicht aus freien Stücken zustandekommen wird.
Gerade darum kann man ja sagen, daß der liberal-demokratische Staat und sein
Recht nicht nur gerecht ist, sondern seine Existenz für die Bürger auch ganz
instrumentell rational nötig ist..." (a. a. O. S.204)
"Wenn aber unsere Motivationslage faktisch über den Erfolg politischer
Steuerung entscheidet, ergibt sich: Eine nationale, europäische oder globale
Nachhaltigkeitspolitik durch Selbstregulierung, flexible Freiräume oder bloßes
Anbieten von Informationen könnte nur dann Erfolg haben, wenn die
Motivationslage bei Behörden, Unternehmen und Bürgern ohnehin günstig ist. (a.
a. O. S.212,213) Und daß sie das ist, ist nach dem eben Gesagten, nach dem
Eingangsbefund aus Kap.I A. und nach den theoretischen Überlegungen aus KapVI
A. außerordentlich zweifelhaft." (a. a. O. S.213)
"Man kann dies auch so ausdrücken: Bei allen Akteuren wirken
ökonomisch-politische Bedingungen mit biologischen Eigenschaften des Menschen
wie Kurzzeitorientierung, Narzißmus, Existenzsicherung, Streben nach
Anerkennung (Wiederwahl!) zusammen. Natürlich spielt dabei auch die mehrfach
erwähnte,, wohl biologisch angelegte Neigung zur Verdrängung eine entscheidende
Rolle. Wir tun einfach so, als wäre alles prima - und leugnen die Dinge, die
uns das Gegenteilbeweisen... Allein die moralische Überzeugungskraft des Ziels
Nachhaltigkeit... wird diese komplexe emotionale und kosten-nutzen-maximierende
Struktur nur schwer überwinden können..." (a. a. O. S.218)
Biotelie will sie in die Strategie einbauen, den Menschen
so nehmen wie er ist, eben als ein nicht nur auf Freiheit angelegtes Wesen.
Würde sich nun aus der Erprobung
einer biotelen Gutachteninstanz ergeben, daß etwa politische Entscheidungen aus
der Vergangenheit (um nur eine -allerdings sicher anrüchige - Vorschlagslinie
zur Begutachtung zu nennen) bei der Begutachtung durchgefallen wären, die
wirklich entsprechende und die Nachhaltigkeit (und auch Freiheit)
negativ belastende Folgen hatten und andererseits Gutachtenergebnisse mit
positivem Ergebnis aufwarten könnten, deren Vorlage sich auch in der
Wirklichkeit bewährte, so wäre ein Beginn geschafft, der öffentliche
Aufmerksamkeit erregen könnte. Dabei räume ich ein, daß es nicht leicht wäre,
die Gutachtenanfrage so zu formulieren, daß die Gutachter nicht so ohne
weiteres gewahr würden, daß es sich um diese oder jene bestimmte Gesetzesauswirkung
handelt, über die befunden werden soll. .Auch die Entscheidungen von
Wirtschaftsbetrieben oder Behörden könnten zu Versuchszwecken herangezogen
werden, oder anderes, ehe man zur Beurteilung von Vorschlägen kommt, die
allererst zu realisieren wären. Auf der Grundlage preiswerter und effizienter
Gutachtenergebnisse könnte dann für die unabhängige nachhaltige Begutachtung
geworben werden. Jedermann, also auch F. Eckard wäre aufgefordert, durch
Eingaben an der Verbesserung des Verfahrens, inhaltlich wie formal,
mitzuwirken.
Wenn "letztlich 20 % der
Bevölkerung unser gesamtes Einkommen erwirtschaften könnten", ist das Ziel
einer Vollbeschäftigung utopisch und als Ideal hinfällig. (a. a. O. S.233) Aber
sollte man über Lebensarbeitszeitverkürzung in standardisierbaren Berufen nicht
doch möglichst jeden Gesunden zu einer Gegenleistung für seine Versorgung
heranziehen?
"Zwar zahlen die Arbeitenden oftmals soziale Hilfeleistungen für
die Schwachen (sei es in Ostdeutschland, sei es über die EU in Ungarn, Polen
usw.). Gleichzeitig haben wir Arbeitenden unsere Arbeit doch aber nur, weil
diese Schwachen mit ihrem Konsum die Produktion und ergo unsere Arbeit am
Laufen halten" (a. a. O. S.233)
Bei solcher Verteilung von "Freiheit" als
Geschenke, dürfte aber böses Blut aufkommen; auch tut man sich schlecht damit,
wenn die von der Arbeit Freigestellten sich aufs Kindermachen verlegen. Vor
allem bleibt zweifelhaft, wer sich alles der Kategorie "wir
Arbeitenden" zurechnen läßt. Und dies alles bei gerade empfohlener
freiwilliger Konsumbeschränkung der Arbeitenden. Konsum der Sozialunterstützten als Wirtschaftsmotor ein typisch
linkspolitisches Argument. (John Maynard Keynes lässt grüßen.)
"Sie wird unterstützt durch ein modernes Freiheitsverständnis,
welches einem hypostasierten Individualismus, der sich zudem der
Verantwortlichkeit für die Folgen des eigenen Handelns zu entledigen trachtet,
ebenso entsagt wie unserem radikal anthropozentrischen Selbstverständnis, das
unsere natürlichen (Freiheits-)Voraussetzungen und die Folgen Tuns
ausblendet." (a. a. O. S.232).
Nanu! Ich fühle mich bei diesem
einzigen Satz des Buches wie aus dem übrigen Buch katapultiert: denn damit
wären wir uns ja wieder einig! Aber der dicke Hund folgt gleich nach:
"Trotzdem bleibt die nur durch eine Theorie des guten Lebens
beantwortbare Frage: Was wünsche ich
mir? Wir könnten unser Auto abschaffen, auf Urlaubsreisen verzichten,
unverarbeitete Bio-Produkte kaufen, hocheffiziente Haushaltsgeräte haben, uns
öfter mal mit >weniger< zufriedengeben, in Null-Emmissionshäusern
wohnen" (und am eigenen Mief ersticken!).
"Meine Vermutung ist nun, daß dies unser Zusammenleben nicht nur
gerechter machen würde. Vermutlich würden wir am Ende sogar glücklicher
sein..." (a. a. O. S.232)
Das Photo auf dem Buchumschlag
beweist es sozusagen. Und wie glücklich wären wir erst, wenn wir über das
Fernsehen - die Südseereise ersparen wir uns ja - sehen können, wie die Völker
(darf ich Naturvölker sagen???) auf unsere Kosten leben, sozusagen wie heute
die vom Aussterben bedrohten Tiere im Zoo, sich an keinerlei Freiheitsschranke
gebunden fühlend, da die Arbeitsdisziplin für sie ja gefallen ist: so richtig
das Ideal der modernen Freiheit lebend und selbstverständlich ausschließlich
amerikanische Medien konsumierend! Schon aus lauter Dankbarkeit für das
wiedererschaffene Südseeparadies! Aber für unsere Breiten bleibt auch noch
etwas übrig von dem Überfluß der Freiheit:
"Vielleicht sollten wir daher zu einer neuen
Arbeitswelt aufbrechen, die Erwerbsarbeit, gesellschaftliche Arbeit z. B. im
sozialen und Umweltbereich und unbezahlte Arbeit alle als wichtig und
befriedigend anerkennt und in einem Lebensweg kombiniert - abgefedert durch ein
staatliches Grundeinkommen." (a. a. O. S.233)
Mit dieser Abfederung aber wären der Faulheit und Abzocke weiter Tür und Tor
geöffnet; vom letzten Satz abgesehen würde ich zustimmen. Am Anfang aber muß
die Erwerbsarbeit stehen, und damit diese der Jugend zur Verfügung steht, muß
die Lebensarbeitszeit für standardisierbare Arbeit zurückgefahren werden. Ein
"Satz unterhalb der heutigen Sozialhilfe" scheint mir weniger
anstrebenswert; er müßte sich zumindest auf solche beschränken, die sich der
Erwerbsarbeit verweigern.
"Zeitwohlstand statt Güterwohlstand nützt allerdings nur denjenigen, die gelernt haben, etwas mit sich und ihrer Zeit anzufangen. Ein neuer Arbeitsbegriff müßte darum zugleich den Startschuß geben zu einem neuen Bildungskonzept, welches das zu unserem Ziel und unserer Stärke macht, was von Hause aus Europas und gerade Deutschlands Markenzeichen war. Wichtig ist freilich nicht einfach die Quantität von Abitur- und Hochschulabsolventen, wie es die gegenwärtige Bildungsdebatte [der Linken und insofern in Bremen! , muß ich hier einwerfen] suggeriert. Dies kann niemand wollen, der erlebt hat, wie unwissend und unselbständig viele durchaus gut benotete Absolventen heute sind. Nachhaltig wird unser Erziehungssystem auch nicht allein dadurch, daß man alle, nunmehr auch den Menschen in südlichen Ländern irgendeinen Zugang zu Bildungseinrichtungen eröffnet. Zudem: Auch die Nachhaltigkeit selbst muß Bildungsinhalt werden..." (a. a. O. S.234)
Mir wäre lieber, die Menschen würden
wieder Pflanzen und Tiere kennen und so zu einem besseren Verhältnis zur Natur
kommen! Für E. selbst offenbar eine verschwommene Angelegenheit, wie für ihn
der Begriff der "seltenen Arten" (s. o.). Aber ich zähle ja sicher zu
den "metaphysisch gesinnten Gegnern" , denen F. E. (auch) zuruft:
"Vernunft, Würde, Unparteilichkeit und Freiheit bleiben die
notwendige und universal einzige Grundlage einer gerechten Grundordnung - aber
sie bleiben es nur, wenn man sie neu interpretiert und so das liberale Denken
für die Zukunft in wirklich umfassender Freiheit öffnet. Nur wenn wir demgemäß
den Individualismus auch mit einer festen Steuerung versöhnen und
es so schaffen, die Autonomie und den Schutz ihrer Voraussetzungen zu
radikalisieren, also die Freiheit zu optimieren und sie gleichzeitig gegen
ökodiktatorische Anwandlungen zu schützen - nur dann wird unser Zusammenleben nachhaltig
werden. Und indem uns dies eine neue Vision und einen neuen Weg der
Selbsterschaffung und der ökonomischen Vitalisierung gibt, könnte es uns auch glücklich
machen... Eine andere Welt ist möglich." (a. a. O. S.235)
Als Endziel haben auch Marx/Engels
und Lenin optimale Freiheit versprochen. Der Terminus
"Selbsterschaffung" wird nicht nur bei mir schwere Bedenken wach
werden lassen.
Von anderer Seite schon vor längerer Zeit lautgewordene Vorwürfe
in Richtung Ökodiktatur hinsichtlich des biotelen Systems weise ich nochmals
und weiterhin mit dem Hinweis zurück, daß ja jeder biotele Gesetzesvorschlag
(und erst ein solcher wäre ja zukünftig einmal politisch-gesetzgeberisch
erheblich) ja dem Urteil der direkt von ihm Betroffenen unterworfen werden müßte,
also einer direkt-demokratischen Abstimmung. Außerdem läge mit den Parlamenten
eine gesetzgebende Konkurrenz vor, so daß die Gewaltenteilung gewährleistet
wäre. Die "gewaltenteilige Demokratie" sieht E. offenbar in der
Mitwirkung von Gerichten, also von Juristen (er selbst zählt ja zu dieser
Sparte, die groß ist im fiktiven Denken), wenn ich seine Sätze richtig
auslege, wegen der doch häufigen Unverträglichkeit des durch
Stimmenzählung ermittelten Mehrheitswillens mit der Vernunft, die oft einzelne
zum Anwalt hat und die allein den Fortschritt auf den Weg bringen können.
"Konstitutionelle Demokratie" im biotelen Sinne meint nichts anderes:
die anregende und formende Mitwirkung der intellektuell Fähigeren und fachlich
Ausgebildeten in Fachfragen und ein Fundament auf uns überkommener
Vernunftregeln, welche die Ordnung bestimmen, müssen neben der Gesamtheit der
Bürger und aus ihrer Gesamtheit heraus Gelegenheit zu angemessener Mitwirkung
und Entfaltung ihrer Fähigkeiten zum Wohle aller haben. Die "Fallibilität",
die Möglichkeit des Irrtums menschlicher Erkenntnis wird doch gemindert, wenn
wir auf Vernunftregeln zurückgreifen, die über die Jahrhunderte oder gar
Jahrtausende Bestand hatten und nicht noch das Selbstverständlichste
zerreden. Das "konservative", bewahrende Element ist
unverzichtbar.
„Erstens ist ein bloßes Faktum für
normative Theorien dann sehr wohl relevant, wenn es eine Unmöglichkeit signalisiert. So ist es z. B. nicht nur ein Problem
der Durchsetzbarkeit, sondern schon der Begründung, dass die Norm >ihr sollt
alle jeden Morgen zum Mars joggen< nicht lebbar ist. Denn Normen sollen
Konflikte lösen… Darum sind unmögliche Normen nicht nur undurchsetzbar, sondern
auch falsch (weswegen auch die Norm falsch sein dürfte, daß wir keine Konflikte
lösen sollen.)… /a. a. O. S.72)
Natürlich muß immer wieder überlegt werden, ob eine liberale Theorie
wirklich die richtige Grundordnung angibt, und unsere Entscheidungen müssen
veränderungsoffen bleiben. Das heißt aber nicht, daß in der Zwischenzeit das vorläufig
als richtig Erkannte unbeachtlich wäre. Andernfalls könnten Normen nie
Konflikte lösen, da wir unendlich lang >abwarten< müßten.
Übrigens heißt Fallibilität nicht Subjektivität oder Beliebigkeit, und es heißt
auch nicht, daß Gerechtigkeit immer durch irgend jemanden >definier<
werde. Es geht hier nicht um (in der Tat beliebige) Defintionen von Begriffen: Es geht vielmehr um
(begründbare und damit nicht beliebige) Inhalte.
Diese Unterscheidung ist vielen konstruktivistisch beeinflussten Zeitgenossen leider
völlig unklar. Um es bildlich auszudrücken:
Natürlich kann ich dieses Ding zum Sitzen hier auch >Eichhörnchen< nennen
anstatt Stuhl (= Definition), wenn ich das unbedingt möchte. Letztlich ist das
in der Tat beliebig. Nicht beliebig ist dagegen, ob hier vor mir tatsächlich
ein Stuhl steht oder nicht (= Inhalt). Ebenso ist es mit der
Gerechtigkeit". (a. a. O. S.73)
Und ich bin
so stur, auch noch daran festzuhalten, was ich Stuhl und was ich Eichhörnchen
nenne, weil ich mich in deutscher Kultur verwurzelt weiß. Und so sehen
wir E. auch im Kreis derer, die einen
"modernen rationalen Universalismus für die Kritiker Kants [!
diesmal stammt das Ausrufezeichen von mir als Ausdruck meines Erstaunens], der
Diskursethik und der Nachhaltigkeit unangreifbar machen will. Ich behaupte
also: (I) Gerecht ist eine politische Grundordnung nur dann, wenn sie dem
Achtungs- und dem Unparteilichkeitsprinzip genügt, dies neu begründet und
daraus Freiheitsrechte und Demokratie herleitet. Freilich ist die Richtigkeit,
so meine weitere These, nur gegeben, wenn die Ordnung (II) die Freiheitsrechte
zeitneutral und auch (III) global-zwischenstaatlich anerkennt (sich also der
Nachhaltigkeit öffnet) und (IV) den Freiheitsbegriff neu interpretiert.
Dies wäre der Bruch mit der altliberalen Tradition." (a. a. O. S.59)
Auch solches Denken ist Tradition, reicht bis in die römische
Philosophie und Menschheitsethik zurück
und findet sich bereits im Hellenismus bei Seneca und Kaiser Marc
Aurel. Nur sind Anerkennung von Grundrechten und ihre wirkliche Gewährung
und Durchsetzung zwei Paar Stiefel! Weniger Versprechungen und mehr Taten sind
mir lieber, unerfüllbare oder widersprüchliche Versprechen insbesondere in
Verfassungen aber ein Greuel.
"...Eine elementare Existenzsicherung für alle... im Sinne
physischer Grundbedürfnisbefriedigung ... einschließlich Rente und elementarer
Bildung (weltweit) ebenso wie Fragen des Staatshaushaltes" (a. a. O.
S.29,30),
wie sie E. offenbar zeitlich unbegrenzt geregelt
sehen will, halte ich für ein maßlos überzogenes
Grundrechteangebot; insbesondere wenn gleichzeitig ein Elternrecht auf freie
Entscheidung über ihre Kinderzahl (unabhängig davon, wie diese Freiwilligkeit
auch praktisch aussähe und sich auswirke!) als ranggleiches Menschenrecht
zementiert wird. Die so viel versprechen, brauchen es ja nicht zu erfüllen,
dies ist das Glänzende an der "Nachhaltigkeit"! Im biotelen System würden solche
Grundversorgung einschließlich Rente wahrscheinlich an die Durchführung
einer restriktiven Geburtenregelung geknüpft und andere, auch private Hilfe,
unterbunden, um Nachdruck auszuüben. Die Liberalen aber bewirken, daß die
"Südländer"-Bevölkerung sich auf ein Menschheitsrecht berufen kann
für Notlagen, die sie sich selbst zufügen, wenn dies auch aus Unwissen und
Unbildung (oder religiösen Gründen) erfolgen sollte. Zugestanden
wird, daß erneuerbare Ressourcen - wie etwa Energie (z. B.
Sonnenkollektoren) - auch auf gewisse nicht erneuerbare
erschöpfbare Materialien angewiesen sind (a. a. O. S.32,33), was mit E.
doch ebenfalls eher für eine globale contemporale
Bevölkerungsbegrenzung spricht.
Aber darüber spricht man ja gerade nicht. ..Vernunft
meint unsere Befähigung, Fragen mit Gründen zu entscheiden". (a. a.
O.S.33) Nur
sollte man zur Kontrolle ein VERGLEICHEN zulassen.
Und dabei hat E ja gerade sogar gegen die Diskursethiker (Jürgen
Habermas, Karl-Otto-Apel, Konrad Ott, Robert Alexy u.a.) kritisch
Position bezogen.
[Auch] "sie fassen die normative Vernunft nicht länger als etwas Substanzhaftes auf. sondern begreifen sie eben schlicht und abschließend als Befähigung, Wertungsfragen mit Gründen zu entscheiden.... den begründeten Konsens suchen".. (a. a. O. S.57) "Allein auch hier bleibt vieles unklar... Erstens... Das Petitum [die Forderung] einer universalen Theorie der Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit... Zweitens liefern die Diskursethiker bisher eher Bruchstücke... Drittens verwenden sämtliche diskursethischen Autoren... zweifelhafte Hintergrundannahmen (jede Behauptung enthalte notwendig Richtigkeitsansprüche; Notwendigkeit der Konsenssuche als Eigenschaft der Sprache; >Diskurspflicht< und Pflicht zur Rationalität, womit die Vernunft und nicht der Mensch plötzlich unser Ziel wird), die fraglich sind." Viertens konzentrierten sich Diskursethiker auf Diskurs- und nicht auf Handlungsregeln. (a. a. O. S.58,59) "Fünftens unterschätzen die Diskursethiker .., daß sich rational ein abschließendes Konzept einer gerechten Grundordnung ableiten läßt, welches keiner Auffüllung mit weiteren Prinzipien - die dann womöglich die Freiheit relativieren oder gar aufheben - zugänglich ist." (a. a. O. S.59)
Felix Ekardt's Stein des Weisen! Eine Demokratie, die den
Schwächsten zum Monarchen erhebt. Wer auch Kant vorwirft, der
"neminem-laedere-Formel" (niemanden verletzen!) in der Ethik
anzuhängen, weil dabei vergessen werde, daß dies gar nicht möglich sei, da jede
Freiheitsausübung irgendwie die Freiheit anderer einenge, und sei es später
einmal und anderswo (a. a. O. S.133), der müßte doch eine politische Maßnahme
zur ethischen erklären, welche die Zahl der gleichzeitig auf der Erde lebenden
Menschen drastisch auf eine umweltfreundliche Art reduziert. Wohin ich trete,
zertrete ich Leben, das nach Albert Schweitzer heilig ist; ich dürfte keinen
Schritt mehr tun! (Selbst auf schwarzem Asphalt laufen die Mistkäfer! Ich muß
ihnen täglich ausweichen). Fordern wir also ein Artengleichgewicht: weniger
kontemporäre Menschen, was hochwahrscheinlich in Zukunft einer um ein
Vielfaches größeren Anzahl von Menschen ein um vieles menschenwürdiges
Leben in einer reichhaltigen Natur ermöglichen würde. Schon die Tatsache, daß
die Anzahl gleichzeitig lebender Menschen, die Konkurrenz, deren und
später lebender Menschen Freiheit wesentlich bestimmt, wird übergangen. Der
Autor sieht auch nicht die nahe Koppelung zwischen Freiheit und Macht und die
dämonische Seite beider, die ja eben aus der Konkurrenz erwächst und aus der
Art wie sie wahrgenommen und wahrgemacht wird. Vom Wettbewerb als eine
unerläßliche Voraussetzung unseres Wohlstandes war die Rede; aber Drosselung
des Wettbewerbs leuchtet oft als Quelle von Freiheit noch stärker ein (Vgl. a.
a. O. S.224,225). Trennung, Abgrenzung kann ebenso wichtig werden wie
AUSTAUSCH. Das lebendigste Beispiel ist die Artenbildung und sind etwa die besonderen
Beuteltierpopulationen Australiens. Daß Entscheidung notwendig ist, kam noch
an; aber ob deutlich genug erfaßt wird, daß Entscheidung AUSLESE bedeutet und
Ausschluß? Und alle diese Aspekte sollen nur so nebenbei unter
"Freiheitsvoraussetzungen" abgelegt werden; wer hat denn dann bei der
Handhabung des Begriffes AUTONOME noch den Durchblick? Der nachfolgende
Satz beleuchtet nochmals schlaglichtartig die Weltfremdheit einer
Freiheitsmonomanie:
"Es fehlt auch die im >Kampf der Kulturen< wohl entscheidende Weichenstellung, ob die menschliche Vernunft gerade das autonome Individuum zum Maßstab macht."
Aber doch nicht zum alleinigen! Um Himmels willen! Und um der
Grünerhaltung unseres Planeten willen! Den Clash der Kulturen sollten wir
beenden (aber nicht mit Bomben, ehe wir nicht vorher den abendländischen Geist
saniert haben, unseren eigenen Ungeist niedergerungen haben) solange wir in
einer global erweiterten Mehrheitsdemokratie überhaupt noch etwas zu sagen
haben: sonst ist es rasch auch mit der individualistischen Freiheit zu Ende und
mit dem individualistischen Freiheits-Radikalismus eines Felix Ekardt schon
sowieso, selbst wenn er sogar geistig "unhintergehbar" sein
sollte. Nachhaltigkeit verlangt das Eingeständnis unserer Abhängigkeit von
der Natur - von Gott, wie andere sagen. Demut wäre sonst keine Tugend
mehr. Wie würde ich mich erbärmlich fühlen, wenn ich einem anderen Geschöpf,
etwa einem Tier begegnete, als sei es zu meiner Erbauung da und nicht
Selbstzweck! Eine derartige Überbetonung der Freiheit führt zur Vergöttlichung
des Menschen, zur Abgötterei.
Es liegt E. besonders daran, den Unterschied zwischen Tatsachen und
Wertungen/Normen hervorzuheben. (a. a. O. S.33-39) Die vier Grundansätze werden
mit
"(a) kontextualistisch, (b) metaphysisch, (c) liberal und (d)
skeptizistisch",
bei Überschneidungen, angenommen (a. a. O.
S.39,40).
"Herkommen und tatsächlich gelebte Kulturtraditionen und
Institutionen"
kennzeichnen (a), (b) Stützung
"auf
jenseitige Institutionen wie Gott oder ewige Ideen",
(c) beruft
sich
"auf normative Vernunft.., die gut und womöglich universal
begründet.. liberal... ist",
(d) lehnt jede Begründbarkeit ab und wird, soweit Normen nur als subjektiv
konstruiert angesehen werden, als "postmodern" bezeichnet; der
"positivistische" Standpunkt verzichtet lediglich auf eine
Begründung, der "nihilistische" lehnt alle Normen ab. E.
hat sich klar für (c) und Liberalität entschieden und faßt dabei
Steuerungsfragen nicht unter die normativen. (a. a. O. S.40) Auch letztere
Unterscheidung läßt sich von Kant herleiten, der zwischen dem moralischen
Gesetz (für AUTONOMIE) als dem einzigen der praktischen Vernunft
und den Regeln (wie etwa die Naturgesetze) unterschied.
"Denn es ist eben keine Faktenfrage (re), was man z. B.
unter Freiheit zu verstehen hat - und da das gesamte Recht stets im Lichte der
Verfassung auszulegen ist, ist die Interpretation aller Gesetze stets normativ..
Die Rechtsfindung durch Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung ist also
ein Sonderfall der allgemeinen Gerechtigkeits- und Moraldiskussion." (a.
a. O. S.43)
Aber die Ergebnisse müssen sich doch an den Fakten messen
lassen! Weshalb die Gerechtigkeitsverwirklichung praktikabel gestaltet werden
muss.
"Junge und künftige Menschen haben in ihrem (gesamten) Leben ja
Vernunft. Wenn aber die Vernunft inhaltlich nicht näher bestimmt ist, können
auch sie die Gerechtigkeit nur im Diskurs suchen. Darum werden auch künftige
Menschen sicher zu achten und unparteiisch zu behandeln sein..." (a. a. O.
S.93) ".
.Auch Leben, Gesundheit, Existenzminimum erweisen sich .für E. .. als Aspekte
von Freiheit... >Abwesenheit von Zwang<". (a. a. O. S.113)
Biotelie strebt mit dem Aspekt HYPARCHIE, d. h. Minimierung von Gewalt, Zwang
und Bedrohung, bescheidener und ehrlicher eine ständige Bemühung zu fairerem
Umgang in allen Bereichen an.
Nationale Souveränität ist für E. kein Argument mehr gegenüber
„...gewaltsame[r] universale[r] Durchsetzung der Menschenrechte " Doch ist
der Erfolg von Militärschlägen gegen den Terrorismus fraglich. (a. a. O. S.163)
Es gibt wenig Kommentar zum Irakkrieg. Dagegen bieten die
radikalen Konstruktivisten mit ihrer unsinnigen Lehre, daß die Welt sich nur in
unseren Köpfen abspiele, breite Angriffsfläche zur Polemik; aber gar so weit
ist doch, weil ebenso irreal, die "universale Freiheitslehre"
E.'s ist von denen nicht entfernt; beide können aus einem Mißverständnis
der Philosophie Kants abgeleitet werden.
"Zuletzt kann sich auch ein religiöser Fundamentalist der universalen
liberalen Gerechtigkeit nicht widersetzen. Rein faktisch wird zwar ein
gewalttätiger Islamist sich weigern, die Richtigkeit liberaler Ideen
einzusehen. Doch auch der Islamist, der in seinem Leben wenigstens vereinzelt
mit Gründen streitet (man lese dazu die Internetseiten einschlägiger
Organisationen!), ist normativ-logisch an die Implikationen der Kategorie>
Grund< gebunden. Und diese Implikationen kann er nicht durch eine
dogmatische Verweisung auf Gottes Wort, dessen Geltung doch eben von der
Existenz Gottes abhängt, außer Kraft setzen. Religion ist also mitnichten
>genausosicher< wie der liberale Univeralismus." (a. a. O. S.80)
Für den Muslim ist die Existenz Allahs aber eine Tatsache,
die einzige und entscheidende Tatsache und der wichtigste Grund
überhaupt! Ein Religionswissenschaftler müßte dies wissen.
Und nun muss ich mich gleich wieder als Ketzer betätigen (aber nicht gegen E.):
Tatsächlich scheint für den Menschen Achtung durch die anderen und Ehre sehr wichtig
zu sein, ja von zentraler Wichtigkeit.
Als um Demut bemühter und gerade auch um
die letzten Dinge nicht-wissender Agnostiker besteht für mich die Möglichkeit,
ja höhere Wahrscheinlichkeit, dass die biblische Aussage: Lutherbibel
1912
„Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und
schuf sie einen Mann und ein Weib…“ (1. Mose 1: 27)
sehr wohl auch
dergestalt umkehrbar sein könnte, dass der Mensch sich als Ebenbild Gottes
auffasste. Zumal die Bibel ja auch sagt:
„Du sollst dir kein Bildnis machen, keinerlei Gleichnis,
weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, noch des, das im
Wasser unter der Erde ist…“ (5.Mose 5.Kap .27,15 Lutherbibel 1912), was ja auch im Islam
eine große Rolle spielt.
Und nun stellen beide Religionen die Ehre und die Verehrung Gottes in den
Mittelpunkt. Wer davon abrückt, gefährdet sogar sein Leben, wie die
Karikaturisten von Charlie Hebdo beim Mordanschlag in Paris jüngst. Hier wird
die Rolle der Würde ins Unübersteigbare gesteigert und die AUTONOMIE Gottes
kann doch mit seiner Allmacht, der höchsten Steigerung von Macht, übersetzt
werden. Auf das biotele Zielsystem bezogen verschmelzen im Gottesbegriff
AUTONOMIE, SPONTANEITÄT und AKTIVITÄT. (Ich persönlich habe Schwierigkeiten mit
dieser Gottesvorstellung, aber eben auch mit jeder Übersteigerung der
Autonomie.) Verabsolutierte Autonomie und Totalitarismus liegen nahe zusammen.
Der Herbst mit Nebel, Regen, Trübsal hält mich kühl
umfangen;
ich stapfe durch das erste frische Laub,
mich mit den Stöcken mühsam ab vom Boden stoßend;
von hoher Eiche trifft die Frucht mich hart auf meiner Schulter;
es gilt wohl langsam Abschied nehmen
von den langen späten Träumen,
der Durchblick kommt zu spät,
erst unter kahlen Bäumen:
Das Kleinkind ward aus Mutterlieb' gewarnt
vor einer Hexe,
die den Vater nahm;
was helfen sollte, wurde Fluch
für mich und alle, die mir wohl gesonnen;
so ist es also nun gekommen,
daß ich zur Einsamkeit der Jugendzeit zurückgekehrt.
Das Buch,
für eine Abkehr vom Zerstören,
nach langem Plan
ist es verfaßt:
es will doch keiner hören,
niemand prüfen, die Menschheit taub;
wer wird die Botschaft weitertragen?
und komm' ich auch ins Wanken,
weil Leid und Schwäche mich verzehren;
so möchte ich noch allen danken,
und alle um Verzeihung bitten,
die meinetwegen mit vergiftet waren:
es gibt ja leider ein Zuspät.
Ich seh' nun schon seit vielen Jahren;
den Westen im Konsum verdorben;
von Gleichgültigkeit gelähmt,
von Mitleid hart gedrängt,
dabei an die da draußen hungernden Millionen
zur Selbstbeschwichtigung, selbst hilflos, Spenden
mit vollen Händen
auszuteilen,
wie Christus einst am See Genezareth,
allein es fehlt die Kraft im Glauben.
Auf Dauer kann das Füllhorn doch nicht taugen,
die Menschenflut strömt ein
gemäß der Großspur der Statuten
und es vermehren
sich der Haß, das Ausgrenzen ,Vernichten
und Zerstören,
der andre Gott, er ruft zum Kampf, zum Schlachten,
denn alle Zeichen stehen auf Gericht;
doch die Verblendeten, gerade auch die Christen,
sie sehen' s nicht,
das Schwert, das über ihren Köpfen hängt,
und das kennt kein Verschonen!
Man kann nur noch vermuten,
daß auf der ruinierten, abgebrannten Erde
die Menschen, die vielleicht
noch überleben,
dem rettenden Gesetze
der Natur und der Vernunft
in Übereinkunft
sich dann übergeben
und in den gewonnenen Millionen-
Jahren durch Verschonen;
unter Warten,
die Erde neu ergrünt mit Fülle neuer Arten.
Der neue Gott, der nicht auf Verehrung drängt,
in vorgeschriebenen Gestalten, Riten;
er läßt sich womöglich nicht erst bitten
um seine Gnade,
ist ein Gott der Wahrheit,
der auch die Wissenschaft erträgt;
verlangt nicht Aufopferung in Liebe,
fordert nicht den Haß,
und läßt doch zu, daß
Menschen in ihren Illusionen
weiterhin mit Freiheit wählen,
sich einen Himmel bauen
und sich mit einer Hölle quälen.
In Sturmesheulen
durchgeschüttelt
auf schräger Plattform
hab' ich ausgeharrt,
auf Unverständnis
bin ich schroff
gestoßen,
nicht hab' ich andre aufgerüttelt;
von Wahrheit will doch heute
keiner wissen;
die Leute
geben vor, daß sie sie haben
oder suchen,
ihr Leitstern,
was auf eig' nem Konto zu verbuchen,
das nur kann überzeugen,
und mich wird niemand mehr vermissen
Es ist da unten doch kein Öl zu haben,
nichts Kostbares ist zu vernichten,
auszubeuten;
und wer es wagt
gar allzutief zu bohren,
und hofft dabei auf Glück,
das sich erfüllt;
es wird ihm doch versagt
verbohrt bleibt er zurück,
einsam, verloren
in Gischt und Nebel eingehüllt.
Und mitten in der Fluten Toben
der Möwen Kreischen,
die sich Fische holen:
Ihr letzten Lebensboten,
Seelen,
seid mir gegrüßt,
mir selbst verging der Appetit
um mich zu laben;
speiübel ist mir jetzt,
kein fester Tritt
ist hier zu haben,
will nicht mit euch feilschen,
kann verzichten,
hab' ich mein Fehlen
denn nicht abgebüßt?
Hab' ich denn so verletzt?
Die Insel ist zwar fest, gerüstet
solang' die Trosse halten
und doch scheint sie hinwegzutreiben,
alles fließt, zerrinnt,
spielt es noch Rolle, wer gewinnt?
nicht einmal Narren
gelüstet
es, hier auszuharren,
länger mag ich nicht mehr bleiben;
was soll ich machen?
Ich springe in den nächsten Nachen!*
*ohne Hilfe beim Verwalten,
kann ich die Stellung nicht mehr
Wie er sich reckt und streckt,
seine Grimassen schneidet,
und wie er seine Glieder verrenkt:
ihr freut euch wie die Kinder;
weil ihr nicht auf die Pfoten seht,
wo rohes Fleisch herunter hängt,
dieweil das raue Rad sich dreht,
während doch keiner daran denkt,
was diese arme Kreatur erleidet.
Viel später kommt ihr erst dahinter,
zu spät fällt euch des Rätsels Lösung ein:
Affe auf dem Schleifstein!
Gesund werd´ ich wohl nimmer
das Geflimmer vor Augen,
Gewimmer im Ohr
vor
so vielem was mir mißriet;
Lied, auch du willst mir nicht von trockner Lippe:
Tritte
und Schläge, damit ich büße,
hätt´ ich verdient,
ungesühnt
aber lasse ich Schandtaten zurück
und unerwiderte Küsse.
Glocke, Du solltest doch klingen,
singen
von Eintracht und Frieden;
nun aber liegen
deine Ränder
mir klemmend auf der Brust
wie Bänder
mit Krallen,
schuldbewußt
von Nacht und Ohmacht befallen:
wie ließ ich doch die Welt von Liebe leer;
sich selbst verzeih‘n, das ist so schwer.
Ach daß,
was ich an Kraft
— auch durch dein zurückgezogen' Geständnis;
nachtscheues Zeichen —
erfahren durfte,
wieder und weiter fruchtbar würde,
zuletzt
die Hürde
noch zu nehmen,
das Ziel, das mir gesetzt ist,
zu erreichen.
Nicht hab' ich andre aufgerüttelt;
von Wahrheit will doch heute
keiner wissen;
die Leute
geben vor, daß sie sie haben
oder suchen,
ihr Leitstern,
was auf eig' nem Konto zu verbuchen,
das nur kann überzeugen,
und mich wird niemand mehr vermissen
Selbst wenn ich Erfolg hätte und vielen weiterhelfen könnte, so wünsche ich mir keinerlei Denkmal; denn ich war nur Mittler und zu schwere Fehler habe ich begangen.
Zurück zur Sache, zu Felix Ekardt:
"Gleiches gilt auch für eine pathozentrische
Ethik, die die Leidensfähigkeit als unhintergehbare Basis normativer Theorien
behauptet. Denn die Leidensfähigkeit ist anders als Vernunft und Würde eben
gerade keine logisch zwingende Voraussetzung menschlicher Argumentation!"
(a. a. O. S.80)
Gefühle sind zwar keine rationale Argumente,
sie entscheiden aber dominierend in Alltag und Politik. Wer aber Mitleid mit
der lebendigen Natur hat, ist mir sympathischer als derjenige, der sie
niedertrampelt. Ja, der liberale Standpunkt ist "todsicher"; er ist
nämlich sofort erledigt, wenn jemand mit dem Messer kommt. Solange sich unser Neu-Liberaler
nicht für die Herabsetzung der Menschenzahl auf der Erde einsetzt - was er gar
nicht will und auch nicht kann, weil er doch jedem maximale Entscheidungsfreiheit
zusichert - dann wächst die Konkurrenz um noch lebenstragendes Land rasch ins
Bedrohliche, und es bleiben diejenigen oben, die einer militant-aggressiven
Kulturtradition folgen, nämlich die Muslime. Solche westlichen Theoretiker
kommen ihnen sehr gelegen, da sie als Ausfluß der List Allahs gedeutet werden,
seinen Gläubigen den Weg zu ebenen. Als Religionswissenschaftler müßte dies
alles E. sehr wohl wissen, so daß ich den Verdacht nicht völlig loswerden, das
das Ganze gar nicht ernst gemeint sein kann. (Aber mit den linken Grünen geht
es mir ja oft ebenso; der Zeitgeist scheint übergeschnappt zu sein.)
"Gerade Kontextualisten, etwa Muslime oder
traditionsbewußte Ostasiaten, werden meine gesamte Freiheitskonzeption, die ja
universal für die gesamte globalisierte Welt und ergo auch für sehr
>nicht-westliche< Gesellschaften gelten soll, trotz alledem
zurückweisen." (a. a. O. S.150)
Und was soll dann diese Konzeption überhaupt noch? Taten, und Erfolge
zählen doch mehr als Reden und Niederlagen! Und bei all diesen Wirren
zwischen den Menschen geht es mit der Natur, geht es mit unseren
Lebensgrundlagen rapid bergab; da ja E. einem Kollektiv zuzurechnen ist, das
sich bewußt von der Masse Mensch abhebt, liegt die Erwartung nahe, daß vor der
Erfüllung der apokalyptischen Untergangsszenarien auf einem überfüllten Globus,
eben diese Schicht in Geheimbündelei, um ihr Leben - natürlich mit E. im Namen
der AUTONOMIE der Menschheit als die aller (überlebenden mit Freiheit
geimpfter) Menschen - zu retten eine Menschenmassenvernichtung veranstaltet,
wie es Carl Amery in "Das Wunder der Krypta", List-Verlag,
München/Leipzig sich romanhaft so gelungen – sich allerdings einer bewußt
verbreiten Seuche bedienend – ausgedacht hat. Auch unsere
Philosophen/Soziologen werden sich selbstredend zu den Ausgebeuteten zählen!,
womit sich das Übel, es als solches nicht zu erkennen, fortpflanzen könnte.
"Gründe" (vgl. a. a. O. S.41) werden die Philosophen/Soziologen in
ihrem Diskurs unter sich immer rasch parat haben. Der schlagendste "Grund"
aber bleibt (entgegen a. a. O. S.43) das Faktum
(re) des atmenden (usw.) Lebewesens in Einheit von Substanz und
Funktion (in dynamischer Stabilität), also das Sein, nicht das Sollen.
Und darum ein Prost auf die (ernsthaft betriebenen) Naturwissenschaften!
Von Kant abgeleitet ist die Übernahme der Konzentration der Moral auf
AUTONOMIE, seit Max Schelers "Materiale Wertethik" ein auch ein
erweiterungsfähiger Standpunkt. Aber ein weiterer "Trick" liegt im
vorliegenden Systemversuch versteckt, und gar nicht allzu tief: Die
Rechtsordnung soll zwar Moral berücksichtigen, ist aber in erster Linie ein
Kernstück der Politik und dessen, was E. kleingedruckt unter "Steuerung,
Steuerungsinstrumente und -verfahren" nur oberflächlich streift, weil ja
dort die Berührung mit der Wirklichkeit stattfindet. Je weniger letztere von
der Politik berücksichtigt wird, desto mehr entfernt sich Verfassungstheorie
auch von praktizierter und gelebter Ethik. Sicherlich gibt es einen Unterschied
zwischen dem, was sachlich richtig und dem, was gerecht ist; aber nur indem
Politik in großem Umfange sachlich richtige Entscheidungen trifft und als Lebens-und
Seinsordnung und innerhalb derselben wirklich durchsetzt, dient sie auch der
Gerechtigkeit.
"VII. Gut leben
statt viel haben - Nachhaltigkeit schafft mehr Lebensqualität - und eine neue
Vision von Arbeit und Bildung" (a. a. O. S.231)
Ein Hohn gegenüber dem Hunger in der
Welt! Umgekehrt wird ein Schuh d' raus: Mehr (echte) Lebensqualität schafft Nachhaltigkeit. Ein Studium der
Geisteswissenschaften soll am besten (durch Selbsterzeugung von Pfründen, wie
ich meine) vor Arbeitslosigkeit schützen! Man schaue sich in durchschnittlichen
multikulturellen deutschen Schulen (Grund- und Oberschulen, den früher so
effektiven Volksschulen) um und suche Bildung! Aber selbst die
Naturwissenschaften sind längst weithin korrumpiert und cliquenkonform.
So kann der Aufbruch nicht gelingen!
"B. Wann sind Gesellschaften gerecht? Eine universalistische Neubestimmung
... Gibt es ein rationales, für alle Kulturen
zwingendes (universalistisches) Gerechtigkeitsideal, welches von eigennützigen
Präferenzen, Kulturtraditionen und religiösen Gedanken unabhängig ist - können
wir ein solches Ideal zwingend begründen und damit alle anderen Gerechtigkeits-
und Moralideen verwerfen, mögen sie auch faktisch noch so verbreitet sein und
mögen die Kulturen und Ansichten auf dieser Welt faktisch noch so verschieden
sein (und mögen unsere Gene oder unsere materiell-eigennützigen Interessen auch
noch so sehr zu einem bestimmten Verhalten drängen) Ja, wir können ein solches
Ideal begründen.." (a. a. O. S.44)
Das nenne ich mir echte aufrechte kantianische Gesinnung!
Nur, muß man AUTONOMIE, Freiheit bloß als Norm betrachten? Man kann sie doch
auch als Tatsache bewerten, könnte man dies nicht, so wüßte ich nicht, wie ich
einen Fortschritt in Sachen Freiheit beurteilen sollte. Ich sehe Freiheit und
Selbstgesetzgebung in verschiedenen Graden tatsächlich realisiert und
tatsächlich unterdrückt; wobei sie auch in Substanz geronnen sein kann. Deshalb
doch die Kaufhaus-Brandstiftungen der Bader-Meinhof-Bande (aus der Roten Armee
Fraktion, RAF), so kriminell und absurd sie auch waren. Kaufhäuser als Symbole
der Macht des Kapitalismus. Der Einfluß der Industriereklame wurde als
Vergewaltigung der Willensfreiheit an den Pranger gestellt! (Und wo stehen die
Krakeler von gestern heute?)
AUTONOMIE tritt mir in tausenderlei Gestalt entgegen, in Gebäuden, Apparaten,
ja in Orchesterklängen. Sie ist über jede Norm, über jede Rechtsforderung
hinaus, erlebbare Tatsache.
Und dynamische Stabilität (Nachhaltigkeit in diesem Sinne) erlebe ich ebenfalls
millionenfach um mich und vielmals in mir verkörpert als Tatsache. Und wenn ich
den Wunsch auf Weiterleben in mir verspüren sollte (ich bin mir darüber noch
nicht klar geworden), so wäre es doch ein Wunsch, der Tatsächlichkeit ansteuern
würde, nicht ein Sollen oder eine Norm. Und nun erlebe ich die Herrlichkeit der
Natur und ich möchte sie so gerne erhalten wissen, oder doch nicht zulassen,
daß Unvernunft und Unbeherrschtheit sie vorzeitig vernichten. Und da ich meine
Kultur liebe, so habe ich dafür Verständnis, daß andere ihre Kultur ebenfalls
lieben und hochschätzen. Sie ist für mich in erster Linie kein Sollen, sondern
erlebtes Sein. Und wenn eine biotele Gutachteninstanz nun tätig werden soll, so
wird sie doch aus Fachleuten mit Tatsachenwissen berufen (so es mit rechten
Dingen zugeht) und die vergleichen nun Tatsachen und Sachzusammenhänge und erst
jetzt kommt die Zielsetzung hinzu, wie kann dies Substanzielle in Funktion
gehalten, oder durch welche Substanz(en) oder andere Funktionen kann diese oder
jene wichtige und wünschenswerte Funktion aufrechterhalten werden? Und dabei
vermischen sich doch die Grundansätze (a) bis (c), ja werden sogar bis zu (d)
hin bedeutungslos oder zumindest bedeutungsarm. Denn es wird doch nicht nach
Motivationen und Weltanschauungen gefragt, sondern nach Tatsachen, Sach- und
Funktionszusammenhängen; und das Sollen hängt der Aufgabe der Beurteilung nur
insoweit an, daß an einem Bestandserhalt, aller berührten Einheiten bis hin
zum Ganzen (universalistisch/global), gedacht werden soll und dabei
taucht nun das Element auf, daß eine Freiheit (nicht nur für moralisch-ethische
Entscheidung, sondern auch Spielräume für eine natürliche und/oder
organische Entwicklung) zur Verbesserung in den verschiedensten
Qualitäten, objektiv und/oder subjektiv in Anpassung an mehr oder weniger
wahrscheinlich in dieser oder jener Richtung eingetretenen Veränderungen,
möglich machen oder doch zumindest nicht verhindert werden sollen. SPONTANEITÄT
trägt unsere Freiheit, steht der Freiheit aber auch oft entgegen: die
Spannung muß ausgehalten und ausgefochten werden.
Die Erheblichkeit "kultureller
Grundwerte" könnte auch Gegenstand der Begutachtung sein,
jedoch ohne das Vorurteil E.' s , daß sie keine Probleme zu lösen imstande
sind. (a. a. O. S.45) Auch die anderen Kulturen wollen doch ernst genommen
werden; und sie verdienen das auch. Auch hierzu die Ausnahme oder
"zahmen" Zugeständnisse E.' s an Kulturen, die von ihm nicht als
umfassend und Leben tragend voll genommen werden: Es liegt dem offensichtlich
eine irrige oder fehlende Vorstellung über die Kulturentwicklung zugrunde. Und
wenn die Entwicklung der Ethik als noch nicht abgeschlossen beurteilt wird -
deshalb ja Diskursethik - , so ist es die der Kultur noch lange nicht; ist eine
solche Entwicklung ohne partielle Abschottungen (Grenzen) von Konkurrenz, wobei
letztere ja auch Störung und Zerstörung bedeuten kann, aber überhaupt
möglich? Für die biologischen Grundlagen der Menschheitsentwicklung wird die
analoge Frage von Seiten der Fachleute verneint, und mit ihr auch wäre ja auch
eine Menschheitskultur mangels Menschen hinfällig, mangels Substrat. Aber
derartigen Problemen stellt sich E. ja nicht. Er plädiert eben einfach mal für
grenzenlose Offenheit. (Ausgenommen das Beispiel vorübergehender
Schutzzöllen für Entwicklungsländer:)
"Man kann nicht sagen, daß ein liberaler Universalismus hier fremden
Kulturen minutiöse >kulturimperialistische< Vorgaben machen würde.. Wenn
z. B. taiwanesische Frauen gern >dem Mann untertan< sein möchten,
verbietet ihnen das eine liberale Ordnung nicht - es wird nur dem Mann die
Befugnis genommen, seine Frau gegen ihren Willen an einer Erwerbsarbeit zu
hindern..." (a. a. O. S.71)
So kann man die
Macht der Umgebung und Konvention auch ausblenden.
"Tatsachen.. gestehe ... ich ... zwar keinen begründenden Status zu. Doch
Tatsachen bleiben ja für die Normsubsumtion relevant.(a. a. O. S.76,77)
Beispiel: Je nach Wasserreichtum eines Landes (Tatsache!) könnte die Norm
>der Staat soll das Existenzminimum der Bürger sichern< in einem Land den
Bau von Bewässerungsanlagen erfordern, in einem anderen Land dagegen
nicht.." (a. a. O. S.77)
Wenn es also um die Erhaltung eines Bürgers gilt, so muß ihm
erst eine Norm - nämlich die Norm; Menschenleben zu erhalten -
subsumiert werden, dann hat E. seinen Frieden. Wer ist nun dabei das Ziel: der
Mensch oder die Norm?
"Die Natur und der Mensch haben kein durch irgendeine nachvollziehbare
Methode ermittelbares >Wesen< z
; sie haben allenfalls eine Eignung für etwas, aus der aber normativ nichts
folgt." (a. a. O. S.84) "Daß es Menschen gibt, begründet eben durchaus
nicht, daß es Menschen geben soll." (a. a. O. S.85)
Nach der "universalen Freiheitsidee" werden
Menschen mit Überzeugungen aus den Kategorien außerhalb (c), also
Nicht-Liberale im engeren von E. definierten Sinne, als
"Gegner" ausgegliedert.
Anders aus bioteler Sicht: Mit der
kontrollierenden Begutachtung möglichst bald auch aktueller Probleme müßte
sogleich begonnen werden. Dies ist ein ethischer Impetus, eine Forderung, die
bisher alle Wissenschaftskollegen so gestört hat! Es müßte ja etwas getan werden!
Und das auch noch ohne Bezahlung!
So funktioniert eben heute Wissenschaft nicht mehr. Ich hoffe, die Lehre daraus
noch ziehen zu können und nicht derjenige zu sein, der "zum Mars
joggen", d. h. eine Unmöglichkeit zur Norm erheben will. (a. a. O. S.72)
Die "Zeitgebundenheit", der Lehre E.‘ s., die er selbst den
Kontextualisten vorwirft (a. a. O. S.49), ist doch auch bei ihm
spürbar; nur sind die biographischen Angaben (Alter 33 Jahre wäre noch
nachzutragen) spärlich und man ist zur mutmaßlichen Zuordnung auf einige seiner
Anmerkungen und die Physiognomie auf dem Photo angewiesen. Trägt E.
Verantwortung für eigene Kinder? Unverkennbar scheint mir der Zusammenhang und
die Kontinuität zur sog. Frankfurter Soziologenschule um Max Horkheimer, die
sich anmaßte, eine politische (sprich: parteiische) Einstellung in die
Wissenschaft tragen zu dürfen. Aus solcher Haltung heraus, kann der Autor
konservative Stimmen und Beiträge von vornherein aus seiner Erkenntnissphäre
ausscheiden. Eine gewichtige Vorhaltung liegt dabei in der Subjektivität und
nur sehr indirekten Zugänglichkeit des Freiheitsbegriffes für die
objektivierende Beurteilung, die doch allein unparteiische Entscheidungen
auf unparteiische Art und Weise tragen kann. Diktatoren sind immer die anderen!
Vor allem wenn sie weiter denken, als von der neu definierten Vernunft erlaubt.
(Es wurde überhaupt schrecklich viel "neu definiert" und dabei
deformiert seit der 68er Freiheitsbewegung; das Duisburger Institut für Sprach-
und Sozialfoschung DISS wacht über die Denkzulässigkeiten in der deutschen Sprache
mittels Begriffskontrolle! Trotzdem der Augenschein für eine
cliquengezielte Weltherrschaft des beinahe zwei Jahrtausende geknechteten und
unterdrückten Judentums spricht - auch wenn die sog. Briefe des Weisen aus Zion
Fälschungen waren -, mutmaße und befürchte ich eine auch unbeabsichtigte
Fehlentwicklung des aus der früheren Notlage heraus hervorragend intelligenten
jüdischen Denkens eben durch systematische Bekämpfung und Beseitigung jeglicher
Kritik und Konkurrenz in vielen Bereichen, sozusagen durch "geistige
Inzucht", und mahne eine Verhaltenskorrektur an. Die auch hier immer
wieder beschworene "Unparteilichkeit" als Voraussetzung von Freiheit
stellt sich nämlich nicht allein her, sondern muß hart erarbeitet werden. Von
Unparteilichkeit derzeit auszugehen ist unehrlich; Unehrlichkeit aber trägt
keine dauerhafte wissenschaftliche Erkenntnis. Ich möchte mich hiermit nur
wieder von jeglicher Clique
distanzieren und hoffe auf Verständnis bei der Elite, die allein den Karren
noch aus dem Dreck ziehen könnte.
"Unberechtigt wäre auch ein weiterer denkbarer Vorwurf: daß eine diskursrationale Gerechtigkeit auf dem Weg zur Nachhaltigkeit eine Vernunftdiktatur erzeuge, indem sie sich statt an eine Mehrheit an abstrakte Kriterien wie allgemeine Zustimmungsfähigkeit, Autonomie und Freiheit binde." (a. a. O. S.74)
Ein doch erstaunlich analoges
Vorgehen und Bewerten des Wahrheitsgehaltes und der Zweckmäßigkeit von
Mehrheitsentscheidungen im Vergleich zum biotelen System, das allerdings nach
Anwendung der allgemein zustimmungsfähigen Kriterien durch eine Bildungs- und
Ausbildungselite das Ergebnis ihrer Beurteilung der Betroffenenmehrheit
ausliefert, eine Kombination, die ja erst die Diktatur ausschließt. Der
zurückgewiesene Vorwurf ist doch bei E nicht
entkräftet.
"Schon durch die vorliegend vollzogene strikte Trennung zwischen Begründbarkeit einerseits und faktischen inneren Motiven und Durchsetzbarkeit andererseits sowie zwischen Gerechtigkeit und dem guten Leben (die ich freilich bisher nur andeutete und im Freiheitskapitel vertiefen muß, da sie aus der Freiheitsidee folgt) kann dieser typische Skeptikervorwurf gegenüber Rationalisten, der vielleicht Kant noch z., T. berechtigt getroffen hätte, zurückgewiesen werden. Denn erstens bleibt es (darin widerspreche ich Kant und Habermas) den Bürgern unbenommen, den normativ rationalen Gerechtigkeitsprinzipien (denen sie normativ rational gehorchen müssen, weil jeder Mensch als Mensch an sie gebunden ist) aus anderen Motiven zu folgen..." (a. a. O. S.74)
Kant hat aber ganz folgerichtig
gesehen, daß Ethik eben auf Gesinnung abstellt und allein damit auch auf
echte AUTONOMIE, Freiheit von anderen Beweggründen, weil alle anderen
Motive Abhängigkeiten begründen. Kant kannte auch noch den Unterschied von
Ethik und Politik und war sich im Klaren, daß bei letzterer der Erfolg
entscheidet und nicht die Gesinnung. Kants Stärke und Schwäche zugleich
war, daß die apriori praktische Vernunft, der Grund menschlicher Autonomie und
Freiheit von allen anderen Beweggründen, wie insbesondere Gefühlen,
freigehalten werden soll. Was auf Ethik und Selbstgesetzgebung noch zutreffen
kann, ist aber als Fremdgesetzgebung, d. h. als Gesetzgebung, die andere als
mich selbst verpflichtet, nun völlig untragbar. Andererseits liegt hier eine
gewisse Verwandtschaft im Ansatz zwischen E. und der Biotelie: wenn sich bei
der immer komplexer werdenden Welt das Einzelindividuum aus einem
Informatioinsdefizit heraus als unfähig zum VERGLEICHEN und damit zu
verantwortlicher Selbstgesetzgebung herausstellt, so könnte Kants Ansatz, die
Rechte anderer nicht zu verletzen und ihnen gleiche Freiheiten zuzubilligen mit
Hilfe der gesamten Wissenschaft doch auf die Rechtsordnung übertragen werden.
Dieser Ansatz ist richtig, wenn man zugleich berücksichtigt, daß Politik nicht
nur der Freiheit zu dienen hat, um dadurch (hoffentlich) Leben und
Dauerhaftigkeit zu stützen, sondern auch andere Aspekte der Lebenserhaltung.
Diese einfach unter die Freiheitsvoraussetzungen zu subsumieren, nimmt ihnen
ihr Eigengewicht und begünstigt ihre Vernachlässigung, so daß dann aus der
ganzen Freiheit nichts wird, eben weil ihr die Voraussetzungen fehlen.
Also nochmals zusammenfassend: mit
Kant kommt es in der Ethik nur auf die gute Absicht an, in der Politik aber auf
den Erfolg. E. macht sich natürlich bei den Politikern beliebt, wenn diese vor
Einreden der Wissenschaft gegen unzweckmäßige und im Hinblick auf ihre
Auswirkungen unverantwortliche Entscheidungen geschützt und statt dessen ihnen
Argumente für die Beteuerung ihrer guten Absichten und sauberen Weste geliefert
werden. Denn das Problem ist doch in dieser "deformierten Demokratie"
(Hans Apel): wie läßt sich der größte Unfug gut beim Publikum verkaufen, damit
es uns wiederwählt? Es geht um politisches Marketing und nicht um politisch
verantwortliches Handeln. Der bankerotte Staat beginnt sich an der Wirtschaft
zu orientieren. Eine forcierte Naturzerstörung durch mehr Wachstum - von E.
speziell auf wirtschaftlichem Gebiet, allerdings irrealerweise ohne Bezugnahme
auf das Bevölkerungswachstum, ebenfalls abgelehnt - unter Hereinholung von mehr
größtenteils unproduktiven Konsumenten wird dem verdummten Volk
stimmenfang-erfolgreich als Ökologie und Gebot der Menschlichkeit, der
Menschenrechte, verkauft!
Hat E. in der Eile wirklich übersehen, daß die vorgeschlagene biotele
Begutachtung qualitativ von ganz anderem Charakter und ganz anderer Qualität
ist wie die bislang geübte Begutachtungspraxis? Seine E-Mail könnte dies
vermuten lassen.
"Zweitens wird die Freiheitstheorie endgültig zeigen, daß man in dem großen persönlichen Bereich, der nur einem selbst betrifft, auch im äußeren Verhalten so >irrational< handeln darf, wie man will: Private Handlungen, Einstellungen und private Diskurse dürfen also z. B. rein an Gefühl, Kosten/Nutzen oder Konformität (bzw. Metaphysik, Tradition, Skepsis ) orientiert sein. Diese Fragen des >guten Lebens> bleiben den Bürgern überlassen..." (a. a. O.S.75)
Sehr freundlich. An anderen Stellen
im Buch aber wird gezeigt, wie so ziemlich alles individuelle Verhalten sich
auf die Nachhaltigkeit auswirkt (selbst das Essen einer Banane!), so daß ohne
Bruch mit einer ganzen Menge persönlicher Freiheiten ein Wandel in Richtung
nachhaltiger Politik gar nicht eintreten kann. Auch bleibt bei obiger
"Trennungsprozedur" im subjektiven Bereich - und darum kaum
überprüfbar oder gewollt (zur Verrmeidung von
"Gesinnungsschnüffelei") nicht
überprüft - und wegen letztlicher Undurchführbarkeit ohne Beeinträchtigung
subjektiver Freiheit wieder alles beim Alten. Die Ableitung aller Normen allein
vom Sollen, ist auch aus Natur und Technik widerlegt. Sehr wohl können Normen
aus dem Sein, aus der Natur abgeleitet werden; nach den Erkenntnissen
(zumindest) abendländischer Philosophie kann sogar menschliches Recht, ein
Naturrecht, aus ihnen abgeleitet werden (eben lebenstragende Prinzipien
oder wenigstens Aspekte). Normen erlauben die Austauschbarkeit von
Maschinenteilen und überhaupt die Anwendung von Maschinen; bei ihrer Festlegung
spielen Seinsbezüge, reale Tauglichkeit die Hauptrolle. Die moderne Genetik
wird voraussichtlich ebenfalls dem Phänomen der Normierung etwa als Bedingung
zur phänotypischen Expression von Genen gegenüberstehen - also bei der
Überführung von Erbanlagen in das äußere Erscheinungsbild. Die meisten Gene haben Mensch und Tiere
gemeinsam. Kant erklärte Naturgesetze
zu bloßen menschengemachten Regeln:
ein nicht ganz leicht deutbarer Teil der Kantischen Philosophie. (Die Wiege des
modernen radikalen Konstruktivismus, wonach sie die Natur nach dem Menschen
richten müsste, eine Extremauslegung, die auch E. bekämpft.) Die wahrscheinlich
richtigere Sicht ist doch, daß der Mensch sich Regeln schaffen muß, um sich ein
Naturverständnis zu erschließen. Gesetzliche Normen liegen nun m.E. zwischen
denjenigen technischer Art (mit starkem Verständigungsanteil aus Einigung
hervorgehend und dabei bestenfalls den Erfordernissen der Wirklichkeit Rechnung
tragend) und denen ethisch-moralischen Gehalts, bei denen die letztliche
Begründung, nämlich die Sinngebung - von (a) bis (c) oder (d) nach obiger
Einteilung E.'s , also religiös bis hin zur skeptisch-atheistischen -
Glaubenssache bleiben sollte: die allein mögliche ist eine universale agnostische
Ordnung (in der Regel eine laizistische, also sich auf eine weltlicher
Obrigkeit) stützende gemeinsame (weltstaatliche) minimalregulatorische Lösung
unter einem Maximum an Zustimmung bei maximaler PLURALITÄT (eigentlich:
Diversivität) von Natur und Kultur in schöpferischer Kreativität (von welcher
Seite auch immer). E. verstößt mit seiner "modernen
Liberalität" vermeidbar gegen diesen - allen Gläubigen freilich
verdächtige aber immerhin noch den Diskurs mit ihnen (wenigstens in
Nichtglaubensfragen) offen haltendenden - Agnostizismus - das Eingeständnis
unseres Nichtwissens von den letzten Dingen - und schlägt sich damit selber die
Tür zu.
Praktischer ausgedrückt: trete ich einem Muslim gegenüber und lasse
durchblicken, daß ich seine Auffassung von Lebenssinn, die Welt als Schöpfung
des allmächtigen Allah, für eine mögliche hinnehme, so erinnert er sich an den
Koran und an die mir von Allah gewährte Gnadenfrist für meine Zuwendung zum
rechten Glauben. Ich werde von diesem Muslim als Mensch betrachtet oder doch
wenigstens als ein möglicherweise noch werdender. Kommt aber E. mit seiner
Lehre vom "modernen steuerungstheoretischen Liberalismus" (a.
a. O. S.25), der durch den alleinigen unabweislichen Vernunftgrund menschlicher
Freiheit die Welt einen soll, so sieht der gleiche Muslime ihn als einen von
Allah Verblendeten und endgültig Verlorenen an, den man aber noch gewähren
lassen, also ihm äußerlich zustimmen muß, da er nach Allahs List und Weisheit
ja dem Zusammenbruch des verhaßten westlich-demokratischen Systems des
Liberalismus und der gotteslästerlichen Selbstüberheblichkeit dient. Nur durch
erfolgsausgewiesen besseres Beispiel ruft man andere "nachhaltig" zur
Verantwortlichkeit! Dies gilt besonders gegenüber den Anhängern des Islam.
Nun bestehen auch die biotelen
Aspekte, für sich betrachtet, gemischt aus subjektiven und objektiven Momenten,
aber sie sind doch immer hingeordnet auf die gemeinsame Zielrichtung dynamische
Stabilität, die nicht zur Entsubstantiierung zwingt, ja die bei einer
solchen gegenstandslos wird. Wer dem Leben die Substanz entzieht, steht
ohne Leben da. Die Aufgliederung der Betrachtung der dynamischen
Stabilität in die zwölf Aspekte erlaubt Bereiche aufzuspüren, die eine
besondere Affinität zu einzelnen Aspekten haben, was zumindest im
Anfangsstadium einer Begutachtung die Klärung der Zugehörigkeit der Frage zu
Fachbezirken erleichtern könnte. So werden Wirtschaft und Handel dem biotelen
Aspekt des AUSTAUSCHES zugeordnet und die Fachgutachter gezwungen, die
Bedeutung des Austauschs eben auch in ihrer Beziehung zur Stabilität anderer
Lebensbereiche und des Lebens überhaupt abzuwägen. GEGENSEITIGKEIT ist im
biotelen Sinne zwar eng mit dem Rechtswesen verknüpft; aber allgegenwärtig und
auch auf dem Markt nicht mit den Tauschäquivalenten erschöpft, denn sie
erstreckt sich auf alle Tauschmodalitäten und auf alle wirtschaftlichen
AKTIVITÄTEN. Es bleibt auch fraglich, ob die erfreulicherweise häufig bei E. mit
dem Freiheitsbegriff verknüpfte SPONTANEITÄT (die er aber unter den
"Freiheitsvoraussetzungen" nicht eigens benennt) letztlich auf diese
unsystematische Art genügend gewürdigt und bewertet wird; die
SPONTANEITÄT der Natur als ganzer wird nahezu übersehen oder jedenfalls
nicht in das Reglement (Verzeihung: die "Steuerung") mit
einbezogen. Unsere Verpflichtung gilt nach E. ja auch ausschließlich dem
Abstraktum AUTONOMIE und nicht den lebendigen Wesen. (Schon der Begriff
"Wesen" wurde ja zugunsten der
Fähigkeit als potentielle Teilnehmer an einem Freiheitsdiskurs gestrichen..)
Diese Aussicht wird aber zerstört, weil bei Anwendung des vorgeschlagenen
Verfahrens höchstens (für noch kürzere Zeit? So Allah will) Muslime und
verwandte Kontextualisten auf dieser Erde überleben werden, kaum noch Liberale,
falls man diesen Begriff überhaupt noch kennen sollte. Vielleicht legt
sich dann Rawls "Schleier des Nichtwissens" über die Menschheit und
es ist ihr so ein Neuanfang gewährt, wie ihn doch in der Wissenschaft
Hunderttausende zu viel an falscher Stelle Beschäftigte schon heute
herbeisehnen und durch Vergessen und Nichtbeachtung herbeiführen wollen.
So wie auch bei E. die Einkommen, abweichend von den Kommunisten, verschieden
ausfallen dürfen; so wäre doch auch das Maß der Hilfe, die SUBSIDARITÄT, ganz
verschieden nach geographischen und kulturellen Umständen zu gestalten. Und
natürlich muß der Diskurs zwischen den Wissenschaftlern und den Beteiligten
eine wesentliche Rolle spielen
http://www.aerzteblatt.de/archiv/48703/Kongress-fuer-Versorgungsforschung-Reflexionen-zur-Bedarfsgerechtigkeit?src=search
(vgl. Norbert Jachertz/ Thomas Gerst: Kongress für Versorgungsforschung -
Reflexionen zur Bedarfsgerechtigkeit - Weiter Bogen von der Medicinalstatistik
zur Gesundheitswissenschaft; Deutsches Ärzteblatt, 14. Oktober 2005, Jg.102,
H.41 A 2774 ff.). Aber gerade auch die Diskussion unter den
zersplitterten Spezialdisziplinen Sozialhygiene, Sozialmedizin, Medizinsoziologie,
Medizinische Psychologie, Informatik, Managementlehre usw. macht deutlich, daß
es sich hier beim Diskurs doch nur um eine Art Feinjustierung der Steuerung
handeln sollte, während möglichst viele Grundsatzfragen so weit wie möglich
schon im Vorfeld geklärt werden müßten, um in angemessener Zeit zu fruchtbaren
Ergebnissen zu kommen.
„Nach ihrem Aufschwung in den
Nach-68er-Jahren (1970 wurde Medizinsoziologie in die ärztliche Approbationsordnung aufgenommen) dümpelt sie heute dahin
und teilt damit allgemein das Schicksal der Soziologie; diese ist derzeit
einfach nicht „in“…“
Wohin der Diskurs kaum mehr reicht,
Markus Breitscheitel beschreibt in seinem Buch "Abgezockt und
totgepflegt" traurige Erfahrungen in Pflegeheimen. Unter
"Pflegeheime - Skandale statt Lösungen schreibt Dr. med. Birgit Hibbeler:
"Über Pflegenotstand und Missstände Heimen ist viel gesprochen worden,
reagiert haben die Verantwortlichen nicht... Die Gesellschaft altert. Jeder
weiß es. Nichts geschieht..." (a. a. O. A 2757). "Kongresspräsidentin
Prof. Dr. phil. Ulrike Maschewski-Schneider vom Berliner Zentrum Public Health
formulierte es positiv. Die Vielzahl und Multidisziplinarität der
Tagungsbeiträge [auf obigen Kongress] mache das enorme Potenzial der
Versorgungsforschung in Deutschland sichtbar..." (a. a. O. A 2775)
Nach biotelem Denken schlage ich den flächendenkenden Einsatz
einer Audio-Video-Überwachung in allen Bereichen mit Abhängigen (Erziehung,
Strafvollzug, Pflege) vor; wobei die Auswertung unter Anonymisierung der
Datenzuordnung in Stichproben und auf besonderen Verdacht hin durch geeignete
Personen, wobei wiederum zwei unabhängige Beobachter zu fordern sind,
insbesondere wenn es um Konsequenzen und Entschlüsselung der Personendaten
geht. Allein schon die Möglichkeit einer Kontrolle könnte sich segensreich
auswirken. Freiheit, die ich meine!
Übrigens, um Mißverständnissen
vorzubeugen: Auch ich habe natürlich begriffen, daß Felix Ekardt unter
"Substantiierung" meistens das Festlegen im Detail meint; aber die
Detaillierung beginnt m. E. bei ihm viel zu früh; wie eine Ernteabsicht ohne
vorausgehende Saat und ohne Beachtung der alles korrumpierenden
"Schädlinge". In der ärztlichen Praxis ist der allgegenwärtige
Einbruch der Korruption jedenfalls registriert worden. Im Brief von Dr. med.
Wolfgang Schwinzer, Bad Sachsa wird der beschränkte Aktionsradius der
Antikorruptionsstellen der kassenärztlichen Vereinigungen gerügt. (a. a. O.
A2779) Die künstliche Bedarfserweiterung im Einzel- und Gruppeninteresse
betrifft nicht nur die Wissenschaften, sondern auch die (Pharma-)Industrie, insoweit
sie über Scheininnova-tionen eine Absatzsteigerung forciert (Jachertz/Gerst, a.
a. O. A 2775).
Jachertz und Gerste sind es auch die
vom oben erwähnten Kongreß eine weitere Fehlentwicklung berichten, die aus der
allgemeinen Akademisierung unter künstlicher Ausbildungsverlängerung herrühren,
motiviert nicht zuletzt durch das Streben nach höherem Sozialprestige (meine
Zusätze): die steigende Anzahl von Krankenhausärzte und ein Rückgang beim
Pflegepersonal (Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik, Institut für
Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke, a. a. O. A 2775). Unter
einer biotelen Ordnung wäre der Pflegenotstand leicht behoben, da bei obligater
Frühberentung – als Hebel zur Vollbeschäftigung – genügend sozial motivierte
Helfer mit einiger Lebenserfahrung die Lücken schließen dürften, von denen
viele auch dazu bereit wären, sich hierfür einer Spezialausbildung noch zu
unterziehen. Ich verdränge aus meiner dörflichen Kindheit nicht die Erinnerung
an eine liebenswürdige Dame, eine Frau Martin (der Name erinnert schon an den
Heiligen, der seinen Mantel teilte, wie auf dem Freiburger Martinstor
dargestellt), die immer mit ihrem Teekännchen unterwegs war, um helfend
einzuspringen, wenn irgendjemand erkrankt war. Es ist ja auch inzwischen wieder
recht ruhig geworden, um das Schlagwort einer Umwandlung von der Industrie- zur
sog. Dienstleistungsgesellschaft als rettender Anker gegen Arbeitslosigkeit;
schließlich geht mit einer derartigen Professionalisierung aller
mitmenschlichen Beziehungen der letzte Rest wirklicher Freiheit baden. Beliebt
mache ich mich nicht mit meinem Aufmucken gegen akademische Scheinbeschäftigung
(im Zuge der freien Berufswahl), die zur Bevormundung der Bürger
tendiert.
Deshalb vielleicht der schier
unüberwindliche Sperrfeuergürtel gegen die "Neo-Konservativen",
insofern sie sich dem zweifelhaft oder bereits anrüchigen Neuen und dem
"Fortschritt" (der Vernichtung von Natur und Kultur) entgegenstemmen.
Würde und Freiheit scheinen bei E. selbstverständlich zusammenzustehen, aber
Freiheit ist auch Freiheit zum Bösen, zur Delinquenz, ja hat des Böse erst
geboren: das fällt in diesem Buch fast unter den Tisch (Vgl. Rüdiger Safranski:
"Das Böse oder das Drama der Freiheit", Fischer Taschenbücher
Bd.14298, Fischer Verlag.1999); mit der Erhöhung des Freiheitsradius des
Menschen wuchs die Zerstörung; die Rückbindung der Freiheit an Würde, die doch
- insbesondere bei E. - an jede Einzelperson gebunden ist und so oft schon von
Einzelpersonen sogar sich selbst gegenüber in Frage gestellt wird (und
Selbstzerstörung ist ja auch bei E. in das freie Ermessen gestellt) rettet da
wenig, auch wenn man die Achtung der Würde gesetzlich vom Kreis der
Staatsorgane auf den Verkehr aller Menschen untereinander erweitert - für
zivilisierte Menschen schon immer eine, wenigstens moralische,
Selbstverständlichkeit, zumindest außerhalb von Kriegszeiten - , die deshalb
auch oft auch unbewußt herbeigewünscht werden, um auch von dieser Schranke noch
frei zu kommen (Martin Creveld, Die Zukunft des Krieges, deutsch 1998, Gerling
Akademie Verlag). Die mehrfache Erwähnung des "guten Lebens",
das zu wählen frei bleiben soll, und das Angebot von staatlichen
"Spielregeln" stehen vor den Gefahren auch aus der Freiheit
blaß da. Ein Abstellen der Rechtsordnung auf Freiheit ohne deren Einbindung in
ein weiterreichendes Grundpflichten- und Grundrechte-Ensemble unter
Verpflichtung zur Lebenserhaltung würde uns zurückwerfen. Die Wirklichkeit
ist stärker als (frei gewählte oder im Diskurs festgelegte) moralische Grundsätze einschließlich der
Freiheit der Wahl eines "guten Lebens".
Kaum habe ich mich entschlossen, nur noch Eier von Freilandhühnern zu kaufen,
und schon bedroht uns die Vogelgrippe! Wie muß es Muslimen gegangen sein, als
die Rinderwahnsinn ausbrach, und wir Ungläubigen nun Schweinefleisch essen
durften?! Dank Trichinenschau sogar mit geringerem Risiko. (Die Mehrzahl der
Muslime hat die Warnungen mißachtet.) Für mich war von Interesse, wie doch über
die Rubrik der "Voraussetzungen" der Freiheit, die anderen biotelen
Aspekte so in nähere Beziehung zu dem der AUTONOMIE gebracht werden
können; ganz vergessen wurde keiner, nur eben das Ziel der dynamischen
Stabilität selbst bewußt aufgegeben; es taucht gerade noch als Zukunftsrecht
auf Klimastabilität als essentielle Freiheitsvoraussetzung auf, und das
ist ein ausgesprochen labiles Beispiel. Das Versprechen der Gewährung allein
schon der essentiellen Freiheitsvoraussetzungen, wie Nahrung, reine Luft und
Klimastabilität für jeden künftigen Menschen, würde den Abschied vom Ziel der
maximalen individuellen Freiheit beinhalten. Ein noch so "gutes
Leben", noch so sorgsamer Umgang mit den Ressourcen kann sie nämlich
unter Gewährung freier Fortpflanzung auf dem beschränkten Raum der Erde
eben nicht wirklich sicher stellen. Diejenigen, die sich die Freiheit nehmen,
sich tüchtig fortzupflanzen, sind nämlich nicht dieselben, die in der Lage und
unter den Voraussetzungen garantierter Freiheitsrechte willens wären, die
Zivilisation zu tragen, welche die notwendigen Lebensvoraussetzungen für
Menschenmassen schafft.
Nach der Tsunami-Katastrophe, die Hurrikans in den
USA bis Mexiko schreibt die Berliner Morgenpost, 21.Oktober 2005:
"Schon 48 000 Tote, Lage ..im
pakistanischen Erdbebengebiet.. immer dramatischer... etwa 67 000 Menschen
seien schwer verletzt..".
Müßten dann nicht mindestens eine Milliarde Menschen aus Japan,
aus dem Iran usw. bei uns in Mitteleuropa aufgenommen werden, um ihnen gleiche
Freiheitsrechte (in Abwandlung der Forderung nach
"Klimastabilität") zu sichern? Im biotelen System wird
hier der Aspekt des AUSGLEICHS angesprochen, also die Verpflichtung zu
Leistungen gegenüber von der Natur "klimatisch" (geographisch)
benachteiligter Kollektive, als Hilfstruppe würde die Weltpolizei tätig,
zunächst und hauptsächlich die örtlich stationierte aus dem zuständigen Block.
Haben wir aber alle die gleiche Kultur, die gleichen Lebensgewohnheiten und
sprechen dieselbe Sprache, wie die derzeitig herrschenden Intellektuellen und Industriellen
es im "Prozeß der Globalisierung" anstreben, so hält Heimatliebe die
Menschen nicht auf bedrohter Scholle fest; es setzt sich dann die
Völkerwanderung in nie gekanntem Ausmaß fort. Ein Sieg für die Natur, für den
Frieden???
"Sofern die politische Steuerung - national oder global- präzise
ausfällt und auf alle Bürger gleichermaßen angewandt wird, wird zudem die
Akzeptanz bei den Bürgern selbst für harte Einschnitte wachsen. Wenn
Unternehmen z. B. wissen, daß weltweit die gleichen Standards gelten, wird dies
ihren Widerstand zumindest verringern." (a. a. O. S.229)
Aber doch nur, wenn diese Standards auch wirklich kontrolliert
global durchgesetzt werden; und in diesem Falle haben sie ja auch keine andere
Wahl mehr. Die Forderung, Mitmenschen nur als "andere Menschen"
(oder "der andere Mensch") und nicht nach ihrer kulturellen oder
sonstigen Nähe zu uns, zu behandeln, mag für Aktionäre, für Geldleute (pecunia
non olet, Geld stinkt nicht, soll bekanntlich Nero gesagt haben, als er in Rom
Toilettengebühren einführte), selbstverständlich sein, ist aber darüber hinaus
eine solche des illusionär-utopischen internationalen Sozialismus neuerdings im
Bunde mit dem Kapitalismus, von dem sich doch E. an mehreren Stellen
abzugrenzen behauptet. Der Mensch ist ursprünglich ein Herdentier; das Kind
bedarf der Geborgenheit der Familie, der Bürger diejenige seines Volkes und
Staats. Wenn Vernunft bedeutet, Wertungsfragen
mit Gründen zu entscheiden,
so muss an eine bewährte und sich weiter bewährende Wertskala angeknüpft
werden, was mit Biotelie versucht wird. Dabei muss das Rad nicht neu erfunden
werden; weshalb große Teile jüngster Wissenschaften wieder zurückgeschnitten
werden müssen, da sie mehr für Verwirrung als für Nutzen sorgen.
Während die biotele Konstitutionelle
Demokratie, den Einfluß der lebenstragenden Vernunft und das Vetorecht des
von einer von den Fachleuten und Gebildeteren als vernünftig bestätigten
biotelen Gesetzgebungsteiles zementieren soll und damit ein Garant der
Freiheit werden könnte, ist die heutige wissenschaftsberatene liberale
Demokratie, von der Bürgermehrheit nur noch aus Verlegenheit und unter
Täuschung durch den Parteienstaat gestützt, in der Sackgasse und es droht sich
der Satz zu bewahrheiten:
"Nun ist die nur empirische Glücksfrage zwar kein Gerechtigkeitskriterium.
Doch zumindest rein faktisch werden Menschen einen Staat, der ihnen Unglück
bereitet, auf Dauer abschaffen" (a. a. O. S.77)
Wirklich weitergeholfen hat Felix
Ekardt der Nachhaltigkeit m. E. also wenig, wenn ich die Dringlichkeit akuter
Gegenmaßnahmen gegen den Zerfall in Betracht ziehe, die er ja nicht bestreitet.
Reden und Handeln sind halt doch zwei Paar Stiefel. Meiner Meinung
scheint auch Achim Brosch in der Südwestpresse vom 11.05.05 zu sein, der unter
der Rubrik "Das politische Buch" schreibt:
"Idee vom Weltstaat. Der Jurist Felix Ekardt,... Juniorprofessor für
Umweltrecht..., versucht, eine liberale Gesellschaftsordnung zu
begründen, die den Fortbestand des Planeten sichert und weltweite Gerechtigkeit
schafft.."
A. Brosch (nicht E.!) führt den Begriff
Nachhaltigkeit auf seine biologische Wurzel in der Forstwirtschaft vor
200 Jahren zurück, wobei es um eine Einschlagsbegrenzung ging, die sich am
jeweiligen Nachwuchs orientiert. Von "Überschwang" und
"Optimismus" des Autors ist die Rede. "Wenn es allerdings
wirklich eines Weltstaates bedarf, um das Überleben der Menschheit zu sichern,
so ist Ekardts Analyse vielleicht auch ein zutiefst pessimistisches
Untergangsszenario", meint Brosch.
Nun räume ich ja ein, daß die
Universität Bremen traditionell ein extrem linkes Gesinnungsklima pflegt:
dennoch bleibt es ein weiteres Armutszeugnis, daß wiederum kein Versuch
gestartet wurde, via Internet eine Überprüfung der Tauglichkeit des biotelen
Instrumentariums auf den Weg zu bringen.
Wie kann man künftigen Generationen großzügig reine Atemluft versprechen, wenn
die Möglichkeiten der Freiheit nicht einmal so weit ausreichen, konkrete
Vorschläge aus dem heutigen Problemfeld auf ihre Nachhaltigkeitswirkung hin
nach einem unabhängigen Verfahren zu überprüfen, das ja offenbar - schon in
puncto Unparteilichkeit - benötig würde und anderwärts noch nicht zur
Verfügung steht?
Die von E. (typischer Weise?) nicht erwähnte Delphi-Methode, welche im Diskurs
wenigstens die autoritativen Abhängigkeiten schwächt, indem die Teilnehmer die
Diskursbeiträge anonymisiert zur Kenntnis nehmen, ist ein kleiner Schrift in
die richtige Richtung zum Ausschluß von sachfremden Motivationen, d. h. zur Unparteilichkeit,
die für E. so selbstverständlich ist wie sie fehlt. Ich räume ein, daß
Umweltrecht kein Hauptfach ist und daß heutige Studenten in geistigem
Fortschritt keinen ausreichenden Anreiz sehen. Ausschlaggebender ist aber die
Cliquenmentalität der Professoren, die allerdings hat Tradition, wenn auch
keine so starre wie heute.
"Doch erstens verpflichtet mich die Freiheit
ja zu nichts. Unter anderem erlaubt die Freiheit den Bürgern jegliche
private> Gemeinschaftsbildung<, wie sie etwa für die taiwanesische oder
japanische liberale Demokratie typisch ist; der Staat darf lediglich die
Individuen nicht zwingen, sich Kollektiven wie Familien, Sekten o. ä.
unterzuordnen." (a. a. O. S.76)
Einen Zwang, sich der Familie
unterzuordnen, hat der Staat in jener Weltregion auch gar nicht nötig; denn
der Familienzusammenhalt ist dort gelebte Tradition; außerdem würde er
sich damit seine eigene Kompetenz beschneiden. Wenn es keine Pflicht gibt,
seine Freiheit zur Erhaltung der Kultur und der Menschheit einzusetzen; wie
sollte es dann eine Veranlassung geben, das biotele Gutachtenverfahren zu
testen?
Hätte der nicht selber auch Professor werden können?, höre ich sagen. Nicht
so einfach; denn als ich mich um eine Lehrmöglichkeit auf dem Gebiet der
Sozialhygiene bemühte, da bot mir ein Ordinarius eine fachärztliche
Gutachtertätigkeit zu seiner eigenen Entlastung an; ein einziges ernstgemeintes
Angebot für die akademische Laufbahn am Studienende kam von dem Pathologen
Wilhelm Doerr (Berlin, Heidelberg), aber dagegen sprachen mein ästhetisches
Empfinden und meine Neigungen, die dem Lebendigen, der Biotelie galten. Aber
vermutlich hat meinen Erfahrungen mein ärztlicher Beruf wohlgetan; freilich –
und dies bedauere ich trotz kleiner Praxis vor allem im Hinblick auf einen
Einzelfall im Rückblick tief – nicht
allen meinen Patienten.
"Die gleichen Freiheitsrechte als solche und die in ihnen enthaltenen
Entfaltungschancen müssen aber diskriminierungsfrei allen zustehen." (a.
a. O. S.184)
Der auch von E. in Frage gestellte parteipolitische Liberalismus
oder Neoliberalismus wird durch E.‘ „Neuen Liberalismus“ nicht gefährdet, da
letzterer höchstens auf höherer Ebene diskutiert wird.
So gilt weiterhin höchstenfalls noch:
http://www.eis-pl.de/Kontakt/Zitate
„Was bedeutet schon Geld? Ein Mensch ist erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tut, was ihm gefällt.“
Bob DYLAN (geb. am 24. Mai 1941 in Duluth, Minnesota, USA, eigentlich Robert Allen ZIMMERMANN, amerikanischer Musiker und Poet)
Politisch realistischer aber noch gilt:
"Alle Menschen sind gleich, manche aber sind noch
gleicher" (ich meine, dieses Zitat in Abwandlung aus "Die Farm der
Tiere" von George Orwell. bezogen zu haben.)