Gleich nach
erstem Beiseitelegen von „Das Prinzip Nachhaltigkeit“ ereignete sich ein
Vorfall, über den ich fast heute noch nicht hinwegkomme. Ich war nämlich der
Überzeugung gleich zu Anfang auf einen Gipfel der Übertreibung des
Individualismus gestoßen zu sein, die Niederschrift aber versehentlich (wie
häufiger) gelöscht zu haben. Ekardt, so meinte ich gelesen zu haben, trete
dafür ein, Rechtsbeziehungen nur noch zwischen Individuen und nicht mehr
zwischen Kollektiven zuzulassen. Diese Vorstellung ging so weit, als habe sich
E. dann später an einer Stelle hierzu darüber ausgelassen, dass natürlich
freiwillige Zusammenschlüsse desungeachtet weiter jedem überlassen seien.
Sogar im Internet meinte ich damals eine kurze Bemerkung über die eigentümliche
Rechtsauffassung des Autors gelesen zu haben. Nachdem ich antiquarisch vier
weitere frühe Ausgaben der 1.Auflage durchgesehen hatte, musste ich den Autor
entlasten und eine Fehlinformation meiner Inneren Stimme zugrunde legen,
worüber ich doch noch heute erheblich erschrocken bin.
Aber gefehlt hätte diese Überspitzung ja wirklich noch. Und zurückgezogen hätte
diesen Irrweg E. ja umgehend. Inzwischen liegt mir auch das von mir benutzte
Original wieder vor: Ich unterlag wirklich einer Täuschung.
Von Anfang an verstand ich aber nicht, warum diese Abhandlung nicht unter „Das
Prinzip Freiheit“ veröffentlicht wurde, denn sie schien mir das gestellte Thema
kaum zu streifen und schon gar nicht lösen zu wollen.
Erst heute begreife ich, dass die als unausweichlich einziger Weg hin zu
gerechtem Zusammenleben ausgegebene Diskursethik von vorn herein unter die
Voraussetzung gestellt wurde, sich nicht an die Wirklichkeit unter
Wahrheitssuche zu halten, sondern sich mit der Möglichkeit bescheidet seinen
eigenen Wahrheiten mit Hilfe der Regierungsgewalt die für die Bestätigung eines
Diskursergebnisses notwendige Mehrheitszustimmung zu beschaffen. Das
Schreckliche aber ist, dass die von E. angestrebte höchstmögliche individuelle
Freiheit, auch wenn oder gerade wenn sie auf die Freiheit gleichberechtigter
anderer Menschen Rücksicht nimmt, doch von vornherein über Rationierungszwang
nur in der extremen Knechtschaft eines Überwachungsstaates gemäß augenblicklich
chinesischen Musters enden kann. (Nur ein Überwachungsstaat kann ja bislang die
Rationierung der Lebensbedürfnisse unter Rücksichtnahme auf kommende
Generationen durchführen.)
Schon bei E. damals bestand die grundsätzliche Abwehr und Ablehnung von
Gegenargumenten gegenüber den eigenen doch auch persönlichen Erfolg sichernden
fiktiven aber wohlklingenden Auffassungen. Immerhin bekennt er sich heute in
„Wir können uns ändern“ auch als viel beschäftigter Professor wenigstens zu
einer bescheidenen Lebensführung.
Einige
Passagen befassen sich mit den Verpflichtungen künftigen Generationen
gegenüber: „Besonders intertemporal wären
Verfahrensrechte ohne ergebnisregulierende Prinzipien (also Rechte, dass meine
inhaltlichen Belange, z. B ein Recht auf ein stabiles Klima , in der
Entscheidung berücksichtigt werden und dass ich dazu als Zukunftsvertreter
nicht nur >meine Meinung sagen< darf) katastrophal, weil eben nur
Vertreter die Zukunftsinteressen vortragen. Und solche Vertreter werden sich
stets weniger vehement einbringen als reale künftige Menschen, wenn man an
unseren latenten Hang zum Egoismus denkt.
Deshalb und weil das Ergebnis des – hier: hypothetischen intertemporalen –
Diskurses stets die Möglichkeit weiterer Diskurse beeinflusst, fordert die
offene Vernunft, die ja Achtung und Unparteilichkeit als alternativlose und
transzendental gesicherte Prinzipien erst hervorbringt, eben eine inhaltliche
Beachtung der liberalen Prinzipien durch die Diskursergebnisse. (a. a.
O. S.94,95) Nicht nur im Verfahren, sondern auch im Ergebnis muss darum die
Freiheit aller hypothetischen Diskutanten gewahrt werden. Diese inhaltliche
Anforderung an >Gesetze als Diskursergebnisse< können Lebende gerichtlich
einklagen. Z. B. könnten sie den klimaschützenden Versuch eines
Sonntagsfahrverbotes durch Berufung auf ihre Freiheit vors Verfassungsgericht
bringen – und damit ihre Rechte als Schranke der Gesetzgebung durchsetzen….
Eine zweite Diskursstufe… Die EU und die Bundesrepublik – und überhaupt
Grundordnungen weltweit, wenn sie die Zuschreibung >gerecht< verdienen
wollen – müssen sich so einrichten und ihre Verfassung so lesen, daß die
heutigen Bürger gehindert werden, die Rechte zukünftiger Menschen durch ihr
heutiges Handeln zu verunmöglichen. Gerecht ist nur eine politische
Grundordnung, wenn sie dem Achtungs- und dem Unparteilichkeitsprinzip genügt, daraus
Freiheitsrechte herleitet und damit normativ vernünftig ist. (a. a. O. S.95,96)
Niemals aber ergibt eine diskursrationale Konzeption ein von Hans Jonas
erhofftes von uns konkreten Menschen abstrahierendes >Gebot der
Menschheitserhaltung< – etwa in dem Sinne, daß der Diskurs über die
Gerechtigkeitsfrage als Selbstzweck in alle Zukunft fortgeschrieben werden
müsse, damit es nicht an Diskutanten mangele. Eine solche Überlegung, wie sie
offenbar gar Karl-Otto-Apel teilt, würde einen diskursrationalen Liberalismus
auf den Kopf stellen: Die Menschen sind doch nicht für den Diskurs da, sondern
der Diskurs ist für die Lösung von Konflikten zwischen den Menschen da! Wir
selbst erzeugen die Vernunft und die Gerechtigkeit als ihre Implikation. … (a.
a. O. S.96) Denn wäre die Diskursvernunft ein Selbstzweck, müssten wir so viele
Menschen wie möglich zeugen, da wir so ja immer mehr Diskutanten und immer mehr
Argumente hätten. Und das wäre das Ende der Freiheit. All diese Einsichten
führen z. B. dazu, daß sich die herkömmliche politische und
verfassungsgerichtliche Ansicht in Deutschland, daß Familienpolitik primär
>Geburten produzieren< müsse, als verheerend falsch erweist… Geboten ist
vielmehr, denen, die real leben werden, möglichst gute Lebensbedingungen zu
schaffen.
C. Testfall Klimaschutz: Rechte auf Leben, Gesundheit und Existenzminimum auch für junge und künftige Menschen
…
Wer unparteiische entscheidet, also auch seine eigenen Lebenspläne nicht kennt,
muss für die maximale gleiche Freiheit der Bürger votieren. Mögen die Pläne auf
de Erwerb von Reichtum, auf eine politische Karriere, auf die Entwicklung eines
großen Freundeskreises, auf die Mitgliedschaft in einer Sekte, auf ein einsames
Leben im Wald oder auf was auch immer gerichtet sein – eine möglichst große
Freiheit bietet die größte Sicherheit, jedweden Lebensplan realisieren zu
können, auf eine möglichst weitgehende Persönlichkeitsentfaltung… (a. a. O.
S.97) … Ebenso zwingend nötig ist aber ein möglichst wirkungsvoller Schutz der
basalen Güterversorgung (Trinkwasser, Nahrung, Kleidung, hinreichend stabiles
Klima), und genau wie das Recht auf Leben und Gesundheit unabhängig, wann im
Zeitstrahl wir das Licht der Welt erblicken… (a. a. O. S.98)
C.
(Multipolare) Freiheit und Freiheitsvoraussetzungen als einzige Schranken
nachhaltiger Menschenrechte – nicht dagegen Gemeinwohl, Glück, Ökozentrik,
Schutz vor sich selbst … (a.
a. O. S.128. Die bisherige Freiheit, wie wir sie jeden Tag ausleben, ignoriert
nicht nur die Freiheitsvoraussetzungen und die Folgeverantwortung für unsere
Handlungen sowie den Wunsch weit entfernt und künftig Lebender nach Entfaltung.
Sie ignoriert auch, dass es überhaupt Grenzen der Freiheit gibt, die
unter anderem aus jenen zeitlich und räumlich grenzüberschreitenden
Menschenrechten resultieren… (a. a. O. S.135) … Wenn aber unsere Freiheit wegen
der Multipolarität notwendig von Kollisionen geprägt ist, müssen unparteiische
Akteure die wechselseitige Freiheitsbegrenzung akzeptieren. Dabei ist der
Anspruch auf elementaren Freiheitsvoraussetzungen bekanntlich im Recht auf
Freiheit enthalten, nicht aber die >weiteren Freiheitsbedingungen<, Weil
die <weiteren> Freiheitsvoraussetzungen gleichwohl die Freiheit fördern
können, muß eine gerechte Grundordnung, die wegen des autonomiezentrierten Achtungs-
und Unparteilichkeitsprinzips die Maximierung der gleichen Freiheit aller
Menschen fordert, diese Belange gleichwohl akzeptieren. Nur sind sie eben keine
Grundrechte (wie das Recht auf Presse, Meinungs-, Berufs- oder
Eigentumsfreiheit oder die Garantie für Leben, Gesundheit und Existenzminimum.
Auf sie (zu denen auch die allgemeinen Verfassungsvoraussetzungen - also die
Bedingungen friedlicher Vergesellschaftung – wie eine gewisse wirtschaftliche
Stabilität und eine gewisse soziale Integration, auch der Migranten, zählen)
hat der einzelne zwar keinen Anspruch. Das Ziel möglichster Autonomie und
unparteiischer = allgemein zustimmungsfähiger Zustände impliziert aber; Auch
die <weiteren> Freiheitsvoraussetzungen sind soweit wie möglich zu fördern,
damit möglichst viel Freiheit real wird und zwar als gleiche Freiheitschance
für alle. Jegliche Freiheitshindernisse sind also genau bis zu dem Punkt zu
beseitigen, wo die Beseitigung insgesamt eine Freiheitsmaximierung verspricht.
Umgekehrt sind Belange, die die Autonomie mehr als um der Autonomie aller
anderen willen nötig beschränken, damit unzulässig. Solche Belange (z. B. reine
Kollektivbelange wie das <das Ansehen Deutschlands> oder die
<Erhaltung der deutschen Kultur<) scheitern ergo an der Autonomie – und
daran, daß sie selbst eben keine Begründung wie die Freiheit vorweisen können
(zu letzterem sogleich unten).
Das zweite Argument für die rein wechselseitige Freiheitsbegrenzung ist: Nur
sie richtet eine hinreichend stabile Schranke gegen die doppelte Freiheitsgefahr
auf. (a. a. O. S137, 138) Wer Kollektivbelange (<Gemeinwohl>) als
Freiheitsschranke zulässt, macht das Tor für Freiheitsbeschränkungen aller Art
weit auf – die keinen ohne infinitiven Regreß bestimmbaren Begriffsinhalt haben
(was genau soll denn Gemeinwohl heißen? Wie soll man es bestimmen?) und
folglich beliebige Freiheitsschranken produzieren würden. Denn
Kollektivbelangen fehlt eben fehlt eben gerade die inhaltlich klärende
Rückbindung an die Belange konkreter Menschen. Dann erscheint plötzlich auch
die Ökodiktatur, die bekanntlich (Kap. III A) keinesfalls eine völlig irreale
Gefahr ist, als denkbare Option der Nachhaltigkeitsdurchsetzung. Umgekehrt ist
der Schutz realer junger und künftiger Menschen nicht nur überzeugend
begründet, sondern auch psychisch sehr geeignet, uns auch faktisch zu
nachhaltigem Handeln zu motivieren und damit unsere Freiheit dauerhaft und
global zu erhalten – ganz anders als <das Gemeinwohl> oder der Schutz
seltener Arten, <die Zukunft Deutschlands> oder gar <die Verteidigung
der deutschen Kultur>.
Die
Schädigung konkreter Menschen durch klimabedingte Überschwemmungen kann man
sich vorstellen – die <Schädigung der Gesellschaft> dagegen kaum. Nicht
irgendeine diffuse <Allgemeinheit> hat den Klima-Schaden, wenn ich fünfmal
im Jahr in den Urlaub fliege, sondern konkrete andere Menschen… (a. a. O.
S.138) … Nur <sinnvoll> sind politische Maßnahmen wie die Bereitstellung
von Kindergärten, also ein Schutz der <weiteren>
Freiheitsvoraussetzungen… (a. a. O. S.139)
Könnten Kinder nicht besser auch bei ihren Müttern aufgehoben
sein?, frage ich.
… Davon ganz abgesehen sind tradierte Gemeinschaftsbindungen durch Prozesse der
Globalisierung, Modernisierung und Rationalisierung nahezu überall in Auflösung
begriffen, auch in islamischen Ländern. Die Freiheit als Hülle
unterschiedlichster Lebenspläne ist ebendas, was in pluralistischen
Gesellschaften als Schnittmenge übrigbleibt.
Aus ähnlichen Gründen wie die Gemeinwohlidee ist auch die Idee von Eigenrechten
der Natur, also eines Tier- und Naturschutzes um seiner selbst willen, keine
zulässige Freiheitschranke. Im Grunde genommen ist diese Idee sogar einfach
irrelevant, da Schutzgüter wie Ressourcenschonung, ökosystemare Stabilität oder
Artenvielfalt eben Freiheitsvoraussetzungen sind, teils elementare, teils
weitere.
… Mit Kant darf gesagt werden, dass Grausamkeiten gegen Tiere deshalb (bei
Fehlen guter Gründe!) abzulehnen sind, weil sie letztlich auch Roheit unter den
Menschen begünstigen…. (a. a. O. S.146) … Doch ob wir glücklich sind, ob wir
uns selbst in Gefahr bringen und in welcher Richtung meine ästhetischen
Bedürfnisse gehen, geht die liberale – nationale und globale – Politik nichts
an. Denn entsprechende Verhaltensweisen sind gerade Ausdruck unserer Würde
als Autonomie (Selbstgesetzgebung) und unserer Freiheit. Deshalb darf man
selbst den Selbstmord oder irgendein vermeintlich lächerliches Verhalten
(Besuch einer Peepshow z.B.) nicht verbieten…. (a. a. O. S.147)
V. Gerechte Abwägung in Koflikten – auch bei intergenerationell und
international kollidierenden Interessen
A. Ein Schlaglicht auf Embryonenschutz und Gentechnik – Abwägung auf Leben und
Tod<
… Es geht um Abtreibung zur
Garantie der freien Persönlichkeitsentfaltung für Mütter, es geht aber auch um
Präimplantationsdiagnostik und Früheuthanasie zur Verhinderung erbkranker
Kinder… (a. a. O. S.167)
… Was wir noch am eheste brauchen, ist ein Treuhänderorgan, welches die
Zukunftsrechte in Gesetzgebungs- und große, zukunftsrelevante
Verwaltungsverfahren einbringt – welches anschließend ein Klagerecht hätte,
Denn irgendjemand muss die Zukunftsrechte ja vorbringen können. Die könnte ein
<Nachweltrat> übernehmen… (a. a. O. S.177)
Ebensowenig heißt Tatsachenerhebung, daß einfach jede beliebige Äußerung z. B.
zum Klimawandel für bare Münze genommen wird. Andernfalls hätten finanzstarke
Kreise es in der Hand, durch Auftragsgutachten und Auftragsforschung politische
Entscheidungen an Demokratieprinzip und Gewaltenteilung vorbei mitzusteuern.
Diese Einsicht ist gerade für die Ebene der Weltföderation wichtig, wie hier
einige global Player interessiert sein könnten, durch Auftragsgutachten z. B.
die Existenz eines human verursachten Klimawandels in Zweifel zu ziehen. Ebenso
darf auch nicht einseitig der Behauptung aus Wirtschaftskreisen vertraut
werden, die Globalisierung (die nicht zuletzt jenen Kreisen nützt, indem sie
Märkte schafft und Kapital anzieht, also mehr Gewinn verspricht und den
modernen Kapitalismus am Laufen hält) nütze letztlich allen… (a. a.O.S.181)
Natürlich ist die Partizipation an Diskursen die Grundlage aller liberalen
Gerechtigkeit (Kap. II C). Gleiches gilt für Transparenzregeln – die man z. B.
für Parteien und Abgeordnete ausweiten sollte, um Einflüsse offenzulegen und
damit bestimmten Kräften, die das Licht scheuen, das Wasser abzugraben (erst
recht in einer naturgemäß unübersichtlichen Weltunion)… (a. a. O. S.220)
Wie weltfremd und auf die Bedürfnisse der Machtpolitik bezogen
und damit meist wissenschaftlich belanglos der akademische Nachwuchs
herangezogen wird, dafür ist Eckardt ein typisches Beispiel. Die damit
verbundene Überheblichkeit wird gratis mitgeliefert. Das besprochene Buch gilt
als sein Hauptwerk. Als Frucht eines Studiums der Religionswissenschaften
erinnere ich jedoch nur den einmaligen Hinweis, dass bei den hier
eingebürgerten Muslimen mit dem Steigen von deren Lebensansprüchen sich auch
die noch vorhandenen Unterschiede und Abgehobenheiten einebnen würden.
Bei seiner Forderung nach Verzicht auf Flugreisen zum Klimaschutz, zog Ekardt
auch die Bedeutung der Ferienreisen für den Natur- und Kulturschutz nicht in
Betracht. Bei seinen – doch eigentlich sinnlosen– Einsätzen in verschiedenen
Städten dürfte er heute kaum mit dem Fahrrad unterwegs sein. So werden an und
für sich denkfähige Menschen beschäftigt und ruhig gestellt.
Trotz eines sehr in die Länge gezogenen Studiums wurden offenbar wichtige Wissensgebiete vernachlässigt. Vor allem auch die Verpflichtung, auch die andere Seite zu hören. Dies sichert ja aber auch Ekardts soziale und wirtschaftliche Existenz.
Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, LL.M., MA, Leiter der Forschungsstelle
www.sustainability-justice-climate.eu › werdegang
1.
https://www.uni-erfurt.de/.../apl-prof-dr-dr-felix-ekardt
Prof. Dr. Dr. Felix Ekardt, LL.M., M.A. - Jurist, Philosoph und Soziologe - ist nach sechs Jahren als Professor an der Uni Bremen seit Anfang 2009 Gründer und Leiter der Forschungsstelle Nachhaltigkeit und Klimapolitik in Leipzig und Berlin.
Ausbildung/Assistenzzeit · Professur · Publikationen · Vorträge
Das Nachfolgende ist nur für ganz Gründliche zu empfehlen und geht vom Anfang des Buches aus:
Buchbesprechung: Felix Ekardt, Das Prinzip Nachhaltigkeit - Generationengerechtigkeit und globale Gerechtigkeit, Beck‘sche Reihe, Verlag C. H. Beck, München 2005
Einige vorangestellte Auszüge aus dem Buch (aus
2015 als Ergänzung zu den nachfolgenden Erörterungen aus 2005) . F. Ekardt
in Times New Roman schwarz,
eigene Anmerkungen
in Verdana grün
Vorbetrachtungen:
Es geht doch vordringlich um die richtigen, d. h. tauglichen Begriffe
Hinsichtlich der Reflexionstheorie von Johannes Heinrichs http://stiwi.biotelie.de/index13.html, mit Anknüpfung
an BEZIEHUNG (einem damals ausgelassenen biotelen Aspekt oder
Brückenbegriff zu allen anderen Aspekten?). die mich in www.biotelie.de beschäftigten,
erscheint mir heute Reflexion (Rückbezüglichkeit) als ein Unterbegriff
von BEZIEHUNG (Relation). Da ich das biotele Gutachtenverfahren so gerne
wegen meines Alters sicherheitshalber in fremde Hände geben möchte, wurde mir
bewusst, dass ein oder der andere der zwölf Aspekte später in Frage gestellt
oder zumindest durch andere ergänzt werden könnte, derer Wichtigkeit ich nicht
gewahr wurde. Dies könnte sein: aber Vorsicht!
Die Verkehrung der Moral über die moderne Diskursethik mahnt Zurückhaltung ein.
Es wird zu schnell etwas dahingeredet; ich habe wenigstens Jahrzehnte darüber
gegrübelt. AUSTAUSCH, so meine neuere Erkenntnis, ist für mich so ein
Wackelkandidat, eigentlich nur ein Unterbegriff von BEZIEHUNG. Aber würde BEZIEHUNG uns weiterhelfen bei der Beurteilung
von Gesetzesfolgen???
Auch der
Aspekt GEGENSEITIGKEIT wäre dann dem der BEZIEHUNG unterzuordnen, wo er doch
bereits historisch unter dem Symbol der Waage als Grundsatz Jahrtausende
maßgebend für gerechtes menschliches Verhalten ist. AUSTAUSCH lässt uns
wenigstens über dessen Begrenzung (ob im Einzelfall positiv oder negativ zu
bewerten) besonders nachdenken; ähnlich zweischneidig handhabt sich PLURALITÄT
(als Verschiedenheit), denn Verschiedenheit als Abweichung von einer Norm ist
eben nicht gleichwertig – auch wenn Schwächere von den Stärkeren aus
moralischen und gesetzlichen Gründen getragen werden müssen – , denn Verschiedenheit
soll vor allem lebendige Neuansätze bieten, die sich selbst tragen können.
BEZIEHUNG ließe keinen Zusammenhang zwischen Personen und Dingen mehr außerhalb
und REFLEXION (Rückbezüglichkeit) brächte uns auch nicht viel weiter; es sei
denn man zwänge dadurch Politiker als Machthaber endlich zur Selbstbesinnung
und Selbstkritik. (Was ich mir als Möglichkeit nicht vorstellen kann.)
Johannes Heinrichs will der Demokratie wieder auf die Beine helfen, mit einem
Kleinbus ließ er Propaganda für „Mehr-Direkte-Demokratie e. V.“ fahren.
Inzwischen fährt schon ein großer Bus: “Omnibus = Für alle“ http://www.omnibus.org für mehrere Initiativen in dieser Richtung.
Hatte J. Heinrichs hatte mit seiner Unterscheidung nach Ebenen der Komplexität
der Reflexion sein Haus der Politik in Etagen teilen wollen, in denen unten die
Wirtschaft residiert und unter dem Dach Philosophie und Religion thront; es kam
also aus dem Prinzip REFLEXION eher heraus, wer (wieder) das Sagen haben
sollte, und war das wirklich das heute in Abschaffung befindliche Volk? Bei
Biotelie geht es nicht nur darum, wer regiert, sondern darum, was die Inhalte
des Regierens sind. Ist die Abschaffung des Volkes für die Demokratie
unerheblich?
http://www.couragiert-magazin.de/rab/pegida-angst.html
20.01.2015 von Ralf-Uwe Beck
Pegidas Angst vor Gespenstern
So kann man die reale Bedrohung auch abwiegeln und PEGIDA herabwürdigen; und auch J. Heinrichs hat BIOTELIE nicht in die Debatte mit einbezogen, obwohl wir kurz in Korrespondenzkontakt kamen (den er abbrach). Direkte Demokratie e. V schloss vor Jahren sogar ihr Forum, so dass ich nicht mehr dort diskutieren konnte. Direkte Demokratie (in Deutschland) steht weiterhin für Kurzzeitdenken, ohne fundierte kritische Kontrolle, so dass jeder Gewiefte sein Süppchen auf ihr kochen kann, was bisher unwiderlegt ihre Schwäche ausmacht.
Inzwischen will also Felix Ekardt weiterhelfen.
Aber schon beim Titel stutzt man: „Das Prinzip Nachhaltigkeit“.
Er spielt deutlich auf Hans Jonas‘ „Das Prinzip Verantwortung“ an, der ein
Verhalten fordert, dass Nachfolgegenerationen überleben lässt.
http://www.praxisphilosophie.de/mstjonas.pdf
Arno
Münster (Paris)
PRINZIP VERANTWORTUNGT ODER PRINZIP HOFFNUNG?
Versuch einer Entgegnung auf Hans Jonas` Kritik an Marx und Hans Bloch
(28) …. Dabei wird von ihm [Jonas] nicht einmal zur Kenntnis genommen, dass es hinsichtlich des Utopiedenkens sogar noch einen Unterschied zwischen Marx und Bloch gibt, der vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass die Utopien der französischen Frühsozialisten von Marx und Engels im „Kommunistischen Manifest“ als zu abstrakte Projektionen ins Imaginäre kritisiert werden, die den wirklichen Bezug zum unterdrückten und kämpfenden Proletariat verloren haben; wohingegen es Bloch eigentlich darum geht, den wissenschaftlichen Sozialismus des historischen und dialektischen Materialismus mit der Tradition des utopischen Sozialismus wieder zu versöhnen. Dazu erweitert Bloch den Marx’schen Realitätsbegriff und auch den „klassischen“ Materiebegriff des Marxismus….
Ebenso inakzeptabel ist Jonas’ radikaler Zweifel an den Realisierungsmöglichkeiten utopischer Erwartungen und utopischer „Träume nach vorwärts“, d.h. all jener „Tagträume vom aufrechten Gang“, die für Bloch der Hauptzielinhalt des „antizipierenden Bewusstseins“ sind. Nach Jonas liegt der „Hauptfehler“ an Blochs Utopie einer von Entfremdung befreiten Gesellschaft, in der die Freizeit, das „Hobby“ und die ungehemmte Entfaltung der schöpferischen Potentialitäten der Individuen zu bestimmenden Elementen werden, in der prinzipiellen Trennung des „Reichs der Freiheit“ vom „Reich der Notwendigkeit“, sowie in dem Umstand, dass die „Freiheit hier jenseits der Notwendigkeit“ angesiedelt wird, statt sich mit ihr zu verschränken.
(29) Das „Reich der Freiheit“ wird für Jonas offensichtlich zu einer Schreckensvision. So geht er noch einen Schritt weiter und beklagt den zusätzlichen „Verlust der menschlichen Würde“, die seiner Ansicht nach das unvermeidliche Ergebnis der Schaffung eines „Reichs der Freiheit“ im Sinne von Marx und Bloch wäre. Er verschweigt dabei aber vollständig, dass Bloch selbst - ich verweise hier nur auf sein Buch „Naturrecht und menschliche Würde“ - einer der grössten philosophischen Anwälte des Begriffs der „Menschenwürde“ nach Immanuel Kant ist und unbestritten der neo-marxistische Denker des 20. Jahrhunderts, der sich zur Begründung seines revolutionären Humanismus am stärksten auf den Begriff der „Menschenwürde“ stützt. In seinem Buch „Naturrecht und menschliche Würde“, der letzten in seiner DDR-Zeit in Leipzig entstandenen Schrift, beruft sich Bloch immer wieder auf diesen aus der idealistischen Philosophie stammenden Begriff, versteht ihn als unverzichtbares Element seines eigenen humanistischen Materialismus und verwendet ihn nicht nur zur Kritik des Faschismus, sondern auch zur Kritik der Missachtung der Menschen- und Bürgerrechte durch die bürokratischen und staatsvergötzenden Regime des „real-existierenden Sozialismus“. Wie kann also Hans Jonas zu der Behauptung kommen, im Zuge der Eröffnung des „Reichs der Freiheit“ und bei der Realisierung utopischer Zielinhalte trete unvermeidlich ein Verlust der Menschenwürde ein?
Mit dieser Kritik und Polemik zielt Jonas nicht nur auf die Emanzipationsphilosophie Marxens und Blochs. Sie ist offenkundig zugleich gegen Herbert Marcuse gerichtet. Dieser unterstreicht in seiner freudo-marxistischen Soziologie das Moment des Triebverzichts im Realitätsprinzip, das die entfremdete Arbeit darstellt, und vertritt die These, dass bei Voraussetzung des in der modernen spätkapitalistischen Gesellschaft erreichten Produktivitätsniveaus unter neuen gesellschaftlichen Bedingungen eine schmerzlose Befriedigung der Bedürfnisse möglich sein müsste. (30) Jonas hält dies für reine Fiktion und besteht auf der kritischen Feststellung, dass dies allein schon „vom psychologisch-praktischen Standpunkt aus zum Scheitern verurteilt“ ist.“
(31) …Andererseits aber scheint er nicht richtig wahrzunehmen, dass der Kernbegriff und der eigentliche Motor von Blochs Ontologie das dynameion ist, d.h. das Sein als ständiges Werden, als ein in einem permanenten Prozess der Veränderung und Entäusserung befindliches „esse in potentia“. Und er ist offensichtlich nicht bereit anzuerkennen, dass in Blochs materialistischer Philosophie die Materie das hypkeimenon, d.h.die materielle Grundlage für die Verwirklichung dessen ist, was möglich und herausbringbar ist. Darüber hinaus ignoriert er die enge philosophische Beziehung des im jüdischen Messianismus verwurzelten Bloch’schen „Noch-Nicht“ mit der säkularisierten Erwartung des „Neuen“ bzw. „Novum“.
(32) Gewiss zitiert Jonas jenen Abschnitt aus dem „Prinzip Hoffnung“, wo Bloch – gegen Kant – die These vertritt, dass „die unfertige Welt noch zu ihrem Ende gebracht“, dass der „in ihr anhängige Prozess zum Resultat gebracht“ und dass „das Inkognito der in sich selbst real-verhüllten Hauptsache gelichtet“ werden kann.
„Das Eigentliche oder Wesen (aber) ist dasjenige, was noch nicht ist, was im Kern der Dinge nach sich selbst treibt, was in der Tendenz-Latenz des Prozesses seine Genesis erwartet; es ist selber erst fundierte, objektiv-reale – Hoffnung.“
(33) Exakt diese Prozesslogik, die Latenz-Tendenz-Dynamik und die marxistische Reformulierung der aristotelischen Lehre von dem „In-Möglichkeit-Seienden“ mit ihrer klaren Ausrichtung auf das Werden und die Zukunft wird von Jonas bezweifelt und bestritten …
Nach Obigem kommt F. Ekardt auch mit Blochs Betonung der
„Menschenwürde“ in enge Berührung und auch sonst mehrfach mit sozialistischen
Vorstellungen, aber in seiner strikten Ablehnung eines Zusammenhangs dessen,
was sein soll mit dem was ist, steht F. E. isoliert da. Hans Jonas dagegen hält
die Existenz der Menschheit für einen Beleg dafür, „dass es die Menschheit
geben solle“. (a. a. O. S.84)
Vorher ging den Auffassungen Jonas‘ „Das Prinzip Hoffnung“ von Erich Bloch, der
sich stärker für die Marxistische kollektivistische Utopie erwärmte. F.
Ekardt erörtert eigentlich „Das Prinzip Freiheit“, und ich zweifle daran, dass
dessen Verabsolutierung dadurch geheilt werden kann, dass man es mit dem
„Prinzip der Nachhaltigkeit“ so quasi substanzialisiert. (E. würde diesen
Einwand besonders energisch zurückweisen, zumal mit Substanz wenig am Hut
hat. Nachhaltigkeit ist ein Modebegriff aus der Zielvorstellung der
Brundtland-Kommission „Nachhaltige Entwicklung“, dem man inzwischen modisch die
Komponente „Entwicklung“ einfach entzieht. “Nachhaltig“ nannte sich früher
„dauerhaft“.) Weiter mit F. E.:
Ohne eine neu fundierte Lehre von der gerechten
Grundordnung und eine Neuinterpretation unserer Verfassungen, ohne ein
neuformatiertes Verfassungskonzept und ohne mehr Generationengerechtigkeit und
Gerechtigkeit zwischen den Völkern dieser Erde (also Nachhaltigkeit) können wir
nicht länger sagen, dass unser Zusammenleben gerecht ist. …
(a. a. O. S.9)
Inhalt
I Unsere Lebensform ist
weder zukunftsfähig noch global ausdehnbar…
D. Der bisherige verfehlte Nachhaltigkeitsdiskurs: Worthülsen ohne Begründung,
Konkretisierung und praktische Durchsetzung,,,
Die westliche Lebensform: weder dauerhaft durchhaltbar noch globalisierbar?
Die Lebensform, das Gerechtigkeitsdenken
und das Recht in westlichen Staaten sind seit den bürgerlichen Revolutionen im
großen und ganzen liberal. Liberal nicht im Sinne des
parteipolitischen Liberalismus oder des noch zu kritisierenden Wirtschafts-
oder Neoliberalismus. Liberal heißt vielmehr eine Ordnung, die auf weitgehende
Freiheit für die Bürger sowie die Volkssouveränität, also die Demokratie, baut
– und die all dies als Vernunftgebot ausweist… (a. a. O. S.10)
… Doch unser Recht und unsere Moral scheinen sich –wie wohl stets, seit es
Menschen gibt – immer noch auf die Konfliktlösung unter zeitlich und
räumlich zusammenlebenden Menschen zu b e s c h r ä n k e n, und dies
in einer informationell vernetzten Welt, in der wir uns wegen des erreichten
wirtschaftlich-technischen, auch kriegswaffentechnischen
Entwicklungszustandes für alle Zukunft darauf einstellen müssen, daß die Folgen
unseres Handelns weit über uns und unser Land hinauswirken – räumlich
global und zeitlich weit in die Zukunft hinein… [und] bisher nur einem
Fünftel der Weltbevölkerung zugutekommt…
Unsere überkommene zeitliche >Beschränktheit < äußert sich darin, daß
unsere Politik und unsere Gesetze dazu führen, dass wir die Grundlagen
der Freiheit in ihrer dauerhaften Erhaltung für jüngere und zukünftige
Menschen gefährden…. (a. a. O. S.11)
Gegenwärtig emittiert z.B. ein Deutscher jährlich durch seinen Lebensstil rund 42 Tonnen problematischer Substanzen. Davon ist nur ein verschwindend kleiner Teil Schadstoffe. Dagegen ein großer Teil Klimagase wie CO2. … (a. a. O. S.12) … Diese vielberedete ..Klimarahmenkonvention… wird uns selbst bei perfekter Umsetzung nur rund 0,3 Grad der vielleicht 6 Grad Erderwärmung bis zum Jahr 2100 ersparen… (a. a. O.S.14)
Indirekt spricht sich E. damit gegen die Klimarettungspolitik aus, auf die er im Buch aber mehrmals als Aufgabe und Verpflichtung mit allerdings wissenschaftlich nicht haltbaren Begründungen zurückkommt.
Ökonomische Faktoren wirken beim Menschen ebenzusammen mit wohl eher evolutionsbedingten bzw. genetischen Prägungen wie Bequemlichkeit, Kurzzeitdenken, Streben nach sozialem Ansehen, Verdrängung unangenehmer Einsichten und Narzißmus. Wir alle wollen gern unsere Ruhe haben… (a. a. O. S,16) … wir unterlassen nicht im Traum unseren schönen Urlaubsflug auf die Kanarischen Inseln. All dies sind letztlich vielleicht genetisch mitbedingte, typische Eigenschaften des Wesens Mensch…
Da habe ich doch noch wenigsten eine Verkehrsutopie in die
Patentämter getragen, welche den Luftverkehr großenteils durch auch submarin
geführte schnurgerade evakuierte Röhren ersetzen sollte, für die künstliche
transatlantische Zwischeninseln für den Fall von Seebeben vorgesehen waren und
das vereinzelte Zwischenschalten von Personenkabinen unter die Frachtkabinen,
um die Unglückopferzahl zu minimieren. Der Antrieb sollte elektrisch-linear wie
beim Transrapid erfolgen. Übrigens war ich als Erfinder auch bei der Ablösung
der „FCKW-Sprühdosen (a. a. O. S.125) dabei; die Hoechst AG ließ sich zu den
ersten Druckpresslingen (Faltenbälgen mit CO2 innerhalb der Dosen)
anregen. (Ungeschickterweise hatte ich die Presslinge nur in Verbindung mit
Dosierköpfen geschützt, später nur in zu Zwecken der „direkten Injektion
aus Vorratsgefäßen“ weiterverfolgt und hatte natürlich den kürzeren
Atem.)
F. Ekardt dem die Armen in Entwicklungsländern
sonst so große Sorgen bereiten, hat offenbar bei seinen Tiraden gegen den
Flugreiseverkehr nicht an die wirtschaftliche Bedeutung des Reise- und
Urlaubsverkehrs für sie gedacht.
Aber die moderne
Wirtschaft, Wissenschaft und Technik entstand >von selbst< nur im
Abendland – und erst von hier aus verbreitet sich ihr Geist über die ganze
Welt. Das impliziert, daß eine nachhaltigkeitsabträgliche Motivationslage auch
kulturell bedingt ist und nicht nur biologisch… (a. a. O. S.17)
Der Reformation ging es um die Kritik an einem katholischen Autoritarismus und
Traditionalismus, der geradezu bibelfeindlich war. Aus der nachgerade
revolutionären Inspiration der frühchristlichen Zeit war eine bürokratisch
verwaltete Tradition geworden…
Die Reformation brach mit alledem; im Kern stellte sie den Menschen stärker auf
sich selbst und brach mit dem mittelalterlichen Gemeinschaftsdenken. Das
Priestertum aller Gläubigen wurde propagiert und der einzelne direkt auf Gott
verwiesen… Der Mensch könne sich, wie Gott allmächtig ist, weder durch Gebete
und Glauben noch durch gute Taten selbst erlösen – Gott allein entscheide, wer
das ewige Seelenheil und wer die ewige Verdammnis verdiene…
nur eine >perfekte< Welt und ein >perfektes< Arbeiten konnte als
heilig gelten… (a .a. O. S.19) Und dieser radikale
Autoritätsschwund und der so induzierte Pluralismus sind ja wiederum –
gemeinsam mit der Idee einer >Befreiung von allen Fesseln
durch Christi Opfertod – Wurzeln jenes stark auf das einzelne nach
Erlösung strebende Wesen verengten Individualismus, der heute
wirtschaftsliberal oder postmodern-selbstverwirklichend überhöht wird.
Und genau dies wirkt mit der ins Grenzenlose weisenden ständigen Optimierung
des Lebens, die die moderne Naturwissenschaft, Wirtschaft und Technik auf den
Weg bringt, zusammen… Mehr und mehr Arbeit, mehr und immer mehr Fortschritt –
dies schien der einzige Weg zu einem gottgefälligen Leben zu sein.
Damit sind die großartige moderne Freiheitsidee und die existentielle Bedrohung
unserer Lebensgrundlagen in ihrer ideengeschichtlichen Wurzel verwandt…
(a. a. O. S.20)
… das Bedauern der doppelten Freiheitsgefahr setzt voraus, daß eine
freiheitliche und die Belange künftiger und „südlicher“ Menschen achtende
Lebensweise geboten ist… (a. a. O. S.21) … Damit wird unsere Freiheit von Grund
auf neu konzipiert; vor allem werden erstmals … junge und künftige sowie in
anderen Erdteilen lebende Menschen zu gleichberechtigten Trägern
menschenrechtlicher Freiheit (Generationengerechtigkeit und globale
Gerechtigkeit.) Die Freiheits- und Autonomieidee fordere ich also nicht nur
universal in allen Gesellschaften, sondern auch global zwischen den Menschen
verschiedener Gesellschaften und verschiedenen Zeiten… (a. a. O. S.22)
Man beachte, dass E. Gerechtigkeit an AUTONOMIE koppelt, während sie biotel stärker auf GEGENSEITIGKEIT (Wechselseitigkeit) menschlicher Beziehungen bezogen wird.
Die Frage nach der Vernunft brennt schon deshalb unter den Nägeln, weil Liberalismus und Vernunft in einer globalen Welt von den zwei Seiten massiv attackiert werden, die für die doppelte Freiheitsgefahr stehen – und zwar in der Globalisierungs- und Terrordebatte ebenso wie in innerweltlichen Debatten: Nicht nur von religiöser, u. U. fundamentalistischer Seite sowie von kulturrelativistischen Kontextualisten innerhalb und außerhalb Europas, die die Gerechtigkeit in „kulturellen Grundwerten“ und den jeweiligen z. T. auch autoritären „Traditionen“ verkörpert sehen, kommt zunehmend radikale Liberalismus- und Universalismuskritik. Ebenso gewinnen spiegelbildlich skeptizistische (geradezu postmoderne) Ansätze eine wachsende Anhängerschaft. Sie bezweifeln ganz generell, dass Gerechtigkeit und Rationalität möglich sind – und reduzieren damit die Gerechtigkeit auf politisch-ökonomische Machtspiele oder beliebige Mehrheitsentscheide, begleitet durch Formen „privater Selbstverwirklichung“ der Bürger…. Wie aber muss eine Freiheit aussehen, die allen Menschen in einer globalisierten Welt Entfaltungschancen bringt – und zwar dauerhaft und ergo nachhaltig? Dies ist auch unabhängig von der Zukunfts- und Nord-Süd-Thematik die Kernfrage danach, ob und inwiefern so etwas wie eine gerechte Gesellschaft möglich ist – sei es in supranationalen Gebilden wie der EU, sei es im Nationalstaat, sei es zwischen den Menschen verschiedener Erdteile. (a. a. O. S.23,24)
Hier wird die Nationalstaatlichkeit von E. wenigstens noch ernstgenommen.
Kap. V … zielt auf einen
philosophischen und verfassungsrechtlichen modernen Liberalismus, der zugleich
eine umfassende Kohärenz der Gerechtigkeitstheorie mit der Interpretation
liberaler Verfassungen darstellt… (a. a. o. S.24)
…Freilich muß die nachhaltige, freiheitliche Gerechtigkeit nicht nur begründet,
interpretiert und abgewogen werden – sie bedarf auch der faktischen
Durchsetzung in dieser Welt. Der dafür nötige steuerungstheoretische
Liberalismus (Kap.VI) versteht sich als Konzept, wie Nachhaltigkeit real werden
kann (durch Wettbewerb? Selbstregulierung? Verbote?). Zugleich ist
dies ein Versuch darüber, wie politische Steuerung und >Governance< heute
noch möglich sind – in einer Welt, in der die Hoffnung, dass wir alle >rein
freiwillig< nachhaltig leben , leider illusionär ist.
C. Nachhaltigkeit * intergenerationelle und globale Gerechtigkeit
…. Nachhaltige Entwicklung meint, dass unsere Kinder und Kindeskinder auch
morgen noch etwas auf dem Teller haben – und daß überhaupt erstmals alle
Menschen dieser Welt etwas auf den Teller bekommen. Es geht also um eine
lebenswerte. freiheitliche und friedliche Erde für alle Menschen… (a. a. O. S.25)
Na ja, dann folgt die Zieldefinition der Brundtland-Kommission
http://www.are.admin.ch/themen/nachhaltig/00266/00540/00542/
D.
Der bisherige verfehlte Nachhaltigkeitsdiskurs: Worthülsen ohne
Begründung, Konkretisierung und praktische Durchsetzung.
Das Thema der Nachhaltigkeit ist eine dauerhaft und global lebenswerte Welt.
Schon rein vom Wortsinn her setzt Nachhaltigkeit immer den Langzeitbezug
voraus… (a. a. O. S.27)
Hier wäre der Ort gewesen, um sich darüber auszulassen, wie in den derzeitigen Demokratien das Kurzzeitdenken in Wahlperioden durch ein Langzeitdenken ergänzt werden könnte und von wem dieses Langzeitdenken hervorgebracht und wie es in das demokratische System eingebunden werden könnte.
… ein falsches Verständnis von Umweltschutz als reines Schadstoffproblem… Damit wird Reduktion von Stoffverbrauch, Klimainanspruchnahme, Ozonschichtschädigung etc. für den Westen als Form der nachhaltigen Entwicklung impliziert… (a. a. O. S.28)…
.. Nicht zur Nachhaltigkeit zählen ferner Ziele ohne den typischen Zeitbezug, mögen sie auch aus anderen Gründen gutzuheißen sein (z. B. Frauenförderung)…(a. a. O. S.29)
Wenn sich E. hier etwa in der Auswirkung des Feminismus nur nicht irrt!
bekannte…
vier Nachhaltigkeitsregel… Sie bezeichnen als Konkretisierung der
intertemporalen und internationalen Gerechtigkeit, daß (1) erneuerbare
Rohstoffe nur unter Beachtung der Nachwuchsrate genutzt
((>Regenerativen-Regel<), (2) nicht erneuerbare Rohstoffe sparsam bzw.
unter Berücksichtigung ihrer Substituierbarkeit verwendet
(>Sparsamkeitsregel<), (3.) die Assimilationsgrenzen des Naturhaushalts
beachtet und Schädigungen des Klimas sowie der Ozonschicht vermieden
(>Assimilations-Regel<) und (4) Gefahren und Risiken z. B. durch
gefährliche Stoffeinträge weitgehend vermieden werden sollen (>Gefahren- und
Risiken-Regeln<).
Die Regeln überschneiden sich und bilden in der Ressourcenfrage eine
integrierte („einsäulige“) Perspektive, wie ich sie aus den Gründen der
Unterscheidungsunmöglichkeit und aus Gründen der begrifflichen Klarheit ja
selbst favorisiere. Hinzutreten könnte im Sinne physischer
Grundbedürfnissicherung eine elementare Existenzsicherung für alle
einschließlich Rente und elementare Bildung (weltweit) ebenso Fragen des
Staatshaushaltes. (a. a. O. S.29,30) „Ganz allgemein Bildung“ hat dagegen
nicht direkt mit Nachhaltigkeit zu tun. Denn bei ihr wäre wiederum nicht klar,
wie heutige Menschen sie über lange Zeiträume ermöglichen oder verhindern
könnten. Sehr wohl relevant sein kann dagegen der Zugang zu sauberem
Trinkwasser und medizinischer Behandlung – und die Abwesenheit von Krieg und
Bürgerkrieg. All dies ist begrifflich die Idee der Nachhaltigkeit… (a. a.
O.S.30)
Warum der Bogen um die Bildung herum, wenn so große Sicherheit, die ja ohne umfassende Bildung nicht gewonnen und erhalten werden kann, in fast schon sozialistisch-kommunistischer Art versprochen wird?
… Nachhaltigkeit handelt
eben von einer dauerhaft lebenswerten Welt – und wohl kaum davon, wie wir
ohnehin schon Reichen noch reicher werden könnten… (a. a. O. S.30)
… Eine pauschale Erhaltung von Besitzständen ist darum das letzte, was das
revolutionäre neue Konzept der Nachhaltigkeit im Sinne hat… (a. a. O. S.31)
… Wenn es freilich um die Durchsetzung des Gerechten, oftmals nach Vornahme
einer Abwägung zwischen widerstreitenden Zielen/Normen geht, verläßt man das
Feld der normativen und kommt zur instrumentellen Vernunft. Diese betrifft die
Effektivität bestimmter Maßnahmen. Effektivität bezeichnet die Wirksamkeit
bestimmter z. B. von politisch-rechtlichen Steuerungsinstrumenten im Hinblick
auf ein als richtig vorausgesetztes Ziel wie etwa die Nachhaltigkeit…
Hinter der Vernunftebenenentscheidung steht die Scheidung von Sein und Sollen
bzw. Tatsachen und Wertungen/Normen/Zielen/Zwecken/Präferenzen (ich verwende
diese Begriffe synonym). Sie bildet in diesem Buch eine entscheidende Rolle.
Wäre auf der Welt „alles Wertung“, könnte man z. B. keine empirischen Aussagen
über die Steuerungseffektivität einer Maßnahme X zur Erreichung des
vorausgesetzten Ziels Y treffen - oder über Naturtatsachen (Klimawandel) oder
über Erklärungen für unsere Nicht-Nachhaltigkeit. Die Scheidung ist ferner
entscheidend für die (mangels Gründen dafür) bestehende Unmöglichkeit, von
Tatsachen direkt auf Normen zu schließen („naturalistischer Fehlschluss“). (a.
a. O. S.34,35) Aus dem Klimawandel (Fakt) z. B. folgt nicht sein Verbotensein
(Norm). Denn dieser Schluss wäre sinnlos, auch wenn viele öffentliche Diskussionen
so laufen und viele Ökonomen und Naturwissenschaftler so denken. Denn es folgt
ja auch nicht aus dem Faktum. dass Herr X den Y erschießt, dass diese Tat als
„moralisch schlecht“ zu bewerten ist. Um diese Bewertung vorzunehmen, genügt
das Vorliegen einer Tatsache nicht – man braucht vielmehr ein
Bewertungskriterium, also z. B. eine Norm. Die sagt, „man soll keinen Menschen
töten“ oder „man soll die menschlichen Lebensgrundlagen und ergo auch ein
stabiles Globalklima erhalten.“ Deshalb sagen auch die faktische
Nicht-Nachhaltigkeit und die faktisch hinter ihr stehenden Motive nichts
darüber aus, ob unser Leben nachhaltiger werden sollte – ob es also gute Gründe
für einen Wandel gibt…
Es wird im Folgenden zentral sein zu zeigen… dass man …über… Wertungen…
mit Gründen (rational) streiten kann… daß
Grundordnungen/Normen/Präferenzen (universal) begründbar sind – wogegen sich
andere Quellen für Wertungen als die Vernunft (die Tradition, die Religion
usw.) als unhaltbar erweisen werden…. (a. a. O. S.35)
…Klar ist natürlich, dass Tatsachen natürlich den „Anwendungsbereich“
einer Wertung/Norm angeben. Der Satz „Zukünftige Menschen haben ein
Grundrecht auf das Existenzminimum“ ist ein wertender Satz, ebenso wie die
Konkretisierung „Jenes Grundrecht setzt sich in der Abwägung immer durch, wenn
es mit dem Grundrecht auf unternehmerischer Freiheit der heute Lebenden
kollidiert oder die weitere Konkretisierung die unternehmerische Freiheit
enthält, vorbehaltlich der Abwägung mit gegenläufigen Rechten, die Garantie,
Atomkraftwerke betreiben zu dürfen“. … (a. a. O. S.36)
Wirklich eine Vermischung träte aber ein, wenn man sagen würde, daß – entgegen
dem Gesagten – tatsächlich in der Bevölkerung vorfindliche Normen als solche
irgendeinen Anhaltspunkt für ihre eigene Richtigkeit bieten, dass also der
jeweilige „kulturelle Kontext“ oder auch die eigennützigen faktischen
Präferenzen einfach als per se „richtig“ anzusehen sind. Würde dies zutreffen,
entstünde die ziemlich ungemütliche Frage, ob ein neues, der Tradition und den
eigennützigen Präferenzen fremdes Ideal wie die Ausweitung von Gerechtigkeit
und Recht ins Intertemporale und Globale jemals begründet werden kann. Eine
solche Sein-Sollen-Verknüpfung scheitert jedoch (Kap.II). … (a. a. O. S.37)
Ich übergehe die Argumente gegen die „Postmodernen“ mit ihrem Konstruktivismus, obgleich sie in der Schul-Inklusionsdebatte Wasser auf meine Auffassungs-Mühlen wäre.
Ursachen und innere
Tatsachen sind vielleicht schwer zu beweisen, ebenso wie ein Mörder mitunter
schwer zu finden ist…
Damit lassen sich Tatsachen von Wertungen/Normen scheiden. Wann aber sind
Normen, Wertungen, Grundordnungen gerecht und begründet? In der
Gerechtigkeitsphilosophie lassen sich spätestens seit der frühen Neuzeit im
wesentlichen vier Grundansätze auseinanderhalten. Ich nenne diese vier –
natürlich stilisierten – Richtungen (a) kontextualistisch,, (b) metaphysisch.
(c) liberal und (d) skeptizistisch, wobei die
Richtungen teilweise auch kombiniert auftreten (etwa im Marxismus oder der Rede
von einem „ewigen Naturrecht“). (a. a. O. S.39,40) Sie finden die
Gerechtigkeit unter Berufung auf (a) Herkommen und tatsächlich gelebte
Kulturtraditionen und Intuitionen („Kontext“); (b) auf jenseitige Instanzen wie
Gott oder ewige Ideen; (c) auf die normative Vernunft; (d) unter Bestreiten
jeder Normbegründbarkeit einfach „gar nicht“. Die letztere, skeptische Sicht
heiße positivistisch, sofern sie normative Prinzipien für möglich hält und
diesen lediglich die Begründbarkeit abspricht; sie heiße postmodern, wenn sie
nicht nur Normen; sondern konstruktivistisch auch Tatsachen für reine
subjektive Konstruktion und für unbegründbar hält; und nihilistisch, sofern
einfach jede Norm (und nicht nur wie bei den Positivisten und Postmodernen
deren Begründbarkeit) abgelehnt wird. Eine spezielle Variante des Positivismus
sind übrigens die (hobessianischen) ökonomischen Eigennutz-Theorien.
Liberalismus nenne ich entgegen verbreiteter Übung (in der Presse sowie der
Ökonomie und der Jurisprudenz) nicht den alten, z. T. autoritären
Wirtschaftsliberalismus. Liberalismus ist hier einfach die Lehre,
die diejenige Grundordnung für gerecht hält, die gut und womöglich
universal begründet ist, also der normativen Vernunft entspricht. Diese
liberale Vernunft unterscheidet sich dabei von anderen Lehren; die sich
z. T. ebenfalls vernünftig nennen, durch ihren kritizistischen Anspruch, also
durch ihre Reflexivität. Liberale Normen werden, noch ungeachtet aller Details,
nicht religiös oder aus rein faktisch gelebten Sitten deduziert. Vielmehr
werden vorfindliche Traditionen kritisch auf rechtfertigende Gründe befragt…
Meine Thesen zu Nachhaltigkeit und Freiheit… richten sich auf eine allgemeine
Gerechtigkeitstheorie. Sie richten sich aber auch auf eine Interpretation der nationalen,
europäischen und globalen Verfassung. (a. a. O. S.40,41) Deren Gegenstand ist
ja gerade die richtige Grundordnung des Zusammenlebens oder wenigstens von
Entscheidungen, die für “alle“ gültig sein sollen. (Die weitere Frage nach der
„persönlichen Moral“, also danach, wie sich der einzelne verhalten soll, kommt
im Liberalismus, der innerhalb des Gerechtigkeitsrahmens gerade breite
Freiräume eröffnet, nicht gesondert vor, wie man noch sehen wird, sondern
beschränkt sich auf die Pflicht für die richtige Grundordnung und ihre
optimale Verwirklichung einzutreten.) (a. a. O. S.41)
Aber hier zeigt sich bereits die Blindheit gegenüber der Wirklichkeit und
gegenüber der Tatsache, dass diese breiten Freiräume ja gezielt dazu benutzt
werden können und benutzt werden, die liberale Grundordnung zu unterhöhlen und
schließlich zum Einsturz zu bringen. Die Religionsfreiheit etwa führt dazu,
dass wachsende Teile der Menschheit sich unter innerer Befriedigung oder
einfach aus Zwang zur Zugehörigkeit (Herdentrieb und-zwang) in eine totalitäre
Ordnung einfügen, welche zugleich ihre starke Vermehrung befördert und
begünstigt durch die demokratischen Doktrin der Mehrheitsherrschaft den hier
vorgetragenen Ideen des sich den ansonsten Natur- und Lebensnotwendigkeiten
Rechnung tragen wollenden Liberalismus die Grundlagen entzieht.
Damit entsteht die
Frage nach dem Verhältnis von Gerechtigkeitstheorie und
Verfassungsinterpretation. Dabei erübrigt keinesfalls die Existenz einer
Verfassung die Frage nach der Gerechtigkeit der Grundordnung (wie einige
Juristen meinen). Denn um sagen zu können, ob eine Verfassung gerecht oder
ungerecht ist, braucht man ein Kriterium, das nicht selbst wieder aus der
Verfassung entnommen sein kann (sonst wird man zirkulär)…. Aber was
begründet die Verfassung selbst (und damit indirekt auch die einzelnen Gesetze,
deren Gerechtigkeit ja an der Gerechtigkeit der sie begründenden Verfassung
hängt)? … Und auch rein faktisch wird eine liberale Verfassung dauerhaft nur
akzeptiert werden und damit real durchsetzbar sein, wenn sie begründet ist…
Da die Gerechtigkeitslehre ergo der Grund des Rechts ist, dirigiert sie auch
seine Auslegung in den sehr unklaren Rechtsbegriffen der Verfassung wie z. B.
Freiheit, Würde, Demokratie. Denn wie wollte man sonst rationale Kriterien
dafür gewinnen, was jene Begriffe, die in jeder okzidentalen Verfassung
auftauchen, dort aber nicht näher definiert werden, bedeuten? (a.
a. O. S.41,42)
… Und zwar braucht man für die Rechtsinterpretation gerade den Liberalismus.
Nicht nur, weil diese Gerechtigkeitstheorie die unhintergehbar gerechte und
zwingende ist (Kap. II), sondern auch weil unsere Verfassungen spezielle
Anhaltspunkte für eine liberale Affinität enthalten – z. B. in Gestalt der
Verwendung der liberalen Grundbegriffe…
zuletzt noch folgendes: Verfassung und Recht sind keinesfalls einfach „die
Interpretation der Verfassung/des Rechts durch das Gericht X Y“ bzw. „durch die
Mehrheit“. Denn diese Interpretation kann falsch sein…. Ich trenne deshalb in
folgenden die Frage nach den inhaltlichen Gerechtigkeitskriterien (Kap. II,
III, IV) von der Verfahrensfrage, welche Instanzen,/Mehrheiten/Gerichte diese
Kriterien am ehesten gerecht anwenden können (Kap. IV D, V). … (a. a. O.
S.42)
… daß Rechtsinterpretation im Kern wertend , aber ebensowenig irreal
(Kap. II) ist wie liberale Philosophie. Denn es ist eben keine Verfahrensfrage,
was man z. B. unter Freiheit zu verstehen hat und da das gesamte Recht
stets im Lichte der Verfassung auszulegen ist, ist die Interpretation aller Gesetze
stets normativ…. (a. a. O. S. 43)
II Wann sind Gesellschaften gerecht? Eine universalistische Neubestimmung
…Ist Gerechtigkeit
schlicht eigennutzenabhängige oder einfach irrationale Ansichtssache, oder ist
sie kulturrelativ – oder ist gerade die Gesellschaft gerecht, die bestimmten
religiösen Prinzipien folgt? ... oder ist sie liberal/normativ rational
bestimmbar? Dies ist die Grundfrage einer globalisierten und zerrissenen Welt,
die wegen dieser Frage Terror, Kriege und Bürgerkriege führt – und die nach
ihrer Zukunftsfähigkeit sucht… Ja, wir können ein solches Ideal begründen….
Nur ist dieses Ideal weder der alte okzidentale Liberalismus noch der
islamische Gottesstaat – und es ist auch nicht die postmoderne Beliebigkeit,
für die alles irgendwie „okay“ oder eine bloße Mehrheitsfrage ist… (a. a. O.
S.44)
Aber E. gibt
auch keine konkreten Schritte an, wie man das Kurzzeitdenken der derzeitigen
Demokratie in deren Überlebensfragen zurückdrängen könnte. Denn wer kümmert
sich denn um seine Überlegungen, sobald einmal die religiöse Doktrin Oberwasser
hat und eben den Gottesstaat für den gerechten erklärt? Der Mensch ist eben im
Grunde ein Herdenwesen und seine Autonomie von der Gemeinschaft abhängig, in
der er lebt.
A. Warum Religion, kulturelle Grundwerte, Postmoderne und
Wirtschaftsliberalismus keine Probleme lösen
Wann sind eine
Gesellschaft und ihre Ordnung gerecht? Warum sollte gerade jene Ordnung
die allein richtige sein, die Freiheit und Demokratie verheißt, sei es in
Europa oder sonst wo immer? Die Liberalen sind es, die die These von der
universalen Richtigkeit der Freiheit für jede einzelne Gesellschaft weltweit
vertreten, und sie begründen dies meist mit zwei Kernideen: mit der Würde jedes
einzelnen Menschen und mit dem Unparteilichkeitsprinzip. Würde (gleiche
Achtung) sei im folgenden – vor aller Detailerfassung – verstanden
werden als der gebotene Respekt vor dem einzelnen Menschen als autonomes Wesen;
Unparteilichkeit heiße Nichtidentifikation einer Ordnung mit
Sonderinteressen. Der alte Liberalismus, der das abendländische Denken seit
langem beherrscht, betrachtet jene zwei Prinzipien als Vernunftgebote. Seine
klassische Form, um deren Revision in puncto Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und
Freiheit es vorliegend gehen soll, findet sich bereits markant bei Immanuel
Kant (und heute z.B. bei Ottfried Höffe). Kants Streben, situiert im
zeitlichen Kontext der nordamerikanischen und Französischen Revolution,
galt einer zwingenden, unhintergehbaren Fundierung der politischen
Freiheit, also des unveräußerlichen Rechts jedes Individuums, selbst über
seinen Lebensentwurf zu bestimmen und möglichst frei zu bleiben von
staatlichem Zwang. Für Kant folgt ein solches Recht zwingend aus
der menschlichen Vernunftbegabung und der in ihr enthaltenen Willensfreiheit,
also der Fähigkeit zum reflexiven Umgang mit Einflüssen, die auf einen
einwirken. Jeder Mensch als Mensch habe die Befähigung, Gründe zu geben
und Zwecke zu setzen; und dies verleihe ihm eine universale und unverlierbare
Würde, gebe ihm also einen intrinsischen Wert und zwinge dazu, seine Autonomie
zu achten.
Fußnote: Übrigens sieht man schon bis hierher: Die vier Konzeptionen des
>Verhalten-Sollens“ (liberal/metaphysisch/ kontextualistisch/skeptisch)
knüpfen in gewisser Weise jede an besonders einen der vier Faktoren des
>faktischen Verhaltens< an (normative
Vernunft/Gefühl/Konformität/instrumentelle Vernunft) – die zur Scheidung
materiell/genetisch/kulturell bekanntlich quer liegt. (a. a. O. S.45)
Aber - so muss
ich entgegnen – der einzelne Mensch, zumindest wenn man einen aus dem
Durchschnitt herausgreift, wird wohl kaum sein Verhalten im Einzelnen –
schließlich gar noch in seinen Folgen „intertemporal und global“ – übersehen
und deshalb auch verantworten können. Die Biotelie-Konzeption geht davon aus,
dass nahezu in der Regel ein Sein die Veranlassung und Anregung zu einem Sollen
gibt, so wie eine Knospe in uns bereits die Vorstellung des aus ihr sich
entfaltenden Blattes anregen kann.
Die Komplexität der Lebenszusammenhänge besonders heute erfordert für eine
vernünftige Gesetzgebung den Einsatz einer an der Wirklichkeit orientierten und
um Wahrheit ringenden Wissenschaft, um wenigstens bei Teilentscheidungen die
richtige, lebenstragende Wahl zu treffen. Das Zusammenziehen aller
lebenstragenden Prinzipien auf eines, nämlich auf die AUTONOMIE dient
vermutlich der Anwendungsfähigkeit und Durchsetzungsfähigkeit der Gerechtigkeit
weltweit und in die Zukunft hinein wenig. Eine gewisse PLURALITÄT (Vielfalt)
der Lebensauffassungen und auch der Regierungsformen wird man zulassen müssen,
bereits des Wettbewerbs und der dabei sich entwickelnden AUSLESE zum Besseren
hin, also der „nachhaltigen Entwicklung“, wegen. (Dies bestreitet auch E.
nicht.) Dass die Demokratie als Staatsform geboten wäre, dafür gibt eigentlich
auch E. keine Belege; denn gegen Mehrheitsbeschlüsse äußert er Bedenken und
will sich in die Gewaltenteilung retten, bei der dann schließlich Gerichte, d.
h. Juristen wieder das letzte Wort hätten, da sie ja über die Anwendungs- und
Auslegungsart der liberalen Verfassungsgrundsätze entscheiden. Aber die
Freiheitsbelastung über die Verrechtlichung des Lebens ist ein Kreuz, wie es
besonders im explodierenden Versicherungswesen etwa der USA deutlich zutage
tritt. Die juristischen Hochschulabgänger sind großenteils weltfremd und nicht
einmal mehr theoretisch orientiert; sogar Rechtsphilosophie und
Naturrechtslehren sind ihnen fremd geworden.
Das Gewicht und die Wertschätzung der direkten Demokratie wird von E. umgangen.
Dabei werden Kollektivzusammenschlüsse eigentlich nur auf freiwilliger Basis
gerechtfertigt, von einem Eigenwert der Familie und der Gemeinschaft überhaupt
ist bei ihm nicht die Rede. Der Staat als beliebig errichtete
Verwaltungsinstanz – von Neoliberalen in den letzten Jahrzehnten im geistigen
Schlepptau des Marxismus zugunsten einer illusorisch-utopischen
Weltgesellschaft bereits aufgegeben – wird als Regelungs- und
Vermittlungsinstanz zwischen den Individualrechten dann doch von E. als unentbehrlich
anerkannt; wie sollten die Rechte etwa künftiger Generationen auch über eine
Art Ombudsmänner oder –frauen auch sonst wahrgenommen werden?
Biotelie folgt dagegen den Vorbildern bereits im Tierreich, die häufig
kollektiv zusammenhalten (müssen), und spricht auch rechtlich Kollektiven und
vor allem gewachsenen Gemeinschaften genuine Rechte zu. So wie der
Mehrheitsbeschluss in der Demokratie im biotelen System ernst genommen wird, so
auch das Gemeinwohl als Ausdruck von Vorteilen für die Mehrheit. Minderheiten
haben zwar auch Rechte für ihre Eigenständigkeit, die sie aber dem Willen, den
Traditionen und der Kultur eines Mehrheitsvolkes unterzuordnen haben. Nur so
kann vermieden werden, dass der heute unübersehbare Kampf der Kulturen sich
nicht noch weiter verschärft. (Zur Erinnerung: das auch biotel durchaus zu
rechtfertigende, ja fast zwingende, im Ausland viel gescholtene Minarettverbot
in der Schweiz!). Dem Maßstab der individuellen Freiheitsmaximierung – wenn man
so die biotelen Aspekte-Abwägungen in denjenigen der AUTONOMIE zusammenzieht –
für alle jetzt und künftig Lebende kann nicht einmal ein juristisches Genie
(wie es E. anerkannter Weise ist) gerecht werden.
Einschub vom 17.06.2019:*)
*) noch ohne
den Beweis antreten zu können – denn mein Buchexemplar hatte ich
weiterverliehen und es ist verschollen und erreichbare andere Exemplare der
Ersten Auflage hat E. durch Streichung offensichtlich verändern lassen –
erinnere ich mich an einen Vorschlag E.s, der auch einen Rezensenten im
Internet damals zur Erwähnung „eines eigenartigen Rechtsverständnisses“
veranlasste:
E. forderte bereits ziemlich am Buchanfang, dass Rechtsbeziehungen nur noch
zwischen Individuen und nicht zwischen Kollektiven zugelassen werden sollten.
Diese Auffassung beschreibt den Gipfelpunkt des Individualismus, was sich
später im Buch immer wieder bestätigt, so wenn E. auch freiwillige kollektive
Zusammenschlüsse zulassen will oder in seiner Ablehnung von familiärer
Abhängigkeit und seine Leugnung einer Verpflichtung zur eigenen Arterhaltung.
Offenbar wurde E. dann doch rasch gewahr, dass ohne kollektive
Rechtsbeziehungen ein Wirtschaftsleben unmöglich ist. Eigentlich hätte er mit
der modischen Betonung auf Nachhaltigkeit im Buchtitel, ja auf Biotelie also
Lebenserhaltung als übergeordnetes Ziel setzen müssen und nicht auf AUTONOMIE,
die ja verabsolutiert keine Geburtenlenkung und Mäßigung des Machtrausches bis
zum globalen Holocaust zulässt. [Einschub Ende]
Gemeinwohl, aufgefasst als subsidiäre (gestaffelt aufgebaute) Verantwortung über Familie, gewählten Verein, Gemeinde, Nation bis hin zur Menschheit ist ein Wertgefüge, das von den (meisten) Individuen geachtet wird und geachtet werden muss. Von der verabsolutierten Freiheit der Individuen zum Bruch der damit verbundenen (globalen) Verantwortung gemäß E.‘s neuem Liberalismus ist es für nur auf Entschuldigung ihres Egoismus lauernde Durchschnittsmenschen nur ein Schrittchen. Auch E. hat sich mit mir nicht in den erbetenen Dialog um Gründe (das geradezu heilig-gesprochene Diskursrecht!) eingelassen. Ich kenne auch keine Instanz in der dies heute der Fall wäre, ehe das biotele Gutachtenverfahren hier Abhilfe schafft.
…Für Kant… [hat ] jeder
Mensch… die Befähigung, Gründe zu geben und Zwecke zu setzen; und dies verleihe
ihm eine universale und unverlierbare Würde, gebe ihm also einen intrinsischen
Wert und zwinge dazu, seine Autonomie zu wahren. Dies aber gelinge nur, wenn er
ein möglichst umfassendes Recht auf politische Freiheit habe. (a. a. O.
S.45,46)
Dies klingt nun vielleicht gut und vertraut. Bei näherem Hinsehen ist
jedoch so ziemlich alles unklar. Warum folgt aus der Vernunft der Respekt vor
dem autonomen Individuum und womöglich auch noch der kategorische Imperativ,
also die Kant‘sche Version des Unparteilichkeitsprinzips: dass eine Norm und
ein Handeln genau dann gerecht sind, wenn sie zum Maßstab einer
allgemeinen Gesetzgebung dienen könnten?
Halt einmal! Kant spricht ausdrücklich davon, dass die Maxime [= Absicht] des Handelns so beschaffen sein soll, dass sie zu einem allgemeinen Gesetz tauge; es geht ihm also hier um die Gesinnung, um Moral und nicht um die Handlungsfolgen selbst, um Politik oder Recht.
Kants Vorstellung, universale Prinzipien wie die Unparteilichkeit schlicht als >Faktum< in der Vernunft auffinden zu können, ist nämlich einigermaßen unklar. Das gilt auch für seinen Hinweis auf die Willensfreiheit als Grundlage der liberalen Prinzipien. Die menschliche Willensfreiheit ist zwar eine notwendige (aporetische und nicht wirklich erklärbare, daher letztlich aber auch >unproblematische<) Vorannahme jedweder Gerechtigkeitslehre, denn ohne freies menschliches Entscheidenkönnen ist die Frage nach der menschlichen Moral witzlos. Sie allein aber begründet keine Rechte, weil sie eine bloß empirische Befähigung ist – und aus dieser folgt nicht logisch die Würde, also das Prinzip des Autonom-sein-Sollens der Individuen gegenüber anderen (sonst: naturalistischer Fehlschluß). Aus der menschlichen Entscheidungsfähigkeit (Willensfreiheit) folgt also noch nicht die Norm, daß wir einen Anspruch auf freie Entfaltung haben sollen (poltisch-rechtliche Freiheit). Wenn Kant demgemäß keine wirkliche Begründung der liberalen Prinzipien Würde, Unparteilichkeit, Freiheit anzubieten scheint (wie ich hier, notgedrungen in Übergehung divergierender Literaturansichten, feststelle), setzt er sich dem – z. B von Apel und Habermas erhobenen – Verdacht aus, eine vage und substantialistische Theorie zu formulieren. Es wird also einfach irgendein Inhalt in die Vernunft hineingelesen…. [weil] er …über kein bzw. kein näher konkretisiertes Konzept von Freiheit, Demokratie, Nachhaltigkeit usw. verfügte… (a. a. O. S.46,47) Dies betonen auch die Vertreter, die ich Kontextualisten nenne (bzw. Kommunitarismus/Kohärismus) und die man vielleicht mit Hegel und Aristoteles assoziieren kann. Sie reicht aber viel weiter zurück und ist der eigentliche historische Ausgangspunkt aller menschlichen Moral und die altehrwürdige Basis allen Nachdenkens über Gerechtigkeit… Als richtig galt schlicht das, was man von der eigenen Familie, der eigentlichen Horde, dem eigenen Dorf gelernt hatte. Und auch heute ist ein solches Denken in unseren Köpfen rein faktisch irgendwie präsent (>Konformität<). Es führt uns zu Fragen, die uns aus den Kantschen Wirren scheinbar auf festen Grund führen – die uns aber auch von vornherein an der Möglichkeit einer universalen Gerechtigkeitstheorie und einer Theorie der Nachhaltigkeit zweifeln lassen. Muss es vielleicht einfach >jeder Kultur< überlassen bleiben, ob Kopftücher in Schulen verboten werden sollen? Ob wir künftige Generationen stärker beachten sollten – und ob das Kollektiv wichtiger ist als das Individuum? Erst recht meinen dies z.B. islamische und chinesische Kontextualisten. Man kann ja auch mit großer Suggestivkraft für Terroristen fragen: Drückt der Liberalismus nicht der Welt kulturimperialistisch einen westlichen Stempel auf, einmal abgesehen davon, daß der alte Liberalismus wesentliche Bedingungen unserer nicht nachhaltigen Welt (Kap. I A.) generiert hat? (a. a. O. S.47,48)
Mit Biotelie
bin ich der Auffassung, dass wir tatsächlich den Kontext mit unseren Ahnen
nicht dergestalt und in dem Umfange zerreißen sollten und dürfen, wie das heute
geschieht, nicht zuletzt durch Überfütterung einer Wissenschaft, die sich am
Zweifel auch an allem ernährt, das genügend Alimente abwirft und es dabei in
Frage stellt, was sich seit jeher bewährt hat. So ist Gerechtigkeit für mich
und für uns in erster Linie ein Ausdruck menschlicher GEGENSEITIGKEIT
(Wechselseitigkeit) >Ich gebe – du gibst< unter dem Sinnbild der Waage
(als Ausgeglichenheit).
Die kennt die Bibel und bezweifelt auch der Koran nicht. Darauf müsste schon
einmal eine Gemeinsamkeit aufgebaut werden. Aber – und damit sollte der Westen
sich nicht einfach abfinden – der Koran verweigert den Menschen anderer
Weltanschauung diese Gemeinschaft in GEGENSEITIGKEIT; und das Fatale ist, dass
unsere Politiker und die maßgebenden Kreise einschließlich der Medien diesen
selbstmörderischen Kurs unterstützen gegen die Interessen ihres Volkes, zu
dessen Wohl sie sich teilweise sogar eidlich verpflichtet haben: wer es wagt,
sich auf die freiheitliche Verfassung, auf Meinungsfreiheit zu berufen und die
Interessen des eigenen Volkes vor denjenigen anderer, die uns ablösen und uns
kaum noch Rechte zugestehen werden, zu vertreten, der wird (wie derzeit PEGIDA)
wie ein Staatsfeind bekämpft. Ich habe nichts davon gehört, dass unser Prof.
Ekardt oder andere Vertreter seiner Zunft in wahrnehmbarer Anzahl sich gegen
diesen Bankerott des Liberalismus zur Wehr gesetzt hätten. Von „Achtung und
Unparteilichkeit“ kann da doch nicht mehr die Rede sein! Wie wird Demokratie
als Mehrheitsherrschaft nun wirklich praktiziert? Ist diese Frage wirklich erst
eine Frage der Ausführungsinstrumente für Gerechtigkeit? Bei ihrer Entstehung
stand doch der Gedanke der Gleichberechtigung der Bürger dafür Pate, was für
gerecht gehalten wurde. Geht es beim Regieren und schon beim Verhalten jedes
einzelnen eigentlich wirklich nur um Gerechtigkeit, und nicht auch um
Richtigkeit und um angemessene Reaktion zur Vermeidung unerwünschter Folgen
zumindest für die Mehrheit, wenn nicht für alle oder (im Extremfall der
Zumutung) schon für einzelne?
Der Kontextualismus erscheint beruhigend und vertraut. Gleichwohl ist eine kontextualistische Position unhaltbar, und zwar schon als Grundlagentheorie – von bestimmten Folgeproblemen für Nachhaltigkeit und Freiheit noch ganz abgesehen. Zunächst einmal: Warum sollte die tatsächlichen Moraltraditionen per se als richtig gelten?
Weil sie sich in Jahrhunderten und Jahrtausenden herausgebildet und in vielfacher Hinsicht für das Überleben der Menschen bewährt haben, ehe unsere Professorenzunft ins Gigantische erweitert wurde und zunächst einmal alles in Zweifel ziehen muss, um beschäftigt zu sein.
Oder wenn wir unsre Intuitionen am jeweils geltenden Recht festgemacht werden: Warum sollten die gerade geltenden Gesetze immer und in jedem Fall als gerecht anzusehen sein?
Muss denn von jedem Gesetz zunächst einmal gefordert werden, dass es gerecht ist: genügt es denn nicht, wenn es richtig ist, d. h. aufgetretene Schwierigkeiten und Probleme unter möglichst geringen Verlusten oder gar mit Zuwachs an Vorteilen löst? Freilich darf und muss sich dann auch die Frage nach der Gerechtigkeit stellen, die Frage darnach, ob es dabei nicht vermeidbare Nachteile für gewisse Personen oder Personengruppen gibt. Aber die Problemlösung steht doch zunächst einmal im Vordergrund und muss sich ursprünglich nicht auf Gerechtigkeit beziehen; dieser Aspekt der GEGENSEITIGKEIT läuft immer nebenbei; er muss nicht Ursache eines Gesetzes sein. Oft wird sich erst im Nachhinein zeigen, ob und inwieweit ein Gesetz auch die Anforderungen der Gerechtigkeit erfüllt; diese Ungewissheit hinsichtlich seiner Tauglichkeit betrifft natürlich auch die Problemlösungsfähigkeit jeden Gesetzes.
… Dazu kommt noch folgendes unlösbare Problem: Wessen Intuitionen sollen überhaupt die maßgebliche >kulturelle Tradition< sein: die der Mehrheit, der Allgemeinheit, der Zwei-Drittel-Mehrheit, der Arbeiterklasse, der Linkintellektuellen? ... (a. a. O. S.48)
Der Linksintellektuellen natürlich! (Zu denen ich E. ebenfalls zähle, denn er kann den derzeitig vorherrschenden Stallgeruch nicht ablegen.)
Man sieht hier, daß
kontextualistische Ansätze letztlich in die Beliebigkeit führen – denn ohne
klare Empirie kann ein Kontextualist einfach beliebige Thesen über
>unsere Intuitionen< aufstellen und damit die Gerechtigkeit manipulieren,
Zumindest zeigt sich hier, daß Kontextualisten keine Argumente gegen einen mehrheitlich
gewollten Fundamentalismus, Faschismus oder Kommunismus haben – und daß sie
noch aus einem anderen Grund autoritär sind: Kontextualisten
unterschieben >uns< gerne irgendwelche Intuitionen, ohne
überhaupt empirisch zu überprüfen, ob dies wirklich unsere Intuitionen
sind… (a. a, O, S.48,49) … Beispiel >China< … All dies
kann man für die Nachhaltigkeit veranschaulichen:
Bedeutet die heute verbreitete Begeisterung z. B. für einen radikalisierten
Individualismus, eine hypostasierte Anthropozentrik und ein überhöhtes
Fortschritts-, Wachstums- und Arbeitsethos, daß jene Ideale gerecht sind? Warum
sollte unsere rein faktische Ignoranz gegenüber der Nachhaltigkeit ihre eigene
normative Richtigkeit belegen? … Wenn eine Theorie jeweils nur das Vorfindliche
rekonstruiert und damit die Zeitgebundenheit alles Normativen betont, gerät das
Zukunfts- und Nord-Süd-Problem niemals in den Blick…(a. a. O. S.49) … Es
gibt eben doch eine universale Richtigkeit von Aussagen jenseits aller
Kulturrelativität. Die Vernunft ist damit die letzte und
universale Instanz, von der aus wir über Gerechtigkeit reden können (und nicht
der soziale Kontext).
Ebenso wie kontextualistische Positionen scheitert auch der Versuch, die
Gerechtigkeit religiös zu finden. Auch religiöse Ideen haben nicht nur faktisch
einen unvorteilhaften Einfluß auf die Genese unserer heutigen
Ressourceninanspruchnahme gehabt… Sie können vielmehr auch normativ keine Rechtfertigung
der Nachhaltigkeit leisten … Doch ist Gott, wie wir seit Kant wissen, eine
Frage des Glaubens – er ist weder belegbar noch widerlegbar… (a. a. O. S.50) …
Am Beispiel Jonas werden wir noch sehen, daß religiöse und quasi-religiöse
Theorien weitere Defekte aufweisen (womit ich nicht bestreite, daß Religion
manche Menschen zur Nachhaltigkeit motiviert und damit deren faktische
Durchsetzung befördert * doch Motivation ist nicht Begründung!).
Ein gerechtigkeitstheoretischer Skeptiker würde nun einwerfen: >Da sieht man
es! Alle Fundierungsversuche einer Konzeption gerechter Gesellschaften
scheitern. Folglich ist Gerechtigkeit etwas rein Subjektives, Befreiungskriege,
Gerechtigkeit im Welthandel, Zukunftsschutz usw. Sind eben einfach
Ansichtssache…
Anders als ihre nihilistischen Ahnherren Friedrich Nietzsche und Martin
Heidegger leugnen postmoderne Skeptiker indes >nur< die Begründbarkeit
von Normen, ohne in jedem Fall die liberalen Prinzipien als solche abzulehnen…
(a. a. O. S.51) [Doch] wenn jede Norm nur eine unbegründbare und nicht
weiter rationalisierbare >subjektive Konstruktion< ist, muß eine postmoderne
Position selbiges gegen sich selbst gelten lassen…
Damit zeigt sich bereits hier: Man kann der Vernunft in Wertungs- und damit
Gerechtigkeitsfragen offenbar nicht entgehen … Es gibt also eine universale
Grundlage… (a. a. O. S.52) … Selbst wenn man davon absähe, daß eine skeptische
Position sich selbst aufhebt, wäre sie zumindest sehr seltsam. Denn sie macht
uns schwach gegenüber autoritären und totalitären Lehren, die doch offenbar
auch postmoderne Denker ablehnen (etwa Foucault und Rorty, aber auch Luhmann)…
Am Widerspruchs-Argument, das die normative Vernunft als unhintergehbar
ausweist, scheitern auch wirtschaftsliberale und utilitaristische
Präferenztheorien, welche die unter Ökonomen und z. T. auch Soziologen und
Politologe gängigen Varianten eines positivistischen Skeptizismus sind. Sie
basieren im Anschluss an die früh-liberalen Klassiker Thomas Hobbes und z. T.
John Locke auf der instrumentell rationalen These, daß diejenige Ordnung
richtig sei, die sich ergäbe, wenn man allein den Eigennutzen der Bürger
zugrundeläge. (a. a. O. S.53,54)… [Aber] die gegenwärtige Ignoranz
gegenüber der Zukunft und gegenüber dem Interesse der Südländer an
Armutsbeseitigung, gleicher Teilhabe am Welthandel usw. ist ja gerade
durch Eigennutzerwägungen westlicher Staaten und ihrer Bewohner verursacht…
Doch alle Präferenztheoretiker halsen sich mit ihrer Orientierung allein am
Instrumentellen, wie es für die historischen Anfänge der liberalen
Freiheitsidee typisch war, die Frage auf: Warum sollten faktische Präferenzen
per se das Gerechte sein? Warum soll das Eigennützige per se das Gerechte sein?
… (a. a. O.S.54)
Weil der Mächtige seinen Eigennutz verfolgen kann!
B. Warum die modernen Klassiker Rawls und Habermas wie Kant wichtige Stichworte geben, aber entscheidende Fragen nicht beantworten
Die Vernunft ist also unbestreitbar. Warum aber soll gerade die freie und demokratische Grundordnung die allein gerechte sein, sei es in Europa oder wo auch immer, und was genau ist daran rational? Die hinter der Freiheit stehende Idee gleicher Achtung und Unparteilichkeit bringt der bekannteste heutige Liberale, John Rawls, mit seinem Urzustand in ein berühmtes Gedankenexperiment. In jenem fiktiven Urzustand sollen sich gleichwertige Entscheider (= Würde) gegenüber stehen, und zwar unter der Bedingung des Nichtwissens darüber, wer sie im realen Leben sein werden (= Unparteilichkeit). Für Rawls ist dann die Ordnung gerecht, auf die sich jene Entscheider einigen würden, nämlich eine freiheitliche und demokratische. …
Biotelie geht in seiner gutachterlichen Verfahrensweise doch eigentlich ähnlich vor. Nur denken wir uns die Gutachter nicht im Urzustand, sondern versetzen sie in einen solchen, indem wir sie in das Korsett der biotelen Zielsetzung, Aspekte und Verfahrensregeln zwängen – die sie (langfristig gesehen) allerdings erweitern oder sonst verändern können, so sie gute Gründe dafür haben – und ihnen zugunsten der Unparteilichkeit und je eigenen Freiheit (Unabhängigkeit) den persönlichen Kontakt mit dem Mit- und Gegenspieler verwehren (Unparteilichkeit). Damit wird der einzelne biotele Gutachter in eine Art Urzustand versetzt, indem die außerhalb des biotelen Verfahrens geltenden Maßstäbe außer Kraft gesetzt sind.
Rawls versucht immerhin,
irgendeine Antwort auf die Frage nach der Begründung seiner zwei liberalen
Prinzipien zu geben – durch ein Überlegungsgleichgewicht: Diese eruiert unsere
zwei angeblich zentralen moralischen Intuitionen, nämlich Achtung und
Unparteilichkeit, (a. a. O. S.55,56) Dies rechtfertigt er daraus, daß sie
wenigstens im Okzident akzeptiert werden. Man kann diese Rawlssche Linie
„minimalkontextualistisch“ nennen…
Rawls … wirft … den alten liberalen und Kantschen Anspruch einer universalen
Gerechtigkeit über den Haufen – denn die Basisintuitionen sind eben nicht
weltweit die gleichen…
Aber ob die Begeisterung der Weltmehrheit für die Freiheit als
einzigem Endziel der Gesetzgebung und Weltordnung von E.
geweckt werden kann, scheint nicht nur mir zweifelhaft; zumal die westliche
Ordnung ja sichtbar im Zusammenbruch begriffen ist und aller Welt demonstriert,
wie Freiheit zum Untergang durch Selbstentäußerung (oder Selbstmord?) führen
kann (oder gar muss?). Will der Mensch wirklich frei sein?? Wer und inwieweit
kann er Freiheit ertragen?
Die Frage im Angesicht der Jahrhundertherausforderung >Nachhaltigkeit< (oder dynamische Stabilität?) ist aber gerade, ob wir den alten Kantschen Anspruch einer universalen Gerechtigkeit (>Gerecht ist, und zwar universal, genau die Ordnung, die der normativen Vernunft entspringt<) wirklich aufgeben dürfen. Kant konnte aber eben auch nicht zeigen, ob Würde und Unparteilichkeit wirklich zwingende Vernunftgebote sind – und ob die Vernunft, noch dazu universal, wirklich unhintergehbar ist… (Zudem scheidet Kant nicht klar genug danach, nach welchen Prinzipien wir unsere Grundordnung bauen sollen – normative Vernunft – und nach welchen wir sie faktisch bauen – normative und instrumentelle Vernunft, Gefühl, Konformität . Man muss auch scheiden, ob ich vernünftige = normativ gut begründbare Ordnungen/Handlungen auch aus vernünftigen faktischen inneren Motiven vornehmen muss; anders als Kant werde ich das verneinen.) …. (a. a. O. S.56)
Die
Erkenntnis, dass man ein Werk zweimal lesen sollte – Prof. Uwe
Schneidewind hat dem meinigen gegenüber auf seinen (vorübergehenden?)
Standpunktwechsel hingewiesen – zeigt sich mir auch hier wieder: die unten auch
mich heute oft störende und unnötige Polemik im Tonfall hätte ich mir auch E.
gegenüber nach dem zweiten Durchgang erspart; denn s a c h l i c h
hätten wir eigentlich häufig zusammenfinden können.
Indem nämlich E. die AUTONOMIE mit Nachhaltigkeit verkoppelt muss er sich auch
mit den „Freiheitsvoraussetzungen“ befassen und diese als unverzichtbar
anerkennen; und diese entpuppen sich dann als die biotelen Aspekte , ohne die
auch E. nicht auskommt, da der Kopf ja nicht ohne Rumpf, Beine und Arme
(„Handlungen“) auskommen kann; auch wenn er diese (nur) zur „instrumentellen
Vernunft“ zählt.
Lassen sich denn nun die
Grundprinzipien Achtung und Unparteilichkeit – und mit ihnen die
Freiheitsrechte – aus der normativen Vernunft zwingend und universal
rechtfertigen? Erst mit einer solchen Rechtfertigung stünde fest, dass eine
liberale Grundordnung die allein gerechte ist…
Der neueste und interessanteste Versuch, die liberalen Prinzipien aufzunehmen
und erstmals zu einer solchen unhintergehbaren und universalen Theorie
zusammenzusetzen stammt von den sogenannten Diskursethikern (Jürgen Habermas, Karl-Otto
Apel, Konrad Ott, Robert Alexy u. a.) Sie fassen die normative Vernunft nicht
länger als etwas Substanzhaftes auf, sondern begreifen sie eben schlicht und
abschließend als die Befähigung, Wertungsfragen mit Gründen zu entscheiden.
Habermas z. B. postuliert sodann das Unparteilichkeitsprinzip – also das
Prinzip, daß die gesellschaftliche Ordnung unabhängig von Sonderinteressen
allgemein zustimmungsfähig sein muß – als zentrales Prinzip der Gerechtigkeit.
Dies wird aber nicht wie bei Kant mehr oder weniger bloß behauptet, sondern im
Verein mit der in Kap. II gezeigten Widersprüchlichkeit eines Leugnens
der universalen Ebene so begründet: Wertungen und überhaupt Erkenntnisse seien
stets an das Medium Sprache gebunden. Sprache käme aber immer nur unter
mehreren Menschen zustande, darum wohne ihr der Zweck der „Verständigung“ inne,
die aber nur argumentativ, also mit Gründen, sicherbar sei. Sobald wir, wie
Menschen dies gewöhnlich tun, Behauptungen aufstellten, müssten wir darum
den begründeten Konsens suchen. Daraus aber ergebe sich das Prinzip, daß genau
jene Norm und jene Ordnung richtig seien, der alle möglichen Beteiligten an
unseren Diskursen zwanglos zustimmen könnten, Ferner müsse jeder seine
Gesprächspartner als Gleiche achten. Das volle Prinzip gegenseitiger Achtung
gerade für das autonome Individuum, aus dem er sodann Freiheit und Demokratie
rechtfertigt, fasst Habermas anders als Kant wohl als kulturrelativ
auf…(a. a. O. S.57.58) Die Autonomieidee soll damit letztlich nur für den
Westen verbindlich sein… Gleiches kann man Robert Alexy fragen, der zudem eine
ergänzende – instrumentell rationale (an Hobbes erinnernde) – Begründung des
Liberalismus aus dem Eigennutzen für jeden Bürger für nötig hält, ohne zu
sehen, dass wir dies vielleicht gar nicht brauchen – und daß solche
Versuche (Kap. II A). unhaltbar sind. Zweitens
liefern die Diskursethiker bisher eher Bruchstücke ab als eine vollständige
Konzeption der Gerechtigkeit. Nicht nur fehlen eine vollständige Konzeption der
Freiheit und der Nachhaltigkeit – und damit eine Antwort auf die Kernfragen
unserer Zeit. Es fehlt auch die im „Kampf der Kulturen“ wohl entscheidende
Weichenstellung, ob die menschliche Vernunft gerade das autonome Individuum
zum Maßstab macht. …
Bei all unseren Geistesverrenkungen unserer Kultur- und Sozialwissenschaftler wird übersehen, dass über die Zukunft der Menschheit wegen der schlechten Beratungsleistung eben dieser Wissenschaftler die Zukunft zumindest eines großen Teiles der Menschheit – einschließlich der zuletzt den Ton angebenden Europäern, – in die Hände der Nachfolger einer autoritären Führung eines Feldherrn und Gelehrten des 7. Jhdts und in die Bäuche der Muslimae gelegt wird, bei denen Geistesfreiheit keinen hohen Rang hat. Die Demokratie und ihre allgemeinen Menschenrechte sind zur ausschlaggebenden Waffe zu deren Vernichtung geworden. Die Natur ist stärker als der Geist.
… Meine universalistische Gerechtigkeitskonzeption knüpft darum im folgenden nicht so sehr an „Sprache an sich“ an – als vielmehr direkt an die menschliche Praxis des Begründens (und damit an die Rationalität) in Fragen der Gerechtigkeit… [damit] … sich aus der normativen Vernunft womöglich nicht nur Regeln für das Gespräch über Gerechtigkeit, sondern für das gesamte menschliche Handeln herleiten lassen. (a. a. O. S.58,59) Und das ist es ja, was wir suchen: Regeln nicht dafür, wie wir uns unterhalten sollen. Wir suchen vielmehr Regeln unseres Zusammenlebens und der gerechten Lösung unserer Konflikte …. Und zwar universale Regeln und damit eine Nachhaltigkeitsbasis…
C. Ein universalistischer Neuansatz: Vernunft, Würde, Unparteilichkeit, Freiheit als unbestreitbarer und alleiniger Kern von Gerechtigkeit
… Ich behaupte also: (I) Gerecht ist eine politische Grundordnung nur dann, wenn sie dem Achtungs- und dem Unparteilichkeitsprinzip genügt, dies neu begründet und daraus Freiheitsrechte und Demokratie herleitet. Freilich ist die Richtigkeit, so meine weitere These, nur gegeben, wenn die Ordnung (II) die Freiheitsrechte zeitneutral und auch (III) global-zwischenstaatlich anerkennt (sich als der Nachhaltigkeit öffnet) und ( IV) den Freiheitsbegriff neu interpretiert. Dies wäre der prinzipielle Bruch mit der altliberalen Tradition. Ich strebe ihn an, indem ich transzendental argumentiere. Transzendentale Argumente zeigen, daß ein bestimmter Satz ) z. B. eine bestimmte Norm) nicht bestritten werden kann, ohne daß der Bestreitende die Norm gleichzeitig wieder voraussetzt. (a. a. O. S.59,60) Sie sind also ein >negativer Beweis<, ein Argument der Unbestreitbarkeit. Dies macht im Gegensatz zum positiv-deduktiven Beweis, der X aus seinem Grund Y folgert und sodann Y aus Z usw. , ihre Kraft aus, dem infinitiven Regreß als dem unendlichen Rückgriff auf immer neue Gründe, die ihrerseits wieder bestritten werden können, und damit dem Scheitern zu entgehen.
Mit dem
transzendentalen Beweis ist das aber so eine Sache, der ich nicht so leicht
folgen kann; greift E. hier nicht auf den Konstruktivismus zurück, den er
ansonsten doch ablehnt? Mit dem transzendentalen Beweis springt man sozusagen
über seinen eigenen Schatten.
http://www.uni-tuebingen.de/fileadmin/Uni_Tuebingen/Fakultaeten/PhiloGeschichte/Dokumente/Downloads/ver%C3%B6ffentlichungen/TranszendArg.pdf
Was kann ich
nicht alles Zweifelhaftes behaupten; habe ich es damit
etwa bewiesen, dass ich die Behauptung widerlege, nur weil ich die Behauptung
zur Widerlegung voraussetzen musste? Im biotelen Gutachtenverfahren wird
ähnlich „transzendent“ vorgegangen. Zunächst einmal sind die Sachverhalte
hinsichtlich ihres Geldwertes schwer aufzuklären; ganz heikel wird es, wenn
Leben und Gesundheit in Geldwert umgerechnet werden sollen um sie vergleichend
ins biotele System einzubringen.
Am gutachten-inklusion.doc wurde deutlich, dass die Erziehungswissenschaft
verschiedene Lösungen kennt. Als Zwischenlösung galt es über biotele
Begutachtung zu verhindern, dass die Inklusion Behinderter einfach als
Menschenrecht erzwungen wird. Und hier gelingt die Widerlegung, d. h. der
negative Beweis, dass auf diese Weise biotele Aspekte aufgehoben würden,
zuvorderst der des VERGLEICHENS mit der Folge einer ständig fortschreitenden
Beeinträchtigung des Bildungswesens. Wegen Schwierigkeiten des positiven
Nachweises für einen biotelen Gutachtenvorschlag wird in die Zurückweisung
eines Folgezustandes ausgewichen, welcher aus Nichtberücksichtigung des
Gutachtenvorschlags folgen würde.
Ähnlich überzeugen kann aber E. nicht bei seiner Verabsolutierung der AUTONOMIE
als einzige Vernunftbastion und der Behandlung der übrigen biotelen
(lebenstragenden) Aspekte als bloße „Freiheitsvoraussetzungen“.
E. leugnet einfach den Kampf der Kulturen, indem der Islam gegen die westliche
Freiheitsideologie und Demokratie nur vorübergehend die schlechteren Karten
hat.
Die Massen lassen sich ideologisch-religiös freiwillig bevormunden; und die
westlichen Demokratien rechnen kurzsichtig nur in Wahlperioden und wiegeln die
tödliche Gefahr für die Freiheit ab. Immer mehr Leute schlagen sich auf die
Seite der offensichtlichen Sieger wegen deren längeren Atems. Die Freiheit
stirbt mangels Verteidiger, ja mangels Freiheitsträger. Die Moslems besinnen
sich auf ihre militante Mannesstärke und ihre Frauen setzen die Kinder in die
Welt. Der Westen aber garantiert global deren Lebensunterhalt? Dabei hegt
doch E. selbst Zweifel an der Richtigkeit der demokratischen Mehrheitsherrschaft. Und wie lange wird dank unserer Liberalität die
Wohlstandverführung etwa gegenüber islamischen Kindern noch anhalten? Folgt nicht dem Geschwafel von der
„bunten Republik“ über ähnliche oder gar unähnliche Vorstellungen [v] zwangläufig die Uniformierung der
Lebensverhältnisse?
… Vielmehr läßt sich durch
zwei transzendentale und zwei Alternativlosigkeits-Argumente die
Unbestreitbarkeit von (a) Achtung und Unparteilichkeit als Ausfluss unserer
Vernunft und (b) der Vernunftbasis selbst zwingend demonstrieren. (a. a. O.
A.60,61
… Meine liberale These ist ja: (a) Universal gerecht ist eine Grundordnung, die
auf Würde, Unparteilichkeit und Freiheit aufbaut (auch wenn dies westlichen
Machtpolitikern ebenso mißfällt wie chinesischen oder islamischen Autokraten).
Und: (b) Gerechtigkeit als Vernünftigkeit ist alternativlos… Es ist zwar
begrifflich klar, daß Vernunft das menschliche Vermögen meint, Wertungsfragen [g]
mit Gründen zu entscheiden. Vernünftig heißt also >begründet<. Aber
welche Ordnung darf sich als begründet bezeichnen? Eine konkrete Methode, um zu
bestimmen, welche Normen >vernünftig< sind, scheinen wir nicht zu
besitzen (auch wenn Kant dies noch nicht sah). …
Deshalb müssen wir auf allgemeine Zustimmungsfähigkeit hinarbeiten und unsere
Partner als Gleiche achten – ja, sogar alle potentiellen Gesprächspartner und
damit alle Menschen über alle Grenzen und Kulturen hinweg … (a. a. O. S.61)
… Jemand, der in seinem Gespräch Gründe angibt, dann aber dem Gesprächspartner
die Achtung streitig macht, widerspräche sich ergo selbst, weil er das leugnet,
was sein Reden in Gründen logisch impliziert. Und genau dieser Nachweis des
Selbstwiderspruchs macht transzendentale Argumente aus (u. U. liegt hier aber
sogar ein normales positives Argument vor). … Und diese Achtung – und jetzt
kommt etwas Zentrales – muss gerade dem Individuum gelten: Denn es sind nicht
Kollektive, die rationale Diskurse führen, sondern es ist der einzelne
Mensch. Mehr noch: Die Achtung muß gerade der individuellen Autonomie
gelten, denn es geht ja gerade um ein freies Sich-Überzeugen von Gründen. Darin
liegt die bei Kant unklare Fundierung der Achtung als Respekt vor dem autonomen
Individuum. Und sofern ein Gerechtigkeitsdiskurs geführt wird, muß, wieder
mangels substantialistischer Maßstäbe und wegen der auf gleiche freie
Überzeugung gerichteten Kategorie >Grund<, sowohl der Ablauf als auch das
Ergebnis allgemein zustimmungsfähig , also unparteiisch, sein. Dies ist die
Begründung der liberalen Basis – und sie ist universal, weil sie an die humane
Praxis des Sprechens in Gründen anknüpft und damit alle Kulturgrenzen
übersteigt, (a. a. O. S.62,63)
Aber der
„Diskurs“ findet ja zwischen Menschen der verschiedensten Bildungs- und
Wissensvoraussetzungen statt. Und die herrschenden Linksliberalen haben es
längst geschafft die Politiker und Medien gänzlich auf ihre Seite zu ziehen und
im „Kampf gegen rechts“ alle anderen und oft richtigeren Ansichten zu
unterdrücken, um sich die demokratischen Abstimmungsmehrheiten zu sichern.
Gegen das Ende der Unparteilichkeit bietet E. aber kein Kraut an.
… Wirklich schlagend werden Achtung und Unparteilichkeit als zentrale Diskursprinzipien
durch den nächsten Schritt: daß sie zugleich Handlungsprinzipien sein
müssen. Denn der Diskurs über eine Frage (oder ein neuer Diskurs über eine
andere Frage) könnte ja jederzeit wieder weitergehen. Wer, auch außerhalb des
Diskurses, das Würdeprinzip verletzt, würde die Möglichkeit zu weiteren
Diskursen einschränken, wie sie angesichts der offenen Vernunft unausweichlich ist,
sobald man sich im Leben auf die Vernunft eingelassen hat. Also müssen die
liberalen Prinzipien auch für das (ggf. wortlose) Handeln gelten. Wiederum lebt
diese Unausweichlichkeit nicht nur von der Inexistenz einer substanziellen (=
inhaltliche Prinzipien enthaltenden) Vernunft und von der Inkonsistenz
antiliberaler Modelle, sondern auch vom Wortsinn von >Grund<. …
Grund ist … etwas, was auch wieder in Frage gestellt werden kann, sobald ich
mich überhaupt erst einmal auf den Vorgang des Begründens eingelassen habe. (a.
a. O. S.63,64) .Darum muß stets… prinzipiell die Möglichkeit eines neuen
Diskurses offenstehen… Würde und Unparteilichkeit als universale Basis
eines gerechten Zusammenlebens müssen demgemäß für Diskurse als
Prozeduren
u n d für ihre Ergebnisse gelten… Diese Handlungs- plus die
Potentialitätsseite von >Grund< errichten einen Raum von
Liberalität, der eben auch die Momente abdeckt, wo ich aktuell gar nicht
diskutiere. Übrigens zeigt sich hier, dass der weit verbreitete Vorwurf, daß Diskurstheorien
Kleinkinder und geistig Schwerstbehinderte rechtlos stellen, falsch ist. Bei
Kleinkindern reicht die künftige Diskursteilnahme als Grund ihrer
Rechte – und bei Behinderten genügt die immer bestehende theoretische
Möglichkeit, sie vielleicht eines Tages zu heilen. (a. a. O,. S.64)
Hierin kann ich wieder schwer folgen. Biotelie bietet nur dann Möglichkeiten für Problemlösungen, wenn die entscheidenden „Diskurs“-Teilnehmer, die Gutachter, an Wissen und gedanklicher Kombinationsfähigkeit den allgemeinen Durchschnitt überragen, ohne aber parteilich zu sein, da sie ja an Gesetzesantrag und Begutachtungsregeln strikt gebunden sind. Ob es dann zum biotelen Gesetz kommt entscheidet in elektronischer Abstimmung die Mehrheit der abstimmenden Betroffenen.
Eine weitere
Ursache für meinen Groll aus 2005 liegt eben im Diskursauschluss von Seiten E‘
s, der dessen These von der zentralen Bedeutung der Achtung und Geltung
zwischen Menschen ja eigentlich unterstützt und bestätigt. Zugleich wird hier
aber deutlich, dass die ganze Diskurs-Ethik eine bloße Finte ist, da höchstens
die am Ausbau ihrer Pfründe interessierten Akademiker zum Gedankenaustausch zu
gelassen werden. Die viel hervorgehobene Unparteilichkeit bleibt weit
abgehängt auf der Strecke. Wie könnte es auch Diskurse (Gespräche) geben, in
denen die Teilnehmer nicht Partei ergreifen? Die Talk-Shows im Fernsehen sind
ein abschreckendes Beispiel für Diskurse über Zeitfragen, zu denen die
Parteiendiktatur ausgewählte und ihr genehme Fachleute und das entsprechend
handverlesene Publikum einlädt – und notfalls lassen sich ja die Mikrophone
auch einmal kurz abschalten. Die „Diskurs-Ethiker“, zu denen ja auch E. zählt,
meinen es also gar nicht ernst mit ihrem Verfahren und der Unparteilichkeit
desselben; und sie können es auch nicht ernst nehmen, eben weil unparteiliche
Diskurse nicht möglich, sondern eine Fiktion sind.
Im biotelen Gutachtenverfahren dagegen kommt der Unparteilichkeit als
Verfahrensvoraussetzung eine zentrale Rolle zu. Dies äußert sich bereits bei
der Gutachterauswahl strikt nach dem Zufallsprinzip und deren gegenseitigem
Inkognito. Möglich wird eine – allerdings nicht zwangsläufige –
Gutachterübereinstimmung erst dadurch, dass deren sachliche Erhebungen als
Quellenverzeichnis und die Verfahrensregeln und –maßstäbe zur gemeinsamen
Entscheidungsgrundlage erhoben werden.
Aus der somit umfassend
gebotenen Autonomie und Unparteilichkeit folgt logisch ein umfassendes Recht
auf Freiheit im Sinne von >Abwesenheit von Zwang aller Art<.
Denn nur mit einem solchen Recht kann ich autonom über meine Lebenspläne
– von denen wir unabhängig von Sonderperspektiven keinen besonders
bevorzugen dürfen – entscheiden….
(a. a. O. S.64)
Der biotele Aspekt der HYPARCHIE (möglichst wenig Gewalt, Zwang oder Bedrohung) ist da wieder bescheidener. Aber ganz so frei sind auch die liberalen Spielwiesen nicht:
…Warum? Weil alle
potentiellen Gesprächspartner Adressat unserer einmal geäußerten Gründe
sind und uns so fortwährend binden – und weil auch die unauflösliche
Verflechtung von Diskurs und Handeln ein Netz von normativen Bindungen
über uns wirft…
Entgegen Alexy sind mit dem Gesagten nicht nur einzelne, besonders offenkundig
diskursrelevante Freiheiten wie Meinungs-, Versammlungs- oder
Vereinsfreiheit universal geboten. Allen Menschen ist vielmehr eine umfassende
Freiheit versprochen, ihr Leben nach eigenen Vorstellungen einzurichten. Dazu
gehören dann aber auch alle denkbaren Freiheiten, wie wir sie aus dem Kanon der
menschenrechtlichen Tradition kennen. (a. a. O. S.66,67)
Bevor wir zu
meinen Aufzeichnungen aus 2005 zurückkehren, will ich das Verdienst E.‘
dankend hervorheben, den biotelen Aspekt der AUTONOMIE so speziell
herausgearbeitet zu haben, Meine Polemik wäre inzwischen durch mein Alter
gemildert worden, zeigt aber auch, wie groß die Bedeutung von Achtung und
Ehre zwischen Menschen ist. Wenn ich diese subjektiven Bewusstseinsphänomene
auch nicht ins Zentrum staatlicher Grundordnung rücken möchte, obwohl Achtung
und Würde mit eine Basis des gegenseitigen Zusammenlebens bilden sollten, so
weist im biotelen Aspekt der AUTONOMIE der Mensch allen andern Lebewesen
gegenüber einen Vorsprung auf. Ich hoffe jedoch, dass Biotelie in seinem Aufbau
auf auch substantieller Grundlage des Lebens – verkörpert bereits im
Zielbegriff der dynamischen Stabilität – die Widerstände von Seiten der
mehr kollektiv-ausgerichteten Kulturen leichter überwinden kann und deren
Verständnis näher kommt. Auch ohne transzendentale Beweisführung können die
biotelen Aspekte beanspruchen zur Herstellung und Fortführung eines bejahten
Lebens von Menschen hilfreich zu sein.
Da es dabei um ein Zusammenspiel und Gleichgewicht zwischen den Aspekten
handelt, können auch stärker autokratisch, ja totalitär organisierte Regime
unter Zeitgewinn für eine Anpassung an eine auch auf das Wohl des Individuums
ausgerichtete Rechtsstaatlichkeit sich eher zur Übernahme bereitfinden. Die
„Freiheitsvoraussetzungen“ liegen im Wortsinn häufig vorrangig vor der
Freiheit.
Wer dem Mitmenschen nicht
maximale Freiheit einräumt, würde ihn darum zugleich in seiner Autonomie nicht
voll achten, weil er ihn stärker beschränken würde, als dies zur Sicherung der
Autonomie aller anderen nötig ist. Zudem wäre man dann nicht unparteiisch, weil
man so bestimmte Lebenspläne mehr befördern würde als andere.
Die ist also der Raum für unsere Diskurse über das Gerechte. Achtung,
Unparteilichkeit, Freiheit sind aber nicht nur normativ, sondern auch
instrumentell rational einleuchtend, das heißt, sie wären auch für einen puren
Egoisten nützlich – soweit man annimmt , was für religiöse Fundamentalisten
freilich nicht gilt, daß Abwesenheit von Bürgerkrieg etc. für fast alle
Menschen äußerst wichtig ist… (a. a. O. S.67)
„Mangelnde Distanz zu ihrer je eigenen Religion“ und damit
„mangelnde Unparteilichkeit“ fördern allerdings auch in unserer Zeit die
Grausamkeit von Menschen. (a. a. O.S,67)
Vielmehr hatte es gerade
den Anschein, daß die Gebote, die von den jenseitigen oder
gemeinschaftsbezogenen Instanzen als „objektiv“ gesetzt wurden, eine Ideologie
lieferten, die höchst ungute menschliche Neigungen geradezu förderte. Daraus
ergibt sich zwanglos eine starke Position des einzelnen mit Freiheitsrechten –
die der Staat (siehe Kap. IV C.) auch gegen seine Mitbürger schützt und die
mich durch gewaltenteilige Demokratie auch vor dem Staat selbst schützen.
Dazu kommt, daß der wohlstandsschaffende Kapitalismus rechtssichere Freiheit
braucht. All dies ist auch für rein eigennützig Denkende einleuchtend…. (a. a.
O. S.68)
… Menschen sind endliche Subjekte – doch wir bringen durch unser Reden ein intersubjektives
Universum normativer Prinzipien zum Entstehen, welches uns lebenslang bindet…
(a. a. O. S.69)
Fußnote: …Auf die innere Einstellung darf man … in liberalen Ordnungen nur
insoweit einwirken, wie dies nötig ist, um ein äußeres Handeln zu verhindern,
welches die liberalen Grundprinzipien verletzen würde. Darum ist z. B.
eine schulische Erziehung hin zu Achtung, Unparteilichkeit und Freiheit
zulässig – nicht indes die Forderung, die Bürger mögen sich mehr lieben. Fehl
geht bei alledem der an Platon erinnernde Einwand von Vittorio Hösle, das
Achtungsprinzip könnte allenfalls eine „objektive Idee“ sein, aber nicht
diskursethisch begründet werden, daß eben nicht jeder etwas zu Diskursen beitragen
könne… Denn erstens gibt es … keine >objektiven Gerechtigkeitsideen<, die sich positiv aus der
Vernunft beweisen ließen… Vielmehr entsteht die universale Normativität erst
dadurch, daß Vernunftwesen mit Gründen über sie zu streiten beginnen.
Zweitens bräuchte Hösle eine >Liste guter Gründe< und eine komplexe
Theorie der Intelligenz, anhand derer man feststellen könnte, welche Menschen
intellektuell in der Lage sind, Argumente zu bringen oder auch nicht. Eine
solche Theorie wird es wohl nie geben – auch wenn konservative Denker wie
Platon dies stets geglaubt haben (und konsequenterweise auch keine
Demokraten waren)… (a. a. O. S.70)
Um die Auswahl
der Diskursteilnehmer haben letztere nie diskutiert; im biotelen
Gutachtenverfahren gibt es da unvermeidlich, dass solche während des jeweiligen
Verfahrens ausscheiden, die die Aspekteordnung nicht anwenden können oder
wollen. Leute mutmaßlich geringer Bildungsvoraussetzungen wird man bereits
nicht zulassen.
… Man kann auch nicht sagen, daß ein liberaler Universalismus fremden Kulturen
minutiöse „kulturimperialistische“ Vorgaben machen würde: Zum einen kollidieren
Freiheiten (die allerdings in der Tat gemeinsam mit den zahlreichen aus ihnen
ableitbaren Prinzipien und mit den liberalen Basisprinzipien den Umfang gerechter
Politik abschließend bestimmen: Kap. IV) sehr häufig untereinander.
Schon das erzeugt große Spielräume für Gesellschaften und Staaten… die… ganz
unterschiedliche Lösungen erlauben… (a. a. O. S.71)
… Erstens ist ein bloßes Faktum für normative Theorien
dann sehr wohl relevant, wenn es eine Unmöglichkeit signalisiert. So ist
es z. B. nicht nur ein Problem der Durchsetzbarkeit, sondern schon der
Begründung, daß die Norm > Ihr sollt jeden Morgen zum Mars joggen“ nicht
durchsetzbar ist. Denn Normen sollen Konflikte lösen… (a. a. O. S.72)
… Insbesondere ist die hiesige Diskurstheorie keine Theorie der faktischen
konsensualen Zustimmung (wie viele es Habermas unterstellen), sondern eine
Theorie der Zustimmungsfähigkeit im Sinne der Unabhängigkeit von Sonderperspektiven.
Zweitens wäre die nötige Konfliktlösung zwischen Menschen, die der Sinn von
Norm ist, aufgehoben, wenn man jemandem, der schlicht >auf stur
schaltet<, ein Vetorecht gegen die Gerechtigkeit einräumen würde (wie er es
auch bei der Idee >faktischer Zustimmung< hätte.) … Drittens mißdeutet
der fiktive Einwand die Fallibilität von Theorien….
Aber hier
geraten wir bereits in den Anschluss der 2005-Erörterungen (weiter unten! Ab
Seite 37)
Noch einige Punkte aus dem Buch sollen vorab noch näher erläutert werden:
Auch im Hinblick auf die globale Gerechtigkeit sei herausgestellt, was all dies auch
bedeutet: Die rein wechselseitige Freiheitsbegrenzung generiert zugleich eine
universale Konzeption des Sozialstaates, zusammen mit dem Junktim und dem Recht
auf die elementaren Freiheitsvoraussetzungen – sei es im Nationalstaat
oder gar (Kap. IV E.) in einem Weltstaat. (a. a. O. S.138,139) Als
besonders wichtig ausgewiesen wird der Schutz der Schwächsten, weil der
Anspruch auf die elementaren Grundbedürfnisse eben ein besonders wichtiges
Freiheitsrecht ist. Und dieser Schutz gilt bekanntlich gerade global und
intertemporal . Dies bemerkt Rawls, der Haupttheoretiker
sozialer Gerechtigkeit, nicht. [Mir ist anderes
erinnerlich.] … Damit ist (a) ein universaler Anspruch auf
Sozialhilfe in Notfällen geboten, ob der Adressat der Nationalstaat oder
der Weltstaat sein mag, was wir ja noch klären wollten. (b) Nur >
sinnvoll< sind sozialpolitische Maßnahmen wie die Bereitstellung von
Kindergärten, also ein Schutz der >weiteren<
Freiheitsvoraussetzungen. (c) Sehr wohl geboten ist dagegen durch
das Junktim eine national/europäische/globale Grundordnung, die die
Folgenverantwortung fördert – die also z.B. jeden Menschen anhält, sich
konsequent um seinen Lebensunterhalt zu bemühen. (d) Weder geboten noch
überhaupt sinnvoll ist ein Recht auf Arbeit, welches nur mit einer
freiheitsfeindlichen Planwirtschaft realisier bar wäre. (c) Zudem müssen alle
sozialpolitischen Maßnahmen stets vor dem Recht auf >Freiheit
von Steuern< gut begründet werden.
Entgegen
Rawls darf bei alledem nicht stets ausgeschlossen sein, daß die Freiheit
auch einmal zugunsten der >weiteren< Freiheitsvoraussetzungen
zurückgestellt werden kann, wenn hierfür gute Gründe bestehen und dies
insgesamt der Freiheit dient. So sichert es die Autonomie aller; Steuern für
die Einrichtung von Nationalparks oder auch von Kindergärten zu akzeptieren,
weil dies die Entfaltung heutiger und künftiger Menschen fördert, ohne indes
>elementar< zu sein – auch wenn Steue3rn unsere heutige Eigentumsfreiheit
beschränken. Klar ist aber, daß eine kommunistische faktische
Verteilungsgleichheit nicht geboten ist – national nicht und wohl noch
weniger global …
Jeder muss also Freiheitschancen inklusive Bildungschancen haben, es müssen
aber nicht alle ein ähnliches oder gar gleiches Einkommen haben. Nicht geboten
ist eine diesbezügliche Gleichheit, weil sie aus dem
Freiheitsprinzip welches seinerseits bekanntlich unhintergehbar ist –
nicht ableitbar ist und damit eine beliebige dogmatische Setzung wäre. (a. a.
O. S.139,140) Und die Idee absoluter Gleichheit müßte zudem in weitem Umfang
die Früchte eigenen Fleißes, wie sie im Rahmen der Freiheit möglich werden,
enteignen. Dies würde zudem den allgemeinen Arbeitsanreiz minimieren und
zum schon in Kap. IV B. erwähnten >Sozialismusproblem< führen, also
die Bereitstellung der elementaren Freiheitsvoraussetzungen sogar
gefährden, weil der allgemeine Wohlstand sänke…(a. a. O. S.140)
…Verdrängungsprozesse dürften eine wichtige Antriebskraft
übermäßiger Ressourcennutzung sein. Hier kann das Junktim einem hypostasierten
Fortschrittsglauben und Wildwest-Individualismus nachhaltig den Boden
entziehen und zwar in Anwendung liberaler Prinzipien. Ein ins Endlose weisendes
ökonomisch-technisches Fortschrittsideal ist kein >Sachzwang<, sondern
menschengemacht.
Aber deshalb darf der produktive biotele Aspekt der AUSLESE keineswegs ausgesetzt werden: Es könnten leicht Zeiten kommen, in denen wir auf unsere moderne Technik in ihrem Fortschritt angewiesen wären.
Es fällt nicht vom
Himmel, sondern wir entscheiden uns dafür. Und diese Fokussierung des
Menschen ist gerade liberal. Keineswegs darf ich die Folgen meiner Handlungen
auf >das System Wirtschaft<, wie der Systemtheoretiker Niklas Luhmann
glaubt …abschieben und damit fröhlich so weitermachen wie bisher. Es geht nicht
um anonyme >kollektive Probleme<, die dann womöglich ein
paternalistischer Übervater lösen müsste…
Die zwei neuen Freiheitsaspekte >Junktim< und
>Voraussetzungsschutz< können freilich auch einmal miteinander
kollidieren, wenngleich Freiheitsvoraussetzungsschutz keinen rigiden
paternalistischen Wohlfahrtsstaat meint… (a. a. O. S.128) So betrifft die
Streichung der Sozialhilfe für einen arbeitsunwillige Bedürftigen dessen
Freiheitsvoraussetzungen. Doch rechtfertigt das Junktim eigentlich die
Nichtzahlung, weil dem Handelnden schlicht die Folgen seines freigewählten Tuns
angelastet werden. Der Anspruch auf den Freiheitsvoraussetzungsschutz sagt nun
aber: Niemand soll verhungern. Daher muss der Kompromiß lauten: Sozialhilfe
kürzen… weil liberale Verfassungen den direkten Arbeitszwang
verbieten<, z.B. Art. 12 Abs.2 GG)… (a. a. O. S.128)
Gute Gründe sprechen somit dafür, die historisch einmalige Dynamik, die das liberal-rationale Denken in den vergangenen Jahrhunderten in der Weltaneignung an den Tag gelegt hat, nunmehr von der Errichtung eine primär wirtschaftlich-technischen Paradieses ab- und einem neuen Ideal zuzuwenden: einem universal zukunftsfähigen Zusammenleben der sich gegenseitig achtenden Individuen in Freiheit… (a. a. O. S.111)
Gut gebrüllt Löwe! Aber die überbordende Menschheitsmasse und –Lawinw bewegt sich doch keineswegs in Richtung allgemeiner individueller Selbsterkenntnis und der Einfluss des Okzident erscheint eher durch Verschwinden im Schwinden!
IV. Freiheit durch universale, globale und intertemporale Menschenrechte – Prinzipien der Nachhaltigkeit
… Die Menschenrechte und ihr begriffliches Zentrum, die F r e
i h e i t, sind der Kern liberal-universaler Gerechtigkeit und Verfassung…
(a. a. O.S.112)
Daß esdaneben keine >anderen<Prinzipien geben darf, wird sich weiter
unten zeigen; auch Leben, Gesundheit, Existenzuminimum erweisen sich so im
folgenden…. Als AQspekte von Freiheit.(„) Gegen den
(nationalen,europäischen,gloibalen) Staat richten sich Grundrechte, weil man
eine Instanz braucht, die die4 Konflikte zwischen den Bürgern löst. Ein
Anspruch auf das Existenzminimum >für jeden gegen jeden< wäre
organisatorisch wenig sinnhaft. Wie sollte denn ich allein (ohne staatliche
Verteilungsentscheidung) z. B. einen Anspruch gegen etwaige Klimaschäden gegen
einen konkreten Mitbürger durchsetzen, wo dch sehr viele die Urheber des
Klimawandels sind?... Zwar wurde die in Menschenrechte mündende Freiheit oben
als >Abwesenheit von Zwang< begründet, ergo als Recht auf maximale
Entfaltung und je eigene Wege zum Glück als Bedingung jeglicher humaner
Diskurse und autonomen Handelns– aber muß Freiheit in einem modern-liberalen
Staat nicht vielschichtiger verstanden werden? … (a. a. O.S.113)
… Dabei ist der Mensch doch nicht nur ein geistiges, sondern auch ein
biologisches Wesen, welches ohne Trinkwasser, Atemluft, Nahrung usw. nicht
existieren und folglich auch nicht frei sein kann… Doch die Selbstvernichtung
unserer Freiheit, die sich durch ihre eigene Ausübung ihrer vitalen Grundlagen
zu berauben droht, muß verhindert werden, weil die freiheitliche Ordnung die
universal richtige ist – weswegen spiegelbildlich auch die (öko-)diktatorische
Beseitigung der Freiheit strengstens abgewehrt werden muß. (a. a. O.
S.114)
A. Die Welt in doppelter Freiheitsgefahr:
Wirtschaftsliberale und postmoderne Wildwestfreiheit versus paternalistisches
Gemeinschaftsdenken
… Ganz allgemein geht es gegen die Alternative zwischen einem
alt-liberalen/postmodernen Hyperindividualismus und einer religiösen oder
kommunitaristischen >stärkeren Unterordnung unter die
Gemeinschaft<….
Die Grundlage des gesamten neuen Weges ist das in der Vernunft wurzelnde
Achtungs- bzw. Würdeprinzip… (a. a. O. S.115)
Man denke hier an die seit kurzem hochkontroversen Terroristen-Folter-Fälle, in
denen nach einer neuen Ansicht die Würde eines (islamistischen)
Terroristen, dem durch Folter die Information über einen geplanten
Terroranschlag entlockt werden könnte, gegen die Menschenwürde der sonst
sterbenden Terroropfer abgewogen werden muß. Und so kann es nicht sein: Die
Würde als solche ist nämlich unantastbar – so Art.1 EUGRC, 1 GG wörtlich…
Allein die aus der Achtung fließenden Freiheitsrechte, z.B. das Recht auf
Gesundheit der Opfer einerseits und des Terroristen anderersewirts, können
daher beschränkbar sein. Zumindest jene >mittelbare Einschränkbarkeit<
ist allerdings entgegen einer alten Ansicht unvermeidbar und keineswegs
>durch die Würde verboten<… (a. a. O. S.117)
Aber heißt das nun, wie ein eine neue Ansicht meint, daß Folter in der Abwägung
>Gesundheit gegen Gesundheit< eben doch zulässig ist? Nein – aber
nicht wegen der Würde, sondern um unser aller Freiheit willen: Denn es
geht mit der Folter zugleich um die Freiheit diverser Unbeteiligter. Wer vereinzelt
die Folter zuläßt, versieht angesichts der Machtmißbrauchsgefahr die Polizei
mit einer Machtfülle, die den Weg inden autoritären Staat weist. Zugleich
liefert man, indem man die vermeintlich >böse Fratze des #Westens< zeigt,
liberal kritischen Islamisten weitere Rekrutierungsargumente und gefährdet
damit die Liberalität dieser Welt dauerhaft. Mehr noch: Ein folternder Staat
ist letztlich kein liberaler Staat mehr… (a. a. O. S.118)
Aber man darf
vielleicht auch anderer Ansicht sein. Warum sollte nicht auch der moderne
Rechtsstaat in Ausnahmefällen Schmerz verhängen können und müssen, um etwa
unschuldige Menschenleben zu retten?
Die Urteilsausführung nach unabhängigem Schnellgerichtsurteil könnte maschinell
erfolgen unter Registrierung von medizinischen Gesundheits- und
Überlebensparametern bei zensierter Ton- und Bildregistratur. Warum sollten nur
Verbrecher die höchste Gewalt über Erleben und Tod ausüben?
Der Terrorist (oder Mörder) selbst löst seine Behandlung aus; bleibt allerdings
noch das Gefahrenfeld, einen Unschuldigen beschuldigt zu haben.
Herrn
Prof. Felix Eckardt, LL. M, M. A.
Sehr geehrter Herr Prof. Eckardt,
bezugnehmend auf Ihr Buch "Das Prinzip Nachhaltigkeit" bitte ich um Ihre Unterstützung zur Überprüfung eines Konzepts gleicher Zielrichtung, an dem ich seit 1943 mit wachsendem Arbeitseinsatz gearbeitet habe. Noch 1959, als ich eine Kurzfassung meiner "Ökologischen Staatslehre" (wie man sie heute benennen würde) vier Freiburger Professoren vorlegte und schriftlich ausführliche Stellungnahmen erhielt, ahnte ich nicht das rasante Tempo der Zerstörung von Natur und Wissenschaft. Es wäre damals einfach undenkbar gewesen, daß es nicht möglich ist, wohlbegründete Thesen, heute niedergelegt in http://www.biotelie.de einer fachkundigen Überprüfung zu unterziehen.
Stoßen Sie sich bitte
nicht daran, daß ich etwa die Benennung des gemeinsamen Zieles als
"Nachhaltigkeit" wegen der Doppelsinnigkeit des Ausdrucks — gibt es
doch immerhin auch ein "nachhaltiges Wirtschaftswachstum",
"nachhaltiges Geschäft", "nachhaltige Mobilität" etc.) für
unglücklich halte, wo doch offenbar auf Lebendigkeit, auf die Erhaltung der
Lebensgrundlagen abgezweckt werden sollte (oder eben doch nicht?).
Sprachmanipulationen sind in nie gekanntem Umfange üblich geworden; und doch
wurde selbst von den Feministinnen, der Begriff "Mensch" - nach Max
Scheler von "männisch" abgeleitet - noch nicht angegriffen und
Menschheit nicht durch "Mann-Frauheit" ersetzt (meinerseits
Anspielung auf Universalität des Menschseins). Da halte ich den Versuch einer
klaren Begriffsdefinition für politisches Zentralziel (dynamische Stabilität -
als Modell"vorstellung" auf fast allen Ebenen tauglich?) und
Instrumentalbegriffe (bei mir schon laut Aristoteles: biotele Aspekte) dazu
doch für dringlich. Es geht doch um einen notwendigen Grundkonsens zunächst
einmal der Wissenschaftler, wenn nicht die düstere
Prophezeiung Herbert Gruhls ("Ein Planet wird
geplündert") sich explosiv rasch erfüllen soll, daß der Mensch zum
Überleben zu intelligent sei.
Tatsächlich stehen die
Neuerer - ich selbst verlor Millionen über die Patentierung einer Vorrichtung
zur schmerzfreien Blutzuckermessung und Insulinbehandlung, die mit Jahrzehnten
Verspätung erst eingeführt wird, und krebse augenblicklich an der
Spielzeugproduktion für ein von mir erfundenes Verkehrsmittel, das jeglichen
Verkehrsstau bei geringster Natur- und Umweltbelastung beheben könnte
- völlig hilflos da: keine Institution (seit Zerfall der Sowjetunion, die
wenigstens einen Ansatz zur praktischen Erfindungsprüfung bot) Neuerungen in Unparteilichkeit
auf ihre soziale Brauchbarkeit hin überprüft und dabei
doch auch politisch-soziale Vorschläge nicht ausschließen sollte.
Ihre Kritik utilitaristischen Aspekten gegenüber ist mir jetzt aus dem Buch ja
bekannt. Sie haben - ausgenommen im Buchtitel (den man aus der Feder von
Vittorio Hösle erwarten könnte!) - den Aspekt der AUTONOMIE zum beherrschenden
erhoben, wie die denn auch Peters in der Synopsis der Weltgeschichte
die Entfaltung der Freiheit zum Ziel der Geschichte erklärte. Meine Homepage
müßte hinsichtlich meiner Auffassung und meines Diskursbeitrages für sich
sprechen. Mehr Worte, das würde doch heißen, Eulen nach Athen zu tragen.
Ich wäre für Ihre
kritische Stellungnahme sehr verbunden, vor allem aber für eine Knüpfung von
Verbindungen zum akademischen Lehrbetrieb,
um die biotelen Thesen und das Anwendungssystem einer Überprüfung zu
unterziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Wolfgang Wagner
Herr Professor E. gehört zu der lobenswerten kleinen Minderheit, die mir auf meinen Anruf wenigstens eine prompte Antwort zukommen ließ, die eine ebenso prompte Absage darstellte. Aber wahrscheinlich hat er recht damit, daß er im engen Verbund mit der Fachprofessorenschaft mir wirklich keine Internetprüfung der biotelen Thesen durch eine Studentenschaft verschaffen kann, ohne sich selbst zum Paria, zum Ausgestoßenen zu machen. Herr E. wird mir doch hoffentlich nicht böse sein, wenn ich mit ihm nicht schonender umgehe, als er es etwa mit einer Geistesgröße wie Platon — der für ihn (in seinem Antwortschreiben) tot ist — getan hat.
Herr E. betont auch in seiner Antwort die Bedeutung der Logik
bei der Beurteilung der Ethik; aber gehört nicht auch letztere bereits
zur Seinswissenschaft, indem sie sich an der Erfahrung als richtig erweisen
muß? Jede Ethik erwächst aus dem Sein und orientiert sich an ihm, ist auf Sein
ausgerichtet. Das "logische" Argument, daß das, was erst sein soll,
nicht schon ist, betrachte ich als Kümmelspalterei. Denn eine Vorstellung
darüber, was sein soll, kommt eben aus dem Vorstellungsvermögen, das im Sein,
in der bestehenden Wirklichkeit wurzelt. Bei den Rotgrünen, die nur für
Farbenblinde noch etwas an Grünem an sich haben, hat sich das Schlagwort
"Nachhaltigkeit" ebenso gut eingebürgert wie das der
"Umwelt". In beiden Fällen stehen wir vor schwammigen
Begriffen, welche aus der Politik kommend oder doch von ihr begierig
aufgenommen, die Begriffe "Leben" und "Lebendigkeit" bzw.
"Naturschutz" vermeiden, sozusagen umgehen sollen, obwohl diese —
etwa auch nach deutsch-nationalsozialistischem Mißbrauch — doch bedeutend
klarer, ja so eindeutig sind, daß man von ihnen derartige Mißbräuche scharf
abscheiden und aussondern kann. "Nachhaltig" kann auch der tote
Diamant sein und was noch schlimmer ist: die Korruption und das Verbrechen. Und
Umwelt ist eigentlich alles für mich, was nicht mein Ich ist. Was wird also
damit überhaupt noch ausgesagt? Und was beliebiges kann man alles vielleicht
morgen unter diesen Begriffen aussagen?
Die Nachhaltigkeit der Dummheit der Leute, ist sie nicht unbestreitbare
Tatsache? Und nun kommt auch noch der Begriff des Prinzips dazu. Lange schien
es mit, als wollten auch die Linken von Prinzipien überhaupt nichts hören, so
wenig wie von Ideologien, von deren utopisch-illusorischen Variante (dem
Marxismus-Sozialismus) sie ja glühende Anhänger sind. Nehmen wir einmal an, daß
Prinzip (wörtlich: Anfang) nicht im Sinne des Ursprünglichen gemeint ist,
sondern in dem des Grundsätzlichen, wohin sich der Begriff
historisch-semantisch bewegt hat. Es wäre ja schon ein Fortschritt, wenn sich
Politiker endlich wieder an Grundsätzen orientieren wollten und darum bemühen
würden, welche Grundsätze dies sein dürfen und was dafür den Maßstab abgeben
soll. Nun soll es hier nach E. also die "Nachhaltigkeit" sein: die
Anspielung auf die Werktitel von Vorgängern, wie Ernst Blochs "Prinzip
Hoffnung", oder Hans Jonas' "Prinzip der Verantwortung" wird in
dem Buch bestätigt. Während doch in der Bezeichnung "Prinzip" das
Vorgängige steckt wird es nun unter der Zusammenführung mit
"Nachhaltigkeit" mit einem Nachgängigen zusammengesperrt! Wie im
Begriff der "Umwelt" haben wir damit also fast alles komplett:
umspannt, sozusagen Welt und Zeit! Und deutlich in Buch und E-Mail betont
E. ja daß, er sich von Konservativen (er nennt Rudolph Steiner und Herbert
Gruhl) distanziere, also von denen. die etwas Bestehendes und Bewährtes etwa
bewahren wollen. Wenn etwas, wie etwa heute die "weiße Rasse" und die
Deutschen im Besonderen, sich nicht mehr genügend fortpflanzen, so wird nicht
etwa nach den Gründen darnach gefragt, um diese abzustellen — schmerzlich nur,
daß Herr Prof. E. zu den wohldotierten Politikberatern zählt — , sondern diese
Gründe als Frucht der Freiheit und nicht etwa als Mangel oder Verstoß gegen die
Nachhaltigkeit hingenommen. Und soweit die Gründe des Aussterbens
festgestellt werden, wird keine Abhilfe eingefordert. Denn jegliche Art von
"nachhaltigem" Zwang — ausgenommen nur vage Anerkennung nach Einigung
auf ebenso vage Ordnungsprinzipien — soll ja Abstand genommen und alles
durch das Mittel der Autonomie, der Freiheit, bewirkt werden. Es gibt ja
genügend Ausländer und dann Einwanderer, die bereitwilligst den eben genannten
Schaden wiedergutmachen. Ich müsste diesen Satz ??? wörtlich zitieren, weil er so schlaglichtartig die politische
Richtung und (meiner Meinung nach) Selbstverblendung des Buchautors beleuchtet,
seine Zeitgebundenheit und damit Verfallenheit an den Ungeist unserer Zeit.
Allerdings, um Mißvertändnissen vorzubeugen: das Selbstschädigungsrecht (sog.
"Rücktrittsrecht", also nicht im üblich-juristischen Sinne eines
Vertragsrücktritts) wird auf naturrechtlicher Grundlage im biotelen
Rechtssystem unter dem Aspekt der SPONTANEITÄT ebenfalls eingeräumt und
verbietet einen Zwang zur Selbstverwirklichung oder etwa gar zur Fortpflanzung;
auf den kollektiven Bereich übertragen also auch eine Zwang zur
Kulturverteidigung. Es ist hier doch die Gesamttendenz, die bei E. zu
rügen ist. Denn der Ausschluß eines gesetzlichen Zwangs zur Selbstbehauptung
enthebt noch lange nicht einer moralischen Verpflichtung gegenüber der eigenen
Kultur; und die eben leugnet E.
Die vorgelegte ist eine Philosophie der Selbstaufgabe und so recht Wasser auf die Mühle des Islam, geradezu eine Aufforderung zur Invasion.
"Die aus der universalen
Freiheitsidee hervorgehende Scheidung Gerechtigkeit/gutes Leben ermöglicht auch
eine präzise Antwort auf eine weitere brennende Frage moderner
(globalisierungsinduzierter) Gesellschaften. Wie ist mit Migranten umzugehen,
die nach ganz anderen kulturellen Konzepten im liberalen Staat leben möchten?
Die Antwort ist: Die Verpflichtung aller Bürger auf eine >Leitkultur< mit
Ordnung, Pünktlichkeit, Anstand ist unhaltbar - aber ebenso falsch ist ein
gefühliges >Alles-Okey-Finden<, wenn Migranten ihre Töchter zwangsweise
in die Türkei verheiraten, Mädchen gegen ihren Willen vom Schulsport befreien
oder wenn Brüder ihre Schwestern physisch bedrohen, weil sie Freundschaften mit
Männern pflegen. Kurz gesagt: Wenn kulturelle Traditionen in den
Anwendungsbereich der Menschenrechte geraten, muß der Staat zum Schutz der
Schwächeren intervenieren. Wenn es dagegen nur darum geht, daß z. B. eine
muslimische Frau freiwillig (!) mit Kopftuch auf die Straße gehen möchte, geht
dies den Staat nichts an. Nebenbei bemerkt, heißt das freilich auch: Es ist
außerordentlich problematisch, wenn die US-Regierung vor ihren
Kabinettsitzungen betet. Denn Religion ist eine Frage des persönlichen
Glücksideals und keine staatliche Angelegenheit". " (a. a. O.
S.130)
Dies wird
beispielsweise im Iran anders gesehen. Und wie wollen wir die
"Freiwilligkeit" denn nachprüfen? F. E. dürfte ja eine
muslimische Frau nicht einmal ansprechen; auch sie länger anzusehen könnte in
gewissen Straßen etwa Berlins unter bestimmten Umständen gefährlich werden. Und
wo konnte der Staat die Schwächeren denn schützen; die sog.
"Ehrenmorde" sprechen doch eine deutlich Sprache Und hier geht es um
die eigenen Leute, die zu Ungläubigen erklärt werden; das Töten Ungläubiger
verbietet der Koran nicht. Noch ist man der List Allahs unterworfen, um auf
freiwilliger Basis die Eroberung der Erde zu betreiben; denn für den Islam ist
der Krieg ein nachgeordnetes Mittel, Mission gibt es für ihn (fast) nicht, und
der "Kreuzzug" bleibt vorderhand US-Präsident W. Bush
vorbehalten. Ein aufgeklärter, aber nicht gerade besonders
fleißiger, türkischer Lehrer, der von der türkischen Regierung beordert wurde,
verhinderte erfolgreich, daß seine Frau auch bei vieljährigem Aufenthalt hier
deutsch lernte; soweit war er nicht nur eingefleischter Nationalist, sondern
auch noch Muslim, dem die Frau eben in völliger Abhängigkeit zu dienen
hat. Die vom Autor angesprochenen Probleme
hinsichtlich der Ordnung bestehen überhaupt nicht. Muslime sind disziplinierter
als wir "Christen"; hinsichtlich Anstand könnten sich viele eine
Scheibe
abschneiden; Unpünktlichkeit wäre mit einem
industriellen Einsatz unvereinbar. Die Aufhebung der Leitkulturen - nur
Deutschland wagt man so etwas expressis verbis zuzumuten - würde die Aufhebung
der PLURALITÄT der Kulturen bedeuten; kein Wunder wenn die Weltmächte USA-Israel eben gegen eine
Konvention zum Schutz der Kulturen gestimmt haben: es soll alles platt gemacht
und gleichgeschaltet werden außer die Cliquenherrschaft; und das nennt man dann
"Freiheit". Es geht um das globale Billionen-Mediengeschäft und
die über die Medien ausgeübte Informationsmacht, die eben von vielen Menschen
zunehmend als Versklavung und Verdummung bewertet, gefürchtet und zunehmend
bekämpft wird. Was hat E. zu diesen Problemen zu sagen?
"Islamischen Kindern [n] im Mittleren Osten wird früher
oder später die Lust auf das enge Korsett religiös-traditionell fundierter
Regeln vergehen, wenn sie nur lange genug via TV andere Lebensoptionen sehen.
Doch warum sollte das gegen liberale Gesellschaften sprechen. Jeder hat ja die
Freiheit, z. B. in eine geschlossene religiöse Gemeinschaft einzutreten. So
kann jeder Traditionalist in einer liberalen Gesellschaft ungehindert z. B.
dafür plädieren, Frauen generell hinter den Herd zu verbannen. Und wenn sich
etwa eine indische Witwe freiwillig (!) mit ihrem toten Mann verbrennen möchte,
würde ein Liberalismus meiner Lesart ihr dies ja nicht verbieten..." (a.
a. O. S.151)
Die eingeklammerten Ausrufungszeichen hinter
"freiwillig" stammen vom Autor, könnten aber auch von mir stammen und
bekämen dann zugleich Fragecharakter. Die genannten großzügig
eingeräumten, d. h. belassenen "Freiheiten", könnten doch auch als
heuchlerische Ironie aufgefaßt werden.
Aber haben denn nun alle diese Menschen wirklich die Freiheit, den westlichen
Wohlstand, sprich Überfluß und Verschwendung, zu genießen? E. verneint
diese Frage selbst. Sein "Zeitwohlstand" anstelle eines
Güterwohlstandes ist doch wohl auch mehr eine Sache für Akademiker. Aus
Langeweile könnten auch Kriege geführt werden, heute wohl eher noch als aus
Freiheitsliebe.
Für bioteles Denken ist Freiheit schon bei den Tieren angelegt und vollendet sich entwicklungsgeschichtlich in der AUTONOMIE des Menschen als Selbstgesetzgebung (Ethik). Kein Hundebesitzer wird bestreiten, daß sein tierischer Kumpan selbst entscheidet, ob er auf das Kommando "Sitz!" gehorcht oder nicht; ausgenommen es handele sich um einen Tierquäler und Sadisten. Die Eigenwilligkeit der Katzen ist sprichwörtlich. Freiheit ist in erster Linie ein Mittel zur Lebensbewältigung, daß sie auch die Würde begründet, gehört eigentlich schon in die Sphäre der Sinndeutung und des Glaubens. Dennoch ist es auch aus meiner Sicht zu begrüßen, wenn die Menschenwürde universal eingefordert wird. Nur muß sie auf alle Fälle als ein wichtiges Instrument der Lebensbewältigung eingesetzt werden, welches die Beachtung der anderen lebenstragenden Aspekte zur Voraussetzung hat.
Die Wirklichkeit, das Sein, wird bei E. weitgehend ausgeblendet, Vernunft beschränkt sich angeblich auf die Sollens- und damit auf die Willenssphäre; der Mensch platzt beinahe vor Überheblichkeit.
"Natürlich ist jeder rein faktisch
durch andere mitgeprägt und könnte ohne sie schlechter existieren (wobei die
Kommunitarier inkorrekt Schwierigkeit mit Unmöglichkeit gleichsetzen). Und
natürlich handeln Menschen, was die Handlungs- und Steuerungstheorie als Lehre
von der faktischen Durchsetzung der Gerechtigkeit (Kap. VI) bedenken muß, z. T.
auch schlicht konformistisch und nicht normativ rational. Doch beweist dieses
empirische Faktum normativ nichts. Empirische Gegebenheiten sind ja stets nur
dann normativ relevant, wenn ein normatives Prinzip ohne etwas Empirische
verunmöglicht würde (Kap. II C.)." (a. a. O). S.145)
Herrlich, es
kommen nach uns die Muselmanen (die Muselmaninnen natürlich als die
wichtigeren, denn sie sind die eigentlich Geschichtsbestimmenden) und die
ganzen von E. aufgestellten Normen sind mangels Substrat, Mangels Normträger
hinfällig!
"Es geht eben auch bei der Jahrhundertherausforderung Nachhaltigkeit nicht darum, mehr >an die Gemeinschaft zu denken<. Es geht darum, mehr an andere Menschen zu denken - dies allerdings auch über räumliche und zeitliche Grenzen hinweg." (a. a. O. S.145)
Typisch Neolinker (der E. nicht sein will): ein geschlossenes,
eroberndes Kollektiv steht vor der Haustür und hat den Fuß schon über der
Schwelle, aber man präsentiert sich nicht als anderes Kollektiv, sondern denkt
nur an "andere Menschen... über räumliche und zeitliche Grenzen
hinweg" und verfällt vom extremen Kollektivismus in einen extremen
Individualismus. Man vergißt, daß man alles, was man hat, seiner Kultur
und seinen Vorfahren verdankt. Der Gemeinwohlidee wird vorgeworfen, daß sie
"monarchistisch und vordemokratisch" sei:
"Der Staat des Gemeinwohls ist bei Thomas von Aquin, Aristoteles und Hegel
eine Art Organismus, von dem der Bürger seine Rechte empfängt und der gegen
über Privatinteressen andersartig und höherrangig ist. ...>Das Ganze ist
mehr als die Summe seiner Teile<…" (a. a. O. S.144)
Aber stimmt das denn nicht? Warum leisten Menschen in bestimmten Gemeinschaften, in bestimmten Staaten mehr oder anderes als andere in anderer Umgebung? Wie kam es zur kulturellen Blüte des Stadtstaates Athen? Und zerfiel sie nicht just dann, als die Sophisten (in Menge) aufkamen und so redeten wie unsere heutigen "Philosophen"?
"Aus ähnlichen Gründen wie die Gemeinwohlidee ist auch die Idee von Eigenrechten der
Natur, also eines Tier- und Naturschutzes um seiner selbst willen, keine zulässige
Freiheitsschranke. Im Grunde genommen ist diese Idee sogar einfach irrelevant,
da Schutzgüter wie Ressourcenschonung, ökosystemare
Stabilität oder Artenvielfalt eben Freiheitsvoraussetzungen sind, teils
elementare, teils weitere.... Aus gleichen Gründen ist die Möglichkeit
naturästhetischer Erlebnisse Freiheitsvoraussetzung : Denn Menschen ohne jede
Empfindung oder sinnliche Anregung verkümmern und werden krank, wie auch die
Kriminalität in Plattenbausiedlungen zeigt. Ökozentrische Belange sind also
schlicht überflüssig..." (a. a. O. S.146)
Tierquälerei
verbiete sich mit Kant aus der daraus entstehenden menschlichen Verrohung. (a.
a. O. S.146) Der Mensch also nicht Hüter der Natur und Schöpfung sondern nur
ihr Verbraucher (Konsument). Die Plattenbauweise konnte zum ökonomischen
Erfordernis werden und letzteres, nämlich Armut und Vermassung, dann auch zu
einem kriminalitätsfördernden Faktor, der aber doch nicht an die
"Platte" allein gebunden ist. Verschafft den Menschen wieder mehr
Raum, vor allem grünen Raum! Auch "in der Platte" muß heute keiner
geistig verkümmern, selbst wenn er durch Krankheit ans Haus gefesselt wäre.
Naturästhetik ist nur für eine Minderheit der Menschen geradezu Lebensbedürfnis
und trägt keinen Naturschutz, sobald auch recht flüchtiger menschlicher
Wohlstand durch diesen zur Disposition gestellt wird. Die
Ökologisch-Demokratische Partei (in der Nachfolge Herbert Gruhls) erhält unter
1 % Wählerstimmen! zur Freude Ekardts. Unser Planet darf weiter geplündert
werden, wenn man nur die geeigneten Verbrämungen dafür findet wie "Die
Grünen", als Linkspartei. Als solche Verbrämung werden - etwa im Hinblick
auf die EU-Aufnahme der Türkei- dann die Stärkung der Menschenrecht und der
Freiheit herangezogen. Daß man sich mit Hereinlassen der Türken bereits
massenhafte Freiheitsverletzungen an Bord geholt hat, das auszusprechen würde
einem den Vorwurf der Ausländerfeindlichkeit zuziehen. Unsere Rechtspraxis
deckt Menschenrechtsverletzungen weit aus großzügiger als die türkische; wir
könnten dies nach dem EU-Beitritt der Türkei noch zu spüren bekommen und
nachträglich der türkischen Regierung Abbitte leisten für zu strenge Kritik am
traditionellen "Militärregime", wie es eben über ein kriegerisches
Volk mit militanter Religion möglicherweise angemessen ist. Das entstehende
Desaster verantwortet man als Demokrat ja längst nicht mehr.
Sieht Ekardt denn nicht selbst, wie er mit seiner Verabsolutierung der Freiheit
in die Irre geht? Kann er sich nicht damit abfinden, daß Vernunft naturgebunden
ist, ein komplexes Vermögen und Instrument der Lebenserhaltung, wobei das
Verhalten aus Grundsätzen und nach Normen und die Freiheit nur eine Facette
ist?
"Ökosystemare Stabilität" -
immerhin fällt auch einmal der Begriff der Stabilität! Aber was will der bei E.
besagen? Anerkennt E. die gegenseitigen Verflechtungen aller Lebewesen damit?
Für einen Freiheitsfanatiker kein weiteres Problem. Der biotele Aspekt der
GEGENSEITIGKEIT ist immerhin schon anerkannt, nicht als selbständiger freilich,
sondern in die nächste Nähe der AUTONOMIE gebracht (wie bei Kant, muß ich
wieder erinnern). Einen "Schutz gegen sich selbst" will auch E. nur
Kindern und bei Geistesversagen zugestehen; er verteidigt diesen Aspekt
allerdings unter der Rubrik Freiheitsbegrenzung und nicht als (biotelen) Aspekt
des Schutzes der SPONTANEITÄT. Ein Kapitel "Freiheit und
Spontaneität" fehlt, vor allem im Hinblick einer Spontaneität, die mit der
Natur verwoben ist. Es soll offenbar genügen, daß Freiheit ja
Handlungsspielräume schafft. E. sieht die "Aufgabe der Politik als
wechselseitigem Freiheitsbegrenzer" (a. a. O. S.147) und damit als
erschöpfend beschrieben an. (Immerhin wird die Wechselseitigkeit
(GEGENSEITIGKEIT) damit benannt. Im Wortlaut:
„Aufgabe der Politik als wechselseitiger Freiheitsbegrenzer ist es zu
klären, was für die Bürger richtig ist, nicht was für sie gut, schön oder
lustig ist.“ (a. a. O. S.147)
„Offenbar wecken Kollektivideen , gegenüber denen >der einzelne unwichtig wird<, eine fatale, das Tor zur Diktatur (im Falle ausreichend extremer äußerer Situationen, z. B. Klimakatastrophe) weit aufstoßende Motivationslage – ohne jede Prüfung, ob die unpersönlich formulierten >Ziele< konkreten Menschen Gutes bringen.“ (a. a. O. S.86)
Zukunftsschutz sowie umwelt- und bioethische Ansätze werden als verfehlt zurückgewiesen (a. a. O. S.86,87) , und darin muß ja beigepflichtet werden, daß Rechtsordnung eine Sache der Menschen ist und ohne Anthropozentrik nicht auskommt. Aber ich geniere mich fast dafür, einen philosophischen Juristen daran erinnern zu müssen, daß nicht AUTONOMIE sondern GEGENSEITIGKEIT (Reziprozität) der Angelpunkt der Gerechtigkeit ist. Für die Urteilsfähigkeit bei solcher Abwägung im VERGLEICHEN hat der Mensch doch seinen Verstand. Und da verliert doch die strikte Trennung von Sein und Sollen rasch an Bedeutung, denn wir vergleichen doch Seinsbestände einschließlich von Verhaltensweisen; daß sie ausgeglichen sein sollten im Rahmen des Möglichen und allen Zuträglichen ergibt sich zwar auch aus der Forderung nach allgemein-menschlicher AUTONOMIE, ist zugleich eine von deren Voraussetzungen (innerhalb eines weiten Rahmens), aber wir sind weit primärer auf die Gegenseitigkeit angewiesen; wir könnten ohne sie überhaupt nicht überleben oder müßten eben des Verstandes wieder beraubt sein und wenigstens den Tieren gleichgestellt (die auch schon instinktive Ansätze der GEGENSEITIGKEIT kennen).
Eine weltanschauliche Unterstützung für seine Zentrierung auf die AUTONOMIE hätte sich der scheinbar nichtgläubige Religionswissenschaftler Ekardt aus den Glaubenslehren beschaffen können. Er tat es nicht; schon weil er dem Zeittrend folgend mit Autorität wenig am Hut hat. Gott wäre darnach für die Buchreligionen nämlich deshalb ein persönlicher und damit menschenähnlicher Gott, weil er die absolute AUTONOMIE verkörpert, also unbeschränkter Gesetzgeber ist. Für den Menschen aber ist unbeschränkte Freiheit eine zu große Versuchung.
Warum nicht das biotele Gutachtenverfahren experimentell überprüfen? Es würde sich ja zeigen, in wie vielen Fällen die Gutachter den Aspekt der AUTONOMIE und/oder den der GEGENSEITIGKEIT bei einer Problemlösung bemühen. Aber das soll ja nicht sein; es soll ja überhaupt nichts geschehen; die Leute sind ja daran zu gewöhnen, daß es in 20 Jahren (!) vielleicht alles vorbei bzw. unerträglich ist; Horrorszenarien kommen an. Im Übrigen sind die Staaten mit der Unterzeichnung der Menschenrechtscharta, die nicht in einer einzigen Einzelheit von E. in Frage gestellt wird, ja bereits auf bestem Wege.
Eine Frage, die nicht gestellt wird, stelle ich: gibt es nicht
doch Argumente dafür, die Geburtenziffern global zurückzufahren, um den
Späterlebenden mehr Lebensqualität bieten zu können? Aber diesen
wahrscheinlich einzigen Ausweg aus dem Dilemma, den unsere Vorfahren sehr wohl
kannten und beschritten, wäre ja ein Rückfall hinter die erreichte Freiheit;
und E. lehnt eine solche Unterbrechung der Kette wachsender Freiheit ja
vehement ab, auch angesichts der des dadurch drohenden Absturzes in die totale
Unfreiheit, eben weil Freiheit für ihn Selbstzweck und nicht Mittel ist.
Wenn die Frage nach der Generationengerechtigkeit immer wieder aufgetischt
wird, dann doch endlich auch einmal in dieser Richtung und nicht rein wirtschaftspolitisch
oder nun nach E. rechtspolitisch orientiert. Utilitaristische Ansätze,
wie das größte Glück der größten Zahl, werden ebenfalls als untauglich
abgestempelt und der Eigennutz (a. a. O. S.86) trägt bestenfalls
selbstlose Idealisten. Ob man das ">Kollektivziel
Menschheitserhaltung<" wirklich so einfach negativ abstempeln sollte?
Nach bioteler Auffassung sind wir mit Körper und Geist darauf angelegt, unser
und fremdes Leben zu fördern; auch wenn eine solche Haltung als "transzendental"
und unbegründbar angegriffen wird; und die ">Eigenrechte der
Natur<" (a. a. O. S.87) werden von uns doch zumindest soweit
günstigerweise respektiert, daß die Natur nicht wegen dieser Verletzung auf uns
mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückschlägt. In der Achtung des
Selbsterhaltungstriebes sind wir dann wieder auf einem gemeinsamen Gleis.
"Wenn es begründete Nachhaltigkeit gegeben kann, dann nur liberal" (a. a. O. S.89)
und damit ist der Friede zwischen schon wieder brüchig. Denn
bruchlos wird "das gute Leben", ja gelegentlich nicht einmal das
nackte Überleben, nicht durch stures Festhalten an Freiheitsprinzipien ans
rettende Ufer gebracht: Lügen und Täuschung waren öfters erforderlich, um
auch eine gute Entwicklung einzuleiten; auch unter direkter Freiheitseinschränkung
entstand manches Gutes. So ichbezogen und nur auf ihr eigenes Wohl aus waren
frühere Generationen nicht; und solange Wahlkämpfe von
"Persönlichkeiten" beherrscht und entschieden werden und nicht von
Sachentscheidungen, kann mir keiner weismachen, daß der demokratische Konsens
der Hauptpfeiler der Demokratie sei. Langzeitdenken und damit
Zukunftsorientierung gingen mit dem Niedergang der vordemokratischen
Herrschaftsformen ja eher baden und machte einem Kurzzeitdenken in Wahlperioden
Platz. Soviel von Unparteilichkeit zu reden, ohne für deren Vorbereitung auch
nur den geringsten Schritt zu tun, auch nur den kleinen Finger zu rühren,
steht doch in einem Parteienstaat recht schlecht an.
Wie steht es jetzt, kann es "in die Gegenwart vorwirkende
zukünftige Rechte zukünftiger Menschen geben"? (a. a . O. S.91) Ich würde mir die Sache
leichter machen und verlangen, daß man eventuell später Lebenden eine
vernünftige Staatsverfassung und genügend auch naturbelassenen oder doch
naturdurchwirkten Raum zugänglich halten sollte bei Besitz von möglichst
günstigem körperlichem und geistig-kulturellem Erbgut. Es ist doch unsinnig,
liberale "zeitneutrale Rechte" (a. a. O.) zu deklarieren und
proklamieren und gleichzeitig eine Erdbevölkerung zu fördern, die dem
Liberalismus den Todesmarsch bläst.
"Vorab mag man wissen wollen, von
welchen Menschenrechten hier überhaupt die Rede sein könnte. So wäre eine
Zukunftswirkung des Briefgeheimnisses oder der Religionsfreiheit sinnlos. Denn
wie könnten wir von heute aus je das Recht künftiger Menschen verkürzen, ihre
Religion auszuüben oder ungestört Briefe zu schreiben?" (a. a. O.
S.91)
Halt mal!
Könnten wir, müßten wir nicht etwa die Verbreitung des Korans verbieten, da es
mit einer liberalen Grundordnung unvereinbar ist, daß schon Kinder dazu erzogen
werden, daß Ungläubige (und zwar alle Andersgläubige) verächtlicher seien als
Tiere und, zumindest später einmal, auf Befehl Allahs, der höchsten
Autorität, getötet werden müssen?
"Zu denken ist
vielmehr an Rechte auf eine Grundversorgung mit
Nahrung, Trinkwasser, Atemluft und einem hinreichend stabilen Klima. Wir sehen
noch, daß man dieses Recht >Freiheit von Beeinträchtigungen in Leben,
Gesundheit und Existenzminimum< nennen sollte und daß es einen elementaren
Freiheitsvoraussetzungsschutz betrifft. Im Moment genügt die Einsicht, daß es
ein Recht jedenfalls unter Lebenden geben muß, weil anderenfalls Autonomie
unmöglich wäre - und daß liberale Verfassungen es kennen." (a. a. O. S.91)
Dieses
hören die muslimischen Imigranten natürlich sehr gern, ohne sich jedoch am
Liberalismus anzustecken! Die kommunistisch-sozialistischen Verfassungen
kannten und kennen es auch! Verfassungen sind überhaupt geduldig. Also machen
wir die Verfassungen eben "nachhaltig", damit auch künftig eventuell
Lebende einen maximalen Freiheitsspielraum genießen! (a: a. O. S.93) Es kommt
noch schlimmer:
"Die offene,
nicht-substantialistische Vernunft ist zunächst einmal auch im
Generationenvertrag alternativlos. Jene Vernunft läßt uns nun aber nicht nur im
Ungewissen über das, was heute inhaltlich gerecht ist. Sie macht es auch
unmöglich, substantialistisch ein bestimmtes Gerechtigkeitskonzept zu
deduzieren. Auch das Generationenverhältnis müßte also idealiter im rationalen
Diskurs geklärt werden, weil vorab erst einmal ungewiß ist, wer die besten
Argumente haben wird."
(a. a. O. S.94)
Da ringen nun seit der Antike die besten Köpfe, wirklich noch
Köpfe! und Leute mit Muse!, um die vernünftigste Ordnung und ihre Prinzipien;
unsere Scharen von Professoren an unzähligen aus dem Boden gestampften
Universitäten aber meinen als Kostgänger der Demokratie dazu verpflichtet zu
sein, das Rad neu zu erfinden und die Vernunft im endlosen Diskurs klären zu
müssen. Angehört werden darf natürlich nur der, den sie, die Professionellen,
die Clique, hören wollen. Ich spreche also weiter ins Leere, mich
darüber freuend daß der biotele Aspekt der AUTONOMIE als "nachhaltig"
- für mich als biotel - einmal so ganz verabsolutiert und durchgewalkt wird.
Aber Vorsicht! Hat man der Freiheit dieses Attribut nur angehängt, damit
sie wertvoller sein soll, wie alles was als dauerhaft deklariert wird?
Aber Freiheit ist doch allzu flüchtig und hat zu viele Facetten; vor allem aber
bedarf sie der substantiellen Grundlage, des Organischen, des Lebens.
Zyniker diejenigen, die nur die Toten für frei erklären. Unser Autor hebt
hervor, daß der Wohlstand der westlichen Nationen ein nie dagewesener sei. Aber
ist es denn ein Wohlstand in Freiheit? Ein Blick auf den Lehrbetrieb der
heutigen Massenuniversitäten lehrt mich das Gegenteil. Ohne Vorankündigung
konnte ich in den Fünfziger-Jahren in den Zug steigen, mit dem Rucksack auf dem
Rücken, dem Koffer in einer und das Fahrrad in der anderen Hand und siebenmal
ohne Voranmeldung die Universität wechseln zwischen Innsbruck (Ausland!) und
Kiel. Dadurch verlängerte sich meine reguläre und tatsächliche Studienzeit
nicht um einen Tag. Ich konnte für "Fleißprüfungen" jeden beliebigen
Professor aufsuchen und um Prüfung bitten, was zu persönlichen Gesprächen unter
vier Augen führte, gelegentlich länger als eine Stunde! Da ich arm war, wurden
mir Studiengebühren erlassen; und trotzdem durfte ich immer an zwei Fakultäten
eingeschrieben sein; ich brauchte nur formell die Genehmigung der Dekane einzuholen,
die ich immer prompt erhielt. Und heute? Wo bleibt heute die akademische
Freiheit? Da muß ich mich erst einmal für einen Studiengang bewerben und
abwarten, in welcher Stadt mir ein Platz angeboten wird. Aus zwei verschiedenen
Fakultäten, daraus wird nichts. Zum Universitätswechsel muß ich mir erst einmal
einen Austauschpartner suchen. Nein ich wollte mit meinem studierenden Sohn
hinsichtlich seiner "Freiheiten" nicht tauschen! Materielle
Güterversorgung macht den "Wohlstand" noch nicht aus! Dem würde ja E.
beipflichten, aber die beklagte negative Entwicklung war doch mit dem Abbau der
konservativer Politik und einer Liberalisierung verbunden, die von E. durchaus
bejaht wird.
Mit meinen Arbeiten für Biotelie fand ich bei jedem Professor offene Ohren, den
ich ansprach; und wurde zur Weiterarbeit aufs Persönlichste ermuntert.
Die Notwendigkeit einer Instanz, in der jedermann seine Ideen zur Prüfung
vorlegen kann, wird heute nicht als Mindestvoraussetzung der Freiheit
anerkannt; denn wenn man keine Beurteilungsmaßstäbe anerkennt, auf Grund dessen
eine Antwort erteilt wird: für einen Dauerdiskurs über seine Fragestellungen
kann man nicht jedermann, nicht einmal jedem Bürger, Gehör anbieten. Daß
Dauerhaftigkeit eine der Freiheit anhaftende Eigenschaft sei, eine solche
Behauptung wäre doch in keiner Richtung hin belegbar. Abstrakt und in Gedanken
ist natürlich alles möglich, auch die Ewigkeit; in der Natur gilt der Wandel
und das Leben mit seinen substantiellen Kernen relativer Stabilität bietet uns
die verletzlichen Ausnahmen.
"Ein Fortfall des Golfstroms allein würde in Europa gar die Durchschnittstemperatur um 10-20 °C senken. Global wäre dagegen eine Temperaturerhöhung um rund 6 Grad in 100 Jahren denkbar. Damit würde z.B. das Überleben in Europa zum täglichen Überlebenskampf: Ginge man dann nicht an Erfrieren, Naturkatastrophen oder Herz-Kreislaufschäden zugrunde, bräche jedenfalls die Nahrungsmittelversorgung zusammen." Die EU-Osterweiterung verstärkt die Tendenz. (a. a. O. S.12)
Dies alles oder doch ein wesentlicher Teil davon sind vermutlich Folgen menschlicher Freiheit!? Und nun soll ausgerechnet eine Freiheitsmaximierung als Zielvorstellung durch Verknüpfung mit dem Ziel der Nachhaltigkeit, sie also dauerhaft zu machen, uns aus der Misere helfen!? Da E. keine Pflicht zur Erhaltung von Natur und Menschheit anerkennt, sind die Probleme einfach dadurch zu lösen, daß man die Menschheit aussterben läßt. Aber den Deutschen und den Europäern will in diesem Fortpflanzungsverhalten die übrige Welt noch keinesfalls folgen; daß sie durch das Vorbild des Westens dazu angeregt würden, ausgerechnet die Freiheitsmaximierung zur Grundlage einer Verfassung und damit der Gesetzgebung zu machen, hört sich für mich geradezu abenteuerlich an. Und wenn Freiheit augenfällig Selbstaufgabe bedeutet, hat sie überhaupt keinen missionarischen Gehalt.
Ist es denn da nicht doch wahrscheinlicher, daß es in absehbarer Zeit gelingen könnte, die angestrebte Konsummaximierung der "Unterentwickelten" an eine Geburtenregelung zu binden, insbesondere wenn dirigistische Regime (wie China) durch das Mitziehen anderer Staaten in einer solchen Politik bestärkt fühlen würden? Kein Lebewesen ist in solchem Umfange fähig, seine Nachwuchshöhe zu regulieren, wie der Mensch dank Vernunft und der in dieser inbegriffenen Freiheit. Jahrtausende lang haben Menschen zur Geburtenregelung gegriffen, um ihr Überleben zu sichern; sie gingen bis zur Kindesaussetzung. Dagegen sind die Methoden zur Empfängnisverhütung in moderner Zeit minimal eingreifend. Die Stärke der Bevölkerung muß hierzu aber von der politischen Macht abgekoppelt oder wenigstens auch theoretisch als Machtfaktor relativiert werden, was ein neues Demokratieverständnis dringend erforderlich machte. Wenn das Prinzip aufrecht erhalten wird, daß die Mehrheit siegt, so wird es nicht zur freiwilligen Einschränkung bei den Völkern "des Südens" - insbesondere nicht bei Muslimen - kommen. Und dagegen ist das Umsteigen vom Auto aufs Fahrrad (ich persönlich besitze seit meiner Berentung kein Auto mehr und unternehme seit Jahrzehnen keine Fernreise) und die Benutzung von Stromspar-Glühbirnen (a. a. O. S.199-201) im Westen und Norden recht bedeutungsarm.
"C. Mehr Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit durch klare Spielregeln, ökonomische Mechanismen und regulierten Wettbewerb - nicht also durch die alte >sozialstaatliche Daseinsvorsorge<. ... Doch zumindest ist die Wahrscheinlichkeit, daß sich die politisch/verfassungsgerichtliche Ebene - also bestimmte Einzelpersonen - zum Handeln entschließt, immer noch erheblich größer, als daß alle Bürger dieser Welt damit gleichzeitig von selbst anfangen. Den Startschuß müßte aber wohl der Druck einer Minderheit aufgeklärter Bürger geben, die Politik und Gerichte antreiben und zugleich möglichst vielen Mitbürgern die guten Gründe vermitteln, die dann einsetzende Nachhaltigkeitspolitik zu akzeptieren. " (a. a. O. S.223)
Hierzu müßten jedoch erst einmal die freiheitlichen Bedingungen hergestellt werden, daß eine derartige Initiative sich überhaupt bilden und zum Tragen kommen kann, d. h. Zugang zur Öffentlichkeit finden kann: eine unabhängige biotele Gutachteninstanz. Daß Demokratie über Mehrheitsvotum auch zur Diktatur führen kann, hat E. erkannt und hofft dieser Stolperfalle durch die Gewaltenteilung zu entkommen. Vor allem setzt er auf die Gerichte. Aber (Zusatz aus 2015) nicht unsere Verfassungshüter – vom Parteienproporz in Amt gehievt – in den letzten Jahren den Bruch der europäischen Verträge zu Lasten von Demokratie und Bürgern abgesegnet?
"D Beispiel Familienpolitik: Qualitative Verbesserung der Lebensbedingungen statt quantitativer Geburtenförderung." (a. a. O. S.193) "Und viele finden diese Kinderlosigkeit im Okzident ganz und gar nicht nachhaltig, sondern werfen uns übermäßige Individualisierung und Spaßorientierung vor. Für viele ist dies das Nachhaltigkeitsproblem schlechthin.. Können wir denn unsere Kultur einfach aussterben lassen?.. In der Familien-Debatte herrscht jedoch große Konfusion, wohl auch deshalb, weil einerseits Kinder positive Gefühle auslösen, andererseits jeder weiß, daß in einer individualistischen Welt ohne >Familien als lebenslange Wirtschaftsgemeinschaft<, dafür aber mit Frauenerwerbstätigkeit und rationalisierungsbedingter Arbeitsplatzunsicherheit Kinderlosigkeit die logische Folge ist." (a. a. O. S.194).
Mit E. sehe auch ich in den Fördermaßnahmen, angefangen vom Kindergeld, nicht den richtigen Ausweg; ich bedauere aber, daß die Politik nicht längst über den Hebel: kontrollierbare Entlohnung (Chip-Geld) Lebensarbeitszeitverkürzung einsetzt, um die Jugend systematisch und zügig in den Arbeitsprozeß eingliedern zu können und damit die Richtung auf AKTI'VITÄT vorzugeben und gleichzeitig die Großelternrolle und den Familienzusammenhalt neu zu beleben. Freilich würde dies bedingen, daß manche Wunschseifenblase hinsichtlich der Berufswahl zunächst platzen müßte; ich sage zunächst, da die wachsende Länge des erwerbsfreien Lebens doch weite Kompensationsmöglichkeiten bietet. Aber die Theorie Ekardts von der Ununterbrechbarkeit der Freiheit wäre da ein Hemmnis; das Aufschieben von Wünschen paßt ja nicht in eine Landschaft und Wirtschaft mit Kauf oder gar Leben auf Kreditkarte, in eine Welt der Freiheit auf Pump. Aber wie viel Kredit verdient künftiges Leben, wenn es auf solcher "entsubstantialisierter" Basis garantiert werden soll?
Nach E. belasten viele "Vielverbraucher" jedoch nur unnötig die Umwelt durch Importe, die anderer Länder berauben und benachteiligen. E. kennt also doch Grenzen des AUSTAUSCHES, wenn auch leider nur im Wirtschaftlichen, wo sie am Unwahrscheinlichsten aufrechterhalten und mit allen Konsequenzen, nämlich unter Wohlstandseinbußen (durch Waren- und Leistungsverteuerung bei Sortimentsverengung), aus Freiheit gewünscht werden.
"Ein >geburtenfördernder Sozialstaat< zerstört also eher Freiheit, als daß er sie ermöglicht. In puncto Nachhaltigkeit ist unsere Bevölkerungsschrumpfung daher eher günstig... Nicht nur die Finanzierung des einen Autos..., sondern ebenso die Versorgung der eigenen Kinder ist zunächst einmal Sache der Eltern, und es kann nicht per se erwartet werden, daß die Mitbürger hierfür in die Bresche springen.." (a. a. O. S.195)
Ganz auch meine Meinung! Auch wenn das biotele Aspekte-Fundament dazu, die SPONTANEITÄT, nicht genannt wird.
"An die Stelle der >quantitativen Familiensubventionierung< solle daher eine qualitative Familienpolitik treten. Diese müßte sich weniger auf Geburtenzahlen konzentrieren - sondern vielmehr darauf den heutigen und künftigen Kindern, die denn da sein werden, die Basis einer physischen und autonomen Existenz zu sichern..." (a. a. O. S.198)
Und schon wieder beißt
sich die Schlange in den Schwanz! Man schaue also nicht auf die globale
Bevölkerungsexplosion, sondern garantiere in alle Zukunft hinaus genügend
Nahrung, Luft und stabiles Klima! Wer kann denn an ein solches Märchenwunder
glauben? Und eine andere innere Einstellung im Hinblick auf ein gutes
Leben, eine Verhaltensänderung der gesamten Menschheit aus freien Stücken
erwartet ja E. selbst nicht:
"Dagegen wird nicht nur reine Selbstregulierung und reine Steuerung durch
Informationen, sondern auch eine reine Verfahrenssteuerung ungünstige
Motivationslagen kaum neutralisieren" (a. a. O. S.219).
Ich mache die Zeitung auf: Berliner Morgenpost, 15. Oktober
2005:
"Ermittlungserfolg: Sozialbetrüger in die Türkei abgeschoben - Berlin -
Ermittler von Kripo und Ausländerbehörde haben einen Straftäter in seine
türkische Heimat abgeschoben. Der 41jährige war bereits 1986 unter Angabe
falscher Personalien als Staatenloser über den Libanon nach Deutschland
eingereist. Kenan G. hatte sich seitdem sowohl in Berlin als auch im Ruhrgebiet
aufgehalten. Er, seine Frau und die acht Kinder haben 1997 bis 2002 insgesamt
rund 160 000 Euro Sozialhilfe bezogen. G. ist wegen acht Delikten rechtskräftig
verurteilt worden". (a. a. O. S.1)
Nach
EU-Beitritt der Türkei wäre eine Abschiebung nicht mehr möglich. Kenan G. ist
kein Einzelfall. Die Praxis sieht eben ganz anders aus wie eine
wohlmeinende Theorie. Die eben genannte Summe wird sich noch wesentlich
erhöhen wegen der vielen Identitäten, unter denen der Kurde auftrat. Drei
seiner Söhne fielen schon durch Straffälligkeit auf. 4000 Personen sollen mit
gefälschten Identitäten in Berlin leben. Die Ermittlungsgruppe
"Ident'" konnte 35 Straffällige abschieben und 24 weitere zur
freiwilligen Abreise bewegen. (a. a. O. S.11) In Kürze wird der Betrüger
vermutlich wieder einreisen. So etwas hat man davon, wenn man die Gesellschaft
im großen Maßstab durcheinandermixt und anonymisiert.
Generationengerechtigkeit soll also neuerdings beachtet werden Man spricht von ihr, weil sie ja erstmals so universal und grob mißachtet wird; so etwas war in den Jahrmillionen der Menschheitsgeschichte noch nie passiert! Und wie will man das Wohl zukünftiger Menschen berücksichtigen, wenn man ja nicht einmal mehr VERGLEICHEN darf? Gleich wird einem Diskriminierung vorgeworfen! Vergleichen ist doch das Rückgrat jeglicher Wissenschaft und des Menschseins überhaupt? Menschliches Denk- und Vorstellungsvermögen ist doch zu schwach, um den Reichtum des Vorhandenen, des Seins, der Natur auch nur erfassen zu können, darum wollen viele die Vielfalt abschaffen (gleichwohl sie das Gegenteil behaupten)und konstruktivistisch eine neue, angeblich bessere Welt schaffen, sie in das enge Korsett ihres begrenzten Horizontes einzwängen. Daß etwas nicht einem anderen gänzlich gleich ist, verbietet noch lange nicht den VERGLEICH, die Suche nach Gemeinsamem und die Feststellung des verbleibenden Verschiedenen. In dieser Fähigkeit gipfelt die menschliche Intelligenz und macht sie zu einem überlegenen Instrument des Überlebens. Und ein solcher Vergleich kann auch in der Stille und Einsamkeit eines vereinzelten Gehirns angestellt werden, er benötigt nicht ständig den Diskurs, der übrigens ja auch bei den Diskursethikern in der Regel nicht stattfindet.
In dem man andere Völker, kampflos und einfach so - aktuell durch den Türkeiaufnahme in die Europäische Union bei völliger Freizügigkeit - im seit Jahrhunderten, ja Jahrtausenden von unseren Vorfahren unter Aufbau und Ausbau einer gewissen, spezifischen Kultur erschlossenen Land frei sich ausbreiten läßt: übt man damit etwa "Generationengerechtigkeit"? Ihr eigenes Land haben die Türken ruiniert, jetzt soll unseres drankommen! "Merken sie denn nicht, daß wir in ihr Land kommen und ihre Grenzen enger machen?" so höhnt der Koran! Welchen Beitrag haben die Türken, inzwischen ein fast 80 Millionenvolk, denn zur Höhe menschlicher Kultur, zur modernen Zivilisation beigetragen? Wo sind denn ihre die Welt sich erschließenden hohen Kunstwerke, ihre Musik, ihre Nobelpreisträger? Was sie dem Touristen vorzeigen, sind die Reste griechischer, römischer, arabischer, altchristlicher Erbschaft: die hohen Zeugnisse der armenischen Kultur haben sie nach dem Völkermord völlig geschleift. Soll es etwa einmal auch in Deutschland heißen, daß es unsere Dome und Schlösser nie gegeben hat? Gilt denn wirklich nur das Recht des Schwertes und des Bauches? Woher und warum dieser Kniefall vor dem Imperialisten, vor den Eroberern? Liegt darin nicht eine versteckte (beileibe und keinesfalls eine bewußte!) Bewunderung des Verbrechers Hitler und der Welteroberungspläne Lenins und Stalins? Das beliebte Kriechen vor der Macht, das sich immer bezahlt gemacht hat, kurzfristig natürlich nur. Auch für F. Ekardt, den Stipendiaten der Deutschen Bundesstiftung für Umwelt (Quelle Internet) gilt dies und begrenzt seine Redefreiheit. Nutzen wir wirklich Freiheit zu deren Verteidigung? AUTONOMIE, Freiheit, sollte doch das Ziel sein? Oder bloßer feiger Defaitismus, dem Mut keine Tugend mehr ist? Ist der Mangel an Zivilcourage bei uns nicht erschreckend genug?
Aber, kann man hier einwenden, F. E. hat sich doch mit keinem
Wörtlein mit dem Türkeibeitritt befaßt. Das ist es ja gerade: den epochalen Ereignissen
widmet man keine Beachtung: die Einleitung der freiwilligen Turkisierung und
Islamisierung Europas, ist dies nicht ein weltgeschichtlicher Einschnitt?
Vittorio Hösle meint ja lediglich lakonisch, daß man die Aufnahme der Türkei in
Europa wagen könne. (Begründung liefert auch dieser Politikberater keinerlei
für diesen dubiösen Ratschlag.)
An anderer
Stelle aber erwartet E. eine Verteidigung der freiheitlichen Ordnung; so
beschwert er sich über die "postmoderne" Ironie gegenüber der
liberalen Ordnung, da sie letztlich die Bereitschaft untergrabe, die
"Freiheit überhaupt noch zu verteidigen". Die Postmoderne könne sich
verstärkt für "die unguten Einflüsse klassisch liberaler Ideen wie
Fortschritt, Wachstum und hypostasierter Individualismus" öffnen und dem
Wohlergehen und den "scheinbaren Imperativen des Augenblicks"
verschreiben. (a. a. O. S.81) Die Postmoderne (auch unter der Bezeichnung
"Radikaler Konstruktivismus" als ein anderes Mißverständnis von
I. Kant´s Kritiken bekannt) ist so ein richtiger Blitzableiter für E., obwohl
(oder weil?) er doch ein ihnen in vieler Beziehung ganz Seelenverwandter ist
(vgl. a. a. O. S.35-37). Zurück zu den Vorwürfen oben gegen die Postmoderne.
Merkwürdig wenn das jemand sagt, der keine Verpflichtung zur Menschheits- und
schon gar nicht eine solche zu Naturerhaltung anerkennt; damit schwächt E. aber
jede Argumentationsbasis in Richtung auf eine Geburtenregelung zur Balance
zwischen Mensch und Natur und zwischen den Ethnien und Völkern. Die Muslime und
nationalistischen Türken können darauf verweisen, daß "in Mitteleuropa ja
genügend Platz sei" und noch weiterer durch dortigen Geburtenschwund
entstehe. Unser Autor wird sich aber doch nicht einbilden, daß Bayern, Schwaben
und schließlich auch andere deutsche Stammbevölkerungen eine
ethnisch-kulturelle Umschichtung widerstandslos hinnehmen! Das Leben scheint,
von einigen lokalen Naturkatastrophen abgesehen, zu langweilig und ohne
Ereignisse abzulaufen, alles tendiert auf erneute kriegerische Konflikte hin.
"Das Leben ist Kampf" überschrieb ein deutscher Muslime seine
Homepage für eine Biotelie-Kritik. Biotelie steht für eine friedliche
Verteidigung der Freiheit aller Kulturen. Mit dem diskursiven
Versprechen der Bemühung um maximale Freiheit für alle auch eventuell später
Lebenden wird da wenig auszurichten sein. Wie sollen Leute ein solches
Versprechen einhalten und garantieren, die sich dem Leben gegenüber nicht verpflichtet
fühlen oder auch nur glaubwürdig wirken? Wenn man die Ablehnung gegenüber
"Wirtschaftsliberale[r] und postmoderne[r] Wildwestfreiheit" noch
mitunterschreiben kann, so wird man bei der strikten Ablehnung eines
"paternalistischen Gemeinschaftsdenkens" (a. a. O. S.115) schon
vorsichtiger und kommt ins Stutzen. Zu groß sind sogar bei uns bereits
Bevölkerungskreise, die gar nicht anders als unter einem Dirigismus und
Verhaltensvorgaben leben können und wollen. Freiheit und Geborgenheit sind ja
auch als gegensätzliches Begriffspaar anzusehen. Legt das schleppende Aufholen
der ehemaligen DDR nicht letztlich an den Schwierigkeiten mit dieser
Lebensumstellung?
Da können wir ja noch einiges aus dem gerade geschaffenen "Bremer Institut für Transnationales Verfassungsrecht" erwarten, das E mit Kollegen gegründet hat (Quelle: Internet). Vor allem natürlich krisensichere neue Pfründen zu Lasten derer, die in ihrer wirtschaftlichen Freiheit ohne hin eingeengt sind. Man kombiniere Fachbezeichnungen untereinander oder versehe sie mit entsprechenden Adjektiven, und schon hat man neue Wissenschaftsdisziplinen. Wie eine Hydra mit Wasserköpfen breiten sich neue Wissenschaften aus; hier, in diesem Fall, darf man ja nicht einmal mehr nach einem "Gemeinnutzen" fragen, denn er wird ja programmgemäß gar nicht beabsichtigt. Nun versteht man auch, warum E. allen politischen heißen Eisen ausweicht. Dabei gibt es mit dem Europarecht bereits transnationales Recht. Ein theoretischer Prototyp für transnationales Recht ist das biotele, da ja bei grenzüberschreitenden Auswirkungen zunächst bioteler Gesetzesanträge, sekundär aber auch anderer festgestellter Übelstände (sofern zum Gegenstand bioteler Begutachtung werden) das gesamte betroffene Kollektiv ein Vetorecht über elektronische Abstimmung erhalten soll. Im Vorfeld ohne legislatorische Befugnis könnten biotele Gutachten bereits transnationales Interesse und Denken erwecken. Aber dies soll ja gerade nicht sein! In Eintracht mit Vittorio Hösle u. a. sollen riesige Staatsblöcke, wie etwa die Vereinigten Staaten von Europa, geschaffen werden, um mit dieser Konzentration unter Abwürgen der lästigen kulturellen PLURALITÄT, zu der illusorisch-utopischen Weltgesellschaft zu gelangen. Aber da diese Blöcke um die knapper werden Ressourcen konkurrieren und mit hoher Wahrscheinlichkeit sich nicht auf die liberale Weltanschauung als allgemeingültige festlegen lassen, wird es zum wegen der Kräftekonzentrationen umso schrecklicheren Weltkrieg kommen. Gerade (Deutschlandradio, 27.10.05) hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft ein umfangreiches Forschungsvorhaben ("Integration und Desintegration der Kulturen im europäischen Mittelalter") über die Religionen im mittelalterlichen Europa aufgelegt, um gegen das heutige Vorurteil einer religiösen Überfremdung aufzutreten. ("Kleingedruckt", d. h. ganz nebenbei, wird bestätigt, daß aber alle religiösen Gruppen sich bis um etwa 1900 etwa gleichmäßig fortpflanzten.) Bisher kamen die Muslime als Eroberer, gewährten Religionsfreiheit und herrschten über Teile Europas als Minderheit. Dem wirklich bedeutenden Thema der Menschheit, wie man die Fortpflanzungsstärke in ein Konzept vernünftiger Menschenrechte eingliedern und die Expansion bestimmter Völker letztlich zu Lasten der Natur aufhalten könne, weicht man wohlweislich aus. Wie verträgt sich das Gewähren von Minderheitenrechte mit expandierenden Minderheiten ohne wirklich kulturelle Überlegenheit? Für E. würde jeglicher Ansatzpunkt für eine wenigstens regionale freiere Handhabung entfallen, da er ja die Kollektive nur als Sachwalter der Rechte von Einzelmenschen anerkennen will (falls ich ihn nicht mißverstanden habe); wohl richtiger interpretiert: für ihn ist die Fortpflanzungsfreiheit eine absolute, auch wenn Natur und Menschheit darüber vorzeitig zugrundegehen. Freiheit war dann offensichtlich nachhaltig, denn sie sollte ja nur "dauerhaft" (a. a. O. S.11) für diejenigen erhalten werden, die – auf private (Eltern-)Initiative hin! – noch dazu kamen zu leben.
Die (von E. kritiklos hingenommenen) Menschenrechtsdeklarationen (a. a. O. S.25) sind für ihn eine unanzweifelbare Bastion der und Ausgangspunkt für die angestrebten globalen Liberalität. Da AUSLESE nur in Gestalt von Konflikten (rechts)erheblich zu sein scheint (a. a. O. S.11), Recht also bloße Konkurrenzordnung sein soll, ist dieses Steuerungsdefizit gleichwohl ein orbitanter Mangel. Zumal recht unwahrscheinlich ist, daß "junge und zukünftige sowie.. in anderen Erdteilen lebenden Menschen " als "gleichberechtigte Träger .. menschenrechtlicher Freiheit (Generationengerechtigkeit und globaler Freiheit) " (a. a. O. S.22) sich außer der Wahrnehmung ihrer Fortpflanzung auch noch alle freiheitlichen Verpflichtungen (aus dem Repertoire der nun untergegangenen westlichen Kultur) annehmen werden.
"Nachhaltige Freiheit ist gleichwohl nicht einfach grenzenlos. Sie ist vielmehr universal, global und intertemporal austarierungsbedürftig... Und auch davon abgesehen lassen Art.1 ABs.1 S.2 GG, 1EuGRC und auch die Gerechtigkeitstheorie keineswegs eine Ungleichrangigkeit des direkt und des indirekt in seiner Freiheit Betroffenen erkennen. Die alte Idee, es gäbe >ein striktes negatives Recht, von anderen nicht geschlagen zu werden<, aber nur >eine schwache positive Pflicht, anderen Almosen zu geben<, kann daher so nicht fortbestehen: Ekardt, Zukunft in Freiheit, 2004, §6 A.II.1." [hier in der Fußnote] (a. a. O. S.134)
Auch hier muß ich widersprechen, wenn es um die künftige Rechtspolitik gehen soll. Für mich ist die Rechtsverletzung stärker, wenn einer eine Person absichtlich etwa mit dem Auto überfährt, als wenn er ein Almosen verweigert. Das vorgesehene biotele Verweigerungsrecht durch Direktabstimmung über biotele Gesetzesentwürfe schließt ja auch indirekt Betroffene vom Wahlrecht aus. Es ist doch eine ganz andere Intensität und Qualität der Betroffenheit, wenn innerhalb meines Wohngebietes eine Atom- oder Müllverbrennungsanlage errichtet werden soll, als wenn solches etwa in China geschieht. Die Ausdehnung des Vetorechtes auf alle, die sich subjektiv von einer Maßnahme betroffen fühlen, würde insbesondere nach globaler Ausweitung einer derartigen Gesetzgebung leicht, ja sicher zu deren Blockade führen. Nicht einmal mit dem Rahmen einer universalen Freiheitsordnung im Sinne von E. wäre solches vereinbar, da sich bevölkerungsstarke Nationen aus ihrer Kultur und Weltanschauung heraus sich gegen eine Erweiterung des Freiheitsrahmens, auch schon im Umfange wie etwa bei uns hier in Europa, entscheiden und sie blockieren könnten.
Was versteht nun E. unter "wohlverstandener Freiheit"?
(a. a. O. S.136) "Man erinnere sich: Menschen, die sich
unhintergehbar wechselseitig, eben unparteilich, in ihrer Autonomie
respektieren müssen, müssen sich gleiche Freiheitsrechte zugestehen, und zwar
Freiheit sowohl von direktem staatlichen Zwang als auch von indirektem durch
Gewährenlassen von Mitbürgern. Wenn aber unsere Freiheit wegen der
Multipolarität notwendig von Kollisionen geprägt ist, müssen unparteiische
Akteure die wechselseitige Freiheitsbegrenzung akzeptieren. Dabei ist der Anspruch
auf die elementaren Freiheitsvoraussetzungen bekanntlich im Recht auf Freiheit
enthalten, nicht aber die >weiteren< Freiheitsbedingungen. Weil die
>weiteren< Freiheitsvoraussetzungen gleichwohl die Freiheit fördern
können, muß eine gerechte Grundordnung, die wegen des autonomiezentrierten
Achtungs- und Unparteilichkeitsprinzips die Maximierung der gleichen Freiheit
aller Menschen fordert, diese Belange gleichwohl akzeptieren. Nur sind sie eben
keine Grundrechte (wie das Recht auf Presse-, Meinungs-, Berufs- oder
Eigentumsfreiheit oder die Garantie für Leben, Gesundheit und Existenzminimum).
Auf sie (zu denen auch die allgemeinen Verfassungsvoraussetzungen - also die
Bedingungen friedlicher Vergesellschaftung - wie eine gewisse wirtschaftliche
Stabilität und eine gewisse soziale Integration, auch der Migranten, zählen)
hat der einzelne zwar keinen Anspruch. Das Ziel möglichster Autonomie und
unparteiischer = allgemein zustimmungsfähiger Zustände impliziert aber:
Auch die> weiteren< Freiheitsvoraussetzungen sind soweit wie möglich zu
fördern, damit möglichst viel Freiheit real wird - und zwar gleiche Freiheit
für alle. Jegliche Freiheitshindernisse sind also genau bis zu dem Punkt zu
beseitigen, wo die Beseitigung insgesamt eine Freiheitsmaximierung verspricht.
Umgekehrt sind Belange, die die Autonomie mehr als um der Autonomie aller
anderen willen nötig beschränken, damit unzulässig. Solche Belange (z. B. reine
Kollektivbelange wie >das Ansehen Deutschlands< oder >die Erhaltung
der deutschen Kultur<) scheitern ergo an der Autonomie - und daran, daß sie
selbst eben keine Begründung wie Freiheit vorweisen können (zu den letzteren
gleich unten)". (a. a. O. S.137)
Zugunsten eines
Kollektivinteresses ließe sich viel an Freiheit einschränken, ohne es so
recht begründen zu müssen. E. nimmt also den (national)staatenlosen Weltbürger
vorweg, obwohl der gar nicht existiert. Selbst das Bild des "Ewigen
Juden", der heimatlos umherirrt, ist seit der Gründung des Staates Israel
ja Vergangenheit. Diese Linksintellektuellen (und dahin ordne ich nun einmal
die verlorene Nach-68er Generation ein, der man alles geboten und von denen man
nichts verlangt hat) wollen wieder wie Nomaden auftreten. An anderen Stellen
kann man dann Überlegungen anstellen, daß wir den Umweltverbrauch
zurückschrauben müßten, weniger herumjetten (etwa im Winter in den heißen
Süden), ja weniger autofahren, ja weniger Südfrüchte essen könnten und was all
derartiges ökologisches Denken vortäuschendes Gefasel mehr ist. Aus welchen
Tatsachen heraus kann mir Herr Ekardt überzeugend begründen, daß etwa die mit
dem EU-Beitritt der Türkei in Aussicht genommene Massenbesiedlung Deutschlands
mit muslimischen Anatoliern die Natur, unsere viel besungenen Wälder, besser
bewahren werden als wir alteingesessenen Deutschen? Dazu schweigt aber des
Sängers Höflichkeit. E. weint ja auch dem Artensterben keine Träne nach
(a. a. O. S.138). Ein Lebewesen aber ist Substanz, Kern einer Stabilität; aber
die Freiheit ist lediglich eine Funktion, sehr häufig sogar nur eine Fiktion;
und sicher wird sie zu einer solchen, wenn man sich nur an ihr als Funktion und
nicht an den organischen Trägern - und hierzu gehören auch Gemeinwesen,
Kollektive und Kulturen - orientiert. Wir Menschen sind hilfebedürftige
Wesen oder können es von einer Sekunde zur anderen werden. Wohl denen, die sich
dann nicht auf eine globale Solidarität der Menschheit verlassen müssen oder
auf eine Weltverfassung, sondern auf die Nächstenhilfe und -liebe zurückgreifen
können. Aber mit einem Nach-68er kann man über so etwas nicht reden: sie haben
ja keine Not kennengelernt, sind nie auf die Stufe eines ums Überleben
kämpfenden Tieres zurückgeworfen worden.
Zunächst halte ich mich an die Ankündigung: "dieses Buch sucht eine in wichtigen Punkten präzisere und erheblich vervollständigte Gesamtschau meiner bisherigen Ideen, wie ich sie in einer Reihe von Büchern und Zeitschriftenartikeln entwickelt habe" und auch die "gewählte, geradezu anmaßende Kürze" ist für mich keine Entschuldigung dafür, wenn ich so Weltumgestaltendes beim ersten Durchsehen nicht entdecken konnte.
"Ohne eine neu fundierte Lehre von der gerechten Grundordnung und eine Neuinterpretation unserer Verfassungen, vor allem aber ohne mehr Generationengerechtigkeit und Gerechtigkeit zwischen den 'Völkern dieser Erde können wir nicht länger sagen, daß unser Zusammenleben gerecht ist." (a. a. O. S.9)
Aber wer hätte denn eine solche Behauptung, daß die Welt gerecht sei, je aufgestellt? Und E. fährt fort:
"Und ohne ein neues Konzept politischer Steuerung wird die Politik als Mittler unserer Konflikte endgültig scheitern. Ganz besonders die Jahrhundertaufgabe Nachhaltigkeit, unter die wir die Generationen- und die globale Gerechtigkeit seit kurzem begrifflich fassen, wird ohne ein solches Konzept nicht zu meistern sein, Das sind meine Kernthesen." (a. a. O. S.9)
Ich wollte mich schon darüber beschweren, daß das Ziel Nachhaltigkeit nicht definiert werde. (So rasch läßt man sich negativ einstimmen!) Aber dann hatte ich Definition vor mir:
"C. Nachhaltigkeit = intergenerationelle und globale Gerechtigkeit -. Aber wovon reden wir überhaupt? Nachhaltigkeit bzw. nachhaltige Entwicklung meint das Ziel, daß unsere Kinder und Kindeskinder auch morgen noch etwas auf dem Teller haben – und daß überhaupt erstmals alle Menschen dieser Welt etwas auf den Teller bekommen. Es geht also um eine lebenswerte, freiheitliche und friedliche Erde für alle Menschen... sustainable development..." (a. a. O. S.25)
Von dieser Definition ist allerdings noch ein weiter Schritt zu der Beweisführung, daß dieses Ziel mit dem einer Freiheitsmaximierung für alle Menschen zusammenfalle. Vergessen wir auch nicht, daß viele Menschen von ihrer Freiheit einen schrecklichen Gebrauch machen, und daß sich immer sehr viele Menschen finden, die ihre Freiheit billig abzugeben bereit sind, und sei es nur dafür, keine Verantwortung übernehmen zu müssen.
"Ein Korsett starrer Regeln, wie es traditionalistischen Staaten eigen ist, zwängt nicht nur ein - es hält auch." (a. a. O. S.78)
Anders als im Adjektiv "nachhaltig" klingt in "sustainable" (eigentlich: "unterhaltend") ein Moment der Unterstützung mit; es ist nicht ganz sinngleich mit "permanent" oder "ausdauernd", rührt aber an die Zeitperspektive und berührt sich schließlich irgendwie mit dem Wunsch des Menschen nach Ewigkeit, die für Irdisches illusorische Utopie ist, weil schlußendlich alles dem Zerfall und der Verwandlung anheimgestellt ist. Und da von einer Idee die Rede ist, liegt auch die Nichtberücksichtigung dieses grundsätzlichen Mangels, der grundsätzlichen Sterblichkeit, nahe.
"Menschen sind endliche Subjekte - doch bringen wir durch unser Reden ein intersubjektives Universum normativer Prinzipien zum Entstehen, welches uns lebenslang bindet. Und das doppelte transzendentale und Alternativlosigkeitsargument für Vernunft und liberale Prinzip eine (ganz abgesehen vom weiteren Argument >Widerlegung der Gegentheorien<) hält auch dem Ansturm kritischer Nachfragen statt, denen es sich in einer globalisierten, kulturell pluralistischen Welt stellen muß. Unschädlich ist etwa - wie ich auf eine gängige Kritik an einem diskursiven Liberalismus erwidern möchte -, daß sich auch bei Sicherstellung maximaler gleicher Freiheiten nie völlig ideale, von jeglichem Zwang, materiellen Nöten, psychischen Belastungen, begrenzter Intelligenz oder Zeit freie Diskurse [hier: typische Unklarheit durch neue Rechtschreibung! ich nehme an es ist "zeitfreie Diskurse" gemeint und es hat sich kein Druckfehler eingeschlichen und habe denn Sinn auch dann noch nicht erfaßt, "Zeit freier Diskurse" ginge mir eher ein] über Gerechtigkeit unter Menschen ergeben kann. Denn da Menschenunmögliches nicht verlangt werden kann, können Normen nur das regeln, was eben regelbar ist.." (a. a. O. S.69)
Und da sollen wir glauben, daß aus solcher Bemühung um das Ideal maximaler Freiheit keine Zwangsherrschaft entstehen könnte?
Ich will nun meinerseits einem Vorwurf von dritter Seite gegen meinen Kernbegriff "dynamische Stabilität" versuchen zu entkräften, nämlich den Vorwurf, ich hätte ihn doch nirgendwo definiert. Unter Nachhaltigkeit scheint zunächst dasselbe verstanden zu werden; aber warum benennt man dieses so wichtige und zentrale Ziel derart widersprüchlich: nachhaltig kann auch Dummheit sein und Gleichgültigkeit; früher suchten die Philosophen nach dem Wahren und Guten; aber Platon ist ja tot (siehe E-Mail Ekardts) Für mich liegen die Gründe auf der Hand: man will nichts von Natur wissen und hat die Gerechtigkeit zu einer Spezialsparte der Verteilungsgerechtigkeit verengt; es ist das pseudodialektische Denken aus der Tradition der altgriechischen Sophistik, das den Ausübenden den besten Profit verspricht, da sie sich immer herauszureden verstehen. Dies ist die Wurzel des Neomarxismus (oder auch der "Postmodernen"?), der kein klares Ja und Nein mehr kennt, sondern nur ein Sowohl-als-Auch, eine Pluralität, der man die AUSLESE erspart hat. Freilich sind Gegensätze treibende Kräfte, aber es gibt auch eine falsche Entscheidung und falsches Verhalten, die Tod und Vernichtung zur Folge haben; mit einer ausgerotteten Pflanzen- oder Tierart geht eine Millionenjahre-Geschichte endgültig zu Ende. Und die verblödete und hilflose Menschheit vernichtet täglich Hunderte von Arten. Man kann ja über alles reden, solange man nicht selbst leidet. Ein derartiges Problem kennt unser Autor gar nicht. Er kann sich lachend auf dem Buchumschlag präsentieren: vieljähriger, hochdekorierter Stipendiat, zweifacher Preisträger, konnte er auf anderer Leute Kosten (wie ich allerdings nur aus den Beispielen anderer vermute) die Welt bereisen, mehrere Studiengänge absolvieren, sich seine Ratschläge teuer bezahlen lassen. Ein weiteres Argument für meine Forderung, ausgenommen von besonders hochbegabte Sonderfällen, die Geisteswissenschaften von Leuten betreiben zu lassen, die ihren Anteil am Bruttosozialprodukt (oder wie man es aktueller benennen will) mit etwa vierzig Jahren schon erbracht haben. Aber Felix Ekardt zählt ja schon zu diesen Ausnahmen!
Also zunächst einmal der Versuch über den Zielbegriff der "dynamische Stabilität" ins Reine zu kommen, ein Begriff, der jedem Naturwissenschaftler sofort einleuchtet; weshalb er sich ja auch nicht um eine Definition bemüht. Stabilität ist eigentlich nur eine Abstraktion; denn bereits Heraklit wußte, daß alles fließt, daß alles der Veränderung, der Dynamik unterworfen ist. Aber um in dieser Welt bestehen zu können, müssen wir irgendwo Halt finden; in Bildern von gewissem Bestand, in Begriffen. Stabilität bedeutet für uns das verhältnismäßig Gleichbleibende, dessen Veränderung uns wenigstens für den Augenblick verborgen bleibt, das Nominale, so die bereits erwähnten Pflanzen- und Tierarten mit dem Wissen, daß auch diese sich wandeln. Jedes Ich, jedes Selbstbewußtsein ist bestimmt von diesem Phänomen der Stabilität oder der Substanz, Persona (wörtlich Maske) wurde zur unverwechselbaren und unauswechselbaren individuellen Persönlichkeit weiterentwickelt, eingebettet in eine Familie, eine Gemeinde, und schließlich in ein Volk, eine Nation, Einheiten die gegenseitig voneinander abweichen und in die Menschheit, die in subsidiärer Reihe in die Natur münden. Die höchste Stabilität wird Gott nachgesagt. Aber nicht nur demjenigen, das unter ein Substantiv fällt, legen wird den Begriff der Stabilität zu, sondern auch dem Geschehen, wenn es uns betrifft, dem physikalischen (etwa dem Wetter) und dem Psychischen. Und nun kommt es darauf an, daß alle Wandlung, alle Dynamik, der Erhaltung gefundener Stabilität oder deren (Wieder-)Herstellung zu dienen hat oder wenigstens mit ihr verträglich sein muß. Und da haben wir es wesentlich leichter, wenn wir der Zielvorstellung der Biotelie uns etwa im Wortsinn nähern: nämlich dem Ziel der Lebenserhaltung. Erst dann können wir mit dem Begriff der dynamischen Stabilität auch im Hinblick auf die Naturgewalten, wie das Wetter oder das Klima, etwa Vernünftiges anfangen. Wenn wir weiterhin derart sinnwidrig und rücksichtslos in das Naturgeschehen eingreifen, indem wir alle Gifte und Zerstörungskräfte, die in der Erde ruhen, auf einmal - in Jahrhunderten, ja Jahrzehnten - verpuffen, so zerstören wir die dynamische Stabilität global. Es bleibe dem Leser überlassen hierzu den Zugang bei Ekardts obiger Definition Nachhaltigkeit als Generationen- und globaler Gerechtigkeit zu suchen, mir gelingt dieser Zugang dort leider nicht oder nur ganz pauschal ohne das Eindringen in Einzelproblemlösungen. Der Teufel aber sitzt bekanntlich im Detail. Der unermeßliche und so rücksichtslos geplünderte Schatz des Reichtums der lebendigen Natur bleibt bei Ekardt vor der Tür. (Vgl. E-Mail: Er halte nichts von Neokonservativen wie Gruhl...) Anstandshalber darf ich hier aber nicht unterschlagen, daß E. dann doch wieder dazu bereits ist "Steuern für die Einrichtung von Nationalparks oder auch von Kindergärten zu akzeptieren, weil dies die Entfaltung heutiger und künftiger Menschen fördert, ohne indes >elementar< zu sein..." (a. a. O. S.139) Also sozusagen Natur als eine Art von Museumsveranstaltung.
Elementare Bedürfnisbefriedigung sollen unseren Nachkommen also
zugesichert werden: Wasser zum Trinken und Luft zum Atmen. Gewährleistet
offensichtlich durch eine Umweltindustrie, denn so elementare Funktionen wie
die Wasserreinigung über die Bodenfiltration und die Luftreinigung über die
Bäume gehören bei ihm ja nicht zu den „elementaren" Erfordernissen. (Oder
sagen wir lieber: er versteht wenig von Biologie und Naturwissenschaften: was
ein einziger Wald an Entgiftung leistet schaffen ganze Industrien nicht.)
Da die Bevölkerungslawine dabei dank Freiheit nicht gestoppt wird, würde auch
nicht viel mehr noch zu verteidigen sein, und der Kampf bis aufs Messer wäre
vorbestimmt. Dagegen kann man sich sehr wohl vorstellen, das "westliche
Wohlstandsmodell" zu globalisieren, wenn man eine Geburtenkontrolle
erzwingt. Nur wäre auch dann der westliche "Wohlstand", sprich:
Überfluß, kein anzustrebendes Ideal und die westlich maximierte Freiheit schon
gar nicht. Nur allmählich begreife ich bei der Lektüre dieses Büchleins, daß
"kein Kant" eben heißen soll: keine Pflichtethik; "Platon ist
tot" muß übersetzt werden in: keine paternalistisch-autoritäre Ordnung,
sondern eine solche nur in ständigem Diskurs (für mich: Geschwätz),
unterbrochen durch Mehrheitsabstimmungen aus Verlegenheit wegen der doch sehr
häufigen Uneinigkeit.
Und zwischen allem schimmert durch, daß ja E. auch seine Vorstellungen gerne
durchsetzen würde und damit "paternalistisch-autoritär" (oder
monarchistisch?) eingestellt ist, denn jedermann wird ihm als Diskutant kaum
folgen können, wird ja auch nicht zugelassen. Und Zweifel an der
Zukunftsträchtigkeit aller Mehrheitsbeschlüsse werden auch bei E. wach, weshalb
Gerichte, doch wohl qualitativ-intellektuell hoch besetzte, eingreifen müssen,
mit Leuten seiner, nicht meiner Bildungsvoraussetzungen und
Weltanschauung versteht sich. Die Polemik gegen neokonservativ (wie andere
sagen), gegen Platon ist also im Grunde unehrlich. Außerdem muß E. den
Gottesglauben ablehnen, da der doch sich einer höchsten Autorität verschreibt.
Damit ist aber die weltanschauliche Neutralität aufgegeben und ein Wesentliches
an Freiheit verraten. Biotelie ist agnostisch angelegt und läßt die letzten
Fragen, insbesondere die konkrete Beantwortung der Frage nach dem Sinn des
Lebens, offen. Verlangt wird jedoch gegenseitige Toleranz; wo diese verweigert
wird, müssen Konsequenzen gezogen werden bis hin zur Ausweisung sich nicht
eingliedernder und an die Spielregeln haltender Minderheiten (was die Duldung
einer türkisch-muslimischen Minderheit, soweit sie nicht weiter einseitig
expandiert, auch bei uns nicht ausschließt).
Was versteht nun E. unter Demokratie, für die es bei ihm doch
keine Alternative gibt?
"Zu guter Letzt kann man auch nicht sagen, daß eine
diskursrationale Theorie entgegen ihrem eigenen freiheitlichen Ansinnen platonisch-autoritär ende, weil ihre Prinzipien unabhängig
von der faktischen Zustimmung der Bürger begründet und daher von oben herab
kämen (wie Platons - die Autokraten aller Zeiten inspirierende - diffuse
Wesensschau > erkennen< konnten)."
So kann nur einer
sprechen, der selbst keine "Gesichte", keine Inspirationen erfahren
hat, für den z. B. "Wunder" aus rationalistischer Weltanschauung
heraus ausgeschlossen sind.
"In der Tat gelten liberale Ideen auch dann, wenn die
Mehrheit [h]sie
ausdrücklich abschaffen oder ignorieren und z. B. lieber einen Gottesstaat
errichten möchte.. War etwa das Dritte Reich durch mehrheitliche Zustimmung der
Bürger gerecht?..." (a. a. O. S.79)
Die aufgeworfene
Problematik des Demokratiekonzepts ist damit aber nicht gelöst. Das biotele
Gutachtenverfahren läßt Verbesserungsvorschläge von jedermann zu und arbeitet
mit Urteilsvergleichen, wobei nur solche Urteile gegenüber dem großen
Durchschnitt intellektuell höher Stehender verworfen werden, die grob von dem
Urteil vieler anderer abweichen und auf eine nicht schlüssiges logisches Denken
oder im Urteil ausgeübte Parteilichkeit zurückgeführt werden müssen. (E.
läßt dagegen nur solche zum Diskurs zu, die seiner Auffassung sind; allenfalls
noch einen solchen zwischen Diskursethikern, der dann wie das Hornberger
Schießen ausgeht, d. h. ohne Ergebnis.) Das übereinstimmende biotele Urteil muß
nun auch die erforderliche positive Publizität unter Zurückdrängung der
negativen erfahren; aber die Ablehnung einer Mehrheit der vom Urteilsergebnis
mutmaßlich Betroffenen darf schließlich dennoch nicht außerachtgelassen werden.
Und diese Mehrheitsberücksichtigung bei der Durchsetzung bioteler Gesetze -
also von durch eine geistige Elite erarbeitete Problemlösungen - nicht nur
Konfliktlösungen! - würde auch für nichtdemokratische Staaten gelten. Wenn eben
(27.10.05) der iranische Präsident zur Vernichtung Israels aufruft und
demonstrieren läßt, so könnte der Iran mit solchem Geschehen kein
Mitglied im biotelen Staatenverbund sein; d. h. der zuständige Weltpolizeiblock
würde gegen diesen Präsidenten und gegen Demonstranten gewaltsam reagieren.
(Weshalb ein solcher Fehlpaß recht unwahrscheinlich würde.) Nicht vergessen
werden darf aber, daß dieses gerügte Ereignis im Zusammenhang mit dem
Kulturkampf steht, indem eben der Liberalismus auch Ekardt' scher Prägung
ebenfalls keine Toleranz erkennen läßt Biotelie würde einen Vorstoß der
Naturwissenschaften in die Staatsführung hinein bedeuten; die
Naturwissenschaften und ihre Vertreter stehen sich aber in ihren Auffassungen
in allen Ländern heute bedeutend näher als die sog. Geistes- und
Staatswissenschaftler, was die Entwicklung zu einem weltstaatlichen
Grundkonsens erleichtern könnte. (Auch der Iran beispielsweise bedient sich
der Naturwissenschaften; er bliebe von einer weltweit höheren politischen
Einflußnahme der Naturwissenschaftler kaum unberührt.) Biotelie und die
Zielvorstellung "dynamische Stabilität" entstammen der
Naturwissenschaft; ihre Anwendung auf Politik und Gesellschaft würde
berücksichtigen, daß die genannten Bereiche auch mit der Natur in
Beziehung stehen, ohne die Grenzen der Zuständigkeit verwischen oder gar
ignorieren zu wollen.
Der Begriff der dynamischen Stabilität bewährt sich modellhaft als Zielvorstellung bezogen auf jede lebendige Einheit, individuelle wie kollektive und auf fast jeden Vorgang, der auf das Wohl solcher lebendigen Einheiten einwirken kann. (Bei gleicher Anwendung des Begriffes "Nachhaltigkeit" müßte ich ständig ein: "außer bei..., außer bei... und außer bei..." hinzufügen, nämlich alle die Konstellationen, die eben nicht nachhaltig sein sollen und dürfen.) Die Vokabel nachhaltig paßt trefflich zusammen mit derjenigen der Umwelt (für Natur) in den Wortschatz verlogener Politik, wie sie hoffentlich einmal wirksam eingedämmt werden kann. Wenn Ekardt also eine bessere Steuerungsfähigkeit der Politik als "Kernthese" fordert, dann müßte er aus der Naturwissenschaft den Begriff der dynamischen Stabilität als Regelungsgröße auch den einer politischen Kybernetik übernehmen, wie es andere (Wilhelm Deutsch: Politische Kybernetik z. B.) schon getan haben. Er tut es (bisher) nicht! Für Eckardt scheinen wir der Politik lediglich "als Mittler unserer Konflikte" (a. o. O.) zu bedürfen. Aber auch in E.'s Gedärm tun Milliarden Keime ihren Dienst zu seiner Gesundheit, auch er ist Mitglied der Natur, die er so nicht wahrhaben will. Von Naturrecht will er "so allgemein" (Vgl. E-Mail) nicht sprechen; er hätte sagen müssen: ich kenne nur Umwelt, die sich meinen gedanklichen Abstraktionen fügt, keine Natur, die ihre eigenen "Launen" hat. Der Religiöse nennt hier den Willen und das Walten Gottes; E. als gelernter Religionswissenschaftler (!! Quelle: Internet) ) aber erregt sich bereits über die Bibelaussage, wonach zu Urzeiten der Geist über den Wassern schwebte (a. a. O. S.96), ein mythologisches Bild, an dem kein Naturwissenschaftler Anstoß nehmen würde. Es ist die Krankheit der Kritelei der 68er, die diese mit Kritik verwechselten und mit der sie kritisches Denken verhöhnten und schließlich zerstörten.
Ekardt bedient sich der Früchte anderer Wissenschaftler und
nennt sie häufiger nicht einmal mit Namen; besonders fällt mir dies bei der
Schildung einer ökologischen Wirtschaft auf, wo er die
Ökobilanzierungsbemühungen unterschlägt. Wenn es zwischen ihm und mir Übereinstimmung
gibt, so liegt diese in dem Angelbegriff der AUTONOMIE als (bei mir) biotelem
Aspekt der dynamischen Stabilität, eingebunden in das Konzert mit den anderen
elf biotelen Aspekten. E. sucht sich damit zu retten, daß er von einem
"multipolarem" Freiheitsbegriff spricht. Bei Polarität geht der
Naturwissenschaftler zunächst einmal von zwei Gegensätzen aus; erst in neuerer
Zeit wird auch dort von einer Vielzahl von Polen gesprochen, was dem Begriff
aber an Anschaulichkeit nimmt. Aber nun suche man einmal in diesem Buch diese
von E. eingeräumten Pole! Auf Seite 141 findet sich ein "Hinweis
auf >Rechte anderer< als Freiheitsschranke neben Art.2 ABs.1 GG,52 EuGRC", die
Multipolarität soll aber noch hinzukommen.
"Gegen die Kompatibilität des Gemeinwohlbegriffs, verstanden als
Auffangformel für kollektive Belange"
will E.
Verfassung und Gerechtigkeit setzen. "Nachhaltigkeit meint also
nicht eine emotional aufgewühlte >Aufopferung für die Gemeinschaft, das
Volk, die Kultur usw.<, wie viele wohl befürchten oder auch hoffen. Denn
eine solche Idee wäre erstens unbegründet und birgt zweitens eine latente
Offenheit des Aufopferns auch für autoritäre Ziele in sich " (a. a. O.
S.141,142)
Ein Eintreten für die eigene Kultur oder Familie oder Gemeinde
oder Nation muß noch nicht unter emotionaler Aufwühlung (oder gar
Massenhysterie) stattfinden, sie ist auch aus rationalem Verhalten möglich und
m. E. gelegentlich geboten. "Autoritäre Ziele" lassen sich leichter
unter dem Mäntelchen "Freiheit" verstecken als unter einem anonymen
biotelen Gutachtenverfahren, das AUTONOMIE bei jeder Stellungnahme gesondert zu
beachten hat. Schutzvorkehrungen gegen Willkürautorität, die über das Nennen
des Demokratieprinzips hinausginge, konnte ich in dem Buch nicht
entdecken.
"Nachhaltigkeit ist vielmehr die radikale Autonomie - eine
Autonomie indes, die sich ihrer Absolutheit ebenso bewußt ist wie ihrer
Begrenzung in der Autonomie aller anderen, auch wenn sie räumlich oder zeitlich
entfernt von uns leben." (a. a. O. S.142)
Der Selbstlosigkeit der Einzelindividuen und den Ergebnissen
ihres Diskurses ausgeliefert bleibt Nachhaltigkeit dann sicherlich weiterhin
auf der Strecke.
Der letzte Satz E. 's schießt für mich über das Ziel hinaus: dynamische
Stabilität, Biotelie, kann unter AUTONOMIE allein schlecht verstanden werden:
es wäre eine AUTONOMIE bis zum Ende der Zeiten, eine Erhaltung der
Handlungsfähigkeit (AKTIVITÄT), der GEGENSEITIGKEIT (die von E. gerade noch
gestreift wird), der HYPARCHIE (Gewalt-, Zwang- und Bedrohungsminimierung)
usw. Aber soweit trägt der Satz: "Nachhaltigkeit ist die radikale
Autonomie" eben nicht. Wenn wir uns auf die AUTONOMIE der Individuen
zurückziehen, dann werden die auf ein auf Gruppen oder Nationen etc.
beschränktes Gemeinwohl hin orientierten Kollektive - es gibt sie übrigens auch
unter Pflanzen und Tieren! - allerdings über uns "Individualisten"
herfallen und uns wie die Termiten auffressen, und keine Verfassung wird uns
schützen können, denn auch sie benötigt das Kollektivorgan Polizei. Das
Wertvollste am Begriff der AUTONOMIE , als derjenige der Freiheit des
Menschen durch Selbstgesetzgebung, hat Ekardt Immanuel Kant entnommen; dem
stand als individuelle Kontrollinstanz wenigstens damals noch das Gewissen zur
Verfügung. Im kategorischen Imperativ soll die Maxime (der Vorsatz)
meines Verhaltens sich bekanntlich daran orientieren, ob sie zu einem
allgemeinen Gesetz tauge, so daß ich wünschen könne, daß sie von allen so
befolgt werde. Auch E. stellt bloß auf die gute Absicht ab, läßt sich an
ihr genügen und sieht dem Untergang seelenruhig zu; nur eben hat er - ganz
richtig aus bioteler Sicht - das Ziel der Autonomie von der Ethik in die
Politik verlagert. AUTONOMIE ist für Kant die einzige Forderung der praktischen
Vernunft also der Sollenssphäre (wie bei E.), aber kennt noch eine
vielschichtigere theoretische Vernunft, die E. einfach kategorisch von der
praktischen abtrennt. Theoretische Vernunft ist für E. nur als
"Subsumptions"kunst oder -wissenschaft erheblich, also dafür,
festzustellen, was und wie denn etwas unter die ethische Kategorie fällt. Aber
da sitzt der Hase ja gerade im Pfeffer! Mit dieser Aufgabe ist der Einzelne
oder gar der Durchschnittsbürger bei der Komplexität heutiger Verhältnisse
überfordert: eben darum werden Ethik und Moral drängender Weise
politische Aufgabe.
Ethik ist , bei Kant noch, allein Selbstzweck und nicht Mittel zur
Existenzsicherung (wie als Ergänzungszweck in der Biotelie und in fast allen
Morallehren). Bei E. fungieren die Mittel zur Selbsterhaltung als Freiheitsvoraussetzungen
und werden merkwürdigerweise vernachlässigt, zumindest in den Hintergrund
abgedrängt Für ethische biotele Politik aber kommt es auf das Handeln
für das Leben und damit für die (sich entwickelnde) Freiheit an und darauf, daß
Freiheit so entwickelt wird, das sie dem Leben dient; nur so kann sie auf eine
Ebene mit der Würde gestellt werden. Nur zuzusehen bei der allgemeinen
Vernichtung ist des Menschen unwürdig. Wertvoll bei E.s Konzept ist es, das
Konzert der biotelen Aspekte in Konzentration auf den der AUTONOMIE bestätigt
zu sehen; der tragende "Grund" ist eben auch bei ihm nicht allein
"Freiheit/Würde"; es könnte aber (fast) jeder andere biotele Aspekt
genauso verabsolutiert und ins Zentrum gerückt werden. Die Pazifisten und Anarchisten
versuchen dies (leider andere Aspekte, wie gerade die AUTONOMIE, häufig
ausblendend) mit der HYPARCHIE, sie durch maßlose Übertreibung ins Gegenteil
verzerrend, die Kommunisten-Sozialisten vergewaltigen den biotelen Aspekt des
AUSGLEICHS und der SUBSIDIARITÄT, die "Alt"-Liberalen den des
AUSTAUSCHS und der AUSLESE - letzteren als Wettbewerb unter GEGENSEITIGKEIT,
also Fairneß, sprachlich tarnend. Ich bin E. dankbar, daß er den hohen
Rang der AUTONOMIE im Zusammenhang mit den anderen biotelen Aspekten gesondert
herausgearbeitet und bestätigt hat.
Zu behaupten, daß Kant den Begriff der Nachhaltigkeit noch nicht
gekannt habe, ist kein Schwächenachweis gegen diesen Philosophen. Eine
derartige Zerstörungswut über Anwendung von Technik konnte Kant nicht
voraussehen; eine derartig radikale technikverstärkte Abkehr von der
Vernunft war damals noch unvorstellbar. Noch lächerlicher wirkt das Argument
Eckardts, ausgerechnet Kant habe noch nicht in Menschheitskategorien gedacht,
Kant der Kosmopolit unter der kosmopolitischsten Stadt der Welt, die Königsberg
damals darstellte. Er, der sogar alle vernunftbegabten Wesen, nicht nur den
Menschen, in seine Philosophie mit einschloß! Aber auch der wird geradezu als
nebensächlich abgekanzelt, obgleich ich mich beispielsweise kaum für würdig halten
würde, Kant auch nur die Schuhe zu binden. Und so räumt E. denn auch einmal
ein, daß Kant ein "Titan" ist; aber er biete "im Kern keine
haltbare Basistheorie der Gerechtigkeit". Menschliche Willensfreiheit sei
eine notwendige Grundannahme, ohne die man keine Moral einfordern könne,
"eine bloße empirische Befähigung", aus der "nicht logisch die
Würde, also das Prinzip des Autonom-sein-Sollens der Individuen gegenüber
anderen" folge. Auch das universelle Prinzip der Unparteilichkeit
sei bei Kant "einigermaßen unklar" (a. a. O. S.46)
">Einen neuen Grund legen" möchte E. "Die Grundidee, der archimedische Punkt,
in dem meine Thesen konvergieren, ist dabei kein religiöser Glaube, kein
Bestand kultureller Grundwerte, kein postmoderner Subjektivismus, kein
Wirtschaftsliberalismus oder Paternalismus, kein Kant, aber auch nicht die
>radikale Demokratie< eines Jürgen Habermas." (a. a. O. S.9,
10)
Wenn bei Kant Unparteilichkeit eine Forderung der Vernunft ist (übrigens von
Jürgen Habermas und John Rawls in recht zweifelhaften Versuchen, bei der
Gesetzgebung von persönlichen Voraussetzungen absehen zu wollen, übernommen!
Der Mensch als "unbeschriebenes Blatt"!), so wird sie in den Regeln
des biotelen Gutachtenverfahrens konkret zu praktizieren vorgeschlagen,
unter der - noch zu überprüfenden - Voraussetzung, daß es unter Anwendung des
biotelen Aspekterasters bei Zugrundlegung des Zieles bioteler dynamischer
Stabilität und glücklicher Umstände einer möglichen Sachzusammenhangsaufklärung
zu Gutachtenübereinstimmungen kommen könne. Erst darnach kommt dann das
"radikaldemokratische" Element der Befragung und Entscheidung durch
alle direkt von einem biotelen Gesetzesvorschlag Betroffenen. Auch kommt hier
klar zum Vorschein, daß die Konfliktregelung im Diskurs, in gegenseitiger
Verständigung und Verhandlung eigens in den Bereich der Regierungen und
Parlamente und anderer Institutionen fällt. Hier hätte bei Ekardt die Glocke
läuten müssen! Er aber scheint den ganzen Sumpf der Korruption, in dem die
Menschheit zu versinken droht, die eigentliche Gretchenfrage gar nicht
wahrzunehmen. Korruption ist für ihn kein Thema, mit dem er sich allerdings
auch als Regierungsberater hätte unbeliebt machen können. Und wieder zur
Ehrenrettung, daß auch E. den verderblichen Einfluß von Korruption kennt, zeigt
eine Bemerkung betreffs Verzerrung des Wettbewerbs etwa durch "korrupte
Regime in Afrika oder konzernhörige Politiker in Europa" (a. a. O. S.224)
Eine
zweite Stelle sei nicht unterschlagen:
"Natürlich ist die Partizipation an Diskursen die Grundlage aller liberalen Gerechtigkeit (Kap.II C.). Gleiches gilt für die Transparenzregeln - die man z. B. für Parteien und Abgeordnete noch ausweiten sollte, um Einflüsse offenzulegen und damit bestimmten Kräften, die das Licht scheuen, das Wasser abzugraben (erst recht in einer naturgemäß unübersichtlichen Weltföderation). Verfahren ist wichtig!"... (a. a. O. S.220)
Das tut natürlich niemandem weh! Mir ist das alles zu vage und zu wenig verändernd, eben Gerede. Hätte E. eingegriffen, wäre er nie mehr Regierungsberater!
Mir ist klar, daß nach Einführung einer biotelen
Gutachteninstanz sehr bald Auslegungsschwierigkeiten auftreten werden, welche
sich aus dem Konflikt und aus der Bewertung des Gewichts der verschiedenen
Aspekte; zumal beim rechnerischen VERGLEICHEN ja auch im strikten Sinne
Unvergleichbares zunächst einmal fiktiv einander gegenübergestellt wird.
In welchem Ausmaß werden positive Ansätze im Hinblick auf den Aspekt der
HYPARCHIE (der Minimierung von Gewalt, Zwang und Bedrohung) den Aspekt der
AUSLESE beeinflussen oder den der AUTONOMIE? Bis über den Kreis der Akademiker
hinaus, bis in die Medien hinein würden sich da Diskussionen und Stellungnahmen
ereignen. Der Diskurs würde also nicht abgeschafft, sondern nur in
entscheidungsträchtigere Bahnen gelenkt, da man damit rechnen könnte, daß auch
etwas geschieht (gestützt auf die Erfahrung, daß etwas geschehen ist in
Richtung Mißbrauchsabbau). Hans Apel hat in seinem Buch "Die deformierte
Demokratie, Parteienherrschaft in Deutschland", Deutsche Verlagsanstalt
1991, eine lange Liste von Mißbräuchen aufgedeckt; aber wurden sie etwa
beseitigt? Der Bundesrechnungshof rügt alljährlich Kritik die Behörden wegen
Milliardenverschwendungen; aber ändert sich etwas? Es fehlt eine Instanz,
die unter Billigung der Betroffenenmehrheit gesetzgebend und (mangels anderer
Möglichkeiten) vollziehend durchgreifen kann.
"Schon daraus folgt dann aber, daß uns die menschliche Praxis des
Sprechens in Gründen nötigt, jeden menschlichen Konflikt liberal im Geiste des
Würde- und Unparteilichkeitsprinzips zu lösen, auch globale Konflikte."
(a. a. O. S.107)
Wir können es nur
hoffen!
"Der Ausgangspunkt ist klar. Gerecht ist genau die von Vernunft, Würde,
Unparteilichkeit, Freiheit und Demokratie (und allein aus ihnen herleitbaren
Implikationen: z. B. Sozialstaat, Kulturförderung, Schutz des Stadtbildes,
Bereitstellung einer Infrastruktur usw.) gebotene Abwägungs- und
Institutionenlehre. Denn dies sind die alleinigen und alternativlosen
Prinzipien gerechter nationaler und globaler Ordnung. Diese Prinzipien bzw.
Gründe sind keineswegs >leer und ergänzungsbedürftig<, wie
Kontextualisten oder auch manche Diskursethiker wie Habermas meinen, sondern
beschreiben abschließend das , was uns Menschen als Menschen in der konfliktreichen
Welt der (unhintergehbaren) >offenen< Vernunft als Diskurs- und
Handlungsmaßstab möglich ist..." (a. a. O. S.172)
Wenn man Kulturen durch Durcheinanderrühren von Ethnien und Nationen erst so recht verunsichert und in Konflikt gebracht hat, wenn sie sich mangels "Leitkultur" so gar nicht mehr gegenseitig verständigen können, dann erinnert man sich der "Kulturförderung" und behauptet (theoretisch), konkrete Dinge bis hinein in die Stadtplanung von der Würde, Freiheit und Demokratie ableiten zu können bzw. zu müssen. So etwas kommt mir wie ein Hokuspokus vor!
Manschetten hat E. gegenüber den Gefahren einer "Ökodiktatur". Und wenn unter Hinweis auf die psychologischen Experimente von Stanley Milgram vor der Autoritätshörigkeit "okzidentaler" Menschen gewarnt wird (a. a. O. S.85, 86), so liegt der Schluß doch näher, diesem Mehrheitsbedürfnis dadurch Rechnung zu tragen, daß man eine zuverlässigere Autorität, etwa im unabhängigen biotelen Gutachteneinrichtung, herausgebildet über positive Folgen von deren Urteilen anbietet; dem Demokratieprinzip wäre dadurch Rechnung getragen, ohne am Autoritätsbedürfnis zu rütteln. Die Versager- und Mißbrauchspannen können doch mit dem Vetorecht aller direkt Betroffener gegen Urteile dieser Instanz wohl optimal minimiert werden. Ja wäre dies sein Einfall gewesen! (Meiner war es auch nicht.) Es geht aber hier nicht um die Schwäche des Menschen, sein Geltungsstreben, seine Suggestibilität als Grundeigenschaft; sondern um die Schwäche dieser universalen Freiheitstheorie, die Charakter und Wesen des Menschen offenbar durch Aufklärung und Erziehung ändern möchte. (Halt, er besitzt nach E. ja gar kein Wesen, weil ein solches seine Theorie stören würde! Ich bleibe dennoch bei der Weisheit der Sprache.) Der Mensch ist nämlich nicht nur Freiheitsträger, er ist in erster Linie Lebewesen! Es ist Sache einer politischen Theorie, auf das Wesen des Menschen einzugehen, nicht aber, es zunächst zu verändern, damit er für die Theorie tauglich wird. Sollte eine Veränderung hin zum "guten Leben" durch die neue Praxis erreicht werden, dann umso besser. Auf die Praxis ist dabei aber zu sehen, nicht auf die Theorie, wie die Marxisten und anderen Linken es noch heute an sich haben.
Auch daß eine Instanz geschaffen werden muß, an die sich der einzelne mit einem Antrag auf gebührenpflichtige Überprüfung von Verbesserungsvorschlägen* wenden kann, um sich auf eine unabhängige Überprüfung verlassen zu können; derartige Notwendigkeiten scheint E. nicht zu sehen. Tatsächlich aber hat der einzelne ohne den Rückhalt eines Interessenverbandes doch in der Demokratie keinerlei Chance Gehör zu finden. Da wo Freiheit sich als fruchtbar erweisen sollte, da sind ihr die Wurzeln abgeschnitten, und die ganze universale Freiheitstheorie wird nutzlos.
Patentverfahrensrüge [entfernt]
Hier liegen die konkreten Freiheitsprobleme, Herr Professor! Von
politisch-sozialen Verbesserungsvorschlägen will schon gar niemand etwas
wissen. Es ist hier dringend ein Nachtrag fällig zu Ihrem Buch! Der
"andere Mensch" ist ein Anonymer und unangreifbar; Einzelner; auch
Täter und Untäter, sind nur über eine Gruppe innerhalb eines Staates haftbar zu
machen und diesen Gruppenzusammenhalt lassen sie sich auch von Ihnen nicht
nehmen! Menschen agieren fast nur in Cliquen, weshalb ja auch Prof. E.
mit nicht zur Überprüfung meiner biotelen Vorschläge verhalf, obwohl (oder
weil) er passendes Zunftmitglied ist. Das Schutzbedürfnis des
Einzelmenschen in der Gruppe, es wird von E. überhaupt nicht in Rechnung
gestellt; offenbar gehört er auch keinem entsprechenden Sportverein an, etwa
dem Kletter- oder Rudersport, sonst wüßte er von der gegenseitigen
"kollektiven" Abhängigkeit (Allein könnte er nämlich abstürzen
oder Wasser saufen.)
Ein Rechtsverkehr oder eine Politik über die tatsächlichen Gruppeninteressen
hinweg ist schlicht unmöglich; der extreme Individualismus nach
liberal-autonomem Muster Ekardts vermeidet die Schwächen einer Demokratie durch
und für Gruppeninteressen nicht dadurch, daß er diese als hinfällig oder
schädlich oder auch nur für unnötig erklärt. Er müßte hierzu dringend und
wenigstens theoretisch erläutern, warum und wie der Zusammenschluß zum
Kollektiv oder wenigstens zum Kollektivinteresse zu vermeiden wäre. Der
Ausdruck "Clique" fällt wohlweislich nicht; ist ja auch nur ein
Kollektiv, nur was für eines! Und rasch käme er dabei dahinter, daß die
Einzelnen eben doch bei aller Freiheit weit weniger können, als er hier immer
wieder voraussetzt. Die Abspaltung vom Eigen- und Kollektivinteresse wird von
mir mit dem biotelen Gutachtenverfahren wenigstens für einen
institutionellen Ausnahmefall vorgeschlagen und dieser deshalb zur Überprüfung
dargeboten. Auf den Begriff des Gemeinnutzens kann ich dabei nicht
verzichten, da einzelne wohl fast immer benachteiligt sein werden, wenn Gesetze
durchgesetzt werden.
Eckardt stellt sich auf den Boden der westlich-liberalen
Entwicklung gegen das, was er unter "Kontextualismus (bzw.
Kommunitarismus/ Kohärentismus)" zusammenfaßt, wie sie etwa auch von
islamischer und chinesischer Seite vertreten wird. Dabei stützt man sich auf
die "tatsächlich vorfindliche Sittlichkeit", auf "das, was
man von der eigenen Familie, der eigenen Horde, dem eigenen Dorf gelernt
hat." Eine derartige Konformität soll mit Nachhaltigkeit unvereinbar sein.
(a. a. O. S.47)
Wer die Dinge aber einmal anders betrachtet, der findet ja gerade in der Abkehr
vom Traditionellen bei den Entwicklungsländern, wie etwa in China, in der
Übernahme westlicher Standards das Zerstörerische gegenüber Natur und Kultur
(Peking: "Zweischluchtenprojekt"!). Die hier notwendige abwägende,
entscheidende Instanz fehlt jedoch; und auch Ekardt bietet sie nicht an.
"Daß
Kontextualisten keine Argumente gegen einen mehrheitlich gewollten
Fundamentalismus, Faschismus oder Kommunismus haben - und daß sie ... autoritär
sind",
gilt dieser
Vorwurf nicht auch gegenüber unseren parlamentarischen Demokratien? Wir
alle sind
"vom kulturellen Kontext abhängig" (a. a. O. S.49)
Daß das Sollen nicht vom Sein abhängt, ist ja gerade auch eine Leitidee der Kant' schen Philosophie; E. hätte dies ruhig anmerken dürfen. Diese Abtrennung des Sittengesetzes in jedem Menschen von seinem Lebenskontext ist aber auch die große Schwäche, die dann Max Scheler mit seiner materialen Wertethik zu Recht aufzeigte und zur ergänzenden Korrektur aufrief. Man tut gut daran, zwischen (philosophischer) Ethik und (überkommener) Moral zu unterscheiden und beide zu beachten. Kants, des Vaters der Menschenrechte, Forderung, sich in jedem Falle und unter allen Umständen sittlich-rational gegen jedes Gefühl zu entscheiden - auch etwa das eigene Kind der Wahrheit und der "praktischen Vernunft" zuliebe "aus Pflicht" zu opfern - , ist unmenschlich.
Einen kleinen Sprung in die Debatte um
C.(multipolare) Freiheit und Freiheitsvoraussetzungen als einzige Schranken
nachhaltiger Menschenrechte - nicht dagegen Gemeinwohl, Glück, Ökozentrik,
Schutz vor sich selbst.
Gegen die
Altliberalen John Lockes und Thomas Hobbes darf für E. wirtschaftliche Freiheit
nicht uneingeschränkt gelten (a. a. O. S.128).
Jene Denker würden nun aber darauf bestehen, daß der wirtschaftliche
Freiheit nicht noch mehr Grenzen auferlegt werden (allenfalls durch ganz
vereinzelte >Gemeinschaftsbelange< wie z. B. Steuerzahlung für eine Armee
zwecks äu0erer Verteidigungsbereitschaft und zwecks Finanzierung des
Existenzminimums – ergänzt durch eine Anwendung des Junktims. Zumindest dürfe
es keine Menschenrechte geben, die einen Schutz vor den Mitmenschen und ihrer
Wirtschaftsfreiheit geben. (a. a. O. S.128,129) … Wenn die liberale Tradition
also philosophisch und verfassungsrechtlich die Grundreche ausschließlich als
Rechte >direkt gegen den Staat< und nicht als Rechte >gegen die
Mitbürger< bzw. >auf staatlichen Schutz gegen Mitbürger< auffaßt,
bedeutet das: Der Schutz junger, künftiger und in anderen Kontinenten lebender
Menschen wäre zwar formal Menschenrecht; er hätte aber sozusagen keinen
Anwendungsbereich. De3nn der intertemporale Konflikt entsteht durch das
Verhalten von Privatpersonen, die Ressourcen, Klima, Ozonschicht usw. in
Anspruch nehmen – und nicht durch staatlichen Ressourcenverbrauch. Nun ist es
zwar gerechtigkeitstheoretisch durchaus überzeugend, daß der nationale/globale
Staat aus organisatorischen Gründen und wegen der notwendigen Abwägungen der
alleinige Grundrechtsverpflichtete ist. Könnten die Bürger sich direkt
gegenseitig unter Berufung auf ihre Menschenreche in Anspruch nehmen, wäre ein
Gesamtausgleich der verschiedenen Freiheiten unmöglich; zudem sind bei vielen
Freiheitsbeeinträchtigungen zwar Bürger die >Täter<, jedoch sind diese Tätern für die
>Opfer< schwer zuordenbar (selbst im Miet- oder Arbeitsecht und
allgemein im Zivilrecht werden >direkte Ansprüche< nur dadurch möglich,
daß die Politik in Konkretisierung unserer eher unbestimmten Freiheit zunächst
einmal festlegt, wer was von wem fordern kann). Jedoch ist damit noch nicht
geklärt, ob ich u. U. ein Menschenrecht gegen den National- oder Globalstaat
habe, mich gegen Schädigungen durch meine Mitbürger in Schutz zu nehmen.
(a. a. O. S.129,130) Ich will zeigen, dass ein solches Recht besteht…
Nur aus Praktibilitätsgründen werden die wechselseitig geschuldeten Rechte über
eine Streitentscheidungsinstanz >Staat< vermittelt. Zudem ist die
unparteiische, also nicht speziell einer Seite zugeneigte Vermittlung
zwischen den Bürgern (als aktuelle und potentielle Gerechtigkeitsdiskutanten),
die sich gegenseitig achten müssen, doch gerade die Aufgabe der in einer
gerechten Grundordnung bestehenden staatlichen Organe, national wie ggf. auch
global. Grundrechte als elementare Rechte sollen feste Positionen gegen
typische Freiheitsgefahren verleihen. Und diese drohen nicht nur direkt durch
den Nationalstaat, die EU oder auch einen Weltstaat – sondern ebenso durch
Private, deren Tun der Staat >nur< hinnimmt (oder, wie eine
Industrieanlage), genehmigt)…. (a. a. O. S.130)
Ich sage: Menschenrechte werden nur durch
Menschenrechte inklusive der >elementaren <
Freiheitsvoraussetzungen und de Junktims begrenzt – niemals dagegen durch
kollektive >Gemeinwohlbelange<, ökozentrische Belange, Belange eines
>guten Lebens<oder gar einen Schutz des Menschen vor sich selbst. Denn
dies sind keine zulässigen Gegenstände einer gerechten und nachhaltigen
Politik,…
Die These dazu ist: Auch >weitere< Freiheitsvoraussetzungen können
die Freiheitsrechte ausnahmsweise einschränken… (a. a. O. S.136)
Weil die >weiteren< Freiheitsvoraussetzungen gleichwohl die Freiheit fördern können
"Klar ist also, daß die Demokratie
Entscheidungen der Diskurse in möglichster Übereinstimmung mit Achtung und
Unparteilichkeit fördert, weswegen sie mit Sicherheit >geboten< ist. Ohne
Entscheide bliebe die Freiheit irreal, und zudem würde es (mangels Konsens)
stets beim nationalen, globalen und intertemporalen Status bleiben. Auch
Nichtentscheiden ist ja eine Entscheidung, und zwar hier für einen
nicht-nachhaltigen Status quo. Doch spricht viel dafür, (I) die Demokratie auf
den Ausgleich der Freiheiten und ihrer Voraussetzungen zu beschränken,, also
auch mit demokratischer Mehrheit keinen Schutz gegen sich selbst, kein
Gemeinwohl, keine Ökozentrik usw. anzuerkennen. Ebenso spricht viel
dafür, (II) neben der Demokratie auch andere Institutionen, wie z. B.
Verfassungsgerichte und Nachwelträte zwischen den global und intertemporal
kollidierenden Freiheiten vermitteln zu lassen, sofern diese Institutionen im
Einzelfall mehr Rationalität, Unparteilichkeit und Freiheit versprechen als
eine Mehrheitsentscheidung. Meine universale Institutionenlehre, auch für
globale und intertemporale Konflikte, kulminiert darum in einer
gewaltenteiligen Demokratie und nicht in einer >radikalen<. " (a. a.
O. S.156)
Gut gebrüllt
Löwe!, was die Notwendigkeit von Entscheidung und damit von AUSLESE angeht. Der
Begriff "Ausgleich" deckt sich hier nicht so ganz mit seinem
Gebrauch im biotelen Sinne, aber E. sagt ja auch zu undeutlich, für was den im
AUSGLEICH Ersatz geboten werden soll und wie weit dieser Ersatz gehen darf. Im
biotelen Gebrauch hat AUSGLEICH beispielsweise eine Schranke in der Schwächung
der AUSLESE, die es zu vermeiden gilt.
Ekardt kommt also praktisch zu einem ziemlich ähnlichen Ergebnis, nämlich
ebenfalls zu einer Konstitutionellen Demokratie, in der Regierungen und
Parlamente nicht immer und unbedingt das letzte Wort haben. Aber die
"Ökozentrik" abzulehnen, dies ist entweder aus der heutigen Art zu
verstehen, wie die ökologische Richtung politisch sich gebärdet oder eben aus
Unverständnis des Autors für Natur. Wenn ich einer von denen wäre, die durch
seine Gunst in einer späteren Generation auf diese Welt kämen, ich würde ihm
nicht verzeihen, wenn ich eine Natur, in der Fülle wie sie sich heute
darstellt, nur noch am Bildschirm erleben dürfte. Es könnten sich dann leicht
kriminelle Banden bilden, die darauf ausgehen, die Überbevölkerung mit
illegalen Vernichtungsaktionen zu lichten, also ein Ökoterrorismus (Carl Amery:
Das Geheimnis der Krypta, Listverlag s.u.). . Natürlich befaßt sich eine
jegliche Gesetzgebung mit der Schaffung von Freiheitsräumen durch
Freiheitsbeschränkungen; insofern kommt man dann theoretisch auch mit dem
Begriff der AUTONOMIE zurecht; aber viel gescheiter ist man damit nicht., was
die Art und Weise der Steuerungen und Regelungen angeht. Was die entscheidenden
Institutionen betrifft, so scheint E. ganz in Ordnung zu finden, wie es in
derartigen Räten und Gremien zugeht; eine verbesserte Rationalität hat er jedenfalls
nicht im Blickfeld; er unterstellt eine Unparteilichkeit, die kaum
irgendwo zu finden ist. Und müßten solche Institutionen über die Qualität ihrer
Urteile nicht wenigstens ein hohes Ansehen, eine Autorität in der
Öffentlichkeit repräsentieren? Und wann käme welche zum Zuge? Muß man die Leute
wirklich erst lehren, daß es kein Gemeinwohl zu achten gäbe? Ich sehe
Vandalismus in fast allen Straßen: tut der Begriff des "anderen Menschen
mit seinen Freiheiten, die es zu achten gelte" hier bessere Dienste? Was
dann E. an Ratschlägen erteilt, ist keineswegs anhand bestimmter Prinzipien
ermittelt und ausgemittelt, es wirkt häufig wie frei aus dem Handgelenk
geschüttelt. So sollen Bildungschancen gleich sein, nicht aber die Einkommen
(a. a. O. S.139); was aber wird aus einer "maximalen Freiheit", wenn
die Leute sich für Geld und nicht für Bildung interessieren? Das Gewicht der
Veranlagung wird nicht genannt, wohl aber die Motivation etwa zur Arbeit durch
Anreize. "Die Schädigung konkreter Menschen durch klimabedingte
Überschwemmungen kann man sich vorstellen", dagegen nicht den
Gemeinnutzen, "den Schutz seltener Arten"; das müsse zur Motivation
ausgenutzt werden.
"Die rein wechselseitige Freiheitsbegrenzung generiert zugleich
eine universale Konzeption des Sozialstaates, zusammen mit dem Junktim und dem
Recht auf die elementaren Freiheitsvoraussetzungen - sei es im Nationalstaat
oder gar ... in einem Weltstaat." (a. a. O. S.138,139)
Der Aspekt der SUBSIDIARITÄT als von unten her sich aufbauender größerer Einheiten geht bei E. baden. Aber ohne diesen Stufenaufbau von unten hätte es keine Kultur gegeben, die ja doch Voraussetzung für Freiheit ist; vor allem für Freiheit in dem Sinne, die E. im Auge hat, nämlich die menschliche Autonomie, Selbstbestimmung. Auch hier gleich wieder die "Ehrenrettung":
"Gegen einen echten Weltstaat spricht
allerdings die dann sehr große Entfernung zwischen Wählern und Gewählten,
welche Freiheit und Demokratie gleichermaßen gefährden kann. Auch wird es eine
echte globale Öffentlichkeit, die politische Fragen zusammenhängend diskutieren
und durch Kontrolle, wie sie eine gewaltenteilige Demokratie braucht, ausüben
können, auf absehbare Zeit nicht geben. Dis ändert nichts an den Argumenten für
eine globale Institutionsebene." Deren Zuständigkeit müßte auf wenige
Sachgebiete beschränkt werden, auf > Kernregelungen<.
"Unterhalb dessen sollten kontinentale Zwischenstufen nach EU-Vorbild zum
allgemeinen Modell werden. Sie könnten einen größeren Kreis von Fragen regeln
und wären näher am Bürger dran als eine notgedrungen hochabstrakt globale
Ebene. Zu dieser von der Freiheit her gebotenen föderal-subsidiären Abstufung
gehört auch, daß die Behörden, die die globalen Gesetze real vollziehen, oft
die nationalstaatlichen sein sollten (so ist es heute schon in der E. U).
Deshalb und wegen des Junktims von Freiheit und Folgenverantwortung darf der
Globalstaat, z. B. bei der Armutsbekämpfung also nur das tun was der
Nationalstaat nicht selbst kann. Es muß mithin klare Rahmenbedingungen geben
(siehe schon Kap.III D.) aber nicht unbedingt eine einheitliche
Weltsozialhilfe" (a. a. O. S.162)
Also doch besser ein "Europa der Vaterländer" (De
Gaulles). Beim Eu-Verfassungsentwurf, welcher der gliedernden
Subsidiarität wenig Rechnung trägt, hat sich E. offenbar nicht durchgesetzt,
wenn er es überhaupt gewollt hätte.
Im letzten Zitat hätten wir also ein klares Bekenntnis zur Subsidiarität,
aber warum will E. diese dann dem Freiheitsbegriff, "als
Junktim" sozusagen, beiordnen und nicht als gesonderten Aspekt bei
jeder Fragestellung und Entscheidung berücksichtigen? Wer die Übersicht
verliert, verliert auch Freiheit. Und das Regieren von Gewählten beweist die
Entscheidung für eine repräsentative Demokratie trotz all der Mängel, die aus
der Abgabe von Freiheit durch die Wähler an die Gewählten entspringen.
Und ein neues qualifizierteres Auswahlverfahren, auch für die Besetzung etwa
der Verfassungsgerichte, wird ja nicht geboten, auch keines, das diese AUSLESE
von Gruppen- oder Kollektivinteressen freier halten könnte. (Warum wohl?)
Auch E. mag den Begriff des Umweltschutzes nicht, sondern dafür
lieber "Schutz der Lebensgrundlagen". (a. a. O. S.138) Und auch hier
nehme ich ihn beim Wort: viel anschaulicher ist es doch auf die einzelnen
Pflanzen und Tiere oder doch auf ihre Arten zu sehen, um die Menschen zum
Schutz der Lebensgrundlagen zu ermuntern. Damit hätten wir aber uns also doch
näher kommen können, da doch Biotelie nichts anderes besagen will. Nur kann man
ein solches Ziel nicht fest an die AUTONOMIE und an den Freiheitsbegriff
binden, zumal der Großteil der Menschen ja in einem Großteil der Lebenslagen
gar keine Freiheit wünscht, sondern mehr oder weniger geführt oder gegängelt
werden will, und dies bis in die intimsten Zweierbeziehungen hinein. Und dann
kommt eine subsidiär aufbauende Struktur doch noch einmal zum Vorschein, indem
E von einer "national/europäisch/globalen Grundordnung" spricht,
"die die Folgenverantwortung fördert - die also z. B. jeden Menschen anhält,
sich konsequent um seinen Lebensunterhalt zu bemühen", was er strikt von
einem "Recht auf Arbeit" trennt und der damit angeblich verbundenen
Planwirtschaft (a. a. O. S.139) Auch hier wieder hohe Übereinstimmung; nur
bedarf es offenbar erst des biotelen Systems, dies Problem mit Chipgeld zur
Verhinderung der Finanzierung von Schwarzarbeit, durch Kürzung der
Lebensarbeitszeit und durch frühe Hinführung der Jugend zur Arbeit zu lösen.
Denn da wo E mit seinen Erklärungen hierzu aufhört, beginnt auch die Freiheit
zur Untätigkeit auf Kosten anderer. Und wenn ich dann von der Fülle möglicher
Diskussionen und Diskurse höre, wird mir beinahe schlecht.
"Wir können jederzeit über ästhetische oder persönliche Fragen des
guten Lebens reden - gerade das ermöglicht die Freiheit doch allererst! Nur
fällt dies eben nicht in den Bereich der Gerechtigkeit und bleibt privat und nichtstaatlich.."
(a. a. O. S.140, 141)
Für Fragen des Gemeinwohles, Verzeihung!, solche die
"andere Menschen" oder "den Menschen" angehen, interessiert
sich aber fast keiner, wie der Büchermarkt und anderen Medienprogramme
beweisen.
Vielleicht hilft noch der folgende Satz zum Verständnis für die Ablehnung
Ekardts gegenüber dem Gemeinwohl-Begriff:
"Jede kollektivistische Einschränkung der
Freiheit (>Gemeinwohl<) würde die Chance auf Entfaltung eigener
Lebenspläne und auf ideale Diskurse, also auf ein rationales Zusammenleben,
stärker reduzieren, als es zur Ermöglichung der gleichen Chancen für alle
anderen nötig ist." (a. a. O. S.142)
Und sofort
drängt sich mir das Ereignis einer außerordentlichen Nilüberschwemmung im
Altertum auf und daneben das einer Sturmflut jüngst im heutigen modernen
Amerika, wo die staatlichen Hilfsdienste prompt zunächst versagten.
Das Kollektiv (oder besser: die Gemeinschaft) nimmt aber nicht nur anderen
etwas weg, sondern es gibt ihren Mitgliedern, was sie allein nicht haben
könnten. Angefangen von der Kultur als Ganzer.
Und nun erkläre mir E. einmal, inwieweit er mit dem folgenden Satz über den
kategorischen Imperativ Kants hinaus ist: (allerdings müßten wir den
vorgeschobenen Einleitungssatz gesondert attackieren!)
"Und die Würde/Autonomie ist ja neben der Unparteilichkeit und der
Freiheit das einzige aus der Vernunft ableitbare Prinzip."
So einfach
sollte man es sich nicht machen, aber die Heutigen sind so. Und jetzt die
Definition:
"Ergo werden unparteiische Bürger von ihrer ursprünglichen Freiheit nur so
viel einzubüßen bereit sein, wie unabdingbar ist, um allen anderen die gleiche
Freiheit einschließlich ihrer Voraussetzungen und aller Implikationen
einzuräumen, die aus Freiheit und Voraussetzungen irgend ableitbar sind
(inklusive des Prinzips der gewaltenteiligen Demokratie: Kap. IV D.)"
Aber diese "ursprüngliche Freiheit" ist für ein
Lebewesen wie ein Mensch m. E. bereits problematisch; zu sehr sind wir von
Geburt her eingebunden in tausendfältige Abhängigkeiten, angefangen von unseren
Genen. Ich kenne kaum "unparteiische Bürger" und fraglich bleibt
gerade heute, ob die meisten immer daran denken, wie ihr Verhalten sich auf
andere auswirkt.
"Warum sollte man denn kollektivistische, nicht an den einzelnen und seine Freiheit rückgebundene Belange, z. B.
>ein Gebot der Menschheitserhaltung<, akzeptieren? In
Ermangelung einer solchen Begründung ist das >Gemeinwohl< eine bloße
dogmatische Behauptung und ergo grund- und haltlos." (a. a. O. S.143)
Ausgenommen in Deutschland heute, das ja immer noch aus
den sechs (oder zwölf?) dunkelsten Jahren seiner Geschichte lernen soll, sind
mir reichlich Bürger anderer Nationen (etwa bisher ausnahmslos alle
Hunderte mir persönlich oder aus den Medien begegneten Türken) bekannt, die für
das Gemeinwohl ihrer Nation zu hohen persönlichen Opfern bereit sind.
Das Junktim, ja sogar die behauptete Einheit von Menschenwürde und Freiheit
darf, ja muß bestritten werden. Es war ein guter Griff der Väter unseres
Grundgesetzes, die Würde des Menschen an die Spitze zu stellen. Diese
Vorrangstellung muß der Würde auch im biotelen System zukommen. Aber das
ungeschmälerte Elternrecht, die Zahl ihrer Kinder zu bestimmen, ohne Einbindung
wenigstens der Kollektive in ihre Verantwortung für ein
Bevölkerungsgleichgewicht, verletzt die HYPARCHIE, muß zu Konflikten führen,
insbesondere wenn Nichteltern dann für die Kinder anderer aufkommen müssen und
in ihren Rechten bis hin zum "Naturgenuß" (bei E. ein nicht
essentieller Bereich) geschmälert werden. Die Bevölkerungsexplosion ist ein
Angriff auf die Menschenwürde; das Problem muß von unten, in erster Linie durch
Kollektive gelöst werden; eher wie in China durch Zwangsmaßnahmen (falls nicht
anders möglich, was zu prüfen wäre) als wie in der Türkei durch Aussiedlung
eines weiter expandierenden Bevölkerungsüberschusses nach Mitteleuropa. E.
fordert eine
"freiheitlich und demokratische... Weltföderation oder Weltstaat
mit ...Gewaltenteilung... Weltparlament, Weltexekutive und Weltgerichten statt
des heutigen unkontrollierten Sicherheitsrates, der reine Machtentscheidungen
treffen darf. Das Parlament müßte dabei dem Proporz zu der realen
Bevölkerungszahl jedes Landes folgen - anstelle des UNO-Prinzips
Ein-Land-eine-Stimme." (a. a. O. S.162,163)
Und dann folgt
auch schon gleich der Widerspruch, der institutionell eben erst mit Biotelie
aus der Welt geschafft werden könnte.
"Wir würden also jeweils das Weltparlament, das Kontinentalparlament und
unser nationales Parlament zu wählen haben. Dabei wäre der
Zuständigkeitsbereich der Weltföderation aber auf wenige Gebiete
beschränkt."
Ich müßte meinen
Vorwurf der ungenügenden Berücksichtigung der SUBSIDIARITÄT zurückziehen, wenn
E. sich über die Zuständigkeiten genauer ausgelassen hätte. Was weiß ich als
nationaler Bürger, was da eine von Millionen Landleuten nach dessen
mediengestilter Reputation gewählte oder weiter aus Parteienrekrutierung heraus
ins Weltparlament entsandte Person dort mit ihrer Entscheidungsmacht macht?
Insgesamt ist das Ekardt' sche moderne Freiheitssystem doch ein Angriff auch
auf den Bestand und Zusammenhalt der kleineren kollektiven Einheiten, der
Gemeinden bis hin zu den Nationen. Sie könnten doch gar nicht fortexistieren,
wenn ihnen lediglich die (vorübergehende?) Aufgabe zukäme, Individualfreiheit
gegen Individualfreiheiten abzuwägen und zu schützen. E. befindet sich mit
seiner Lehre im fast unisonen Chor derer, die eine sich immer stärker und rascher
vereinheitlichenden Weltkultur in einer Weltgesellschaft. also eine sich
möglichst gleichende und möglichst vermischende Menschheit anstreben. (Dies war
doch das utopische Ideal des Internationalen Sozialismus: jetzt zwar
nicht mehr auf gleichem Besitz und Eigentum, aber auf gleichen Freiheiten
aufbauend; und was ist da noch der Unterschied, wenn Besitz das Ausmaß der
Freiheiten doch so stark bestimmt?) E.' s zutreffende Äußerungen und sein
Bekenntnis zur Subsidiarität (ohne das bisherige sozialistische
Gießkannenprinzip bei der Hilfe zur Bedürfnisbefriedigung) wirken auf mich wie
die letzten Zuckungen eines Realitätsbewußtseins.
"Klar ist zudem die Leitlinie, die aus der universalen und nunmehr global
zu verankernden Freiheitskonzeption folgt: Weder darf die globale Ordnung sich
auf die Gewährleistung ungehinderter wirtschaftlicher Freiheit beschränken -.
noch darf die Ordnung beliebige demokratische Entscheidungen der jeweiligen
Mehrheiten eröffnen. Man darf also nochmals mit einem Augenzwinkern sagen:>
Weder Olaf Henkel noch Attac<. (a. a. O. S.163)
Was aber dann,
wenn doch im Weltparlament die wenig gebildeten Bevölkerungsmassen, bzw. deren
Agitatoren (sprich: Demagogen) mit ihren Stimmengewicht zu
Mehrheitsbeschlüssen berechtigt sind? Wäre da eine unabhängige biotele
Gutachteninstanz mit klaren Verfahrensrichtlinien in demokratischer Rückbindung
an Eingaben von jedermann und Endentscheidung der Betroffenen nicht doch ein
prüfungswerter Vorschlag? Kollektive sind den biologischen Organismen nicht
gleichsetzbar; aber sie können in vielem mit großem Gewinn für die Ordnung
(dynamische Stabilität) analog betrachtet und behandelt werden, insoweit muß
ich Aristoteles gegen E. (vgl. a. a. O. S.144) in Schutz
nehmen.
Nun, weil eben die Einzelmenschen eines Kollektivs auch in unserer Vorstellung niemals den Gesamtwillen einer ganzen Kultur vermitteln und vertreten können, deshalb sind Kollektive da und auch daseinsberechtigt. Wenn alles andere, wenn das Erlebnis der lebendigen wunderbaren Schöpfung (Entwicklung), für E. keine "Grund" ist, dann ist Freiheit für mich schon gar keiner. Eine einzige schwere Krankheit und meine Freiheit ist so ziemlich dahin. Aber auch mit der PLURALITÄT der Kulturen scheint E. nicht sehr viel am Hut zu haben.
"Darum gibt es zur liberalen Grundordnung, die eine je eigene Wahl der Lebensform ermöglicht, dauerhaft auf dieser Welt schlicht keine Glücks-Alternative mehr. Schon heute bilden sich global ähnliche Vorstellungen [v] von einem gelungenen Leben heraus. Ähnliche Kleidung, gleiche Kinofilme , die gleichen Kirchen, die gleiche Literatur und das gleiche Internet zeigen dies" (a. a. O. S.79)*)
Andere sehen und erleben in ihrer eigenen und besonderen Kultur eine Sinnerfüllung des Lebens. Über das Wachstum der Kultur ist unsere Sprache, unser Denken, sind wir geworden, was wir sind; wie es weitergeht, das wissen wir alle nicht. Warum kamen die Schriftreligionen der Welt alle drei aus Palästina? Warum kommt die moderne Technik aus Europa und den von dort kolonisierten Staaten? Man darf also Gleichgültigkeit gegenüber Kulturen (cultura, Pflege!) und deren Erhaltung begründet tadeln. Zur Kultur gehörte bisher auch die Regelung der Bevölkerungsgröße. Angesichts der Weltbevölkerungsexplosion werden alle Spekulationen hinsichtlich einer Maximierung von Freiheit Makulatur (das waren einmal vergilbte Zeitungen, die man unter die Tapeten kleisterte! Ich habe sie noch als Junge geklebt.). Und die westlich liberalen Grundrechte will ja E. nicht eingeschränkt sehen; darunter fällt aber auch das Recht der Eltern, die Zahl ihrer Kinder zu bestimmen. Der Gebrauch, der von diesem Grundrecht gemacht wird, hängt aber stark von religiös-weltanschaulicher Kollektivzugehörigkeit ab. Dahin kann kein Diskurs eindringen; die Schwäche und das Versagen des Westens wird von seinen Feinden längst erfühlt, ja erkannt und reizt zum Großangriff. Konsumübertreibung auf der einen und Kinderschwemme auf der anderen treiben den Planeten Erde zum Ökokollaps. Und dann muß man sich zusammennehmen um weiterzulesen:
"Auch das Generationenverhältnis müßte also
idealiter im rationalen Diskurs geklärt werden, weil vorab erst einmal ungewiß
ist, wer die besten Argumente haben wird, Zwar kann ein intertemporaler Diskurs
real nie stattfinden, weil künftige Menschen heute noch nicht diskutieren
können. Aber jener Diskurs könnte durch Vertreter der Zukunftsinteressen
geführt werden... Die Diskursprinzipien dirigieren eben nicht nur das Verfahren
Gerechtigkeitsdiskurs. Sondern sie dirigieren auch die Gerechtigkeit
seiner Ergebnisse, die ja die Vorbedingung aller künftigen Diskurse setzt.
Besonders intertemporal wären Verfahrensrechte ohne ergebnisregulierende
Prinzipien (also Rechte, daß meine inhaltlichen Belange, z. B. ein Recht auf
ein stabiles Klima, in der Entscheidung berücksichtigt werden und daß ich dazu
als Zukunftsvertreter nicht nur >meine Meinung sagen< darf) katastrophal,
weil eben nur Vertreter die Zukunftsinteressen vortragen. Und solche Vertreter
werden sich stets weniger vehement einbringen als reale künftige Menschen, wenn
man an unseren latenten Hang zum Egoismus denkt." (a. a. O. S.94)
Ich muß einwerfen,
daß solche Zukunftsvertreter von der Industrie natürlich bestochen würden und
die Industrie schon dafür sorgen würde, daß die "richtigen" Leute an
diese Stelle kämen, für E. sind ja dies alles keine Probleme.
"Deshalb und weil das Ergebnis des - hier: hypothetischen intertemporalen
- Diskurses stets die Möglichkeit weiterer Diskurse beeinflußt, fordert
die offene Vernunft, die ja Achtung und Unparteilichkeit als alternativlose und
transzendental gesicherte Prinzipien erst hervorbringt, eben eine inhaltliche
Beachtung der liberalen Prinzipien durch die Diskursergebnisse. (a. a.
O. S.94,95) Nicht nur im Verfahren, sondern auch im Ergebnis muß darum
die Freiheit aller hypothetischen Diskutanten gewahrt werden. Diese inhaltliche
Anforderung an > Gesetze als Diskursergebnisse< können Lebende
gerichtlich einklagen. Z. B. könnten sie den klimaschützenden Versuch eines
Sonntagsfahrverbotes durch Berufung auf ihre Freiheit vors Verfassungsgericht
bringen - und damit ihre Rechte als Schranke der Gesetzgebung durchsetzen. Sie
können so eine Ergebniskontrolle und zugleich eine zweite Diskursstufe, nämlich
einen Diskurs vor dem Verfassungsgericht, einfordern (die nicht triviale,
entscheidende Notwendigkeit einer solchen Gewaltenteilung zur gerechten,
rationalen und unparteiischen Lösung menschlicher Konflikte vorerst
vorausgesetzt; näher Kap.V.) Genössen Zukunftsbelange keinen Grundrechtsschutz,
hätten sie jene zweite Chance nicht - oder nur insoweit, als das Verfassungsgericht
überprüfen würde, ob sie real am Gesetzgebungsverfahren beteiligt wurden
-, ohne die dortige Entscheidung inhaltlich auf Einhaltung der Rechte auf
Leben, Gesundheit und Existenzminimum zu überprüfen. Damit wären die
Gegenwartsinteressen gegenüber den Zukunftsinteressen im intertemporalen
Gerechtigkeitsdiskurs strukturell bevorteilt. Dies aber wäre nicht mit einer
inhaltlich offenen Vernunft im hypothetischen Diskurs zwischen
heutigen und künftigen Generationen vereinbar." (a. a. O. S.95)
Um den Gegensatz zum biotelen Gutachtenverfahren deutlich zu
machen: anstelle der "offenen Vernunft" , die blaue Wunder erleben
ließe, wie die Diskursergebnisse durcheinanderpurzeln würden, würde also das
Ziel der dynamischen Stabilität gesetzt in der näheren Präzisierung der
Teilziele bzw. Stützungsmethoden in den biotelen Aspekten; zur Frage stünde
dann, ob diese Problemstellung in letzter Zeit bereits entschieden wurde und
mit welchem Ergebnis; die nächste unabhängige Begutachtungsstufe wäre die, ob
der entstehende Aufwand mit einem zu erwartenden Ergebnis in einem positiven
Nutzenverhältnis steht. Wenn positive Übereinstimmung erzielt oder keine
überschlägige Entscheidung möglich erscheint, geht es um die Entscheidung
darüber, wessen Interessen berührt würden. Von der Beantwortung dieser Frage
hängt dann auch ab, welche Personen wahlberechtigt bei der Schlußentscheidung
mitwirken (Ungeborene gewiß nicht! Aber etwa Eltern, wenn das Interesse ihrer
Kinder berührt wird?). Zum zweiten würde unabhängig gutachterlich (also mindestens
zwei Gutachter, die sich nicht kennen; und dies gilt für jede Gutachtenstufe)
der Kreis der Fachleute bestimmt, die für die Sachverhaltsklärung anzusprechen
wären. Diese würden auch prüfen, ob der Antrag auf ein Sonntagsfahrverbot nicht
sinnvoller dahingehend erweitert oder ergänzt werden sollte, die Frage der
stärkeren Kontingentierung des Ölverbrauches generell zu prüfen. Längst wäre
durch ähnliche Gutachtenanträge, die ja jedermann gebührenpflichtig stellen
dürfte, die Frage behandelt, auf welche Weise ohne vermeidbare Härten und
Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte das Weltbevölkerungswachstum gedrosselt
werden könne. In weiteren parallelen (bzw. unabhängigen, wahrscheinlich
bereits erledigten) biotelen Verfahren wäre festzustellen, wie groß der Vorhalt
von Ölreserven für künftige Generationen bemessen sein soll, um auch diesen
unter Zugrundelegung der Ergebnisse der Bevölkerungspolitik global einen dem
heutigen vergleichbaren Lebensstandard nach derzeitigem Wissensstand zu
ermöglichen. An diese Abklärung würde sich das Gutachten darüber anschließen -
es würde voraussichtlich bereits durch irgendeine Fachkraft, wenn nicht aus dem
allgemeinen Publikum beantragt - ob denn das Verkehrssystem nicht günstiger auf
ein elektrisches System umgestellt werden könnte, um die Ölreserven und
Gesundheit und Natur zu schonen. Ein entsprechendes Verkehrssystem wurde von
mir zum Patent angemeldet, wird aber in absehbarer Zeit nur als Spielzeugmodell
zu verwirklichen sein, da es ja weder unsere Industrie noch unsere Regierungen
ernst meinen mit der Ökologie.
Und jetzt erst wäre der Ort (hier mehr als Zeitpunkt zu interpretieren, da das
Vorbeschriebene vermutlich bereits abgelaufen wäre), welche Bedeutung dann das
Sonntagsfahrverbot noch haben könne. Ich gehe von der Vermutung aus, daß sich
die Fragestellung (rasch) erübrigt hätte. Der öffentliche "Diskurs"
über alle diese Fragen ergäbe sich bereits aus dem Medienecho über die biotelen
Gesetze nach deren Erlaß, da eine Diskussion über noch unentschiedene
biotele Gesetzesentwürfe nur in Fachorganen gesetzlich zulässig wäre, um den
Einfluß von Sonderinteressen zu schwächen. Das Allheilmittel der Ökosteuern,
das keinem unserer Nachfahren hilft, die doch die Suppe Natur- und
Kulturzerstörung auslöffeln müssen, ist im System der Biotelie hinfällig, da
der Ressourcenverbrauch ja der Industrie in Kontingenten zugeteilt wird. Damit
können besonders sensible Lebensbereiche und Abbaugebiete gezielt geschützt
werden. Die Verknappung von Rohstoffen wird dann ganz selbstverständlich über
den Marktpreis an den Verbraucher weitergegeben, jedoch hat man (mit dem
Wegfall der Ökosteuer) ein Feigenblatt, ein politisches Schlagwort
weniger.
Treten wir wieder in die Gedankengänge Ekardts ein:
Unter dem >Gebot der Menschheitserhaltung< nach Hans Jonas, das E. ja
ablehnt, würde mit Karl-Otto Apel der "diskursrationale Liberalismus
auf den Kopf" gestellt, denn es gehe dann um die Erhaltung der Diskutanten
des Diskurses wegen.
"Die Menschen sind doch nicht für den Diskurs da, sondern der Diskurs ist
für die Lösung von Konflikten unter den Menschen da! Wir selbst erzeugen die
Vernunft und die Gerechtigkeit als ihre Implikation. Die Vernunft und ihre
Gebote schweben doch nicht von selbst im Raum wie der Geist Gottes in der
Schöpfungsgeschichte. Wäre dies anderes, wären wir auch bei einer Pflicht zum
Diskurs zwecks >Mehrung der Vernunft< und damit wohl bei der zu
meidenden> Vernunftdiktatur<.... Jedoch sind künftige Ansprüche ja nur
als Vorwirkungen denkbar. Sie schützen also die Menschen, die real sein werden
- nicht aber die Produktion von Menschen. Sobald es mir gelingt, die Geburt
künftiger Vernunftwesen (Menschen) vollständig zu vermeiden, besteht ergo auch
keine Bindung aus künftigen Rechten, weil solche Rechte dann eben gar nicht entstehen.
(a. a. O. S.96, 97) Wenn alle Menschen dies wollten, dürften wir uns ergo sogar
selbst ausrotten (denn dann gäbe es keine geschädigten Nachkommen). Wobei ein
solcher Beschluß selbstredend nie gefaßt werden wird - aber er läge eben
prinzipiell in unserer Freiheit..." (a. a. O. S.97)
Nur setzt sich Ekardt - er muß als Professor eben doch Bücher
schreiben - darüber hinweg, daß die von ihm geforderte Weltföderation
gar nicht zustande kommen kann, wenn er auf seiner liberalen Vernunftordnung
bestehen will: da macht doch die Mehrheit der Staaten nicht mit, wenn überhaupt
einer. Wer einen Weltstaat anstrebt, der darf doch nicht alle Religionen und
Weltanschauungen in das Korsett seiner eigenen - mich etwa keineswegs gänzlich
überzeugenden - Überzeugung sperren wollen! Für mich und auch die Wissenschaft
bis zur neuesten Zeit erzeugen wir nicht die Vernunft erst im Diskurs, sondern
haben sie - auf welchem ursprünglichen Weg auch immer - weitgehend ererbt.
Vernunft ist für mich ein Instrumentarium des Überlebens, in erster Linie des
menschlichen Überlebens, aber eben nur in erster Linie. Offen wäre an
vernünftigen Planungen im Rahmen der Freiheitsverwaltung (sprich:
Rechtsordnung) nach E. doch nur das ganz Spezielle, das von den jeweiligen
Zeitbedingungen beeinflußt wird, die wir zumeist heute noch nicht beurteilen
und uns deshalb den Diskurs darüber auch sparen können. Halt, bei E. gilt die
Rechtsordnung ja nur der Konfliktlösung, so verlangt es die Diskurslehre, wie
sie derzeit en vogue ist! (Was darüber ist, paßt nicht ins Konzept und
wird verschwiegen.) HYPARCHIE, d. h. Minimierung von Gewalt, Zwang und
Bedrohung ist bei E. kein eigenständiger Aspekt; er soll wie selbstverständlich
aus den Diskursen hervorgehen, obwohl die Menschen und ihre Weltanschauungen doch
gar nicht so friedlich sind. Der Aspekt der SPONTANEITÄT kommt vollends zu
kurz; er würde ja auch für eine Eigenständigkeit der Natur, auch der
menschlichen, stehen, die ihr E. offenbar nicht zubilligen will. Und sogar
Spontaneität rechne ich ja zu den wichtigsten Quellen und zu einem wichtigen
Bachbett der Vernunft. Zur AKTIVITÄT will E. an wenigen Stellen ja motivieren;
Grenzen des AUSTAUSCHES werden erahnt; daß PLURALITÄT bei ihm schlecht
aufgehoben ist, wurde ja bereits erwähnt.
Ganz augenfällig werden die Grenzen des AUSTAUSCHS, wenn ich mein Bedürfnis in
Betracht ziehe, meinen Samen bei irgendeiner Frau X los zu werden, die mir
zufällig begegnet. (Dies Beispiel existiert und ist schlagend; allerdings in
anderem Zusammenhang, s.u.). Gegen die PLURALITÄT würden sich schon die
Abschwächung des Zusammenhalts der Kollektive, wie etwa der Nationen,
auswirken, denen ja keine Eigenexistenz neben derjenigen der Bürger zugestanden
wird, also die deutliche Tendenz zu einer globalen Weltgesellschaft (auch
wenn E. immer vom Weltstaat spricht). Der Reinfall beim NPD-Verbot vor dem
Deutschen Bundesverfassungsgericht - abgesehen von der Einschleusung von
V-Leuten des Verfassungsschutzes, die Straftaten provoziert oder gar selbst
ausgeführt hatten - hätte sich laut Klagebegründung auch auf die Philosophie
Ekardts stützen können. Er fordert ja auch dazu auf, die Verfassungen "neu
auszulegen", ein äußerst anstößiges Vorhaben, das leicht zum
Substanzverlust führen könnte; den aber strebt ja E. gerade an. Und so steht
hinter der Reichstagsfassade mit der Aufschrift "DEM DEUTSCHEN VOLK",
denn auch in einem der Höfe das "moderne Kunstwerk": "DER
BEVÖLKERUNG".
Es wurde der NPD nämlich vorgeworfen, sie behaupte, daß Grundgesetz trete für
Belange des Deutschen Volkes ein, wo es doch nur die Individualrechte vor der
Staatswillkür stützen wolle. Peinlicherweise steht eben dies nicht im Bonner
Grundgesetz; und die Väter des Grundgesetzes wollten unbestreitbar Rechte des
deutschen Volkes schützen; und heutige Bundesminister und Politiker wurden
eidbrüchig, soweit sie gegen die Interessen des deutschen Volkes tätig wurden.
(Ich erinnere an die Gerhard Schröder/Joschka Fischer-Kooperation zur
Herstellung der Freizügigkeit der Türken in Europa! Dabei ging dieser
Zielsetzung nicht etwa eine Untersuchung zuvor, welche Auswirkungen bisher das
Leben türkischer Immigranten für die Bundesrepublik Deutschland hat, auf deren
öffentlichen Frieden und Rechtssicherheit, deren Bildungssystem, deren
Wirtschaft etc.)
Aber auch beim VERGLEICHEN und hinsichtlich der Rolle des Vergleichens müßte manches näher erörtert werden: der Diskurs ist hochwahrscheinlich nicht der richtige Ort für effizientes Vergleichen, der verbale Diskurs schon gar nicht. Aber über die Diskursform wird eigentlich nichts ausgesagt. *) "Der zwanglose Zwang des besseren Arguments" in Diskursen überzeugt mich keineswegs, "rationale Foren" unter Gesprächspartnern, die sich und die den sozialen Rang ihres Gegenüber kennen, sind wohl kaum herstellbar. Ein machtausgewogenes globales Entscheidungsinstrument ist eben nicht verfügbar und wird als "normativ rational" (a. a. O. S.166) im Sinne Ekardt' scher Freiheitsordnung durch eine "rein wechselseitige Freiheitsbegrenzung" (a. a. O. S.169) nie zustandekommen. Auch berührt mich komisch, wenn der menschliche Embryo "vorwirkende Rechte..., eben Zukunftsrechte" wegen seiner "potentiellen Vernunftnatur", aus "Autonomierespekt" erhalten soll - soweit kann ich noch folgen, aber jetzt kommt' s: weil er "in Zukunft ein Diskussionspartner sein... kann" (a. a. O. S.169) Es geht eben manchmal doch auch um die konkrete "Substanz" und nicht nur um Abstraktionen. Absolute Rechte gibt es nach Freiheitsabwägungen nicht, und so kann sogar "die >Quantität der Betroffenen<" ein Argument für die Opferung eines Embryonen zu Forschungszwecke sein. (a. a. O. S.170) Die Argumentation zur Genmanipulation ist problematisch; zumindest deren Ablehnung aus dem Grunde, daß die "liberale Ordnung als solche durch den gentechnischen Fortschritt" in Frage gestellt werden könnte, leuchtet mir weniger ein (a. a. O. S.170) .
"Auch bei >planbarer Intelligenz< könnte man in Diskursen nicht sicher sein, wer im Einzelfall das bessere Argument zur Entscheidung einer Konfliktfrage präsentiert, und auch der Wortsinn von >Grund<, der ja die liberale Theorie trägt, würde sich hier nicht ändern... könnte eine weitreichende Manipulation diese Ordnung rein faktisch erodieren lassen: Wüßten die Bürger, daß einzelne von ihnen ein besonders trächtiges Intelligenzgen besäßen, andere dagegen ein ganz ausgesprochenes Dummheitsgen, würde das faktisch ihre Achtung voreinander untergraben. Dies muß in jedem Fall verhindert werden." (a. a. O. S.171)
Die ganz offensichtlich den Tatsachen widersprechende Fiktion
von der Gleichheit der intellektuellen Fähigkeiten, eine ausgesprochene
Schwäche des demokratischen Regierungssystems, soll also aus
staatsrechtlich-weltanschaulichen Gründen aufrechterhalten werden? Mit der
biotelen Gutachteninstanz wird diese Schwäche umgangen, indem sich jeder,
ohne Ansehen der Person und auch anonym vor der Öffentlichkeit, durch
Verbesserungsvorschläge in den biotelen Gesetzgebungsprozeß einbringen kann,
wobei die Gutachter sich durch Berufs- und Lebensbewährung auszeichnen müssen
und gegenseitig gar nicht kennen; nur ihre Gutachtenergebnisse und deren
Begründung liegen gegenseitig vor. Prestigesstreitigkeiten werden hier nicht
ausgetragen, da es gar nicht um Ansehen und Ehre geht; wogegen in dem
vorgestellten Diskursverfahren keine Schutzmaßnahmen gegen ein derartiges Prozeßentgleisen
erkennbar sind.
"Die Tatsachenbasis der Politik muß also gegen Manipulationen aller
Art abgeschirmt werden. (auch wenn dies leichter gesagt als getan ist, weil
Politiker und Bürger oft ein Interesse an der Verdrängung der Wahrheit
eint)." (a. a. O. S.180)
Dem kann ich doch wieder nur zustimmen! Das Schlimme ist, daß die Medien sich auf diese Wünsche einstellen, weshalb mit Biotelie auch ein Publikationsorgan zur unabhängigen Unterrichtung über einhellige Wissenschaftsergebnisse im lebenswichtigen Bereich einzurichten wäre, die künftig einmal gesetzlich-zwingend eine „Ecke der Wissenschaft“ in den Hauptmedien zu beschicken hätte. An Zusammenhängen wirklich Interessierten wäre es damit leichter gemacht politisch entscheidungsfähiger zu werden.
*) "Zu erinnern ist ferner (13) an das> Junktim< von Freiheit und Verantwortung als Argumentationstopos, der in alle Abwägungen einzustellen ist. Dazu kommt (14) noch ein bisher unerwähnter neuer Freiheitsaspekt: die Einsicht in den freiheitsschaffenden und nicht nur beschränkenden Charakter von Gesetzen: Manche Rechte- zumindest die Eigentumsgarantie - können überhaupt nur sinnvoll entstehen, wenn der Staat sie reguliert und damit letztlich auch eingrenzt (>Freiheit durch Gesetz<) . Die schwächt dann das Gewicht jener Belange in Abwägungen. Nur in Ermangelung anderer, im Einzelfall überzeugenderer Kriterien ist (15) die Anzahl der Betroffenen in der Abwägung wichtig. Man darf also nur im Ausnahmefall sagen: Die Menschen auf der Südhalbkugel sind mehr und sind daher im Recht. Niemals aber darf man, anders als Ökonomen meinen, unterschiedliche und damit unvergleichbare Belange quantifizieren. Man darf also nicht einen Gesundheitsschaden des künftigen Menschen X oder des südamerikanischen Bananenbauers Y mit einem Arbeitsplatzverlust in Deutschland rechnerisch vergleichen, da es insofern an einer einheitlichen Rechengröße fehlt. Dabei dürfen auch Belange, die keinen Marktwert haben, nicht künstlich einen untergeschoben bekommen. So kann das Gewicht des Klimaschutzes z. B. nicht über die Zahlungsbereitschaft der Bürger für ein stabiles Klima geklärt werden... die Rückbindung an die Autonomie... expliziert, was sich Menschen als Menschen gegenseitig schulden."
Wie können Prioritäten aber dann sonst festgelegt werden, etwa über den Willen der Bürgermehrheit hinweg? Spätestens seit Marx richtet sich die Menschheit viel zu stark an der Wirtschaft aus; eine Ausrichtung am AUTONOMIE-Aspekt ist dagegen sicherlich eine interessante Variante. Nur macht der Nachhaltigkeitsaspekt m. E.. aus der Autonomie eine Vogelscheuche; zum Überleben braucht Freiheit einen richtigen Körper, mehr Substanz; es darf nicht vergessen werden, daß Autonomie (nur) eine Funktion ist. Im "Konflikt >Wirtschaftswachstum versus Nachhaltigkeit<" (a. a. O. S.186) stehen E und ich wieder auf derselben Seite. Die Ökosteuern als indirekter Zwang oder doch Druck können (als Einsteighilfe) sehr behilflich sein, um natürliche Ressourcen für die Nachwelt zu sparen. (a. a. O. S.186,187)
Ich widerspreche also, daß die Zahl der Menschen oder gar das
rechnerische Gewicht der Fakten nur subsidiär, also hilfsweise zu rechtlichen
Entscheidungen herangezogen werden sollte. Zugegeben, es macht die derzeitig
praktizierte Demokratie ja gerade so angreifbar, theoretisch wie praktisch, daß
bei ihr der weniger gebildete südamerikanische Bananenpflücker - deren
zahlreiche Kinder sollen ja auch noch das Stimmrecht erhalten! (Etwa nach
Däubler-Gmelin, unserer früheren Bundesjustizministerin) - eine
mindestens ebenso gültige Stimme etwa in der doch von der derzeitigen Gelehrtenwelt
überwiegend angestrebten Weltgesellschaft hätte wie ein euro-amerikanischer
Akademiker (insbesondere von deren Minderheit mit Überblick). Aber mit dieser
fast lächerlich wirkenden Gleichsetzung hinsichtlich der Urteilsfähigkeit im
Hinblick auf eine vernünftige Willensentscheidung steht und fällt ja die
Demokratie. Unser Professor und seinesgleichen können sich aber recht gut damit
abfinden, daß via Medienherrschaft und Massenbeeinflussung durch die
herrschende Clique, zu sie ja selbst (sich) zählen, das Demokratieprinzip ad
absurdum geführt oder doch zumindest stark relativiert wird. Darum doch auch
das ständige Gezerre um die Wahlkampffinanzen und deren Herkunft. Die
Demokratie kann als vernünftige Regierungsform nur gerettet werden, indem man der
Stimme der Wissenschaft, die sich an Sachverhalten und nicht an
Sonderinteressen orientiert, eine starke Autorität bei der Bevölkerung
verschafft und sie mit Ratschlägen einwirken läßt: also mittels bioteler
unabhängiger Gutachteninstanz. Eine bessere Vergleichsbasis ist nicht
einmal theoretisch in Sicht. Das VERGLEICHEN-können aber ist eine Basis des
kategorischen Imperativs, also der Ethik Kants, sowohl als auch einer
vernünftigen Politik. Größere informelle Offenheit und Wahrheit wäre eine
Voraussetzung, die sich aber auch E. mit seiner Gründung der Rechtsprechung auf
moderne Liberalität gar nicht leisten könnte und die er (deshalb) ja auch auch
nicht besonders anmahnt. Man könnte also das System der Rechtsprechung und die
Rechtsstaatlichkeit mit höherem Anspruch auf Tauglichkeit auf den biotelen
Aspekt des VERGLEICHENS gründen als auf den der AUTONOMIE, dazu noch allein
bezogen auf diejenige der Individuen nach E., wie es die europäische Aufklärung
(einschließlich Kant) doch getan haben. Begründungsbedürftig wäre auch die
schmale Basis an "prior art", an geistigen Voraussetzungen, wie es
auch der spärlichen Nennung und Berücksichtigung von Vordenkern durch E.
hervortritt. Aber mit der Blindheit der heutigen ("sich ständig
befreienden") Jugend wird ja Tradition und bereits die Vokabel
"konservativ" als unrichtig, überholt und unzumutbar abgetan.
Insofern steht Ekardts Buch in den Fußstapfen der 68er Emanzipationsbewegung;
auch wenn es um die "sexuelle Befreiung" durch Promiskuität
spätestens durch AIDS und um die antiautoritäre Erziehung nach dem
Nachwuchsversagen in der Praxis doch ganz still geworden ist. Da sah sich eine
durch die politisch links-verordnete Akademikerschwemme eine Jugend, die nicht
einmal, mehrheitlich mehr Rückhalt in einem gebildeteren Elternhaus hatte den
einschmeichelnden und verlockenden Phrasen der Frankfurter Schule aus den USA
rückgekehrter Emigranten gegenüber, welche jegliche Autorität in autoritärer
Weise in Fragte stellte und wurde darin noch durch ein Heer ostdeutscher volksdemokratischer
Agenten bestärkt, die den so verhaßten, weil so erfolgreichen
"Adenauerstaat' demontierten. An den Universitäten wurden die "alten
Zöpfe" abgeschnitten, d. h. die Professoren bewährten Schlages minorisiert
und volksdemokratisch (unter Gleichberechtigung auch des Reinigungspersonals)
überstimmt. Auch das Selbstverständlichste mußte erst diskutiert werden; zum
Lehren und Lernen blieb wenig Zeit, auch mußte der Lernstoff ja
"kritisch", d. h. im neomarxistischen Sinne überarbeitet sein.
Freiheit der Wissenschaft bedeutete jetzt Recht auf Bildung für jedermann, der
nicht ernsthaft arbeiten wollte. Vor diesem Hintergrund - der für Platon und
Aristoteles, ja für die Humboldts (deren Namen man mißbrauchte und weiterhin
mißbraucht) keinen Platz mehr hatte - muß auch die staatswissenschaftliche
Entwicklung gesehen werden, auf der E. aufbaut. Das Alte muß zerstört werden,
ehe man ein Neues und insbesondere Besseres aufgebaut hat oder weil man zur
Erhaltung des Bewährten sich gar nicht mehr in der Lage sieht.
Da wäre der fein- und tiefsinnige jüdische Philosoph Baruch Benedikt Spinoza,
der sein Geld verdiente, indem er durch Linsenschleifen den Mitmenschen zu
besserem Sehen verhalf und dem, aus der jüdischen Gemeinde ausgestoßen,
trotzdem die christlich-abendländische Gelehrtenwelt (auch Goethe) sozusagen zu
Füßen lagen. Die "more geometrico", also unter dem zeitüblichen
Mantel der mathematischen Genauigkeit, verfaßte Ethik dieses einsamen
Gottsuchers war die erste mir bekannte umfassende Ethik der Lebenserhaltung.
Daß Spinoza nach dem Substantiellen suche und Gott in pantheistischer Weise -
was ihm ja auch verübelt wurde - als die Summe aller harmonisierten
Substanzen auffaßte, paßt natürlich nicht ins Konzept der
"Entsubstantiierung" der Freiheit. Erahnt man dagegen im Begriff der
Substanz das Zentrum der Stabilität und in dem Harmoniestreben die Dynamik, so
kann man die spinozeische Philosophie sehr wohl in das System der Biotelie
aufnehmen; woher letzteres ja auch tatsächlich (mit) abgeleitet wurde. Aber E.
zielt ja nur auf die maximale Freiheit derer ab, die eine solche Freiheit
vielleicht eben noch erleben werden; das Eintreten fürs Überleben erübrigt sich
für ihn; es zählt ja auch nur zu den beiläufigen
"Freiheitsvoraussetzungen": es dürfte es nur eine Minderheit bleiben,
die solche angepeilte maximale Freiheit genießt, und dies nur für noch
kurze Zeit, jedenfalls wenn es nach dem Prinzip E.'s gehen würde. Sie reden von
"Generationengerechtigkeit" und leben (nicht schlecht) weiter ohne den
Glauben an künftige Generationen, jedenfalls ohne sofort für deren als
akut bedroht erkannte Existenzmöglichkeit entscheidende Schritte
einzuleiten. Die "Substanz" heutiger Politik müsse über
(staatlich gut honorierte) Diskursethik im erlauchten Kreise doch erst
"erarbeitet" werden; zu Deutsch: die politische Wissenschaft (oder
Sophistik?) arbeitet auf Rechnung und für die Rechtfertigung der jeweiligen
Politik. Wie gehabt.
Ich kann nicht erkennen, wie ein Gesetzgeber nach dem
nachfolgenden "neuen Freiheitskonzept" in überschaubarer Zeit
und selbst bei irgendwie eng kontingentierten Fällen entscheiden könnte, wo er
doch der "doppelten Freiheitsgefährdung" durch den "altliberalen
Minimalstaat und den paternalistischen Beglückungsstaat" entgegentreten soll:
"In Umformulierung der bekannten Rawlsschen Regeln ergibt sich somit
folgendes Prinzip universaler Nachhaltigkeit: Jedermann soll gleiches Recht
auf das umfangreichste System aller Grundfreiheiten haben, das mit dem gleichen
System für alle anderen einschließlich der jungen, künftigen und in anderen
Ländern und Erdteilen lebenden Menschen verträglich ist. Die gleichen
Freiheitsrechte garantieren dabei auch die elementaren
Freiheitsvoraussetzungen, ohne die ein menschenwürdiges Leben ausgeschlossen
ist, sowie den Schutz gegen andere Bürger und ein Junktim von Freiheit und
Handlungsverantwortlichkeit. An die Stelle der liberalen Tradition, die wie
Rawls das Verhältnis einiger schmaler Freiheiten zu anderen Gütern pauschal
zugunsten der ersten löst und für alle anderen Freiheiten beliebige Schranken
zuläßt, sollte ergänzend folgende Regel treten: Im Regelfall kann die Freiheit
im Sinne des ersten Gerechtigkeitsgrundsatzes nur um der Freiheit
einschließlich ihrer elementaren Voraussetzungen und um das Junktim von
Freiheit und Handlungsfolgenverantwortlichkeit willen beschränkt werden.
Ausnahmsweise kommt bei Vorliegen guter Gründe eine Einschränkung der Freiheit
auch um ihren weiteren Voraussetzungen willen in Betracht. (a. a. O. S.152,153)
Freiheitseinschränkungen ohne Rechtfertigung in der Freiheit und ihrer
Voraussetzungen sind stets unzulässig. Diese Grundsätze drücken aus, was wir
uns als Vernunftwesen gegenseitig schulden, um unser Zusammenleben nachhaltig
zu gestalten. Wobei die Vernunft ihrerseits für uns Menschen als Menschen
unhintergehbar ist - universal, global und im Zeithorizont." (a. a. O.
S.153)
Ich
"freue" mich immer über Gesetzesformulierungen, die als Tatsache
hinstellen, was nur mühsam eingehalten und hergestellt werden kann. Wie
beispielsweise GG Art.1: "Die Würde des Menschen ist
unantastbar". Und so geht es mir auch hier. Das Fiktive und die
Nichteinlösung der Proklamationen verrät sich schon in dieser Sprache.
Aus bioteler Sicht gilt es sofort und unaufschiebbar aus Pflicht
angesichts der Notlage von Menschheit und Natur zu handeln - was sich sehr
wohl von einer Verantwortlichkeit von Handlungsfolgen unterscheidet, soweit man
Nichtstun nicht als Handlung wertet, ich spreche dann deshalb lieber im
Sinne von bioteler AKTIVIT'ÄT von Verhalten statt von Handeln. Zunächst
gilt es zu beweisen, daß unter Anwendung der traditionalen Vernunftregeln
der Biotelie (einschließlich ihrer Verfahrensregeln) Verbesserungen zu erzielen
sind. Aus dieser positiven Beweislage heraus sind dann Angebote an alle Staaten
und Institute zu machen, sich diesem biotelen Regelwerk zu gemeinsamem Nutzen
anzuschließen. (Der Vorwurf des Utilitarismus schreckt mich dabei nicht.) Als
optimales Programm wäre eine Förderung von Entwicklungs- und Notstandsgebieten,
soweit sie nicht als Natur- und Kulturreservate auch mit Zustimmung der
dortigen Bevölkerung auszuweisen wären und in besonderer Art und Weise zu
unterstützen wären, an ein Geburtenbeschränkungsprogramm zu binden, um die
globale Bevölkerungszunahme zunächst zu stoppen und dann sogar die
Weltbevölkerung auf eine Stärke zurückzufahren, die mit dem Erhalt und der
Entwicklung natürlicher Artenvielfalt und der kulturellen Vielfalt bei einem
erträglichen Lebensstandard auf augenblicklich noch unabsehbare Zeit vereinbar
zu sein scheint. Wie aus dem biotelen Programm hervorgeht, soll von
Gewaltanwendung dabei nur der notwendigste Gebrauch gemacht werden; die auch
militärisch-polizeiliche Fähigkeit dazu soll jedoch in ausgewogen verteilter
Regie bereitgestellt werden.
Felix Ekardt wird von diesem Programm, das er vermutlich vehement ablehnt,
nicht überrascht sein; ich selbst aber bin überzeugt, daß dieses doch viel
übersichtlicher zu handhabende Programm mehr Freiheit stiften würde als jedes
bisher vergleichbare. Ich bestreite nochmals vorbeugend, daß ein solches
bioteles Konzept eine Ökodiktatur darstellen würde. Es müßten ja die
betroffenen Bevölkerungen durch die Glaubhaftigkeit bioteler
Gutachtenergebnisse dazu gebracht werden, auch für sich selbst die darin
liegenden Vorteile zu erkennen. Die (gegen menschliche Störungen
bezogene) Sicherheitsgarantie für alle Kulturen, die dann durch Weltpolizei in
unabhängigen Blöcken verbunden mit Abrüstungsüberwachung und Katastrophenhilfe
einzulösen wäre, würde enorme Hilfs- und Entwicklungshilfepotentiale
freisetzen. Es ist doch nicht völlig ausgeschlossen, daß die begründete
Hoffnung auf Möglichkeit der Abwendung der Ökokatastrophe und den unter
Endzeitaspekten fälligen Crash der Kulturen (insbesondere verstärkt durch die
Anweisungen des Koran) die Menschen zur Opferbereitschaft und zum Umdenken
bestimmt. Es könnte sofort ein Anfang damit gemacht werden, während von Ekardts
Buch kein Impuls zu einer Rettungsaktion ausgeht, da ihn ja nur Diskurse über
die Freiheitsrechte beschäftigen.
Nun aber zu Ekardts Freiheitsvoraussetzungen, unter denen die
weiteren biotelen Aspekte doch vermutlich versteckt sind.
"Zwar ist am altliberalen Denken richtig, daß Freiheitsrechte keinesfalls
die Schaffung sämtlicher Freiheitsbedingungen garantieren dürfen. Eine
vollumfängliche und einklagbare Freiheitsvoraussetzungsgarantie würde leicht
einen totalitären und in jede Lebensregung intervenierenden illiberalen Staat
heraufbeschwören...
Somit ist ein Freiheits- und Menschenrecht auf die elementaren
Freiheitsvoraussetzungen geboten - durch die allgemeine
Gerechtigkeitslehre, aber auch durch unsere Verfassungen, die von Würde und
Freiheit sprechen und ergo die gleiche Argumentation tragen. Wir alle, auch
junge, künftige und in armen Ländern lebende Menschen, haben damit dieses Recht.
Und wie wir schon in Kap. II sahen, umfaßt jenes recht auch Topoi wie Atemluft,
ein stabiles Globalklima oder den Zugang zu sauberem Trinkwasser..." (a.
a. O. S.120) "Für meine Integration der elementaren
Freiheitsvoraussetzungen in das generelle Recht auf Freiheit, sprechen nicht
nur allgemein die Freiheit und die Notwendigkeit, die Bedingungen eines
würdigen (autonomen) Lebens zu garantieren. Für sie spricht vielmehr auch, daß
nur so die doppelte Freiheitsgefahr abgewehrt wird: Indem die materiellen
Existenzbedingungen in den Freiheitsbegriff integriert und nicht etwa der
Freiheit als Überrecht vorangestellt werden, welches sodann beliebige
Freiheitseinschränkungen deckt, wird die Ökodiktatur ebenso zurückgewiesen wie
die einer entgrenzten ökonomischen Freiheit. Denn nur so wird der
Lebensgrundlagenschutz stets daran erinnert, daß er freiheitlich sein muß. Auf
diese Weise entwertet man die ständigen Entschuldigungen z. B. Chinas, ein
armes Land müsse den Hunger bekämpfen, wobei jedes, auch jedes freiheitszerstörende
Mittel recht sein müsse. Das Recht auf die Existenzminimumaspekte Nahrung,
Atemluft, Sicherheit gegen Hunger, Unbildung, Naturkatastrophen, Kriege,
Verbrechen anderer Menschen usw. ist eben kein Selbstzweck, für den man
jederzeit z. B. die Presse- oder Versammlungsfreiheit opfern kann (wie Hans
Jonas meint); die Existenzminimumsaspekte sind erst um unserer Autonomie willen
wichtig. (a. a. O. S.121,122) Darum muß die physische Existenz einer unter
mehreren Aspekten der Freiheit sein - und nicht etwas sie Überragendes, wie
auch ein John Rawls kurz vor seinem Tod erwogen hat. >Sicherheit als
Selbstzweck< impliziert dagegen stets ein paternalistisches (oder ein
hobbesianisches,, autoritär-liberales) Staatsverständnis. Frieden usw. ist also
Freiheitsvoraussetzung - und als solche ein globales Recht. Wobei
>Sicherheit gegen Hunger< in der dritten Welt zugleich die >Sicherheit
gegen den Terror< im Okzident erhöht und auch hier freiheitsrelevant ist
(Kap.IV E.) All dies ist keine >Bedürfnisethik<, die (in einer unter
Sozialphilosophen und Globalisierungskritikern anzutreffenden Weise) aus
bestimmten faktischen Bedürfnissen deren eigene Beachtlichkeit herleitet. Dies
wäre nicht nur ein naturalistischer Fehlschluß. Es wäre auch eine beliebige
dogmatische Setzung - denn wer sagt denn, daß irgendein Bedürfnis per se
beachtlich ist? Und warum sollten faktische Bedürfnisse (z. B. mein
>Bedürfnis< nach Geschlechtsverkehr mit der mir gerade zufällig
begegnenden Frau X) überhaupt als normativ relevant gelten? Diese unlösbaren
Fragen vermeidet die Theorie der Freiheitsvoraussetzungen gerade, indem sie mit
dem Freiheitsbegriff einen normativen Orientierungspunkt bietet, von dem aus
sich ohne beliebige Setzung oder Sein-Sollen-Schluß beantworten läßt, daß
bestimmte> Bedürfnisse< als relevant zu erachten sind - andere dagegen
nicht. Die Empirie ist hier nur Subsumtionsmaterial, aber eben nicht selbst
normatives Kriterium (zu dieser Scheidung Kap. I E.)..." (a.
a. O. S.122) "
HYPARCHIE, also Minimierung von Gewalt, Zwang und Bedrohung ist richtigerweise als Aspekt in die Nähe der AUTONOMIE gebracht, aber Freiheit ist eben selbst nur ein Aspekt zur Lebenserhaltung (dynamischen Stabilität); ihr einen höheren Rang zuordnen, würde denen ins Gesicht schlagen, die um "Sicherheit gegen Hunger" ringen müssen. Ohne Beachtung menschlicher Bedürfnisse hat doch wohl eine Staatslehre schwache Aussichten: und Freiheit ist doch offensichtlich für die meisten erst ein sekundäres Bedürfnis nach Befriedung anderer primärer Bedürfnisse, wie Ernährung, Befriedigung des Geschlechtstriebes, der Geltungssucht etc. Daß das Bedürfnis nach Sättigung beachtlich ist, sagt das Hungergefühl und schließlich das Versagen der körperlichen, zuletzt auch der geistigen Kräfte. Diesen "naturalistischen Fehlschluß" wird E. den Menschen schlecht abgewöhnen können. Ein "Recht auf (künftige) Existenz" ist problematisch - E. verneint es an anderer Stelle richtigerweise und reserviert Recht und Freiheit für die Existierenden - und wäre doch die einzige Stütze eines "Rechts auf das Existenzminimum". Für wen sollte sonst per "Nachhaltigkeit" das Existenzminimum gesichert werden? Freiheit ist sozusagen das oberste, das höchste in der Rangskala der Bedürfnisse; nur weil es wenigstens noch spurenhaft in allen Menschen vermutet werden kann, darf man die Menschenwürde allgemein voraussetzen. Nicht ausgesprochen wird aber bei E., daß Autonomie auch Selbstbeherrschung bedeutet, und deren Ausmaß ist doch sehr verschieden verteilt; macht aber die Überlegenheit des Menschen über das Tier im "Kampf ums Dasein" (Charles Darwin) aus. Letzterer darf aber nicht gänzlich abgenommen werden, dies verlangt der Schutz der SPONTANEITÄT und die Gerechtigkeit (GEGENSEITIGKEIT = Wechselseitigkeit). Hans Jonas hat eben doch recht, wenn er meint, daß dem Überleben zuliebe vorübergehend auch Freiheitseinschränkungen zumutbar seien, was E. ja bestreitet. Der Furcht vor einem Mißbrauch von Ausnahmezuständen wird im biotelen System durch die Unterwerfung aller Schalt- und Befehlsstellen unter eine unabhängige Begutachtung und letztere wieder unter die Vetomacht der Betroffenen unbegründet. Biotele Gesetze sind sozusagen im besten Sinne autonome Gesetze nämlich von Einzel- und Gruppeninteressen bereinigte, die auch Gewissensentscheidungen standhalten. Der Einfluß der Motivationslage muß im Sinne der Lebenserhaltung relativiert werden, weshalb auch auf den Medieneinfluß, insbesondere deren Verhältnis zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung unter Berücksichtigung der Bedeutung für das (Über-)Leben, geachtet werden muß. Für ein angemessenes VERGLEICHEN müssen Menschen entsprechend informiert und orientiert sein. Auch dies für E. bezeichnenderweise geradezu Tabuthema! (Das bloße Erwähnen der Pressefreiheit und die offensichtlich stille Annahme, daß sie in liberalen Staaten offenbar funktioniere, ist der Problematik und der wirklichen Lage, der Bedeutung richtiger Information für die Freiheit also, nicht angemessen. Auch hier waren Kant und seine Zeitgenossen als Aufklärer bereits weiter.)
"Meine These zum nächsten, zweiten Bruch ist: Freiheit darf - woran das Recht auf das Existenzminimum ja noch nichts ändern würde - nicht länger die pauschale Befugnis sein, andere beliebig zu beinträchtigen, ohne mit den Folgen konfrontiert zu werden..." (a. a. O. S.123) "Der Schutz junger, künftiger und in andern Kontinenten lebender Menschen wäre zwar formal ein Menschenrecht; er hätte aber sozusagen keinen Anwendungsbereich. Denn der intertemporale Konflikt entsteht durch das Verhalten von Privatpersonen, die Ressourcen, Klima, Ozonschicht usw. in Anspruch nehmen - und nicht durch staatlichen Ressourcenverbrauch... Könnten die Bürger sich direkt gegenseitig unter Berufung auf ihre Menschenrechte in Anspruch nehmen, wäre der Gesamtausgleich der verschiedenen Freiheiten unmöglich; zudem sind bei vielen Freiheitsbeeinträchtigungen zwar Bürger die >Täter<, jedoch sind diese Täter für die >Opfer< schwer zuzuordnen... Jedoch ist damit noch nicht geklärt, ob ich u. U. ein Menschenrecht gegen den National- oder auch Globalstaat habe, mich gegen Schädigungen durch meine Mitbürger in Schutz zu nehmen. (a. a. O. S.129,130) Ich will zeigen, daß ein solches Recht besteht. Und diese Multipolarität der Freiheit (also die Schutzrichtung der Freiheit gegen Staat und Mitbürger) ist der dritte Bruch mit der altliberalen, nicht-nachhaltigen Freiheitsdoktrin..." (a. a. O. S:130)
Die Kollektive müssen also plötzlich wieder notwendig zur Rechtegewährung da sein, ohne aber selbst sich aus Rechtsquellen, d. h. Ansprüchen gegenüber den Bürgern, speisen zu können? Wird der Nichttäter, der dazu gezwungen wird ein Opfer anderer Täter zu entschädigen, nicht selbst Opfer? Aber wir Menschen sind ja einander alle Schwestern und Brüder! Seid umschlungen Millionen!
Wenn Nachhaltigkeit nicht auf "Erhaltung von
Besitzständen" aus ist (a. a. O.S.31), so ist die Frage, wie man die denn
beurteilen oder gar durchsetzen will.
"Denn Menschen handeln nach aller Erfahrung faktisch nicht nur aus innerer
rationaler Überzeugung von der Richtigkeit bestimmter Prinzipien
(>Vernunftakzeptanz<) , auch wenn die normative Vernunft bekanntlich als
einzige Instanz eine Handlung gut zu begründen vermag. Wir handeln auch aus
Gefühl, Konformität und meist eigennützigem Kosten-Nutzen-Denken.
Letzteres meint, daß wir eigennützig Ziele wählen und sodann schlicht alle
>effektiven< Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung treffen (= instrumentelle
Rationalität). Auf jenen >Egoismus< haben wir schon öfters verwiesen.
Dabei ist unser Kosten-Nutzen-Denken nicht nur durch ökonomische Aspekte
beeinflußt, sondern auch durch drohende Sanktionen, ebenso wie durch Erwartung
oder Entzug sozialer Anerkennung. Die normativ rationale Fundierung der
Nachhaltigkeitsidee wird vor dem Hintergrund jenes Motivstraußes (der
bekanntlich >quer liegt< zur Scheidung
ökonomisch-politisch/kulturell/biologisch<) nicht allein dafür sorgen, daß
wir alle freiwillig auf Nachhaltigkeit umschwenken. Wir reduzieren eben nicht
gerne den persönlichen Stoffverbrauch oder Klimaausstoß oder >kaufen nur noch
>fair gehandelte< Produkte. Weder der Verbraucher noch der Unternehmer
handeln so. Für den einzelnen Bürger oder Unternehmer ist auch der zu
erwartende eigennützige Vorteil viel zu abstrakt, den >wir alle< haben
könnten, wenn wir heute mit einer Effizienzpolitik technische Innovationen und
ein >anderes< Wirtschafts- und Arbeitsplatzwachstum begünstigen, was uns
in einer Welt, in der die reichen Staaten plötzlich zahlreicher werden,
überhaupt nur konkurrenzfähig hielte..." (a. a. O. S.202) "Diese
Befindlichkeit macht auch eine Weltföderation mit gleichen Spielregeln
erst einmal für westliche Bürger und Unternehmen unattraktiv - angesichts der
Ahnung, daß globale Standards nach einem zwischenzeitlichen Effizienzboom (also
gleichem Lebensstandard bei geringerem Ressourcenverbrauch) eben doch gewisse
Suffizienzen, also Einbußen am gewohnten Lebensstandard, bedeuten
dürften..." (a. a. O. S.203) "Das bedeutet freilich, daß schon
unter Lebenden die gebotene wechselseitige Freiheitsbegrenzung oft nicht
aus freien Stücken zustandekommen wird. Gerade darum kann man ja sagen, daß der
liberal-demokratische Staat und sein Recht nicht nur gerecht ist, sondern seine
Existenz für die Bürger auch ganz instrumentell rational nötig ist..." (a.
a. O. S.204)
"Wenn aber unsere Motivationslage faktisch über den Erfolg politischer
Steuerung entscheidet, ergibt sich: Eine nationale, europäische oder globale
Nachhaltigkeitspolitik durch Selbstregulierung, flexible Freiräume oder bloßes
Anbieten von Informationen könnte nur dann Erfolg haben, wenn die
Motivationslage bei Behörden, Unternehmen und Bürgern ohnehin günstig ist. (a.
a. O. S.212,213) Und daß sie das ist, ist nach dem eben Gesagten, nach dem
Eingangsbefund aus Kap.I A. und nach den theoretischen Überlegungen aus KapVI
A. außerordentlich zweifelhaft." (a. a. O. S.213)
"Man kann dies auch so ausdrücken: Bei allen Akteuren wirken
ökonomisch-politische Bedingungen mit biologischen Eigenschaften des Menschen
wie Kurzzeitorientierung, Narzißmus, Existenzsicherung, Streben nach
Anerkennung (Wiederwahl!) zusammen. Natürlich spielt dabei auch die mehrfach
erwähnte,, wohl biologisch angelegte Neigung zur Verdrängung eine entscheidende
Rolle. Wir tun einfach so, als wäre alles prima - und leugnen die Dinge, die
uns das Gegenteilbeweisen... Allein die moralische Überzeugungskraft des Ziels
Nachhaltigkeit... wird diese komplexe emotionale und kosten-nutzen-maximierende
Struktur nur schwer überwinden können..." (a. a. O. S.218)
Biotelie
will sie in die Strategie einbauen, den Menschen so nehmen wie er ist, eben als
ein nicht nur auf Freiheit angelegtes Wesen.
Würde sich nun aus der Erprobung einer biotelen Gutachteninstanz ergeben, daß etwa politische Entscheidungen aus der Vergangenheit (um nur eine -allerdings sicher anrüchige - Vorschlagslinie zur Begutachtung zu nennen) bei der Begutachtung durchgefallen wären, die wirklich entsprechende und die Nachhaltigkeit (und auch Freiheit) negativ belastende Folgen hatten und andererseits Gutachtenergebnisse mit positivem Ergebnis aufwarten könnten, deren Vorlage sich auch in der Wirklichkeit bewährte, so wäre ein Beginn geschafft, der öffentliche Aufmerksamkeit erregen könnte. Dabei räume ich ein, daß es nicht leicht wäre, die Gutachtenanfrage so zu formulieren, daß die Gutachter nicht so ohne weiteres gewahr würden, daß es sich um diese oder jene bestimmte Gesetzesauswirkung handelt, über die befunden werden soll. .Auch die Entscheidungen von Wirtschaftsbetrieben oder Behörden könnten zu Versuchszwecken herangezogen werden, oder anderes, ehe man zur Beurteilung von Vorschlägen kommt, die allererst zu realisieren wären. Auf der Grundlage preiswerter und effizienter Gutachtenergebnisse könnte dann für die unabhängige nachhaltige Begutachtung geworben werden. Jedermann, also auch F. Eckard wäre aufgefordert, durch Eingaben an der Verbesserung des Verfahrens, inhaltlich wie formal, mitzuwirken.
Wenn "letztlich 20 % der Bevölkerung unser gesamtes
Einkommen erwirtschaften könnten", ist das Ziel einer Vollbeschäftigung utopisch und
als Ideal hinfällig. (a. a. O. S.233) Aber sollte man über
Lebensarbeitszeitverkürzung in standardisierbaren Berufen nicht doch möglichst
jeden Gesunden zu einer Gegenleistung für seine Versorgung heranziehen?
"Zwar zahlen die Arbeitenden oftmals soziale Hilfeleistungen für
die Schwachen (sei es in Ostdeutschland, sei es über die EU in Ungarn, Polen
usw.). Gleichzeitig haben wir Arbeitenden unsere Arbeit doch aber nur, weil
diese Schwachen mit ihrem Konsum die Produktion und ergo unsere Arbeit am
Laufen halten" (a. a. O. S.233)
Bei solcher
Verteilung von "Freiheit" als Geschenke, dürfte aber böses Blut
aufkommen; auch tut man sich schlecht damit, wenn die von der Arbeit
Freigestellten sich aufs Kindermachen verlegen. Vor allem bleibt zweifelhaft,
wer sich alles der Kategorie "wir Arbeitenden" zurechnen läßt. Und
dies alles bei gerade empfohlener freiwilliger Konsumbeschränkung der
Arbeitenden. Konsum der
Sozialunterstützten als Wirtschaftsmotor ein typisch linkspolitisches
Argument. (John Maynard Keynes lässt grüßen.)
"Sie wird unterstützt durch ein modernes Freiheitsverständnis,
welches einem hypostasierten Individualismus, der sich zudem der
Verantwortlichkeit für die Folgen des eigenen Handelns zu entledigen trachtet,
ebenso entsagt wie unserem radikal anthropozentrischen Selbstverständnis, das
unsere natürlichen (Freiheits-)Voraussetzungen und die Folgen Tuns
ausblendet." (a. a. O. S.232).
Nanu! Ich fühle mich bei diesem einzigen Satz des Buches wie aus
dem übrigen Buch katapultiert: denn damit wären wir uns ja wieder einig! Aber
der dicke Hund folgt gleich nach:
"Trotzdem bleibt die nur durch eine Theorie des guten Lebens
beantwortbare Frage: Was wünsche ich mir? Wir könnten unser Auto
abschaffen, auf Urlaubsreisen verzichten, unverarbeitete Bio-Produkte kaufen,
hocheffiziente Haushaltsgeräte haben, uns öfter mal mit >weniger<
zufriedengeben, in Null-Emmissionshäusern wohnen" (und am eigenen Mief ersticken!).
"Meine Vermutung ist nun, daß dies unser Zusammenleben nicht nur
gerechter machen würde. Vermutlich würden wir am Ende sogar glücklicher
sein..." (a. a. O. S.232)
Das Photo auf dem Buchumschlag beweist es sozusagen. Und wie glücklich wären wir erst, wenn wir über das Fernsehen - die Südseereise ersparen wir uns ja - sehen können, wie die Völker (darf ich Naturvölker sagen???) auf unsere Kosten leben, sozusagen wie heute die vom Aussterben bedrohten Tiere im Zoo, sich an keinerlei Freiheitsschranke gebunden fühlend, da die Arbeitsdisziplin für sie ja gefallen ist: so richtig das Ideal der modernen Freiheit lebend und selbstverständlich ausschließlich amerikanische Medien konsumierend! Schon aus lauter Dankbarkeit für das wiedererschaffene Südseeparadies! Aber für unsere Breiten bleibt auch noch etwas übrig von dem Überfluß der Freiheit:
"Vielleicht sollten wir daher zu einer neuen
Arbeitswelt aufbrechen, die Erwerbsarbeit, gesellschaftliche Arbeit z. B. im
sozialen und Umweltbereich und unbezahlte Arbeit alle als wichtig und
befriedigend anerkennt und in einem Lebensweg kombiniert - abgefedert durch ein
staatliches Grundeinkommen." (a. a. O. S.233)
Mit dieser Abfederung aber wären der Faulheit und Abzocke weiter Tür und Tor
geöffnet; vom letzten Satz abgesehen würde ich zustimmen. Am Anfang aber muß
die Erwerbsarbeit stehen, und damit diese der Jugend zur Verfügung steht, muß
die Lebensarbeitszeit für standardisierbare Arbeit zurückgefahren werden. Ein
"Satz unterhalb der heutigen Sozialhilfe" scheint mir weniger
anstrebenswert; er müßte sich zumindest auf solche beschränken, die sich der
Erwerbsarbeit verweigern.
"Zeitwohlstand statt Güterwohlstand nützt allerdings nur denjenigen, die gelernt haben, etwas mit sich und ihrer Zeit anzufangen. Ein neuer Arbeitsbegriff müßte darum zugleich den Startschuß geben zu einem neuen Bildungskonzept, welches das zu unserem Ziel und unserer Stärke macht, was von Hause aus Europas und gerade Deutschlands Markenzeichen war. Wichtig ist freilich nicht einfach die Quantität von Abitur- und Hochschulabsolventen, wie es die gegenwärtige Bildungsdebatte [der Linken und insofern in Bremen! , muß ich hier einwerfen] suggeriert. Dies kann niemand wollen, der erlebt hat, wie unwissend und unselbständig viele durchaus gut benotete Absolventen heute sind. Nachhaltig wird unser Erziehungssystem auch nicht allein dadurch, daß man alle, nunmehr auch den Menschen in südlichen Ländern irgendeinen Zugang zu Bildungseinrichtungen eröffnet. Zudem: Auch die Nachhaltigkeit selbst muß Bildungsinhalt werden..." (a. a. O. S.234)
Mir wäre lieber, die Menschen würden wieder Pflanzen und Tiere
kennen und so zu einem besseren Verhältnis zur Natur kommen! Für E. selbst
offenbar eine verschwommene Angelegenheit, wie für ihn der Begriff der
"seltenen Arten" (s. o.). Aber ich zähle ja sicher zu den
"metaphysisch gesinnten Gegnern" , denen F. E. (auch) zuruft:
"Vernunft, Würde, Unparteilichkeit und Freiheit bleiben die
notwendige und universal einzige Grundlage einer gerechten Grundordnung - aber
sie bleiben es nur, wenn man sie neu interpretiert und so das liberale Denken
für die Zukunft in wirklich umfassender Freiheit öffnet. Nur wenn wir demgemäß
den Individualismus auch mit einer festen Steuerung versöhnen und
es so schaffen, die Autonomie und den Schutz ihrer Voraussetzungen zu
radikalisieren, also die Freiheit zu optimieren und sie gleichzeitig gegen
ökodiktatorische Anwandlungen zu schützen - nur dann wird unser Zusammenleben nachhaltig
werden. Und indem uns dies eine neue Vision und einen neuen Weg der
Selbsterschaffung und der ökonomischen Vitalisierung gibt, könnte es uns auch glücklich
machen... Eine andere Welt ist möglich." (a. a. O. S.235)
Als Endziel haben auch Marx/Engels und Lenin optimale Freiheit versprochen. Der Terminus "Selbsterschaffung" wird nicht nur bei mir schwere Bedenken wach werden lassen.
Von anderer Seite schon
vor längerer Zeit lautgewordene Vorwürfe in Richtung Ökodiktatur hinsichtlich
des biotelen Systems weise ich nochmals und weiterhin mit dem Hinweis zurück,
daß ja jeder biotele Gesetzesvorschlag (und erst ein solcher wäre ja zukünftig
einmal politisch-gesetzgeberisch erheblich) ja dem Urteil der direkt von ihm
Betroffenen unterworfen werden müßte, also einer direkt-demokratischen
Abstimmung. Außerdem läge mit den Parlamenten eine gesetzgebende Konkurrenz vor,
so daß die Gewaltenteilung gewährleistet wäre. Die "gewaltenteilige
Demokratie" sieht E. offenbar in der Mitwirkung von Gerichten, also von
Juristen (er selbst zählt ja zu dieser Sparte, die groß ist im fiktiven
Denken), wenn ich seine Sätze richtig auslege, wegen der doch häufigen
Unverträglichkeit des durch Stimmenzählung ermittelten Mehrheitswillens mit der
Vernunft, die oft einzelne zum Anwalt hat und die allein den Fortschritt auf
den Weg bringen können. "Konstitutionelle Demokratie" im biotelen Sinne
meint nichts anderes: die anregende und formende Mitwirkung der intellektuell
Fähigeren und fachlich Ausgebildeten in Fachfragen und ein Fundament auf uns
überkommener Vernunftregeln, welche die Ordnung bestimmen, müssen neben der
Gesamtheit der Bürger und aus ihrer Gesamtheit heraus Gelegenheit zu
angemessener Mitwirkung und Entfaltung ihrer Fähigkeiten zum Wohle aller
haben. Die "Fallibilität", die Möglichkeit des Irrtums
menschlicher Erkenntnis wird doch gemindert, wenn wir auf Vernunftregeln
zurückgreifen, die über die Jahrhunderte oder gar Jahrtausende Bestand hatten
und nicht noch das Selbstverständlichste zerreden. Das
"konservative", bewahrende Element ist unverzichtbar.
„Erstens ist ein bloßes Faktum für normative Theorien dann sehr wohl relevant,
wenn es eine Unmöglichkeit signalisiert. So ist es z. B. nicht nur ein
Problem der Durchsetzbarkeit, sondern schon der Begründung, dass die Norm
>ihr sollt alle jeden Morgen zum Mars joggen< nicht lebbar ist. Denn
Normen sollen Konflikte lösen… Darum sind unmögliche Normen nicht nur
undurchsetzbar, sondern auch falsch (weswegen auch die Norm falsch sein dürfte,
daß wir keine Konflikte lösen sollen.)… /a. a. O. S.72) Natürlich muß
immer wieder überlegt werden, ob eine liberale Theorie wirklich die richtige
Grundordnung angibt, und unsere Entscheidungen müssen veränderungsoffen
bleiben. Das heißt aber nicht, daß in der Zwischenzeit das vorläufig als
richtig Erkannte unbeachtlich wäre. Andernfalls könnten Normen nie Konflikte
lösen, da wir unendlich lang >abwarten< müßten.
Übrigens heißt Fallibilität nicht Subjektivität oder Beliebigkeit, und es heißt
auch nicht, daß Gerechtigkeit immer durch irgend jemanden >definier<
werde. Es geht hier nicht um (in der Tat beliebige) Defintionen von Begriffen:
Es geht vielmehr um (begründbare und damit nicht beliebige) Inhalte.
Diese Unterscheidung ist vielen konstruktivistisch beeinflussten Zeitgenossen
leider völlig unklar. Um es bildlich auszudrücken:
Natürlich kann ich dieses Ding zum Sitzen hier auch >Eichhörnchen< nennen
anstatt Stuhl (= Definition), wenn ich das unbedingt möchte. Letztlich ist das
in der Tat beliebig. Nicht beliebig ist dagegen, ob hier vor mir tatsächlich
ein Stuhl steht oder nicht (= Inhalt). Ebenso ist es mit der
Gerechtigkeit". (a. a. O. S.73)
Und ich bin so
stur, auch noch daran festzuhalten, was ich Stuhl und was ich Eichhörnchen
nenne, weil ich mich in deutscher Kultur verwurzelt weiß. Und so sehen
wir E. auch im Kreis derer, die einen
"modernen rationalen Universalismus für die Kritiker Kants [!
diesmal stammt das Ausrufezeichen von mir als Ausdruck meines Erstaunens], der
Diskursethik und der Nachhaltigkeit unangreifbar machen will. Ich behaupte
also: (I) Gerecht ist eine politische Grundordnung nur dann, wenn sie dem
Achtungs- und dem Unparteilichkeitsprinzip genügt, dies neu begründet und
daraus Freiheitsrechte und Demokratie herleitet. Freilich ist die Richtigkeit,
so meine weitere These, nur gegeben, wenn die Ordnung (II) die Freiheitsrechte
zeitneutral und auch (III) global-zwischenstaatlich anerkennt (sich also der
Nachhaltigkeit öffnet) und (IV) den Freiheitsbegriff neu interpretiert.
Dies wäre der Bruch mit der altliberalen Tradition." (a. a. O. S.59)
Auch solches Denken ist Tradition, reicht bis in die römische
Philosophie und Menschheitsethik zurück und findet sich bereits im
Hellenismus bei Seneca und Kaiser Marc Aurel. Nur sind Anerkennung von
Grundrechten und ihre wirkliche Gewährung und Durchsetzung zwei Paar Stiefel!
Weniger Versprechungen und mehr Taten sind mir lieber, unerfüllbare oder
widersprüchliche Versprechen insbesondere in Verfassungen aber ein Greuel.
"...Eine elementare Existenzsicherung für alle... im Sinne
physischer Grundbedürfnisbefriedigung ... einschließlich Rente und elementarer
Bildung (weltweit) ebenso wie Fragen des Staatshaushaltes" (a. a. O.
S.29,30),
wie sie E. offenbar zeitlich unbegrenzt geregelt
sehen will, halte ich für ein maßlos
überzogenes Grundrechteangebot; insbesondere wenn gleichzeitig ein Elternrecht
auf freie Entscheidung über ihre Kinderzahl (unabhängig davon, wie diese
Freiwilligkeit auch praktisch aussähe und sich auswirke!) als ranggleiches
Menschenrecht zementiert wird. Die so viel versprechen, brauchen es ja nicht zu
erfüllen, dies ist das Glänzende an der "Nachhaltigkeit"! Im
biotelen System würden solche Grundversorgung einschließlich Rente
wahrscheinlich an die Durchführung einer restriktiven Geburtenregelung
geknüpft und andere, auch private Hilfe, unterbunden, um Nachdruck auszuüben.
Die Liberalen aber bewirken, daß die "Südländer"-Bevölkerung sich auf
ein Menschheitsrecht berufen kann für Notlagen, die sie sich selbst zufügen,
wenn dies auch aus Unwissen und Unbildung (oder religiösen Gründen)
erfolgen sollte. Zugestanden wird, daß erneuerbare Ressourcen - wie etwa
Energie (z. B. Sonnenkollektoren) - auch auf gewisse nicht erneuerbare
erschöpfbare Materialien angewiesen sind (a. a. O. S.32,33), was mit E.
doch ebenfalls eher für eine globale contemporale
Bevölkerungsbegrenzung spricht.
Aber darüber spricht man ja gerade nicht. ..Vernunft
meint unsere Befähigung, Fragen mit Gründen zu entscheiden". (a. a.
O.S.33) Nur
sollte man zur Kontrolle ein VERGLEICHEN zulassen.
Und dabei hat E ja gerade sogar gegen die Diskursethiker (Jürgen Habermas, Karl-Otto-Apel, Konrad Ott, Robert Alexy u.a.) kritisch Position bezogen.
[Auch] "sie fassen die normative Vernunft nicht länger als etwas Substanzhaftes auf. sondern begreifen sie eben schlicht und abschließend als Befähigung, Wertungsfragen mit Gründen zu entscheiden.... den begründeten Konsens suchen".. (a. a. O. S.57) "Allein auch hier bleibt vieles unklar... Erstens... Das Petitum [die Forderung] einer universalen Theorie der Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit... Zweitens liefern die Diskursethiker bisher eher Bruchstücke... Drittens verwenden sämtliche diskursethischen Autoren... zweifelhafte Hintergrundannahmen (jede Behauptung enthalte notwendig Richtigkeitsansprüche; Notwendigkeit der Konsenssuche als Eigenschaft der Sprache; >Diskurspflicht< und Pflicht zur Rationalität, womit die Vernunft und nicht der Mensch plötzlich unser Ziel wird), die fraglich sind." Viertens konzentrierten sich Diskursethiker auf Diskurs- und nicht auf Handlungsregeln. (a. a. O. S.58,59) "Fünftens unterschätzen die Diskursethiker .., daß sich rational ein abschließendes Konzept einer gerechten Grundordnung ableiten läßt, welches keiner Auffüllung mit weiteren Prinzipien - die dann womöglich die Freiheit relativieren oder gar aufheben - zugänglich ist." (a. a. O. S.59)
Felix Ekardt's Stein des Weisen! Eine Demokratie, die den Schwächsten zum Monarchen erhebt. Wer auch Kant vorwirft, der "neminem-laedere-Formel" (niemanden verletzen!) in der Ethik anzuhängen, weil dabei vergessen werde, daß dies gar nicht möglich sei, da jede Freiheitsausübung irgendwie die Freiheit anderer einenge, und sei es später einmal und anderswo (a. a. O. S.133), der müßte doch eine politische Maßnahme zur ethischen erklären, welche die Zahl der gleichzeitig auf der Erde lebenden Menschen drastisch auf eine umweltfreundliche Art reduziert. Wohin ich trete, zertrete ich Leben, das nach Albert Schweitzer heilig ist; ich dürfte keinen Schritt mehr tun! (Selbst auf schwarzem Asphalt laufen die Mistkäfer! Ich muß ihnen täglich ausweichen). Fordern wir also ein Artengleichgewicht: weniger kontemporäre Menschen, was hochwahrscheinlich in Zukunft einer um ein Vielfaches größeren Anzahl von Menschen ein um vieles menschenwürdiges Leben in einer reichhaltigen Natur ermöglichen würde. Schon die Tatsache, daß die Anzahl gleichzeitig lebender Menschen, die Konkurrenz, deren und später lebender Menschen Freiheit wesentlich bestimmt, wird übergangen. Der Autor sieht auch nicht die nahe Koppelung zwischen Freiheit und Macht und die dämonische Seite beider, die ja eben aus der Konkurrenz erwächst und aus der Art wie sie wahrgenommen und wahrgemacht wird. Vom Wettbewerb als eine unerläßliche Voraussetzung unseres Wohlstandes war die Rede; aber Drosselung des Wettbewerbs leuchtet oft als Quelle von Freiheit noch stärker ein (Vgl. a. a. O. S.224,225). Trennung, Abgrenzung kann ebenso wichtig werden wie AUSTAUSCH. Das lebendigste Beispiel ist die Artenbildung und sind etwa die besonderen Beuteltierpopulationen Australiens. Daß Entscheidung notwendig ist, kam noch an; aber ob deutlich genug erfaßt wird, daß Entscheidung AUSLESE bedeutet und Ausschluß? Und alle diese Aspekte sollen nur so nebenbei unter "Freiheitsvoraussetzungen" abgelegt werden; wer hat denn dann bei der Handhabung des Begriffes AUTONOME noch den Durchblick? Der nachfolgende Satz beleuchtet nochmals schlaglichtartig die Weltfremdheit einer Freiheitsmonomanie:
"Es fehlt auch die im >Kampf der Kulturen< wohl entscheidende Weichenstellung, ob die menschliche Vernunft gerade das autonome Individuum zum Maßstab macht."
Aber doch nicht zum alleinigen! Um Himmels willen! Und um der
Grünerhaltung unseres Planeten willen! Den Clash der Kulturen sollten wir
beenden (aber nicht mit Bomben, ehe wir nicht vorher den abendländischen Geist
saniert haben, unseren eigenen Ungeist niedergerungen haben) solange wir in
einer global erweiterten Mehrheitsdemokratie überhaupt noch etwas zu sagen
haben: sonst ist es rasch auch mit der individualistischen Freiheit zu Ende und
mit dem individualistischen Freiheits-Radikalismus eines Felix Ekardt schon
sowieso, selbst wenn er sogar geistig "unhintergehbar" sein
sollte. Nachhaltigkeit verlangt das Eingeständnis unserer Abhängigkeit von
der Natur - von Gott, wie andere sagen. Demut wäre sonst keine Tugend
mehr. Wie würde ich mich erbärmlich fühlen, wenn ich einem anderen Geschöpf,
etwa einem Tier begegnete, als sei es zu meiner Erbauung da und nicht
Selbstzweck! Eine derartige Überbetonung der Freiheit führt zur Vergöttlichung
des Menschen, zur Abgötterei.
Es liegt E. besonders daran, den Unterschied zwischen Tatsachen und
Wertungen/Normen hervorzuheben. (a. a. O. S.33-39) Die vier Grundansätze werden
mit
"(a) kontextualistisch, (b) metaphysisch, (c) liberal und (d)
skeptizistisch",
bei Überschneidungen, angenommen (a. a. O.
S.39,40).
"Herkommen und tatsächlich gelebte Kulturtraditionen und
Institutionen"
kennzeichnen (a), (b) Stützung
"auf
jenseitige Institutionen wie Gott oder ewige Ideen",
(c) beruft
sich
"auf normative Vernunft.., die gut und womöglich universal
begründet.. liberal... ist",
(d) lehnt jede Begründbarkeit ab und wird, soweit Normen nur als subjektiv
konstruiert angesehen werden, als "postmodern" bezeichnet; der
"positivistische" Standpunkt verzichtet lediglich auf eine
Begründung, der "nihilistische" lehnt alle Normen ab. E.
hat sich klar für (c) und Liberalität entschieden und faßt dabei
Steuerungsfragen nicht unter die normativen. (a. a. O. S.40) Auch letztere
Unterscheidung läßt sich von Kant herleiten, der zwischen dem moralischen
Gesetz (für AUTONOMIE) als dem einzigen der praktischen Vernunft
und den Regeln (wie etwa die Naturgesetze) unterschied.
"Denn es ist eben keine Faktenfrage (re), was man z. B.
unter Freiheit zu verstehen hat - und da das gesamte Recht stets im Lichte der
Verfassung auszulegen ist, ist die Interpretation aller Gesetze stets normativ.
Die Rechtsfindung durch Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung ist also
ein Sonderfall der allgemeinen Gerechtigkeits- und Moraldiskussion." (a.
a. O. S.43)
Aber die
Ergebnisse müssen sich doch an den Fakten messen lassen! Weshalb die
Gerechtigkeitsverwirklichung praktikabel gestaltet werden muss.
"Junge und künftige Menschen haben in ihrem (gesamten) Leben ja
Vernunft. Wenn aber die Vernunft inhaltlich nicht näher bestimmt ist, können
auch sie die Gerechtigkeit nur im Diskurs suchen. Darum werden auch künftige
Menschen sicher zu achten und unparteiisch zu behandeln sein..." (a. a. O.
S.93) ".
.Auch Leben, Gesundheit, Existenzminimum erweisen sich .für E. .. als Aspekte
von Freiheit... >Abwesenheit von Zwang<". (a. a. O. S.113)
Biotelie strebt mit dem Aspekt HYPARCHIE, d. h. Minimierung von Gewalt, Zwang
und Bedrohung, bescheidener und ehrlicher eine ständige Bemühung zu fairerem
Umgang in allen Bereichen an.
Nationale Souveränität ist für E. kein Argument mehr gegenüber
„...gewaltsame[r] universale[r] Durchsetzung der Menschenrechte " Doch ist
der Erfolg von Militärschlägen gegen den Terrorismus fraglich. (a. a. O. S.163)
Es gibt wenig
Kommentar zum Irakkrieg. Dagegen bieten die radikalen Konstruktivisten mit
ihrer unsinnigen Lehre, daß die Welt sich nur in unseren Köpfen abspiele,
breite Angriffsfläche zur Polemik; aber gar so weit ist doch, weil ebenso
irreal, die "universale Freiheitslehre" E.'s ist von
denen nicht entfernt; beide können aus einem Mißverständnis der Philosophie
Kants abgeleitet werden.
"Zuletzt kann sich auch ein religiöser Fundamentalist der
universalen liberalen Gerechtigkeit nicht widersetzen. Rein faktisch wird zwar
ein gewalttätiger Islamist sich weigern, die Richtigkeit liberaler Ideen
einzusehen. Doch auch der Islamist, der in seinem Leben wenigstens vereinzelt
mit Gründen streitet (man lese dazu die Internetseiten einschlägiger
Organisationen!), ist normativ-logisch an die Implikationen der Kategorie>
Grund< gebunden. Und diese Implikationen kann er nicht durch eine
dogmatische Verweisung auf Gottes Wort, dessen Geltung doch eben von der
Existenz Gottes abhängt, außer Kraft setzen. Religion ist also mitnichten
>genausosicher< wie der liberale Univeralismus." (a. a. O. S.80)
Für den
Muslim ist die Existenz Allahs aber eine Tatsache, die einzige und
entscheidende Tatsache und der wichtigste Grund überhaupt! Ein
Religionswissenschaftler müßte dies wissen.
Und nun muss ich mich gleich wieder als Ketzer betätigen (aber nicht gegen E.):
Tatsächlich scheint für den Menschen Achtung durch die anderen und Ehre sehr wichtig
zu sein, ja von zentraler Wichtigkeit.
Als um Demut bemühter und gerade auch um die letzten Dinge
nicht-wissender Agnostiker besteht für mich die Möglichkeit, ja höhere
Wahrscheinlichkeit, dass die biblische Aussage: Lutherbibel 1912
„Und Gott schuf den Menschen ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und
schuf sie einen Mann und ein Weib…“ (1. Mose 1: 27)
sehr wohl auch
dergestalt umkehrbar sein könnte, dass der Mensch sich als Ebenbild Gottes
auffasste. Zumal die Bibel ja auch sagt:
„Du sollst dir kein Bildnis machen, keinerlei Gleichnis,
weder des, das oben im Himmel, noch des, das unten auf Erden, noch des, das im
Wasser unter der Erde ist…“ (5.Mose 5.Kap .27,15 Lutherbibel 1912), was ja auch im Islam
eine große Rolle spielt.
Und nun stellen beide Religionen die Ehre und die Verehrung Gottes in den
Mittelpunkt. Wer davon abrückt, gefährdet sogar sein Leben, wie die
Karikaturisten von Charlie Hebdo beim Mordanschlag in Paris jüngst. Hier wird
die Rolle der Würde ins Unübersteigbare gesteigert und die AUTONOMIE Gottes
kann doch mit seiner Allmacht, der höchsten Steigerung von Macht, übersetzt
werden. Auf das biotele Zielsystem bezogen verschmelzen im Gottesbegriff
AUTONOMIE, SPONTANEITÄT und AKTIVITÄT. (Ich persönlich habe Schwierigkeiten mit
dieser Gottesvorstellung, aber eben auch mit jeder Übersteigerung der
Autonomie.) Verabsolutierte Autonomie und Totalitarismus liegen nahe zusammen.
Der Herbst mit Nebel, Regen, Trübsal hält mich kühl
umfangen;
ich stapfe durch das erste frische Laub,
mich mit den Stöcken mühsam ab vom Boden stoßend;
von hoher Eiche trifft die Frucht mich hart auf meiner Schulter;
es gilt wohl langsam Abschied nehmen
von den langen späten Träumen,
der Durchblick kommt zu spät,
erst unter kahlen Bäumen:
Das Kleinkind ward aus Mutterlieb' gewarnt
vor einer Hexe,
die den Vater nahm;
was helfen sollte, wurde Fluch
für mich und alle, die mir wohl gesonnen;
so ist es also nun gekommen,
daß ich zur Einsamkeit der Jugendzeit zurückgekehrt.
Das Buch,
für eine Abkehr vom Zerstören,
nach langem Plan
ist es verfaßt:
es will doch keiner hören,
niemand prüfen, die Menschheit taub;
wer wird die Botschaft weitertragen?
und komm' ich auch ins Wanken,
weil Leid und Schwäche mich verzehren;
so möchte ich noch allen danken,
und alle um Verzeihung bitten,
die meinetwegen mit vergiftet waren:
es gibt ja leider ein Zuspät.
Ich seh' nun schon seit vielen Jahren;
den Westen im Konsum verdorben;
von Gleichgültigkeit gelähmt,
von Mitleid hart gedrängt,
dabei an die da draußen hungernden Millionen
zur Selbstbeschwichtigung, selbst hilflos, Spenden
mit vollen Händen
auszuteilen,
wie Christus einst am See Genezareth,
allein es fehlt die Kraft im Glauben.
Auf Dauer kann das Füllhorn doch nicht taugen,
die Menschenflut strömt ein
gemäß der Großspur der Statuten
und es vermehren
sich der Haß, das Ausgrenzen ,Vernichten
und Zerstören,
der andre Gott, er ruft zum Kampf, zum Schlachten,
denn alle Zeichen stehen auf Gericht;
doch die Verblendeten, gerade auch die Christen,
sie sehen' s nicht,
das Schwert, das über ihren Köpfen hängt,
und das kennt kein Verschonen!
Man kann nur noch vermuten,
daß auf der ruinierten, abgebrannten Erde
die Menschen, die vielleicht
noch überleben,
dem rettenden Gesetze
der Natur und der Vernunft
in Übereinkunft
sich dann übergeben
und in den gewonnenen Millionen-
Jahren durch Verschonen;
unter Warten,
die Erde neu ergrünt mit Fülle neuer Arten.
Der neue Gott, der nicht auf Verehrung drängt,
in vorgeschriebenen Gestalten, Riten;
er läßt sich womöglich nicht erst bitten
um seine Gnade,
ist ein Gott der Wahrheit,
der auch die Wissenschaft erträgt;
verlangt nicht Aufopferung in Liebe,
fordert nicht den Haß,
und läßt doch zu, daß
Menschen in ihren Illusionen
weiterhin mit Freiheit wählen,
sich einen Himmel bauen
und sich mit einer Hölle quälen.
In Sturmesheulen
durchgeschüttelt
auf schräger Plattform
hab' ich ausgeharrt,
auf Unverständnis
bin ich schroff
gestoßen,
nicht hab' ich andre aufgerüttelt;
von Wahrheit will doch heute
keiner wissen;
die Leute
geben vor, daß sie sie haben
oder suchen,
ihr Leitstern,
was auf eig' nem Konto zu verbuchen,
das nur kann überzeugen,
und mich wird niemand mehr vermissen
Es ist da unten doch kein Öl zu haben,
nichts Kostbares ist zu vernichten,
auszubeuten;
und wer es wagt
gar allzutief zu bohren,
und hofft dabei auf Glück,
das sich erfüllt;
es wird ihm doch versagt
verbohrt bleibt er zurück,
einsam, verloren
in Gischt und Nebel eingehüllt.
Und mitten in der Fluten Toben
der Möwen Kreischen,
die sich Fische holen:
Ihr letzten Lebensboten,
Seelen,
seid mir gegrüßt,
mir selbst verging der Appetit
um mich zu laben;
speiübel ist mir jetzt,
kein fester Tritt
ist hier zu haben,
will nicht mit euch feilschen,
kann verzichten,
hab' ich mein Fehlen
denn nicht abgebüßt?
Hab' ich denn so verletzt?
Die Insel ist zwar fest, gerüstet
solang' die Trosse halten
und doch scheint sie hinwegzutreiben,
alles fließt, zerrinnt,
spielt es noch Rolle, wer gewinnt?
nicht einmal Narren
gelüstet
es, hier auszuharren,
länger mag ich nicht mehr bleiben;
was soll ich machen?
Ich springe in den nächsten Nachen!*
*ohne Hilfe beim Verwalten,
kann ich die Stellung nicht mehr
Wie er sich reckt und streckt,
seine Grimassen schneidet,
und wie er seine Glieder verrenkt:
ihr freut euch wie die Kinder;
weil ihr nicht auf die Pfoten seht,
wo rohes Fleisch herunter hängt,
dieweil das raue Rad sich dreht,
während doch keiner daran denkt,
was diese arme Kreatur erleidet.
Viel später kommt ihr erst dahinter,
zu spät fällt euch des Rätsels Lösung ein:
Affe auf dem Schleifstein!
Gesund werd´ ich wohl nimmer
das Geflimmer vor Augen,
Gewimmer im Ohr
vor
so vielem was mir mißriet;
Lied, auch du willst mir nicht von trockner Lippe:
Tritte
und Schläge, damit ich büße,
hätt´ ich verdient,
ungesühnt
aber lasse ich Schandtaten zurück
und unerwiderte Küsse.
Glocke, Du solltest doch klingen,
singen
von Eintracht und Frieden;
nun aber liegen
deine Ränder
mir klemmend auf der Brust
wie Bänder
mit Krallen,
schuldbewußt
von Nacht und Ohmacht befallen:
wie ließ ich doch die Welt von Liebe leer;
sich selbst verzeih‘n, das ist so schwer.
Ach daß,
was ich an Kraft
— auch durch dein zurückgezogen' Geständnis;
nachtscheues Zeichen —
erfahren durfte,
wieder und weiter fruchtbar würde,
zuletzt
die Hürde
noch zu nehmen,
das Ziel, das mir gesetzt ist,
zu erreichen.
Nicht hab' ich andre aufgerüttelt;
von Wahrheit will doch heute
keiner wissen;
die Leute
geben vor, daß sie sie haben
oder suchen,
ihr Leitstern,
was auf eig' nem Konto zu verbuchen,
das nur kann überzeugen,
und mich wird niemand mehr vermissen
Selbst wenn ich Erfolg hätte und vielen weiterhelfen könnte, so wünsche ich mir keinerlei Denkmal; denn ich war nur Mittler und zu schwere Fehler habe ich begangen.
Zurück zur Sache, zu Felix Ekardt:
"Gleiches gilt auch für eine pathozentrische Ethik, die die Leidensfähigkeit als unhintergehbare Basis normativer Theorien behauptet. Denn die Leidensfähigkeit ist anders als Vernunft und Würde eben gerade keine logisch zwingende Voraussetzung menschlicher Argumentation!" (a. a. O. S.80)
Gefühle sind zwar keine rationale Argumente, sie entscheiden aber dominierend in Alltag und Politik. Wer aber Mitleid mit der lebendigen Natur hat, ist mir sympathischer als derjenige, der sie niedertrampelt. Ja, der liberale Standpunkt ist "todsicher"; er ist nämlich sofort erledigt, wenn jemand mit dem Messer kommt. Solange sich unser Neu-Liberaler nicht für die Herabsetzung der Menschenzahl auf der Erde einsetzt - was er gar nicht will und auch nicht kann, weil er doch jedem maximale Entscheidungsfreiheit zusichert - dann wächst die Konkurrenz um noch lebenstragendes Land rasch ins Bedrohliche, und es bleiben diejenigen oben, die einer militant-aggressiven Kulturtradition folgen, nämlich die Muslime. Solche westlichen Theoretiker kommen ihnen sehr gelegen, da sie als Ausfluß der List Allahs gedeutet werden, seinen Gläubigen den Weg zu ebenen. Als Religionswissenschaftler müßte dies alles E. sehr wohl wissen, so daß ich den Verdacht nicht völlig loswerden, das das Ganze gar nicht ernst gemeint sein kann. (Aber mit den linken Grünen geht es mir ja oft ebenso; der Zeitgeist scheint übergeschnappt zu sein.)
"Gerade Kontextualisten, etwa Muslime oder
traditionsbewußte Ostasiaten, werden meine gesamte Freiheitskonzeption, die ja
universal für die gesamte globalisierte Welt und ergo auch für sehr
>nicht-westliche< Gesellschaften gelten soll, trotz alledem
zurückweisen." (a. a. O. S.150)
Und was soll dann diese Konzeption überhaupt noch? Taten, und Erfolge
zählen doch mehr als Reden und Niederlagen! Und bei all diesen Wirren
zwischen den Menschen geht es mit der Natur, geht es mit unseren
Lebensgrundlagen rapid bergab; da ja E. einem Kollektiv zuzurechnen ist, das
sich bewußt von der Masse Mensch abhebt, liegt die Erwartung nahe, daß vor der
Erfüllung der apokalyptischen Untergangsszenarien auf einem überfüllten Globus,
eben diese Schicht in Geheimbündelei, um ihr Leben - natürlich mit E. im Namen
der AUTONOMIE der Menschheit als die aller (überlebenden mit Freiheit geimpfter)
Menschen - zu retten eine Menschenmassenvernichtung veranstaltet, wie es Carl
Amery in "Das Wunder der Krypta", List-Verlag, München/Leipzig sich
romanhaft so gelungen – sich allerdings einer bewußt verbreiten Seuche
bedienend – ausgedacht hat. Auch unsere Philosophen/Soziologen werden sich
selbstredend zu den Ausgebeuteten zählen!, womit sich das Übel, es als solches
nicht zu erkennen, fortpflanzen könnte. "Gründe" (vgl. a. a. O. S.41)
werden die Philosophen/Soziologen in ihrem Diskurs unter sich immer rasch parat
haben. Der schlagendste "Grund" aber bleibt (entgegen a. a. O. S.43)
das Faktum (re) des
atmenden (usw.) Lebewesens in Einheit von Substanz und Funktion (in dynamischer
Stabilität), also das Sein, nicht das Sollen. Und darum ein Prost auf
die (ernsthaft betriebenen) Naturwissenschaften!
Von Kant abgeleitet ist die Übernahme der Konzentration der Moral auf
AUTONOMIE, seit Max Schelers "Materiale Wertethik" ein auch ein
erweiterungsfähiger Standpunkt. Aber ein weiterer "Trick" liegt im
vorliegenden Systemversuch versteckt, und gar nicht allzu tief: Die
Rechtsordnung soll zwar Moral berücksichtigen, ist aber in erster Linie ein
Kernstück der Politik und dessen, was E. kleingedruckt unter "Steuerung,
Steuerungsinstrumente und -verfahren" nur oberflächlich streift, weil ja
dort die Berührung mit der Wirklichkeit stattfindet. Je weniger letztere von
der Politik berücksichtigt wird, desto mehr entfernt sich Verfassungstheorie auch
von praktizierter und gelebter Ethik. Sicherlich gibt es einen Unterschied
zwischen dem, was sachlich richtig und dem, was gerecht ist; aber nur indem
Politik in großem Umfange sachlich richtige Entscheidungen trifft und als
Lebens-und Seinsordnung und innerhalb derselben wirklich durchsetzt, dient sie
auch der Gerechtigkeit.
"VII. Gut leben statt viel haben - Nachhaltigkeit schafft mehr Lebensqualität - und eine neue Vision von Arbeit und Bildung" (a. a. O. S.231)
Ein Hohn gegenüber dem Hunger in der Welt! Umgekehrt wird ein
Schuh d' raus: Mehr (echte) Lebensqualität schafft Nachhaltigkeit. Ein
Studium der Geisteswissenschaften soll am besten (durch Selbsterzeugung von
Pfründen, wie ich meine) vor Arbeitslosigkeit schützen! Man schaue sich in
durchschnittlichen multikulturellen deutschen Schulen (Grund- und Oberschulen,
den früher so effektiven Volksschulen) um und suche Bildung! Aber selbst die
Naturwissenschaften sind längst weithin korrumpiert und cliquenkonform.
So kann der Aufbruch nicht gelingen!
"B. Wann sind Gesellschaften gerecht? Eine universalistische Neubestimmung
... Gibt es ein rationales, für alle Kulturen
zwingendes (universalistisches) Gerechtigkeitsideal, welches von eigennützigen
Präferenzen, Kulturtraditionen und religiösen Gedanken unabhängig ist - können
wir ein solches Ideal zwingend begründen und damit alle anderen Gerechtigkeits-
und Moralideen verwerfen, mögen sie auch faktisch noch so verbreitet sein und
mögen die Kulturen und Ansichten auf dieser Welt faktisch noch so verschieden
sein (und mögen unsere Gene oder unsere materiell-eigennützigen Interessen auch
noch so sehr zu einem bestimmten Verhalten drängen) Ja, wir können ein solches
Ideal begründen.." (a. a. O. S.44)
Das nenne ich mir echte aufrechte kantianische
Gesinnung! Nur, muß man AUTONOMIE, Freiheit bloß als Norm betrachten? Man kann
sie doch auch als Tatsache bewerten, könnte man dies nicht, so wüßte ich nicht,
wie ich einen Fortschritt in Sachen Freiheit beurteilen sollte. Ich sehe
Freiheit und Selbstgesetzgebung in verschiedenen Graden tatsächlich realisiert
und tatsächlich unterdrückt; wobei sie auch in Substanz geronnen sein kann.
Deshalb doch die Kaufhaus-Brandstiftungen der Bader-Meinhof-Bande (aus der
Roten Armee Fraktion, RAF), so kriminell und absurd sie auch waren. Kaufhäuser
als Symbole der Macht des Kapitalismus. Der Einfluß der Industriereklame wurde
als Vergewaltigung der Willensfreiheit an den Pranger gestellt! (Und wo stehen
die Krakeler von gestern heute?)
AUTONOMIE tritt mir in tausenderlei Gestalt entgegen, in Gebäuden, Apparaten,
ja in Orchesterklängen. Sie ist über jede Norm, über jede Rechtsforderung
hinaus, erlebbare Tatsache.
Und dynamische Stabilität (Nachhaltigkeit in diesem Sinne) erlebe ich ebenfalls
millionenfach um mich und vielmals in mir verkörpert als Tatsache. Und wenn ich
den Wunsch auf Weiterleben in mir verspüren sollte (ich bin mir darüber noch
nicht klar geworden), so wäre es doch ein Wunsch, der Tatsächlichkeit ansteuern
würde, nicht ein Sollen oder eine Norm. Und nun erlebe ich die Herrlichkeit der
Natur und ich möchte sie so gerne erhalten wissen, oder doch nicht zulassen,
daß Unvernunft und Unbeherrschtheit sie vorzeitig vernichten. Und da ich meine
Kultur liebe, so habe ich dafür Verständnis, daß andere ihre Kultur ebenfalls
lieben und hochschätzen. Sie ist für mich in erster Linie kein Sollen, sondern
erlebtes Sein. Und wenn eine biotele Gutachteninstanz nun tätig werden soll, so
wird sie doch aus Fachleuten mit Tatsachenwissen berufen (so es mit rechten
Dingen zugeht) und die vergleichen nun Tatsachen und Sachzusammenhänge und erst
jetzt kommt die Zielsetzung hinzu, wie kann dies Substanzielle in Funktion
gehalten, oder durch welche Substanz(en) oder andere Funktionen kann diese oder
jene wichtige und wünschenswerte Funktion aufrechterhalten werden? Und dabei
vermischen sich doch die Grundansätze (a) bis (c), ja werden sogar bis zu (d)
hin bedeutungslos oder zumindest bedeutungsarm. Denn es wird doch nicht nach
Motivationen und Weltanschauungen gefragt, sondern nach Tatsachen, Sach- und
Funktionszusammenhängen; und das Sollen hängt der Aufgabe der Beurteilung nur
insoweit an, daß an einem Bestandserhalt, aller berührten Einheiten bis hin
zum Ganzen (universalistisch/global), gedacht werden soll und dabei
taucht nun das Element auf, daß eine Freiheit (nicht nur für moralisch-ethische
Entscheidung, sondern auch Spielräume für eine natürliche und/oder
organische Entwicklung) zur Verbesserung in den verschiedensten
Qualitäten, objektiv und/oder subjektiv in Anpassung an mehr oder weniger
wahrscheinlich in dieser oder jener Richtung eingetretenen Veränderungen,
möglich machen oder doch zumindest nicht verhindert werden
sollen. SPONTANEITÄT trägt unsere Freiheit, steht der Freiheit aber
auch oft entgegen: die Spannung muß ausgehalten und ausgefochten werden.
Die Erheblichkeit "kultureller Grundwerte"
könnte auch Gegenstand der Begutachtung sein, jedoch ohne das Vorurteil
E.' s , daß sie keine Probleme zu lösen imstande sind. (a. a. O. S.45) Auch die
anderen Kulturen wollen doch ernst genommen werden; und sie verdienen das auch.
Auch hierzu die Ausnahme oder "zahmen" Zugeständnisse E.' s an
Kulturen, die von ihm nicht als umfassend und Leben tragend voll genommen
werden: Es liegt dem offensichtlich eine irrige oder fehlende Vorstellung über
die Kulturentwicklung zugrunde. Und wenn die Entwicklung der Ethik als noch
nicht abgeschlossen beurteilt wird - deshalb ja Diskursethik - , so ist es die
der Kultur noch lange nicht; ist eine solche Entwicklung ohne partielle
Abschottungen (Grenzen) von Konkurrenz, wobei letztere ja auch Störung und
Zerstörung bedeuten kann, aber überhaupt möglich? Für die biologischen
Grundlagen der Menschheitsentwicklung wird die analoge Frage von Seiten der
Fachleute verneint, und mit ihr auch wäre ja auch eine Menschheitskultur
mangels Menschen hinfällig, mangels Substrat. Aber derartigen Problemen
stellt sich E. ja nicht. Er plädiert eben einfach mal für grenzenlose
Offenheit. (Ausgenommen das Beispiel vorübergehender Schutzzöllen
für Entwicklungsländer:)
"Man kann nicht sagen, daß ein liberaler Universalismus hier fremden
Kulturen minutiöse >kulturimperialistische< Vorgaben machen würde.. Wenn
z. B. taiwanesische Frauen gern >dem Mann untertan< sein möchten,
verbietet ihnen das eine liberale Ordnung nicht - es wird nur dem Mann die
Befugnis genommen, seine Frau gegen ihren Willen an einer Erwerbsarbeit zu
hindern..." (a. a. O. S.71)
So kann man die
Macht der Umgebung und Konvention auch ausblenden.
"Tatsachen.. gestehe ... ich ... zwar keinen begründenden Status zu. Doch
Tatsachen bleiben ja für die Normsubsumtion relevant.(a. a. O. S.76,77)
Beispiel: Je nach Wasserreichtum eines Landes (Tatsache!) könnte die Norm
>der Staat soll das Existenzminimum der Bürger sichern< in einem Land den
Bau von Bewässerungsanlagen erfordern, in einem anderen Land dagegen
nicht.." (a. a. O. S.77)
Wenn es also um
die Erhaltung eines Bürgers gilt, so muß ihm erst eine Norm - nämlich die
Norm; Menschenleben zu erhalten - subsumiert werden, dann hat E. seinen
Frieden. Wer ist nun dabei das Ziel: der Mensch oder die Norm?
"Die Natur und der Mensch haben kein durch irgendeine nachvollziehbare
Methode ermittelbares >Wesen< z ; sie haben allenfalls eine
Eignung für etwas, aus der aber normativ nichts folgt." (a. a. O. S.84)
"Daß es Menschen gibt, begründet eben durchaus nicht, daß es Menschen
geben soll." (a. a. O. S.85)
Nach der
"universalen Freiheitsidee" werden Menschen mit Überzeugungen aus den
Kategorien außerhalb (c), also Nicht-Liberale im engeren von E. definierten
Sinne, als "Gegner" ausgegliedert.
Anders aus bioteler Sicht: Mit der kontrollierenden Begutachtung
möglichst bald auch aktueller Probleme müßte sogleich begonnen werden. Dies ist
ein ethischer Impetus, eine Forderung, die bisher alle Wissenschaftskollegen so
gestört hat! Es müßte ja etwas getan werden! Und das auch noch ohne Bezahlung!
So funktioniert eben heute Wissenschaft nicht mehr. Ich hoffe, die Lehre daraus
noch ziehen zu können und nicht derjenige zu sein, der "zum Mars
joggen", d. h. eine Unmöglichkeit zur Norm erheben will. (a. a. O. S.72)
Die "Zeitgebundenheit", der Lehre E.‘ s., die er selbst den
Kontextualisten vorwirft (a. a. O. S.49), ist doch auch bei ihm
spürbar; nur sind die biographischen Angaben (Alter 33 Jahre wäre noch
nachzutragen) spärlich und man ist zur mutmaßlichen Zuordnung auf einige seiner
Anmerkungen und die Physiognomie auf dem Photo angewiesen. Trägt E.
Verantwortung für eigene Kinder? Unverkennbar scheint mir der Zusammenhang und
die Kontinuität zur sog. Frankfurter Soziologenschule um Max Horkheimer, die
sich anmaßte, eine politische (sprich: parteiische) Einstellung in die
Wissenschaft tragen zu dürfen. Aus solcher Haltung heraus, kann der Autor
konservative Stimmen und Beiträge von vornherein aus seiner Erkenntnissphäre
ausscheiden. Eine gewichtige Vorhaltung liegt dabei in der Subjektivität und
nur sehr indirekten Zugänglichkeit des Freiheitsbegriffes für die
objektivierende Beurteilung, die doch allein unparteiische Entscheidungen
auf unparteiische Art und Weise tragen kann. Diktatoren sind immer die anderen!
Vor allem wenn sie weiter denken, als von der neu definierten Vernunft erlaubt.
(Es wurde überhaupt schrecklich viel "neu definiert" und dabei
deformiert seit der 68er Freiheitsbewegung; das Duisburger Institut für Sprach-
und Sozialfoschung DISS wacht über die Denkzulässigkeiten in der deutschen
Sprache mittels Begriffskontrolle! Trotzdem der Augenschein für eine
cliquengezielte Weltherrschaft des beinahe zwei Jahrtausende geknechteten und
unterdrückten Judentums spricht - auch wenn die sog. Briefe des Weisen aus Zion
Fälschungen waren -, mutmaße und befürchte ich eine auch unbeabsichtigte
Fehlentwicklung des aus der früheren Notlage heraus hervorragend intelligenten
jüdischen Denkens eben durch systematische Bekämpfung und Beseitigung jeglicher
Kritik und Konkurrenz in vielen Bereichen, sozusagen durch "geistige
Inzucht", und mahne eine Verhaltenskorrektur an. Die auch hier immer
wieder beschworene "Unparteilichkeit" als Voraussetzung von Freiheit
stellt sich nämlich nicht allein her, sondern muß hart erarbeitet werden. Von
Unparteilichkeit derzeit auszugehen ist unehrlich; Unehrlichkeit aber trägt
keine dauerhafte wissenschaftliche Erkenntnis. Ich möchte mich hiermit nur
wieder von jeglicher Clique distanzieren und hoffe auf Verständnis bei
der Elite, die allein den Karren noch aus dem Dreck ziehen könnte.
"Unberechtigt wäre auch ein weiterer denkbarer Vorwurf: daß eine diskursrationale Gerechtigkeit auf dem Weg zur Nachhaltigkeit eine Vernunftdiktatur erzeuge, indem sie sich statt an eine Mehrheit an abstrakte Kriterien wie allgemeine Zustimmungsfähigkeit, Autonomie und Freiheit binde." (a. a. O. S.74)
Ein doch erstaunlich analoges Vorgehen und Bewerten des Wahrheitsgehaltes und der Zweckmäßigkeit von Mehrheitsentscheidungen im Vergleich zum biotelen System, das allerdings nach Anwendung der allgemein zustimmungsfähigen Kriterien durch eine Bildungs- und Ausbildungselite das Ergebnis ihrer Beurteilung der Betroffenenmehrheit ausliefert, eine Kombination, die ja erst die Diktatur ausschließt. Der zurückgewiesene Vorwurf ist doch bei E nicht entkräftet.
"Schon durch die vorliegend vollzogene strikte Trennung zwischen Begründbarkeit einerseits und faktischen inneren Motiven und Durchsetzbarkeit andererseits sowie zwischen Gerechtigkeit und dem guten Leben (die ich freilich bisher nur andeutete und im Freiheitskapitel vertiefen muß, da sie aus der Freiheitsidee folgt) kann dieser typische Skeptikervorwurf gegenüber Rationalisten, der vielleicht Kant noch z., T. berechtigt getroffen hätte, zurückgewiesen werden. Denn erstens bleibt es (darin widerspreche ich Kant und Habermas) den Bürgern unbenommen, den normativ rationalen Gerechtigkeitsprinzipien (denen sie normativ rational gehorchen müssen, weil jeder Mensch als Mensch an sie gebunden ist) aus anderen Motiven zu folgen..." (a. a. O. S.74)
Kant hat aber ganz folgerichtig gesehen, daß Ethik eben auf Gesinnung abstellt und allein damit auch auf echte AUTONOMIE, Freiheit von anderen Beweggründen, weil alle anderen Motive Abhängigkeiten begründen. Kant kannte auch noch den Unterschied von Ethik und Politik und war sich im Klaren, daß bei letzterer der Erfolg entscheidet und nicht die Gesinnung. Kants Stärke und Schwäche zugleich war, daß die apriori praktische Vernunft, der Grund menschlicher Autonomie und Freiheit von allen anderen Beweggründen, wie insbesondere Gefühlen, freigehalten werden soll. Was auf Ethik und Selbstgesetzgebung noch zutreffen kann, ist aber als Fremdgesetzgebung, d. h. als Gesetzgebung, die andere als mich selbst verpflichtet, nun völlig untragbar. Andererseits liegt hier eine gewisse Verwandtschaft im Ansatz zwischen E. und der Biotelie: wenn sich bei der immer komplexer werdenden Welt das Einzelindividuum aus einem Informatioinsdefizit heraus als unfähig zum VERGLEICHEN und damit zu verantwortlicher Selbstgesetzgebung herausstellt, so könnte Kants Ansatz, die Rechte anderer nicht zu verletzen und ihnen gleiche Freiheiten zuzubilligen mit Hilfe der gesamten Wissenschaft doch auf die Rechtsordnung übertragen werden. Dieser Ansatz ist richtig, wenn man zugleich berücksichtigt, daß Politik nicht nur der Freiheit zu dienen hat, um dadurch (hoffentlich) Leben und Dauerhaftigkeit zu stützen, sondern auch andere Aspekte der Lebenserhaltung. Diese einfach unter die Freiheitsvoraussetzungen zu subsumieren, nimmt ihnen ihr Eigengewicht und begünstigt ihre Vernachlässigung, so daß dann aus der ganzen Freiheit nichts wird, eben weil ihr die Voraussetzungen fehlen.
Also nochmals zusammenfassend: mit Kant kommt es in der Ethik
nur auf die gute Absicht an, in der Politik aber auf den Erfolg. E. macht sich
natürlich bei den Politikern beliebt, wenn diese vor Einreden der Wissenschaft
gegen unzweckmäßige und im Hinblick auf ihre Auswirkungen unverantwortliche
Entscheidungen geschützt und statt dessen ihnen Argumente für die Beteuerung
ihrer guten Absichten und sauberen Weste geliefert werden. Denn das Problem ist
doch in dieser "deformierten Demokratie" (Hans Apel): wie läßt sich
der größte Unfug gut beim Publikum verkaufen, damit es uns wiederwählt? Es geht
um politisches Marketing und nicht um politisch verantwortliches Handeln. Der
bankerotte Staat beginnt sich an der Wirtschaft zu orientieren. Eine forcierte
Naturzerstörung durch mehr Wachstum - von E. speziell auf wirtschaftlichem
Gebiet, allerdings irrealerweise ohne Bezugnahme auf das Bevölkerungswachstum,
ebenfalls abgelehnt - unter Hereinholung von mehr größtenteils unproduktiven
Konsumenten wird dem verdummten Volk stimmenfang-erfolgreich als Ökologie und
Gebot der Menschlichkeit, der Menschenrechte, verkauft!
Hat E. in der Eile wirklich übersehen, daß die vorgeschlagene biotele
Begutachtung qualitativ von ganz anderem Charakter und ganz anderer Qualität
ist wie die bislang geübte Begutachtungspraxis? Seine E-Mail könnte dies
vermuten lassen.
"Zweitens wird die Freiheitstheorie endgültig zeigen, daß man in dem großen persönlichen Bereich, der nur einem selbst betrifft, auch im äußeren Verhalten so >irrational< handeln darf, wie man will: Private Handlungen, Einstellungen und private Diskurse dürfen also z. B. rein an Gefühl, Kosten/Nutzen oder Konformität (bzw. Metaphysik, Tradition, Skepsis ) orientiert sein. Diese Fragen des >guten Lebens> bleiben den Bürgern überlassen..." (a. a. O.S.75)
Sehr freundlich. An anderen Stellen im Buch aber wird gezeigt,
wie so ziemlich alles individuelle Verhalten sich auf die Nachhaltigkeit
auswirkt (selbst das Essen einer Banane!), so daß ohne Bruch mit einer ganzen
Menge persönlicher Freiheiten ein Wandel in Richtung nachhaltiger Politik gar
nicht eintreten kann. Auch bleibt bei obiger "Trennungsprozedur" im
subjektiven Bereich - und darum kaum überprüfbar oder gewollt (zur Verrmeidung
von "Gesinnungsschnüffelei") nicht überprüft - und wegen
letztlicher Undurchführbarkeit ohne Beeinträchtigung subjektiver Freiheit
wieder alles beim Alten. Die Ableitung aller Normen allein vom Sollen, ist auch
aus Natur und Technik widerlegt. Sehr wohl können Normen aus dem Sein, aus der
Natur abgeleitet werden; nach den Erkenntnissen (zumindest) abendländischer
Philosophie kann sogar menschliches Recht, ein Naturrecht, aus ihnen
abgeleitet werden (eben lebenstragende Prinzipien oder wenigstens Aspekte).
Normen erlauben die Austauschbarkeit von Maschinenteilen und überhaupt die
Anwendung von Maschinen; bei ihrer Festlegung spielen Seinsbezüge, reale
Tauglichkeit die Hauptrolle. Die moderne Genetik wird voraussichtlich ebenfalls
dem Phänomen der Normierung etwa als Bedingung zur phänotypischen Expression
von Genen gegenüberstehen - also bei der Überführung von Erbanlagen in das
äußere Erscheinungsbild. Die meisten Gene haben Mensch und Tiere
gemeinsam. Kant erklärte Naturgesetze zu bloßen menschengemachten
Regeln: ein nicht ganz leicht deutbarer Teil der Kantischen Philosophie.
(Die Wiege des modernen radikalen Konstruktivismus, wonach sie die Natur nach
dem Menschen richten müsste, eine Extremauslegung, die auch E. bekämpft.) Die
wahrscheinlich richtigere Sicht ist doch, daß der Mensch sich Regeln schaffen
muß, um sich ein Naturverständnis zu erschließen. Gesetzliche Normen liegen nun
m.E. zwischen denjenigen technischer Art (mit starkem Verständigungsanteil aus
Einigung hervorgehend und dabei bestenfalls den Erfordernissen der Wirklichkeit
Rechnung tragend) und denen ethisch-moralischen Gehalts, bei denen die
letztliche Begründung, nämlich die Sinngebung - von (a) bis (c) oder (d) nach
obiger Einteilung E.'s , also religiös bis hin zur skeptisch-atheistischen -
Glaubenssache bleiben sollte: die allein mögliche ist eine universale agnostische
Ordnung (in der Regel eine laizistische, also sich auf eine weltlicher
Obrigkeit) stützende gemeinsame (weltstaatliche) minimalregulatorische Lösung
unter einem Maximum an Zustimmung bei maximaler PLURALITÄT (eigentlich:
Diversivität) von Natur und Kultur in schöpferischer Kreativität (von welcher
Seite auch immer). E. verstößt mit seiner "modernen
Liberalität" vermeidbar gegen diesen - allen Gläubigen freilich
verdächtige aber immerhin noch den Diskurs mit ihnen (wenigstens in
Nichtglaubensfragen) offen haltendenden - Agnostizismus - das
Eingeständnis unseres Nichtwissens von den letzten Dingen - und schlägt sich
damit selber die Tür zu.
Praktischer ausgedrückt: trete ich einem Muslim gegenüber und lasse
durchblicken, daß ich seine Auffassung von Lebenssinn, die Welt als Schöpfung
des allmächtigen Allah, für eine mögliche hinnehme, so erinnert er sich an den
Koran und an die mir von Allah gewährte Gnadenfrist für meine Zuwendung zum
rechten Glauben. Ich werde von diesem Muslim als Mensch betrachtet oder doch
wenigstens als ein möglicherweise noch werdender. Kommt aber E. mit seiner
Lehre vom "modernen steuerungstheoretischen Liberalismus" (a.
a. O. S.25), der durch den alleinigen unabweislichen Vernunftgrund menschlicher
Freiheit die Welt einen soll, so sieht der gleiche Muslime ihn als einen von
Allah Verblendeten und endgültig Verlorenen an, den man aber noch gewähren
lassen, also ihm äußerlich zustimmen muß, da er nach Allahs List und Weisheit
ja dem Zusammenbruch des verhaßten westlich-demokratischen Systems des
Liberalismus und der gotteslästerlichen Selbstüberheblichkeit dient. Nur durch
erfolgsausgewiesen besseres Beispiel ruft man andere "nachhaltig" zur
Verantwortlichkeit! Dies gilt besonders gegenüber den Anhängern des
Islam.
Nun bestehen auch die biotelen Aspekte, für sich betrachtet,
gemischt aus subjektiven und objektiven Momenten, aber sie sind doch immer
hingeordnet auf die gemeinsame Zielrichtung dynamische Stabilität, die
nicht zur Entsubstantiierung zwingt, ja die bei einer solchen gegenstandslos
wird. Wer dem Leben die Substanz entzieht, steht ohne Leben da. Die
Aufgliederung der Betrachtung der dynamischen Stabilität in die zwölf
Aspekte erlaubt Bereiche aufzuspüren, die eine besondere Affinität zu einzelnen
Aspekten haben, was zumindest im Anfangsstadium einer Begutachtung die Klärung
der Zugehörigkeit der Frage zu Fachbezirken erleichtern könnte. So werden
Wirtschaft und Handel dem biotelen Aspekt des AUSTAUSCHES zugeordnet und die
Fachgutachter gezwungen, die Bedeutung des Austauschs eben auch in ihrer
Beziehung zur Stabilität anderer Lebensbereiche und des Lebens überhaupt
abzuwägen. GEGENSEITIGKEIT ist im biotelen Sinne zwar eng mit dem Rechtswesen
verknüpft; aber allgegenwärtig und auch auf dem Markt nicht mit den
Tauschäquivalenten erschöpft, denn sie erstreckt sich auf alle Tauschmodalitäten
und auf alle wirtschaftlichen AKTIVITÄTEN. Es bleibt auch fraglich, ob die erfreulicherweise
häufig bei E. mit dem Freiheitsbegriff verknüpfte SPONTANEITÄT (die er
aber unter den "Freiheitsvoraussetzungen" nicht eigens benennt)
letztlich auf diese unsystematische Art genügend gewürdigt und bewertet
wird; die SPONTANEITÄT der Natur als ganzer wird nahezu übersehen oder
jedenfalls nicht in das Reglement (Verzeihung: die "Steuerung")
mit einbezogen. Unsere Verpflichtung gilt nach E. ja auch ausschließlich dem
Abstraktum AUTONOMIE und nicht den lebendigen Wesen. (Schon der Begriff
"Wesen" wurde ja
zugunsten der Fähigkeit als potentielle Teilnehmer an einem Freiheitsdiskurs
gestrichen..) Diese Aussicht wird aber zerstört, weil bei Anwendung des
vorgeschlagenen Verfahrens höchstens (für noch kürzere Zeit? So Allah will)
Muslime und verwandte Kontextualisten auf dieser Erde überleben werden, kaum
noch Liberale, falls man diesen Begriff überhaupt noch kennen
sollte. Vielleicht legt sich dann Rawls "Schleier des Nichtwissens"
über die Menschheit und es ist ihr so ein Neuanfang gewährt, wie ihn doch in
der Wissenschaft Hunderttausende zu viel an falscher Stelle Beschäftigte
schon heute herbeisehnen und durch Vergessen und Nichtbeachtung herbeiführen
wollen.
So wie auch bei E. die Einkommen, abweichend von den Kommunisten, verschieden
ausfallen dürfen; so wäre doch auch das Maß der Hilfe, die SUBSIDARITÄT, ganz
verschieden nach geographischen und kulturellen Umständen zu gestalten. Und
natürlich muß der Diskurs zwischen den Wissenschaftlern und den Beteiligten
eine wesentliche Rolle spielen
http://www.aerzteblatt.de/archiv/48703/Kongress-fuer-Versorgungsforschung-Reflexionen-zur-Bedarfsgerechtigkeit?src=search
(vgl. Norbert Jachertz/ Thomas Gerst: Kongress für Versorgungsforschung -
Reflexionen zur Bedarfsgerechtigkeit - Weiter Bogen von der Medicinalstatistik
zur Gesundheitswissenschaft; Deutsches Ärzteblatt, 14. Oktober 2005, Jg.102,
H.41 A 2774 ff.). Aber gerade auch die Diskussion unter den
zersplitterten Spezialdisziplinen Sozialhygiene, Sozialmedizin,
Medizinsoziologie, Medizinische Psychologie, Informatik, Managementlehre usw.
macht deutlich, daß es sich hier beim Diskurs doch nur um eine Art
Feinjustierung der Steuerung handeln sollte, während möglichst viele
Grundsatzfragen so weit wie möglich schon im Vorfeld geklärt werden müßten, um
in angemessener Zeit zu fruchtbaren Ergebnissen zu kommen.
„Nach
ihrem Aufschwung in den Nach-68er-Jahren (1970 wurde Medizinsoziologie in die
ärztliche Approbationsordnung aufgenommen) dümpelt
sie heute dahin und teilt damit allgemein das Schicksal der Soziologie; diese
ist derzeit einfach nicht „in“…“
Wohin der Diskurs kaum mehr reicht, Markus Breitscheitel
beschreibt in seinem Buch "Abgezockt und totgepflegt"
traurige Erfahrungen in Pflegeheimen. Unter "Pflegeheime - Skandale
statt Lösungen schreibt Dr. med. Birgit Hibbeler:
"Über Pflegenotstand und Missstände Heimen ist viel gesprochen worden,
reagiert haben die Verantwortlichen nicht... Die Gesellschaft altert. Jeder
weiß es. Nichts geschieht..." (a. a. O. A 2757). "Kongresspräsidentin
Prof. Dr. phil. Ulrike Maschewski-Schneider vom Berliner Zentrum Public Health
formulierte es positiv. Die Vielzahl und Multidisziplinarität der
Tagungsbeiträge [auf obigen Kongress] mache das enorme Potenzial der
Versorgungsforschung in Deutschland sichtbar..." (a. a. O. A 2775)
Nach biotelem
Denken schlage ich den flächendenkenden Einsatz einer Audio-Video-Überwachung
in allen Bereichen mit Abhängigen (Erziehung, Strafvollzug, Pflege) vor; wobei
die Auswertung unter Anonymisierung der Datenzuordnung in Stichproben und auf
besonderen Verdacht hin durch geeignete Personen, wobei wiederum zwei
unabhängige Beobachter zu fordern sind, insbesondere wenn es um Konsequenzen
und Entschlüsselung der Personendaten geht. Allein schon die Möglichkeit einer
Kontrolle könnte sich segensreich auswirken. Freiheit, die ich meine!
Übrigens, um Mißverständnissen vorzubeugen: Auch ich habe natürlich begriffen, daß Felix Ekardt unter "Substantiierung" meistens das Festlegen im Detail meint; aber die Detaillierung beginnt m. E. bei ihm viel zu früh; wie eine Ernteabsicht ohne vorausgehende Saat und ohne Beachtung der alles korrumpierenden "Schädlinge". In der ärztlichen Praxis ist der allgegenwärtige Einbruch der Korruption jedenfalls registriert worden. Im Brief von Dr. med. Wolfgang Schwinzer, Bad Sachsa wird der beschränkte Aktionsradius der Antikorruptionsstellen der kassenärztlichen Vereinigungen gerügt. (a. a. O. A2779) Die künstliche Bedarfserweiterung im Einzel- und Gruppeninteresse betrifft nicht nur die Wissenschaften, sondern auch die (Pharma-)Industrie, insoweit sie über Scheininnova-tionen eine Absatzsteigerung forciert (Jachertz/Gerst, a. a. O. A 2775).
Jachertz und Gerste sind es auch die vom oben erwähnten Kongreß eine weitere Fehlentwicklung berichten, die aus der allgemeinen Akademisierung unter künstlicher Ausbildungsverlängerung herrühren, motiviert nicht zuletzt durch das Streben nach höherem Sozialprestige (meine Zusätze): die steigende Anzahl von Krankenhausärzte und ein Rückgang beim Pflegepersonal (Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik, Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Witten/Herdecke, a. a. O. A 2775). Unter einer biotelen Ordnung wäre der Pflegenotstand leicht behoben, da bei obligater Frühberentung – als Hebel zur Vollbeschäftigung – genügend sozial motivierte Helfer mit einiger Lebenserfahrung die Lücken schließen dürften, von denen viele auch dazu bereit wären, sich hierfür einer Spezialausbildung noch zu unterziehen. Ich verdränge aus meiner dörflichen Kindheit nicht die Erinnerung an eine liebenswürdige Dame, eine Frau Martin (der Name erinnert schon an den Heiligen, der seinen Mantel teilte, wie auf dem Freiburger Martinstor dargestellt), die immer mit ihrem Teekännchen unterwegs war, um helfend einzuspringen, wenn irgendjemand erkrankt war. Es ist ja auch inzwischen wieder recht ruhig geworden, um das Schlagwort einer Umwandlung von der Industrie- zur sog. Dienstleistungsgesellschaft als rettender Anker gegen Arbeitslosigkeit; schließlich geht mit einer derartigen Professionalisierung aller mitmenschlichen Beziehungen der letzte Rest wirklicher Freiheit baden. Beliebt mache ich mich nicht mit meinem Aufmucken gegen akademische Scheinbeschäftigung (im Zuge der freien Berufswahl), die zur Bevormundung der Bürger tendiert.
Deshalb vielleicht der schier unüberwindliche Sperrfeuergürtel
gegen die "Neo-Konservativen", insofern sie sich dem zweifelhaft oder
bereits anrüchigen Neuen und dem "Fortschritt" (der Vernichtung von
Natur und Kultur) entgegenstemmen. Würde und Freiheit scheinen bei E.
selbstverständlich zusammenzustehen, aber Freiheit ist auch Freiheit zum Bösen,
zur Delinquenz, ja hat des Böse erst geboren: das fällt in diesem Buch fast
unter den Tisch (Vgl. Rüdiger Safranski: "Das Böse oder das Drama der
Freiheit", Fischer Taschenbücher Bd.14298, Fischer Verlag.1999); mit der
Erhöhung des Freiheitsradius des Menschen wuchs die Zerstörung; die Rückbindung
der Freiheit an Würde, die doch - insbesondere bei E. - an jede Einzelperson
gebunden ist und so oft schon von Einzelpersonen sogar sich selbst gegenüber in
Frage gestellt wird (und Selbstzerstörung ist ja auch bei E. in das freie
Ermessen gestellt) rettet da wenig, auch wenn man die Achtung der Würde
gesetzlich vom Kreis der Staatsorgane auf den Verkehr aller Menschen
untereinander erweitert - für zivilisierte Menschen schon immer eine,
wenigstens moralische, Selbstverständlichkeit, zumindest außerhalb von
Kriegszeiten - , die deshalb auch oft auch unbewußt herbeigewünscht werden, um
auch von dieser Schranke noch frei zu kommen (Martin Creveld, Die Zukunft des
Krieges, deutsch 1998, Gerling Akademie Verlag). Die mehrfache Erwähnung
des "guten Lebens", das zu wählen frei bleiben soll, und das Angebot
von staatlichen "Spielregeln" stehen vor den Gefahren auch aus der
Freiheit blaß da. Ein Abstellen der Rechtsordnung auf Freiheit ohne deren
Einbindung in ein weiterreichendes Grundpflichten- und Grundrechte-Ensemble
unter Verpflichtung zur Lebenserhaltung würde uns zurückwerfen. Die
Wirklichkeit ist stärker als (frei gewählte oder im Diskurs festgelegte)
moralische Grundsätze einschließlich der Freiheit der Wahl eines
"guten Lebens".
Kaum habe ich mich entschlossen, nur noch Eier von Freilandhühnern zu kaufen,
und schon bedroht uns die Vogelgrippe! Wie muß es Muslimen gegangen sein, als
die Rinderwahnsinn ausbrach, und wir Ungläubigen nun Schweinefleisch essen
durften?! Dank Trichinenschau sogar mit geringerem Risiko. (Die Mehrzahl der
Muslime hat die Warnungen mißachtet.) Für mich war von Interesse, wie doch über
die Rubrik der "Voraussetzungen" der Freiheit, die anderen biotelen
Aspekte so in nähere Beziehung zu dem der AUTONOMIE gebracht werden
können; ganz vergessen wurde keiner, nur eben das Ziel der dynamischen
Stabilität selbst bewußt aufgegeben; es taucht gerade noch als
Zukunftsrecht auf Klimastabilität als essentielle Freiheitsvoraussetzung
auf, und das ist ein ausgesprochen labiles Beispiel. Das Versprechen der
Gewährung allein schon der essentiellen Freiheitsvoraussetzungen, wie Nahrung,
reine Luft und Klimastabilität für jeden künftigen Menschen, würde den Abschied
vom Ziel der maximalen individuellen Freiheit beinhalten. Ein noch so
"gutes Leben", noch so sorgsamer Umgang mit den Ressourcen kann
sie nämlich unter Gewährung freier Fortpflanzung auf dem beschränkten
Raum der Erde eben nicht wirklich sicher stellen. Diejenigen, die sich die
Freiheit nehmen, sich tüchtig fortzupflanzen, sind nämlich nicht dieselben, die
in der Lage und unter den Voraussetzungen garantierter Freiheitsrechte willens
wären, die Zivilisation zu tragen, welche die notwendigen Lebensvoraussetzungen
für Menschenmassen schafft.
Nach der Tsunami-Katastrophe, die Hurrikans in den
USA bis Mexiko schreibt die Berliner Morgenpost, 21.Oktober 2005:
"Schon 48 000 Tote, Lage ..im pakistanischen Erdbebengebiet..
immer dramatischer... etwa 67 000 Menschen seien schwer verletzt..".
Müßten dann nicht
mindestens eine Milliarde Menschen aus Japan, aus dem Iran usw. bei uns in
Mitteleuropa aufgenommen werden, um ihnen gleiche Freiheitsrechte (in
Abwandlung der Forderung nach "Klimastabilität") zu
sichern? Im biotelen System wird hier der Aspekt des AUSGLEICHS
angesprochen, also die Verpflichtung zu Leistungen gegenüber von der Natur
"klimatisch" (geographisch) benachteiligter Kollektive, als
Hilfstruppe würde die Weltpolizei tätig, zunächst und hauptsächlich die örtlich
stationierte aus dem zuständigen Block. Haben wir aber alle die gleiche Kultur,
die gleichen Lebensgewohnheiten und sprechen dieselbe Sprache, wie die
derzeitig herrschenden Intellektuellen und Industriellen es im "Prozeß der
Globalisierung" anstreben, so hält Heimatliebe die Menschen nicht auf
bedrohter Scholle fest; es setzt sich dann die Völkerwanderung in nie gekanntem
Ausmaß fort. Ein Sieg für die Natur, für den Frieden???
"Sofern die politische Steuerung - national oder global- präzise
ausfällt und auf alle Bürger gleichermaßen angewandt wird, wird zudem die
Akzeptanz bei den Bürgern selbst für harte Einschnitte wachsen. Wenn
Unternehmen z. B. wissen, daß weltweit die gleichen Standards gelten, wird dies
ihren Widerstand zumindest verringern." (a. a. O. S.229)
Aber doch nur,
wenn diese Standards auch wirklich kontrolliert global durchgesetzt werden; und
in diesem Falle haben sie ja auch keine andere Wahl mehr. Die Forderung,
Mitmenschen nur als "andere Menschen" (oder "der andere
Mensch") und nicht nach ihrer kulturellen oder sonstigen Nähe zu uns, zu
behandeln, mag für Aktionäre, für Geldleute (pecunia non olet, Geld stinkt
nicht, soll bekanntlich Nero gesagt haben, als er in Rom Toilettengebühren
einführte), selbstverständlich sein, ist aber darüber hinaus eine solche des
illusionär-utopischen internationalen Sozialismus neuerdings im Bunde mit dem
Kapitalismus, von dem sich doch E. an mehreren Stellen abzugrenzen behauptet.
Der Mensch ist ursprünglich ein Herdentier; das Kind bedarf der Geborgenheit
der Familie, der Bürger diejenige seines Volkes und Staats. Wenn Vernunft
bedeutet, Wertungsfragen mit Gründen
zu entscheiden, so muss an eine bewährte und sich weiter bewährende Wertskala
angeknüpft werden, was mit Biotelie versucht wird. Dabei muss das Rad nicht neu
erfunden werden; weshalb große Teile jüngster Wissenschaften wieder
zurückgeschnitten werden müssen, da sie mehr für Verwirrung als für Nutzen
sorgen.
Während die biotele Konstitutionelle Demokratie, den Einfluß der
lebenstragenden Vernunft und das Vetorecht des von einer von den
Fachleuten und Gebildeteren als vernünftig bestätigten biotelen
Gesetzgebungsteiles zementieren soll und damit ein Garant der Freiheit
werden könnte, ist die heutige wissenschaftsberatene liberale Demokratie, von
der Bürgermehrheit nur noch aus Verlegenheit und unter Täuschung durch den
Parteienstaat gestützt, in der Sackgasse und es droht sich der Satz zu
bewahrheiten:
"Nun ist die nur empirische Glücksfrage zwar kein Gerechtigkeitskriterium.
Doch zumindest rein faktisch werden Menschen einen Staat, der ihnen Unglück
bereitet, auf Dauer abschaffen" (a. a. O. S.77)
Wirklich weitergeholfen hat Felix Ekardt der Nachhaltigkeit m.
E. also wenig, wenn ich die Dringlichkeit akuter Gegenmaßnahmen gegen den
Zerfall in Betracht ziehe, die er ja nicht bestreitet. Reden und Handeln sind
halt doch zwei Paar Stiefel. Meiner Meinung scheint auch Achim Brosch in
der Südwestpresse vom 11.05.05 zu sein, der unter der Rubrik "Das politische
Buch" schreibt:
"Idee vom Weltstaat. Der Jurist Felix Ekardt,... Juniorprofessor für
Umweltrecht..., versucht, eine liberale Gesellschaftsordnung zu
begründen, die den Fortbestand des Planeten sichert und weltweite Gerechtigkeit
schafft.."
A. Brosch (nicht E.!) führt den Begriff
Nachhaltigkeit auf seine biologische Wurzel in der Forstwirtschaft vor
200 Jahren zurück, wobei es um eine Einschlagsbegrenzung ging, die sich am
jeweiligen Nachwuchs orientiert. Von "Überschwang" und
"Optimismus" des Autors ist die Rede. "Wenn es allerdings
wirklich eines Weltstaates bedarf, um das Überleben der Menschheit zu sichern,
so ist Ekardts Analyse vielleicht auch ein zutiefst pessimistisches
Untergangsszenario", meint Brosch.
Nun räume ich ja ein, daß die Universität Bremen traditionell ein extrem
linkes Gesinnungsklima pflegt: dennoch bleibt es ein weiteres Armutszeugnis,
daß wiederum kein Versuch gestartet wurde, via Internet eine Überprüfung der
Tauglichkeit des biotelen Instrumentariums auf den Weg zu bringen.
Wie kann man künftigen Generationen großzügig reine Atemluft versprechen, wenn
die Möglichkeiten der Freiheit nicht einmal so weit ausreichen, konkrete
Vorschläge aus dem heutigen Problemfeld auf ihre Nachhaltigkeitswirkung hin
nach einem unabhängigen Verfahren zu überprüfen, das ja offenbar - schon in
puncto Unparteilichkeit - benötig würde und anderwärts noch nicht zur
Verfügung steht?
Die von E. (typischer Weise?) nicht erwähnte Delphi-Methode, welche im Diskurs
wenigstens die autoritativen Abhängigkeiten schwächt, indem die Teilnehmer die
Diskursbeiträge anonymisiert zur Kenntnis nehmen, ist ein kleiner Schrift in
die richtige Richtung zum Ausschluß von sachfremden Motivationen, d. h. zur
Unparteilichkeit, die für E. so selbstverständlich ist wie sie fehlt. Ich räume
ein, daß Umweltrecht kein Hauptfach ist und daß heutige Studenten in geistigem
Fortschritt keinen ausreichenden Anreiz sehen. Ausschlaggebender ist aber die
Cliquenmentalität der Professoren, die allerdings hat Tradition, wenn auch keine
so starre wie heute.
"Doch erstens verpflichtet mich die Freiheit ja zu nichts. Unter anderem erlaubt die Freiheit den Bürgern jegliche private> Gemeinschaftsbildung<, wie sie etwa für die taiwanesische oder japanische liberale Demokratie typisch ist; der Staat darf lediglich die Individuen nicht zwingen, sich Kollektiven wie Familien, Sekten o. ä. unterzuordnen." (a. a. O. S.76)
Einen Zwang, sich der Familie unterzuordnen, hat der Staat in
jener Weltregion auch gar nicht nötig; denn der Familienzusammenhalt ist
dort gelebte Tradition; außerdem würde er sich damit seine eigene Kompetenz
beschneiden. Wenn es keine Pflicht gibt, seine Freiheit zur Erhaltung der
Kultur und der Menschheit einzusetzen; wie sollte es dann eine Veranlassung
geben, das biotele Gutachtenverfahren zu testen?
Hätte der nicht selber auch Professor werden können?, höre ich
sagen. Nicht so einfach; denn als ich mich um eine Lehrmöglichkeit auf dem
Gebiet der Sozialhygiene bemühte, da bot mir ein Ordinarius eine fachärztliche
Gutachtertätigkeit zu seiner eigenen Entlastung an; ein einziges ernstgemeintes
Angebot für die akademische Laufbahn am Studienende kam von dem Pathologen
Wilhelm Doerr (Berlin, Heidelberg), aber dagegen sprachen mein ästhetisches
Empfinden und meine Neigungen, die dem Lebendigen, der Biotelie galten. Aber
vermutlich hat meinen Erfahrungen mein ärztlicher Beruf wohlgetan; freilich –
und dies bedauere ich trotz kleiner Praxis vor allem im Hinblick auf einen
Einzelfall im Rückblick tief – nicht allen meinen Patienten.
"Die gleichen Freiheitsrechte als solche und die in ihnen enthaltenen
Entfaltungschancen müssen aber diskriminierungsfrei allen zustehen." (a.
a. O. S.184)
Der auch von E. in Frage gestellte parteipolitische Liberalismus
oder Neoliberalismus wird durch E.‘ „Neuen Liberalismus“ nicht gefährdet, da
letzterer höchstens auf höherer Ebene diskutiert wird.
So gilt weiterhin höchstenfalls noch:
http://www.eis-pl.de/Kontakt/Zitate
„Was bedeutet schon Geld? Ein Mensch ist erfolgreich, wenn er zwischen Aufstehen und Schlafengehen das tut, was ihm gefällt.“
Bob DYLAN (geb. am 24. Mai 1941 in Duluth, Minnesota, USA, eigentlich Robert Allen ZIMMERMANN, amerikanischer Musiker und Poet)
Politisch realistischer
aber noch gilt:
"Alle
Menschen sind gleich, manche aber sind noch gleicher" (ich meine, dieses
Zitat in Abwandlung aus "Die Farm der Tiere" von George Orwell.
bezogen zu haben.)